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Erregerbedingte Enzephalitis

Zusammenfassung

  • Definition:Durch eine Infektion ausgelöster entzündlicher Prozess im Gehirn, der von neurologischen Symptomen begleitet wird. Virale, bakterielle, parasitäre oder mykotische Ursache.
  • Häufigkeit:Gesamtinzidenz unklar. Virale Enzephalitiden sind häufiger als bakterielle (Meningo-)Enzephalitiden. Noch viel seltener beruhen Enzephalitiden auf einer Infektion mit Parasiten oder Pilzen. Die häufigste sporadische Virusenzephalitis in Mitteleuropa ist die Herpes-simplex-Enzephalitis (Inzidenz: 5/100.000).
  • Symptome:Akute Enzephalitis: Bewusstseinsstörungen, neurologische Herdsymptome, Fieber, evtl. Kopfschmerzen, Übelkeit. Evtl. mehrphasiger Verlauf mit unspezifischen Prodromi. Chronische Enzephalitis: Verlauf in 4vier Stadien:  Wesensänderungen, Myoklonien und Krampfanfällen, Dyskinesien, Dezerebrationsstarre.
  • Befunde:Evtl. typischer Haut- oder Schleimhautbefund als Zeichen der zugrunde liegenden Infektionskrankheit. Evtl. Zeichen einer meningealen Reizung (z. B. Nackensteife). Fokalneurologische Symptome, evtl. Hirnnervenausfälle, Persönlichkeitsveränderungen, kognitive Defizite.
  • Diagnostik:Anamnese und klinischer Befund, Liquoruntersuchung einschließlich mikrobiologischer Diagnostik, Bildgebung, evtl. EEG.
  • Therapie:Frühzeitige empirische Therapie mit Aciclovir intravenös bei allen Fällen schwerer, akuter Enzephalitis. Wenn eine bakterielle Meningitis/Meningoenzephalitis differenzialdiagnostisch nicht ausgeschlossen werden kann, sofortiger Beginn einer Antibiose. Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn vermindert das Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen und schwere Folgeschäden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-5
  • Eine erregerbedingte Enzephalitis ist ein durch eine Infektion ausgelöster entzündlicher Prozess im Gehirn, der von neurologischen Symptomen begleitet wird.6
  • Meist als Meningoenzephalitis
  • Bei einigen Infektionskrankheiten, z.  B. postinfektiös bei Influenza, auch als Enzephalomyelitis, d.  h. mit Rückenmarksbeteiligung
  • Nach Verlauf
    • akute Enzephalitis
    • chronische Enzephalitis
  • Nach Ätiologie
    • erregerbedingte (infektiöse) Enzephalitis
      • virale
      • bakterielle
      • parasitäre
      • mykotische
    • nichtinfektiöse (immunvermittelte) Enzephalitiden
  • Alle ZNS-Regionen können betroffen sein, z.  B. Großhirnhemisphären, Zerebellum (Zerebellitis), Hirnstamm.

Häufigkeit

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-5
  • Regional unterschiedliche Inzidenz mit endemischem oder sporadischem Auftreten
  • Variierendes Erregerspektrum
  • Größeren Untersuchungen zufolge liegt derDer Altersgipfel akuter erregerbedingter Enzephalitiden liegt zwischen 30 und 55 Jahren. 7-8

Virale (Meningo-)Enzephalitiden2-5,96

  • Häufiger als bakterielle Meningitiden/Meningoenzephalitiden2
  • Während die – meist blande verlaufende – virale Meningitis die häufigste entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems ist (Inzidenz ca. 10–20/10.000), sind akute erregerbedingte Enzephalitiden insgesamt relativ selten.1,5
    • Die häufigste sporadische Virusenzephalitis in Mitteleuropa ist die Herpes-simplex-Enzephalitis.1-2
      • Inzidenz: 5/100.000 EinwohnerEinw./Jahr5
      • 12–44  % der erregerbedingten Enzephalitiden in europäischen Studien7-8,10-11
      • 95  % der Fälle durch HSV-1, 5  % durch HSV-2
      • HSV-2 bei immunkompromittierten Patient*innen und bei Neugeborenen häufiger
    • Varizella-Zoster-Virus (VZV)
      • Komplikationen des Zentralnervensystems insgesamt: 1/1.000 Erkrankungen12
      • Es sind derzeit keine verlässlichen Aussagen zur Inzidenz der VZV-Enzephalitis möglich (Stand Juni 2017). Es gibt jedoch Hinweise, dass diese im Erwachsenenalter vergleichbar hoch ist wie die der HSV-Enzephalitis.117
    • Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zählt ebenfalls zu den häufigeren viralen Enzephalitiden in Deutschland.
      • Im Jahr 20152020 wurden 22397 FSM-Enzephalitis-Fälle gemeldet (ca. 1,2,7/1.000.000).138
    • Röteln-Virusvirus-assoziierte Enzephalitis
      • 1/24.000 der Röteln-Erkrankungen2
    • Masern
      • akute postinfektiöse Enzephalitis: ca. 1/1.000 Masernfälle
      • subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE): 7 4–11/100.000 Masernfälle149
      • SSPE tritt praktisch nur im Kindes- und Jugendalter auf.
    • Mumps1510
      • Enzephalitis in <  1  % der Mumpsfälle
      • eine der schwersten Komplikationen im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten im Kindesalter
      • Mortalität bei Mumps-Enzephalitis ca. 1,5  %
    • Rabies (Tollwut)2
      • weltweit 35.000–100.000 Todesfälle
      • enzephalitische Form in 80  % der Erkrankungsfälle
      • In Deutschland wurden dank erfolgreicher Prävention seit über 10 Jahren keine Infektionen von Füchsen oder Haustieren mehr festgestellt.
      • weiterhin Tollwutviren in einheimischen Fledermäusen
      • vereinzelte Fälle bei Fernreisenden, z.  B. Indien und Nordafrika
    • Enteroviren
      • in europäischen StudienEuropa 3‒4  % der erregerbedingten Enzephalitiden7-8
  • Bei Neugeborenen
    • Die meisten neonatalen HSV-Infektionen werden durch eine Herpes-genitalis-Erkrankung der Mutter während der Geburt verursacht.
      • Etwa 30  % der Neugeborenen mit HSV-Infektion entwickeln eine akute erregerbedingte Enzephalitis.
      • Die Viren gelangen entweder über die Blutbahn oder retrograd entlang des N. olfactorius ins Zentralnervensystem.16
  • Bei Kindern <  1 Jahr
    • Im Vergleich zu anderen Altersgruppen scheint eine akute erregerbedingte Enzephalitis bei Kindern unter 1 Jahr besonders häufig vorzukommen.
      • Eine US-amerikanische retrospektive Studie aus den Jahren 1988‒1997 an fast 19.000 mit akuter erregerbedingter Enzephalitis stationär aufgenommenen Patient*innen hat gezeigt, dass die Häufigkeit in dieser Altersgruppe am höchsten war.17
  • Bei Erwachsenen
    • In einer Fallkontrollstudie an 191 erwachsenen Patient*innen, die in den Jahren 2007–2014 wegen einer nichtbakteriellen („aseptischen“) Meningitis und/oder Enzephalitis am Klinikum der TU München behandelt worden waren, wurden in der Subgruppe der Patient*innen mit Enzephalitis oder Meningoenzephalitis folgende Erreger am häufigsten nachgewiesen:116

