Zusammenfassung
- Definition:Pilzinfektion durch Cryptococcus neoformans; betrifft fast ausschließlich immunsupprimierte Patient*innen. Die Primärinfektion in der Lunge verläuft häufig inapparent.
- Häufigkeit:Weltweites Auftreten; in Deutschland seltene HIV-assoziierte Infektion.
- Symptome:Meist mild und unspezifisch; schubweiser Verlauf, Lungen- und Hirnbeteiligung möglich.
- Befunde:Kopfschmerzen, Zeichen meningealer Reizung, ggf. Hautausschlag.
- Diagnostik:Kultur und Nachweis von Kapselantigen.
- Therapie:Antimykotika (Amphotericin B + Flucytosin).
Allgemeine Informationen
Definition
- Infektion verursacht durch den Hefepilz Cryptococcus neoformans1
- Tritt fast ausschließlich bei immunsupprimierten Patient*innen auf, in 80–90 % der Fälle bei HIV-Patient*innen.2
- Die Primärinfektion betritt die Lunge und verläuft meist inapparent. Die disseminierte Kryptokokkose manifestiert sich in der Regel als Meningitis.
- Die herkömmliche Nomenklatur unterscheidet:3
- Cryptococcus neoformans var. grubii (Serotyp A)
- C. n. var. neoformans (Serotyp D)
- Hybride beider Variationen (Serotyp AD)
- Cryptococcus gattii (Serotyp B und C)
- Interspezies-Hybride
Häufigkeit
- Die Exposition kommt häufig vor, bei den meisten Menschen bereits vor dem 5. Lebensjahr.
- Die Inzidenz der Kryptokokkose hat parallel zum Anstieg der HIV-Infektionen zugenommen.
- in Deutschland seltene HIV-assoziierte Infektion
- Aus epidemiologischen und infektiologischen Gründen ist die exakte Identifizierung (C. neoformans vs. C. gattii) und ggf. die Typisierung klinischer Cryptococcus-Isolate von Bedeutung.3
- Es gibt erste Hinweise dafür, dass bei der HIV-assoziierten zerebralen Kryptokokkose der Sequenztyp des Erregers prognostische Bedeutung hat.
Ätiologie und Pathogenese
- Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.3
- Inhalation der hitze- und austrocknungsresistenten Erreger
- Auch Verletzungsmykosen sind beschrieben.
- Eine Übertragung von Mensch zu Mensch scheidet als Infektionsweg nahezu aus.
- Haus-, und Wildtiere, insbesondere Katzen, und andere Wirbeltiere können ebenfalls an einer Kryptokokkose erkranken.
- Eine Übertragung vom Tier zum Menschen wurde bislang nicht beobachtet.
- Inkubationszeit bis zu mehreren Monaten
Prädisponierende Faktoren
- HIV-Infektion
- Zelluläre Immundefekte
- Morbus Hodgkin
- Langzeitbehandlung mit Kortikosteroiden
- Sarkoidose
- Immunsuppression
ICPC-2
- A78 Infektionskrankheit IKA
ICD-10
- B45 Kryptokokkose
- B45.0 Kryptokokkose der Lunge
- B45.1 Kryptokokkose des Gehirns
- B45.2 Kryptokokkose der Haut
- B45.3 Kryptokokkose der Knochen
- B45.7 Disseminierte Kryptokokkose
- B45.9 Kryptokokkose, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Immunsupprimierte Patient*innen mit kulturellem Nachweis von Cryptococcus neoformans im Liquor oder Blut
Differenzialdiagnosen
- Zerebrale oder meningeale Metastasen
- Chronische Meningoenzephalitis aufgrund anderer Ursachen, vor allem tuberkulöse Meningitis
- Morbus Hodgkin
- Intrakranielle Metastasen sind selten, während komplizierte ZNS-Infektionen häufiger vorkommen.
- Non-Hodgkin-Lymphom
- karzinomatöse Meningitis4
Anamnese
- Die disseminierte Kryptokokkose kann jedes Organ betreffen, streut jedoch vor allem ins zentrale Nervensystem.3
- Es treten Kopfschmerzen, Müdigkeit, Fieber auf.
