Zusammenfassung
- Definition:Die Whipple-Krankheit ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Tropheryma whipplei ausgelöst wird.
- Häufigkeit:Die Erkrankung tritt sehr selten auf.
- Symptome: Gewichtsverlust, Durchfall, Bauchschmerzen und Gelenkschmerzen. Das Zentralnervensystem ist bei etwa 50 % der Fälle betroffen.
- Befunde:Anzeichen von Malabsorption, Kachexie, Gelenkentzündungen und eventuell neurologische Ausfälle.
- Diagnostik:Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Entnahme von Duodenalbiopsien.
- Therapie:Antibiose.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die Whipple-Krankheit ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Tropheryma whipplei ausgelöst wird.1
- Die Infektion äußert sich in Gewichtsverlust, Arthritiden, chronischen Durchfällen und Bauchschmerzen.2
- Es kann zu einer Endokarditis oder zentralnervösen Symptomen kommen. 3
Häufigkeit
- Bei 2–4 % der Bevölkerung findet sich eine asymptomatische Kolonisierung des Darmlumens.3
- Der Ausbruch der Erkrankung ist selten, die jährliche Inzidenz in den mitteleuropäischen Ländern wird auf etwa 1/1Mio. geschätzt.4
- Weiße Männer im Alter zwischen 30 und 60 Jahren sind am häufigsten betroffen, das Alter bei Diagnosestellung liegt im Mittel bei 55 Jahren.5
Ätiologie und Pathogenese
- T. whipplei gehört zur Familie der Actinomyzeten.
- Der Erreger ist in der Umwelt, z. B. in Abwässern, weit verbreitet.5
- Man vermutet eine genetische oder erworbene immunologische Prädisposition für eine Infektion und Erkrankung, die genauen Mechanismen sind jedoch noch nicht bekannt.
- Zusammenhänge mit vorhergegangener immunsuppressiver Therapie werden diskutiert.6
- Eine Mensch-zu Mensch-Übertragung gibt es nicht.5
- Die Arthralgien können den enteritischen Beschwerden jahrelang vorausgehen.3
- Es kommt zu chronischem Durchfall, in dessen Folge ein Gewichtsverlust sowie Symptome einer Malabsorption entstehen.
- Es kann zu einer kulturnegativen Endokarditis kommen.
- Manchmal kommt es zu zerebralen Manifestationen wie kognitive Dysfunktion, Ophthalmoplegie und Myoklonus.
- Bei ca 10 % der Patient*innen, die wegen Morbus Whipple behandelt werden, kommt es zu einem entzündlichen Immunrekonstitutionssyndrom (Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome = IRIS), das durch Wiederauftreten von Entzündungszeichen während oder nach der antibiotischen Therapie gekennzeichnet ist.
- Sowohl der Morbus Whipple als auch das IRIS können unbehandelt letal enden.
ICPC-2
- A78 Infektionskrankheit IKA
- D73 Gastroenteritis, vermutlich infektiös
ICD-10
- K90 Malabsorbtion (unzureichende Nahrungsaufnahme aus dem Darm)
- K90.8 Andere intestinale Malabsorbtion
- M14 Arthropathien bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
- M14.89 Arthropathien bei sonstigen näher bezeichneten, anderenorts klassifizierten Krankheiten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese und klinischer Befund
- Durch eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Entnahme von Duodenalbiopsien zum Nachweis der Bakterien wird die Diagnose bestätigt.
Differenzialdiagnosen
- Malabsorption
- Zöliakie
- Chronisch entzündliche Darmerkrankung
- Sarkoidose
- Lymphom
- Addison-Krankheit
- Rheumatoide Arthritis
- Kollagenosen
- Diverse neurologische Erkrankungen
- Hepatitis
Anamnese
- Gelenkschmerzen gehen den übrigen Symptomen oft jahrelang voraus.7
- Chronischer Durchfall, manchmal blutig
- Bauchschmerzen
- Gewichtsabnahme
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit als Folge der Malabsorption
- Rezidivierendes Fieber
- Blicklähmungen, Myoklonus
- Psychiatrische Veränderungen
- Gedächtnisstörungen
- Schlafstörungen
- Husten und Atemnot
Klinische Untersuchung
- Kachexie
- Abdominelle, periphere oder thorakale Lymphknotenvergrößerung
- Periphere Ödeme
- Hepato- oder Splenomegalie
- Hautveränderungen wie Purpura (30 % der Fälle), Ikterus, Blasen oder Pusteln.5
- Psychiatrische oder neurologische Befunde8
- Kardiale Symptome bei Endokarditis: neu aufgetretenes Herzgeräusch, Fieber, Abgeschlagenheit, Sepsis, Embolie unklarer Ursache9
- Der kardiale Befall kann auch ohne gastrointestinale Symptome auftreten.