Bakterielle Meningoenzephalitis

  • Die häufigsten Erreger (Näheres siehe Artikel Bakterielle Meningitis)4
    • im Erwachsenenalter
      • Streptococcus pneumoniae
      • Neisseria meningitidis
      • Listeria monocytogenes (<  5  % der Fälle)
      • Staphylokokken (1–9  % der Fälle)
      • gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa (<  10  % der Fälle)
      • Haemophilus influenzae (1–3  %)
    • im Kindesalter
      • Pneumokokken
      • Meningokokken
    • bei Neugeborenen

Ätiologie und Pathogenese

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-5

Ätiologie7-8,10,18

Pathogenese der Enzephalitis1

  • Erreger gelangen in das Zentralnervensystem.
    • am häufigsten aus dem Blutkreislauf über die (evtl. entzündlich geschädigte) Blut-Hirn-Schranke (Neurotransmission des Erregers)
    • oder entlang 
      • der peripheren Nerven 
      • der Nervenwurzeln
      • des Nervus und Tractus olfactorius.
  • Die Erreger breiten sich in den Gehirnzellen (Neuronen und Glia) aus.
    • Je nach Erregertyp und Immunantwort kommt es zu mehr oder weniger ausgeprägter Zellschädigung mit Untergang von Neuronen oder Gliazellen.
      • Bei infektiöser Enzephalitis als unmittelbare Folge lytischer Virusreplikations-Zyklen oder durch zytotoxische Immunantwort des Organismus. Der Erreger ist zu diesem Zeitpunkt im Zentralnervensystem nachweisbar.
      • bei para- oder postinfektiöser Enzephalitis infolge einer Autoimmunantwort des Organismus auf die Infektion (z. B. mit Herpesviren)
  • HSV
    • Kann auf 3drei Arten ins Zentralnervensystem gelangen:20
      1. über den N. olfactorius oder N. trigeminus nach einer Primärinfektion im Oropharynx
      2. durch hämotogene Verbreitung bei einer Virämie nach einer Primärinfektion oder späteren Reaktivierung
      3. durch Reaktivierung eines latenten HSV im ZNS.
    • Sowohl virale als auch Wirtsmechanismen sind für die Schwere der Entzündung und der Gewebeschädigung im Hirnparenchym von Bedeutung.
      • Zytotoxische CD8-Zellen zersetzen HSV-infizierte Zellen.
    • Einzelfälle wurden nach Schutzimpfungen (CholeraPertussis) beobachtet.2
      • Ein Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Herpesenzephalitis auf immunpathogenetischer Basis („Hypersensitivity“) ist denkbar, aber nicht zweifelsfrei belegt.
  • VZV
    • akute erregerbedingte Enzephalitis durch Reaktivierung des latenten Virus in den Nervenganglien, vor allem im N. trigeminus21
  • Enteroviren
    • Gelangen vom terminalen Ileum in das Lymphgewebe und anschließend hämatogen in eine Reihe anderer Organe einschließlich ZNS.22

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • N71 Meningitis/Enzephalitis

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 202311

G04 Enzephalitis, Myelitis und Enzephalomyelitis

  • G04.0 Akute disseminierte Enzephalitis
  • G04.2 Bakterielle Meningoenzephalitis und Meningomyelitis, anderenorts nicht klassifiziert
  • G04.8 Sonstige Enzephalitis, Myelitis und Enzephalomyelitis
  • G04.9 Enzephalitis, Myelitis und Enzephalomyelitis, nicht näher bezeichnet
  • G05 Enzephalitis, Myelitis und Enzephalomyelitis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten

    • G05.0 Enzephalitis, Myelitis und Enzephalomyelitis bei andernorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
      • Listerien (A32.1)
      • konnatale Syphilis (A50.4)
      • Meningokokken (A39.8)
      • Spätsyphilis (A52.1)
      • tuberkulös (A17.8)
    • G05.1 Enzephalitis, Myelitis und Enzephalomyelitis bei anderenorts klassifizierten Viruskrankheiten
      • Adenoviren (A85.1)
      • Zytomegalieviren (B25.88)
      • Enteroviren (A85.0)
      • ZosterGrippe:
        • saisonal, Virus nachgewiesen (B02J10.08)
        • HerpesvirusVirus nicht nachgewiesen (J11.8)
        • zoonotisch oder pandemisch, Virus nachgewiesen (J09)
      • Herpesviren [Herpes simplex] (B00.4)
      • GrippeMasern (J10B05.8/J11.80)
      • Mumps (B26.2)
      • Masern (B05.0)
      • Röteln (B06.0)
      • Varizellen (B01.1)
    • Zoster (B02.0)
    • Zytomegalieviren (B25.88)
  • Diagnostik

    • Akute Enzephalitis5
      • Die rasche Entstehung eines Ödems führt früh zu Bewusstseinsstörungen.
      • Durch den erhöhten Hirndruck kann es zu einem schweren Verlauf kommen mit letalem Ausgang.
      • Eine frühe Diagnose und ein rascher Therapiebeginn sind ausschlaggebend für die Prognose.
    • Der diagnostische Nachweis einer erregerbedingten Enzephalitis stützt sich auf :2-45

    Diagnostische Kriterien

    Differenzialdiagnosen

    • Eine akute erregerbedingte Enzephalitis kann Symptome verursachen, die denen zahlreicher anderer internistischer und neurologischer Erkrankungen ähneln.

    Symptome und mögliche Erreger1-2,6

    Andere Infektionskrankheiten (Beispiele)

    Nicht oder nicht unmittelbar erregerbedingte Enzephalitis2

    • Autoimmunenzephalitiden (10–20  % der bislang ungeklärten meningoenzephalitischen Krankheitsbilder) z. B.:
      • akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
        • meist para-/postinfektiös oder postvakzinal
      • postinfektiösBeispiel: oderakute paraneoplastisch
        • Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis
        • Antikörperdisseminierte gegen spannungsabhängige KaliumkanäleEnzephalomyelitis (VGKC-AkADEM): z. B. limbische Enzephalitis.

    Andere ErkrankungenUrsachen

    Anamnese

    • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2-4
    • Fremdanamnese als wichtige Ergänzung, besonders bei bewusstseinsgetrübten Patient*innen
    • Typische Symptome einer Enzephalitis (siehe Abschnitt Diagnostische Kriterien)?
      • Bei einer akuten Meningoenzephalitis kommen zusätzlich Symptome einer Meningitis hinzu:
        • Kopfschmerzen (meist dumpf, drückend und ohne klar einzugrenzende Lokalisation)
        • Nackenschmerzen
        • Fieber
        • Meningismus
    • Fälle von übertragbaren Viruserkrankungen (z.  B. Mumps, Windpocken, Polio) in der Umgebung?
    • Insekten- oder Zeckenstiche? (z.  B. FSME, andere Arbovirus-Erkrankungen)
    • Tierkontakt? (s.  o.)
    • Frühere parasitäre Erkrankungen?
    • Erhöhtes Risiko für HIV-Infektion oder andere sexuell oder durch Blutkontakt übertragbare Infektionen? z.  B.:
    • Krankheitsbedingte oder therapeutische Immunsuppression? (z. B. CMV, JC-Virus, VZV, HHV-6, EBVHSV – weitere siehe Abschnitt Prädisponierende Faktoren
    • Auslandsaufenthalte? Migration? (siehe Abschnitt Ätiologie)
      • Auch an länger zurückliegende oder latente Infektionen denken, z.  B. Malaria!

    Klinische Untersuchung

    • Symptome einer Enzephalitis und/oder Meningitis? (siehe Abschnitt  Diagnostische Kriterien)
    • Symptome der Infektion mit einem potenziellen Enzephalitiserreger? (z.  B. typische Haut- oder Schleimhautläsionen, siehe Abschnitt Ätiologie
    • Neurologische Untersuchung
      • Meningeale Reizung?
        • Horizontale Erschütterungstests (schnelle Nein-Bewegungen) verschlimmern oft den Kopfschmerz.
        • Bei passiver Flexion im Nacken reagieren Patient*innen oft mit Nackenschmerzen und -starre.
        • Das Kernig-Zeichen ist positiv, wenn eine Extension im Knie in Rückenlage zu Nacken-/Rückenschmerzen und einem Widerstand führt.
        • Das Brudzinski-Zeichen ist positiv, wenn eine Flexion im Nacken in Rückenlage zu einer unfreiwilligen Flexion in den Hüften führt.
      • Fokalzeichen? z.  B.:
        • Augenbewegungsstörungen?
        • , Nystagmus?
        • Sehen, Hören, Riechen, Schmecken beeinträchtigt?
        • Sensible und/oder motorische Ausfälle?
        • Hirnnerven- und Muskeleigenreflexe?
        • Pathologische Reflexe? z.  B. Babinski-Zeichen
        • Aphasie?
        • Apraxie?
        • Myoklonien?
        • Parkinson-Syndrom?
      • Augenhintergrund
        • Hirndruckzeichen? (Stauungspapille)
        • Retinitis?
    • Atmung
      • Frequenz
      • Atemmuster
      • Zyanose?
    • Durchblutung
      • Herzfrequenz
      • Blutdruck
      • kapilläre Füllung
    • Temperatur
      • Die Mehrzahl der Patient*innen mit akuter erregerbedingter Enzephalitis weist Fieber auf.
    • Thoraxröntgen
    • Gastrointestinale Abklärung (Morbus Whipple?)3
    • Evtl. detaillierte tropenmedizinische Abklärung
    • Evtl. Abklärung einer möglichen Immunsuppressionssituation (z. B. CD4-T-Zellzahl bei HIV-Infektion)