- Bei fortschreitender Erkrankung können Verwirrtheit und Hirnnervensymptome, Übelkeit sowie Erbrechen beobachtet werden.
- Nackensteifigkeit ist selten.
- Primärstadium der Infektion ist häufig klinisch inapparent, kann sich aber auch klinisch als Pneumonie manifestieren und in manchen Fällen chronisch progredient sein.3
- Mit hämatogener Dissemination kann der Erreger in alle parenchymatösen Organe gelangen; Augen, Knochen und Gelenke können ebenfalls betroffen sein.3
- Kryptokokkosen nach einer Hautverletzung können lokalisiert bleiben.
- Symptome und Krankheitsverlauf sind abhängig vom Immunstatus der Patient*in.2
Klinische Untersuchung
- Neurologischer Untersuchungsbefund
- Zeichen meningealer Reizung?
- Hirnnervenausfälle?
- Nackensteifigkeit (selten)?
- Neben einer subakuten Meningoenzephalitis kann auch eine chronische Meningitis auftreten.
- Hautveränderungen (ähnlich Dellwarzen) als Manifestation einer disseminierten Kryptokokkose können nachweisbar sein.
- 10–15 % der Betroffenen haben Hautläsionen wie akneähnliche Papeln und Abszesse.
- Fieber?
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Lumbalpunktion1
- Nachweis von Kryptokokken im Liquor (Tintenpräparat)
- erhöhter Liquordruck
- variable Pleozytose
- erhöhter Proteinspiegel und verringerte Glukosekonzentration
- Serologie3
- Im Vordergrund steht der Antigen- und nicht der Antikörpernachweis.
- Der Antigennachweis wird vorrangig im Serum und Liquor durchgeführt.
- Herkömmliche kommerzielle Antigen-Nachweistests besitzen eine hohe Spezifität und Sensitivität (> 95 %) bei HIV-Infizierten mit hoher Keimzahl.
- Cave: Ein zytologisch und serologisch unauffälliger Liquorbefund schließt eine Kryptokokkose nicht aus und sollte bei begründetem Verdacht durch ein Antigen-Screening im Serum ergänzt werden.
- Bei lokalisierten Infektionen (z. B. Pneumonie) nicht immunsupprimierter Personen liegt die Sensitivität niedriger.
- Mikroskopie3
- mikroskopischer Direktnachweis bekapselter Hefen im Tuschepräparat aus Liquorsediment, Urin, Biopsat, Blutkultur oder bronchoalveolärer Lavage
- Ein kultureller Nachweis ist i. d. R. innerhalb weniger Tage möglich. Zur Unterscheidung von anderen Hefen werden Spezialmedien eingesetzt.3
- Ein kultureller Nachweis von Cryptococcus neoformans sollte stets abgeklärt werden, da der Organismus in der Regel kein Bestandteil von Normal- oder transienter Flora ist.
- Quantitative Kulturen vor und 2 Wochen nach Beginn einer antimykotischen Therapie können hilfreich sein, um ein Therapieansprechen zu dokumentieren.
- Histologie: Nachweis von Hefen in der Regel mit umgebender Kapsel in der Versilberung3
- Kraniales MRT (T1- und T2-Wichtungen sowie T1-Wichtungen mit Kontrast)1
- evtl. meningeale Anreicherung, selten fokale intrazerebrale Läsionen mit ringförmiger Kontrastmittelanreicherung, Kryptokokkom
- Kraniales CT mit Kontrastmittel1
- evtl. diffuses Hirnödem
Therapie
Therapieziel
- Infektion sanieren.
Allgemeines zur Therapie
- Die frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend für das Therapieergebnis.
- Stationäre Einweisung und eine antimykotische Therapie isnd bei schweren Verläufen entscheidend.
Medikamentöse Therapie
- Bei leichter Erkrankung3
- Monotherapie mit Fluconazol
- bei HIV-positiven Patient*innen Langzeitprophylaxe mit Fluconazol 1 x 200 mg p. o. nach Abschluss der Behandlung
- Bei schwerer Erkrankung1
- Siehe Leitlinienkasten.