    Ergänzende Untersuchungen im Krankenhaus

    • Bei Verdacht auf akute Enzephalitis sollten die Patient*innen zur sofortigen Behandlung an das nächstgelegene Krankhaus überwiesen werden.
    • Bei Transportzeiten von mehr als 30 Minuten und in Fällen, in denen eine akute bakterielle Meningitis nicht ausgeschlossen werden kann:
      • Blutkultur abnehmen und ggf. sofort mit der Behandlung beginnen (Dexamethason 10 mg und Antibiotika i. v.; Näheres siehe Artikel Bakterielle Meningitis)4
      • Venöses Blut in einer Spritze wird auf dem Transport für weitere mikrobiologische Untersuchungen mitgeführt.

    Blutuntersuchungen2,4

    • Evtl. Basislabor (bei unklarem Krankheitsbild evtl. noch in der Hausarztpraxis)
    • Alle weiteren Untersuchungen erfolgen stationär eine virale Infektion des Zentralnervensystems sprechen:
      • relative Lymphozytose bei normalen, leicht erhöhten oder sogar erniedrigen Gesamtleukozyten
      • normales Procalcitonin (immer unter 0,5 ng/ml)
    • Bakterielle Infektion des Zentralnervensystems
    • Meist erbringen die übrigen Blutwerte normale oder nicht richtungsweisende Befunde.
      • So kann das CRP auch bei akuten viralen Infektionen des Zentralnervensystems moderat ansteigen, erreicht aber selten Werte über 50 mg/l.
      • Bei bakterieller Meningitis ist das CRP in der Regel erhöht (mögliche Ausnahme: immunsupprimierte Patient*innen).
    • Bei erhöhtem CRP und/oder Procalcitonin und/oder weiteren Hinweisen auf bakterielle Genese
      • Blutkultur
        • bei Erregernachweis oder weiter bestehendem Verdacht auf bakterielle Genese: weiteres diagnostisches Vorgehen siehe Artikel Bakterielle Meningitis
    • Bei Verdacht auf nichtbakterielle erregerbedingte Enzephalitis
      • serologische Diagnostik je nach klinischer Symptomatik, Umgebungsfällen, Reiseanamnese und Immunstatus (s. o.)

    LumbalpunktionLiquordiagnostik

    • Die wichtigsteWichtigste Untersuchung, sollteerfolgt sofort bei Verdacht auf akute erregerbedingte Enzephalitis bei fehlenden Hirndruckzeichen (Bildgebung!) sofort durchgeführt werdenKrankenhaus-Notaufnahme.27
    • Kontraindikationen1
      • intrakranielle Drucksteigerung
        • Die plötzliche Druckentlastung kann eine Einklemmung des Hirnstamms im Tentoriumschlitz oder Hinterhauptsloch
          auslösen.
        • Der Lumbalpunktion muss deshalb in der Regel eine zerebrale Bildgebung vorangehen.
        • Die Spiegelung des Augenhintergrunds reicht nicht aus, da große raumfordernde Läsionen auch ohne Stauungspapille vorkommen.
      • Gerinnungsstörungen
      • Entzündungen/Infektionen der Haut oder Muskulatur im Bereich der Punktion
    • Typische Befunde bei akuter erregerbedingter (Meningo-)Enzephalitis2
      • erhöhter Liquordruck
      • In den ersten 4–48 Stunden besteht häufig eine Misch-Pleozytose (25–1.000 Zellen/µl) mit Lympho-, Mono- und Granulozyten, die dann in ein lymphozytäres Zellbild übergeht.
      • keine oder nur leichte Blut-Liquor-Schrankenstörung
      • Gesamtprotein und Laktat sind normal (Virusmeningitis) oder nur gering erhöht (Virusenzephalitis: Laktat immer ≤ 4,0 mmol/l).
      • konstant normaler Glukosegehalt6
    • Typische Befunde bei bakterieller Meningitis/Meningoenzephalitis4
      • eitrig-trüber Liquor 
      • granulozytäre Pleozytose über 1.000 Zellen/µl
      • schwere Blut-Liquor-Schrankenstörung
      • Glukose niedrig (meist < 30 mg/dl [< 1,7 mmol/l]; Liquor-/Serum-Glukose-Quotient < 0,3)
      • Laktat erhöht (> 3,5 mmol/l)
      • Gesamtprotein erhöht (> 100 mg/dl)
      • Bei Patient*innen mit extrem niedrigen Liquorglukose-Konzentrationen (< 5 mg/dl) findet sich häufig eine hohe Zahl von Bakterien im Liquor.
      • Näheres im Artikel Bakterielle Meningitis
    • Intrathekale Immunglobulin-Synthese2
      • Ist bei der Virusmeningitis nie und bei der akuten Virusenzephalitis in der Initialphase noch nicht zu erwarten.
        • Besonders bei Enzephalitiden durch HSV, VZV, CMV und FSME entwickelt sie sich erst innerhalb der ersten Krankheitswochen (> 10 Tagen).
        • Dasselbe trifft für die intrathekale Produktion erregerspezifischer
          Antikörper zu, die über den Antikörperindex (AI) bestimmt werden: AI = (Antikörper im Liquor) x (Serum-IgG)/(Liquor-IgG) x (Antikörper im Serum).
      • Bei chronischen Virusenzephalitiden ist hingegen oft eine intrathekale Immunglobulin-Synthese einschließlich der Produktion erregerspezifischer Antikörper (AI > 1,5) vorhanden.
      • Bei bakteriellen Meningitiden/Meningoenzephalitiden kann im Verlauf eine intrathekale Produktion von IgA und IgG (bei viralen Enzephalitiden nur IgG) nachgewiesen werden.4
    • Mikrobiologische Diagnostik
      • Die exakte Identifizierung des Erregers gelingt bei ca. 40  % der Patient*innen mit Enzephalitis-Verdacht.
      • bei HSV-Enzephalitis (Erwachsene): Sensitivität 96‒98 %, Spezifität 65‒99 %28, Sensitivität bei Neugeborenen und Kleinkindern: 75‒100 %29
      • zunehmende Zahl (10–20  %) mit fehlendem Erregernachweis und Zeichen einer autoimmunen Genese (akute disseminierte Enzephalomyelitis)
      • Folgende Nachweisverfahren stehen zur Verfügung:
        • direkter Nachweis viraler DNA oder RNA mittels PCR
        • kosteneffiziente Point-of-Care-Tests (Entero-Viren)
        • Nachweis von erregerspezifischen IgM-Antikörpern in Liquor und/oder Serum mittels IgM ELISA (z. B. West-Nil-Virus-Enzephalitis)
        • Nachweis der intrathekalen Produktion erregerspezifischer Antikörper (Ermittlung des AI, s. o.)
        • Der direkte Erregernachweis mittels kultureller Verfahren aus Körperflüssigkeiten, Abstrichen oder bioptisch gewonnenem Hirnmaterial spielt für die klinische Praxis keine Rolle mehr.

    Bildgebung und EEG

    • BeiEine kranielle Bildgebung erfolgt bei den meisten Patient*innen vor der Lumbalpunktion zum Ausschluss eines erhöhten intrazerebralen Drucks.
    • Die MRT mit Kontrastmittel ist bei akuter erregerbedingter Enzephalitis sensitiver und spezifischer als die CT.30 Damit können in der Regel früher erfasst werden:
      • krankheitstypische Verteilungsmuster des entzündlichen Prozesses
        • Bilaterale Kontrastmittelanreicherung in den Temporallappen ist bei HSV-Enzephalitis nahezu pathognomonisch.312
        • asymmetrischer Stammganglienbefall oft bei Arboviren (z. B. FSME, japanische Enzephalitis)
      • raumfordernde oder andersartige entzündliche Prozesse, z. B.:
    • Die CT ist für die frühe Diagnose unzureichend und hat lediglich einen Stellenwert als Screening-Test.2

    Elektroenzephalogramm (EEG)2

    • Radermecker-Komplexe bei chronischen Enzephalitiden (früher „Slow-Virus-Krankheiten“) pathognomonisch
    • In über 80 % der HSV-Enzephalitiden temporale epileptiforme Herde mit periodischer lateralisierender Aktivität (temporale periodische paroxysmale Dysrhythmie, PLEDS)
      • typischerweise von Tag 2‒14 nach Auftreten der Symptome
    • Bei Kindern23
      • zur Detektion subklinischer Krampfaktivität und eines möglichen nonkonvulsiven Status epilepticus
      • zur Abgrenzung organischer Erkrankungen gegen Enzephalopathie-ähnliche Symptome anderer Ursachen (z. B. durch psychische Erkrankungen)
    • Ein normales EEG beikann nachgewiesenerzusätzliche Enzephalitisdifferenzialdiagnostische weistHinweise möglicherweise auf eine günstigere Prognose hinliefern.
      • Zum Erkrankungsbeginn schließt ein normales EEG das Vorliegen einer Enzephalitis jedoch nicht aus.

    Indikationen zur Klinikeinweisung

    • Bei Verdacht auf eine akute erregerbedingte (Meningo-)Enzephalitis sollten Sie die Patient*innen zur sofortigen Behandlung in die nächstgelegene neurologische Akutklinik einweisen.
      • Patient*innen mit akuter Enzephalitis sollten auf der Intensivstation behandelt werden.2

    Therapie

    • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-5

    Therapieziele

    • Symptome lindern.
      • Gegen viele Enzephalitiserreger gibt es keine kausale Therapie. Dann ist die Behandlung überwiegend symptomatisch.
      • Die blande Virusmeningitis soll symptomatisch antipyretisch und analgetisch behandelt werden.2
    • Komplikationen und Folgeerkrankungen verhindern.
    • Ggf. Restitution neurologischer Funktionen

    Erstmaßnahmen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes

    Bei Bewusstlosigkeit

    • Für freie Atemwege sorgen und Aspiration verhindern.
    • Stabile Seitenlage
    • Enge Kleidung rund um den Hals, die Brust und den Bauch lockern.

    Weitere Sofortmaßnahmen

    • Bei Ateminsuffizienz Sauerstoff
    • Beine hochlagern, wenn der Blutdruck niedrig ist.
    • Venöser Zugang, bei Hypovolämie Flüssigkeitszufuhr (näheres siehe Artikel Schock)
    • Die betroffene Person sollte nicht essen oder trinken.
    • Bei Verdacht auf Hypoglykämie: Glukose, bei Bewusstlosigkeit i. v.

    Bei Verdacht auf akute Meningitis

    • Bei Transportzeiten von mehr als 30 min und in Fällen, in denen eine akute bakterielle Meningitis nicht ausgeschlossen werden kann:
      • Blutkultur abnehmen und ggf. sofort mit der Behandlung beginnen (Dexamethason 10 mg und Antibiotika i. v.; Näheres siehe Artikel Bakterielle Meningitis).4
      • Venöses Blut in einer Spritze wird auf dem Transport für weitere mikrobiologische Untersuchungen mitgeführt.