Leitlinie: Kryptokokken-Meningitis bei HIV-Patient*innen1
- Induktionstherapie: liposomales Amphotericin B i. v. 3 mg/kg KG plus
Flucytosin (100 mg/kg KG/d, verteilt auf 4 Einzelgaben) über 2 Wochen - Alternativ kommt die Kombination Amphotericin B i. v. (0,7–1,0 mg/kg KG/d) plus Flucytosin (100 mg/kg KG/d) infrage.
- Als Alternativen für die Induktionstherapie stehen Amphotericin B plus Fluconazol, Fluconazol plus Flucytosin und Fluconazol und Itraconazol als Monotherapie zur Verfügung.
- Die Effektivität dieser Therapien wird jedoch geringer eingeschätzt als bei der Standardtherapie.
- Anschließend erfolgt eine Konsolidierung des Therapieerfolgs mit
Fluconazol (400 mg/d p. o.) über 8 Wochen und eine Erhaltungstherapie
mit Fluconazol in reduzierter Dosis von 200 mg/d über mindestens 1 Jahr. - Die Therapie kann bei erfolgreicher cART bei einem CD4-Zellzahl-Anstieg
auf > 100 Zellen/μl und einer niedrigen oder nicht mehr nachweisbaren
Viruslast über wenigstens 3 Monate beendet werden.
- Gesamtbehandlungszeit: 6–8 Wochen
- Bei Hirndrucksymptomen (Kopfschmerz, Übelkeit, Bewusstseinsstörung) können wiederholte Liquorpunktionen helfen, die Symptomatik zu bessern und ggf. auch die Prognose zu verbessern.3
- Nach zunächst 2 Wochen antimykotischer Therapie sollten mikrobiologische Untersuchungen wiederholt werden, die einen Erregernachweis zeigten, um eine Sterilisierung zu zeigen.3
Prophylaxe
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
- Eine spezifische Primärprophylaxe ist selten indiziert.
- Patient*innen mit HIV-Infektion wird jedoch empfohlen, bekannte Streuquellen zu meiden.
- Bei HIV-Infizierten aus Ländern mit hoher Kryptokokkose-Inzidenz (Afrika, Südostasien) kann vor Beginn einer antiretroviralen Therapie mittels GM-Assay eine latente Infektion ausgeschlossen werden.
- Bei Personen mit Immunsuppression sollte eine lebenslange Sekundärprophylaxe diskutiert werden.
Meldepflicht
- Das IfSG sieht keine Meldepflicht von sporadischen Pilzinfektionen vor.3
Prognose
- Unbehandelt liegt die Letalität einer Kryptokokken-Meningitis bei 100 %.
- Wird die Erkrankung frühzeitig diagnostiziert und nach den gängigen Leitlinien behandelt, so sind bei kontrollierter Grunderkrankung die meisten Kryptokokken-Infektionen heilbar.
- Faktoren, die auf eine schlechte Prognose hinweisen:
- hohe Aktivität der Grunderkrankung
- verminderte Pleozytose im Liquor
- hoher anfänglicher Antigentiter im Serum oder Liquor
- neurologische Beeinträchtigung
- Auftreten der Erkrankung außerhalb des Nervensystems
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie HIV-1-assoziierter neurologischer Erkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-044, Stand 2020. register.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie HIV-1-assoziierter neurologischer Erkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-044, Stand 2020. register.awmf.org
- Diamond RD. Cryptococcus neoformans. I: Mandell GL, Douglas RG, Bennett JE, red. Principles and practice of infectious diseases. New York: Churchill Livingstone, 2000: 2707-18.
- Robert Koch-Institut. Kryptokokkose. Stand 2020. www.rki.de
- Hollender A, Kvaløy S, Lote K, Nome O, Holte H. Prognostic factors in 140 adult patients with non-Hodgkin's lymphoma with systemic central nervous system (CNS) involvement. A single centre analysis. Eur J Cancer 2000; 36: 1762-8. PubMed
Autor*innen
- Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).