    Therapie im Krankenhaus

    • Die Behandlung einer akuten Enzephalitis im Krankenhaus basiert häufig auf dem Verdacht einer Infektion des Zentralnervensystems, bei der eine akute bakterielle Meningitis nicht ausgeschlossen werden kann.
    • Viele Patient*innen mit akuter erregerbedingter Enzephalitis erhalten daher zunächst auf Verdacht eine Behandlung wie bei einer akuten bakteriellen Meningitis oder wie bei einer akuten HSV-Enzephalitis (s. u.)
      • Bei entsprechendem Verdacht ist sofort und ohne den Erregernachweis abzuwarten die i.  v. Gabe von Antibiotika oder Aciclovir sowie ggf. Dexamethason notwendig.

    Leitlinie: Allgemeine Therapieprinzipien2

    • Bei Verdacht auf eine Enzephalitis durch Viren der Herpesgruppe (besonders HSV, VZV), der in der Frühphase bei allen schweren Enzephalitiden gegeben ist, sollte ohne zeitlichen Verzug ein Antiherpetikum (in der Regel Aciclovir) verabreicht werden.
      • Andere Virusenzephalitiden sind nach dem Erregernachweis entsprechend den Empfehlungen spezifisch zu behandeln.
    • Ist eine bakterielle Erkrankung des Zentralnervensystems differenzialdiagnostisch nicht sicher auszuschließen, wird empfohlen, zunächst zusätzlich Antibiotika zu geben (z.  B. Cephalosporine der Gruppe 3 plus Ampicillin; cave: Listerien-Meningoenzephalitis!).
    • Die passive Immunisierung mit Hyperimmunseren ist bei der FSME nicht indiziert und wird auf andere ungewöhnliche Erreger beschränkt bleiben (z.  B. bei Rabies-Verdacht unmittelbar nach der Exposition oder wenn die Übertragung einer schweren Virusinfektion aus epidemiologischen oder sonstigen Gründen naheliegt).
    • Die empfohlenen allgemeinen Therapiemaßnahmen sind bei allen schwer verlaufenden Enzephalitiden gleich.
      • Hirnödembehandlung
        • Osmotherapeutika
        • Der therapeutische Effekt der Entlastungstrepanation ist bisher nicht gesichert.
      • Glukokortikoide?
        • Wurden analog zu ihrem Einsatz bei der Pneumokokken-Meningitis und der HSVE durch randomisiert kontrollierte Studien geprüft.
        • Als Einzelfallentscheidungen werden bei kritischen Anstiegen des intrakraniellen Drucks höhere Glukokortikoid-Dosen eingesetzt.
      • Antikonvulsive Therapie?
      • evtl. Analgetika und Sedativa
        • Cave: Senkung der Krampfschwelle durch Neuroleptika (z.  B. Haloperidol, Melperon, Olanzapin)!
      • Thrombose- und Lungenembolie-Prophylaxe
        • niedrig dosiertes subkutanes Heparin bei allen bettlägrigen Patient*innen
      • symptomatische Therapie bei:
        • vegetativen Entgleisungen
        • Temperatur- und Atemstörungen
        • Salzverlustsyndrom
        • Diabetes insipidus.
      • Auf eine ausreichende Ernährung und ein optimales Temperatur-Management ist besonderer Wert zu legen.

    Spezielle Therapie2-3,6

    • HSV-Enzephalitis
      • Aciclovir i.  v. 3  x  10  mg/kg  KG für mindestens 14 Tage
      • Wenn die HSV-PCR im Liquor negativ ist, der klinische Verdacht fortbesteht und es nicht gelingt, eine andere Krankheitsursache zu finden, soll die Aciclovir-Therapie mindestens 10 Tage lang durchgeführt werden.
    • VZV-Enzephalitis
      • 1. Wahl: Aciclovir i.  v. 3  x  10  mg/kg über 10‒14 Tage
      • alternativ: Brivudin 15 mg/kg KG
        • Cave: Die gleichzeitige Gabe von Fluorouracil oder verwandten
          Substanzen ist kontraindiziert!
      • bei Aciclovir-Resistenz: Foscarnet
    • Enteroviren
      • keine gezielte Behandlung, nur unterstützende Maßnahmen
    • CMV-Enzephalitis
      • 1. Wahl: Ganciclovir 5  mg/kg  KG alle 12  h i.  v.
        • In den ersten 3 Wochen der Behandlung wird die zusätzliche Gabe von Foscarnet (60  mg/kg alle 8  h oder 90  mg i. v. alle 12  h) empfohlen.
        • anschließend Ganciclovir als Monotherapie, bei immunologisch kompetenten Personen über 3 Wochen und bei immunologisch kompromittierten Patient*innen über 6 Wochen
      • alternativ: Valganciclovir oral (2 x 900 mg/d über 3 Wochen, später 1 x 900 mg/d)
        • wirksam bei CMV-Retinitis
        • Für die Anwendung bei CMV-Enzephalitis liegen keine Studien vor.
      • Mittel der 2. Wahl: Cidofovir 5 mg/kg KG i. v. 1 x pro Woche
        • Zu verabfolgen mit Probenecid 2 g 3 h vor und 2 sowie 8 h nach der Infusion.
        • Kann auch bei Ganciclovir-Resistenz wirksam sein.
        • Gilt als karzino- und mutagen.
        • hohe Ansprechrate bei Chorioretinitis, bei den anderen Manifestationen der CMV-Infektion keine zuverlässigen Wirksamkeitsbelege
      • bei CMV-Infektionen im Rahmen einer AIDS-Erkrankung
        • Erhaltungstherapie mit Ganciclovir 5 mg/kg KG i. v. an 5–7 Tagen/Woche oder Foscarnet 90 mg/d i. v.
        • Falls unter HAART die Zahl der CD4-Zellen für 6 Monate > 100/mmverbleiben, kann die Chemotherapie beendet werden.
    • EBV-Enzephalitis
      • keine eindeutigekausale BehandlungsempfehlungTherapie möglich
        • Therapieversuche wurden sowohl bei Immunkompetenten als auch
          Immunsupprimierten vor allem mit Aciclovir oder Valaciclovir unternommen, meist in Kombination mit einer hochdosierten Kortikoidgabe.verfügbar
        • Eineggf. Metaanalyseindividueller konnteTherapieversuch keinean Wirkungeinem vonspezialisierten Aciclovir nachweisen.32
        Zentrum
    • Andere Erreger
      • Siehe die Artikel zu den entsprechenden Infektionskrankheiten.

    Prävention

    Allgemeine Maßnahmen

    • Händewaschen und Desinfektion beinach Kontakt mit infizierten Patient*innen33
    • Bei Patient*innen mit Verdacht auf akute infektiöse Enzephalitis: Isolation und Maßnahmen zum Verhindern einer Kontaktübertragung (Handschuhe, Schutzkleidung, Mundschutz etc.)
    • Vermeidung der Exposition gegenüber bekannten Vektoren wie Mücken, Fliegen, Flöhen, Milben, Zecken etc.34
    • Safer Sex (z.  B. Kondome)
    • Näheres zur Prävention einer Erregerübertragung siehe die Artikel zu den einzelnen Infektionskrankheiten.

    Schutzimpfung

    Postexpositionsprophylaxe mit Immunglobulinen

    • Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG)
      • konzentriertes Immunglobulin gegen VZV
      • Kann die Krankheit verhindern, wenn es innerhalb von 72 Stunden nach der Exposition verabreicht wird.
    • Tollwut-Immunglobulin
      • Bei einer Exposition wird spezifisches Tollwut-Immunglobulin bei vitaler Indikation gegeben, bis die Impfung wirkt.
        • Als Exposition gelten Bisse, Kratzer oder Ablecken von Schleimhäuten oder verletzter Haut durch ein mutmaßlich tollwütiges Tier bei einer nicht geimpften Person.
    • Masern-Immunglobuline nach Exposition 3513
      • Säuglinge im Alter von <  6 Monaten Monate
      • nichtimmunisierte Schwangere
      • immundefiziente Patient*innen
    • Hepatitis-B-Immunglobulin in Kombination mit Aktivimpfung 
      • nach Exposition bei einem HBsAg-positiven, anti-HBs -negativen Patient*innen
      • zur Prävention einer perinatalen Übertragung

    Medikamentöse Postexpositionsprophylaxe

    • HIV
      • beiBei sexuellen Kontakten oder Kontakt mit Blut- oder Blutprodukten mit erhöhtem Infektionsrisiko. Näheres siehe den Artikel HIV-Infektion und AIDS.

    Verlauf, Komplikationen und Prognose

    • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-5

    Verlauf 

    • Akute Enzephalitis

      • hHäufig schrittweiser Beginn über mehrere Tage mit Verschlechterung der klinischen Symptome
      • Die zentralnervösen Symptome dominieren häufig, Nackenschmerzen und Nackensteife können fehlen.
      • Ausschlaggebend für den Verlauf sind Lokalisation und Entwicklungstempo des entzündlichen Prozesses.
      • Die rasche Entstehung eines Ödems führt früh zu Bewusstseinsstörungen.
      • Durch den erhöhten Hirndruck kann es zu einem sehr schweren Verlauf
        kommen mit letalem Ausgang.
        • 70  % der unbehandelten HSV-Enzephalitiden verlaufen tödlich.
      • beiBei HSV-1-Enzephalitis häufig biphasischer Verlauf
  • Chronische Enzephalitis (früher „Slow-Virus-Enzephalitis“)2

    • Verlauf in 4vier Stadien:
      1. Wesensänderungen
      2. Myoklonien und Krampfanfälle
      3. choreoathetoide Bewegungsstörungen
      4. Dezerebrationsstarre.
  • Komplikationen

    • Neurologische Komplikationen

      • Neurologische Komplikationen kKönnen über eine Dauer von wenigen Minuten bis zu Tagen auftreten.
      • Hirnödem und -herniation
      • neurologischeNeurologische Herdsymptome
        • Werden einer britischen Studie zufolge ambesondersufigstenufig bei VZV-Enzephalitis festgestellt.8
        • 32Persistieren %bei deretwa Teilnehmer1/3 eineraller großenErkrankten französischenauch Studie zeigten 5 Tagenoch nach derEntlassung Hospitalisierungaus weiterhindem erhebliche HerdsymptomeKrankenhaus.7
        • generalisierte Krampfanfälle (einschließlich Status epilepticus) bei 7  %
        • Koma bei 7  % der Patient*innen7
      • Hirnnervenausfälle, z.  B.:
    • Mangelnde Kontrolle der Infektion 

      • hHäufig zeitgleich mit Hautmanifestationen, z.  B. bei:
    • Rezidiv

      • Selbst unter einer wirksamen antiviralen Therapie kann es bei HSV- oder VZV-Enzephalitis während der gesamten Behandlungsdauer zu Rezidiven kommen.
    • Schwere Sepsis und septischer Schock 

      • massiveMassive systemische Entzündung mit Vasodilatation, kapillären Lecks und Mikrothrombosen
      • Dysfunktion von Endorganen wie Lunge, Herz, Niere, Leber, Darm und im Gerinnungs- und fibrinolytischen System
      • Die wichtigsten Punkte der Behandlung sind die Sicherstellung einer adäquaten Zirkulation und Beatmung in Kombination mit antimikrobieller Behandlung (z.  B. Antibiose, Virostatika).
    • Zerebrovaskuläre Beteiligung bei Meningitis/Meningoenzephalitis4

      • arteriellArteriell
        • Arteriitis (Stenosen, Kaliberschwankungen)
        • Vasospasmus
        • fokale kortikale Hyperperfusion
        • zerebrale Autoregulationsstörung
      • septischeSeptische Sinusthrombosen (überwiegend des Sinus sagittalis superior)
      • kortikaleKortikale Venenthrombosen

    Prognose

    Relevante Faktoren

    • PatientenalterAlter, Bewusstseinszustand, Dauer der klinischen Symptome und verstrichene Zeit bis zur antimikrobiellen Behandlung (z.  B. mit Aciclovir oder Antibiotika)
    • Bei akuter Enzephalitis sind eine frühe Diagnose und ein rascher Therapiebeginn ausschlaggebend für die Prognose.

    Letalität

    • HSV-Enzephalitis
      • In einer britischen prospektiven Studie verliefen 11 % der Fälle tödlich8, während es in einer französischen prospektiven Studie 12 % waren.7
      • Die Letalität bei HSV-Enzephalitis steht im Zusammenhang mit dem Patientenalter.36
        • < 2 Jahre: 11 –12 %
        • 22‒59 Jahre: 22 %
        • Alter > 60 Jahre: 62 %
    • VZV-Enzephalitis
      • Die Letalität liegt bei: 12–20  %.7-8
    • In Fällen von akuterAkute Enzephalitis, beiohne denen kein Erreger nachgewiesen werden konnte, betrug die LetalitätErregernachweis: 9–23  %.
    • In einer US-amerikanischen Untersuchung an 198 Patient*innen (virale Ursache bei 48 %, Autoimmunenzephalitis bei 22 %, unbekannte Ursache bei 30 %) betrug die Letalität während des Krankenhausaufenthalts 9 % und innerhalb eines Jahres 17 %.37

    Folgeschäden

    • Neurologische Ausfälle nach der Entlassung aus dem Krankenhaus7
      • neurologische Folgeschäden: 62  % der Patient*innen 
      • Verhaltensauffälligkeiten: 10  % 
    • In einer größeren prospektiven Studie wurde der Behinderungsgrad nach überstandener HSV- oder VZV-Enzephalitis anhand alltagsrelevanter Funktionseinschränkungen bewertet.8
      • Eine schwere Behinderung wurde bei 29 % (HSV) bzw. 20 % (VZV) der Patient*innen festgestellt.
      • Eine moderate Behinderung wurde bei 21 % (HSV) bzw. 20 % (VZV) der Patient*innen festgestellt.
      • Eine gute Heilung wurde bei 39 % (HSV) bzw. 40 % (VZV) der Patient*innen festgestellt.

    Verlaufskontrolle

    Patienteninformationen

    Patienteninformationen in Deximed

    Quellen

    Leitlinien

    • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Virale Meningoenzephalitis. AWMF-Leitlinie Nr. 030-100. S1, Stand 2018. www.awmf.org
    • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Atypische erregerbedingte Meningoenzephalitiden. AWMF-Leitlinie Nr. 030-061. S1, Stand 2012 (abgelaufen). www.dgn.org
    • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Meningoenzephalitis, ambulant erworbene bakterielle (eitrige). AWMF-Leitlinie Nr. 030-089, Klasse S2k, Stand 2015. www.awmf.org
    • Gesellschaft für Neuropädiatrie. Nicht-eitrige ZNS Infektionen von Gehirn und Rückenmark im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 022-004. S1, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org

    Literatur

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    2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Virale Meningoenzephalitis. AWMF-Leitlinie Nr. 030-100, Klasse. S1, Stand 2018 (abgelaufen). www.awmf.org
    3. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Atypische erregerbedingte Meningoenzephalitiden. AWMF-Leitlinie Nr. 030-061, Stand 2012 (abgelaufen). www.dgnthieme-connect.orgde
    4. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Meningoenzephalitis, ambulant erworbene bakterielle (eitrige). AWMF-Leitlinie Nr. 030-089, Klasse. S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
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    Autor*innen

    • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
    • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
    G04; G040; G042; G048; G049; G05; G050; G051
    N71
    akute Enzephalitis; akute Meningoenzephalitis; akute infektiöse Enzephalitis; akute erregerbedingte Meningoenzephalitis; atypische Enzephalitis; atypische Meningoenzephalitis; atypische infektiöse Enzephalitis; atypische erregerbedingte Meningoenzephalitis; virale Meningoenzephalitis; bakterielle Meningoenzephalitis; aseptische Meningitis; virale Enzephalitis; bakterielle Enzephalitis; Encephalitis
    Erregerbedingte Enzephalitis
    CCC MK 30.01.2020, neue LL; MK 29.01.2018, LL Update
    BBB MK 14.03.2023 umfassend revidiert und stark gekürzt. chck go 22.3., MK 29.06.17, komplett überarbeitet, großteils neu geschrieben, LL berücksichtigt
    document-disease document-nav document-tools document-theme
    Definition:Durch eine Infektion ausgelöster entzündlicher Prozess im Gehirn, der von neurologischen Symptomen begleitet wird. Virale, bakterielle, parasitäre oder mykotische Ursache.
    Neurologie
    Enzephalitis, erregerbedingte
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    enzephalitis-erregerbedingte
    SiteDisease
    Enzephalitis, erregerbedingte
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