- Eine Kultur bleibt meist negativ.10-11
Ergänzende Untersuchungen – Labor
- Erhöhung von BSG, CRP, Leukozytose, Thrombozytose
- Hb-Abfall
- Vitamin-B12- und Folsäuremangel; Kalzium-, Kalium- und Phosphatmangel
- Albumin, Ferritin, IgM und IgA erniedrigt
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Entnahme von Duodenalbiopsien
- Vor Beginn einer antibiotischen Behandlung soll eine PCR-Untersuchung aus dem Liquor (auch bei fehlenden Symptomen) durchgeführt werden.3
Indikationen zur Überweisung
- Patient*innen mit Morbus Whipple sollten immer zu erfahrenen Therapeut*innen überwiesen werden.
Therapie
Therapieziele
- Die Infektion heilen und einen Rückfall verhindern.
- Die Behandlung sollte in Absprache mit diesem Krankheitsbild erfahrenen Therapeut*ìnnen erfolgen.3
- Die Indikation zur Therapie ist ohne direkten Erregernachweis gegeben.3
Allgemeines zur Therapie
- Therapie der Wahl ist eine antibiotische Therapie:3
- Ceftriaxon 2 g tgl. i. v. über 14 Tage, gefolgt von Cotrimoxazol 960 mg 2 x 1 tgl. p. o. über 1 Jahr
- Bei Unverträglichkeit von Ceftriaxon sollte Meropenem und bei Unverträglichkeit von Cotrimoxazol sollte Doxycyclin verabreicht werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Jarisch-Herxheimer-Reaktion nach der ersten Antibiotikagabe: hohes Fieber bis zu 48 Stunden
- Wiederauftreten von Entzündungszeichen während oder nach der antibiotischen Therapie (IRIS, inflammatorisches Immunrekonstitutionssyndrom)14
- Zur Diagnostik und Therapie (z. B. Steroide) soll ein erfahrenes Zentrum zu Rate gezogen werden.3
Prognose
- Unbehandelt endet die Erkrankung häufig letal.
- Durch die antibiotische Therapie tritt in der Regel schnell eine klinische Besserung ein.
- Rezidive sind möglich und betreffen oft das ZNS.
- Neurologische Symptome können anhaltend sein.
- Herzklappenfehlfunktionen können zu Herzinsuffizienz führen.
Patienteninformationen
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Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Leitlinie Nr. 021-024. S2k, Stand 2015 (in Überarbeitung). www.awmf.org
Literatur
- Misbah SA, Aslam A, Costello C. Whipple's disease. Lancet 2004; 363: 654-6. PubMed
- Marth T, Feurke GE: Infektion mit Tropheryma whipplei. Diagnose, Pathogenese, Therapie. Dtsch Ärztebl 2002; 99(48): A-3265 www.aerzteblatt.de
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Leitlinie Nr. 021-024. S2k, Stand 2015. (in Überarbeitung) www.awmf.org
- Orphanet. Morbus Whipple. Zugriff 27.9.2020 www.orpha.net
- Altmeyers Enzyklopädie. Morbus Whipple,. Zugriff 26.9.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Mahnel R, Kalt A, Ring S, Stallmach A, Strober W, Marth T. Immunosuppressive therapy in Whipple's disease patients is associated with the appearance of gastrointestinal manifestations. Am J Gastroenterol 2005; 100: 1167-73. PubMed
- Puéchal X. Whipple disease and arthritis. Curr Opin Rheumatol 2001; 13: 74-9. PubMed
- Louis ED, Lynch T, Kaufmann P, Fahn S, Odel J. Diagnostic guidelines in central nervous system Whipple's disease. Ann Neurol 1996; 40: 561-8. PubMed
- Fenollar F, Lepidi H, Raoult D. Whipple's endocarditis: review of the literature and comparisons with Q fever, Bartonella infection, and blood culture-positive endocarditis. Clin Infect Dis 2001; 33: 1309-16. PubMed
- Gubler JG, Kuster M, Dutly F, et al. Whipple endocarditis without overt gastrointestinal disease: report of four cases. Ann Intern Med 1999; 131: 112-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Smith MA. Whipple endocarditis without gastrointestinal disease. Ann Intern Med 2000; 132: 595. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Lepidi H, Fenollar F, Gerolami R, et al. Whipple's disease: immunospecific and quantitative immunohistochemical study of intestinal biopsy specimens. Hum Pathol 2003; 34: 589-96. PubMed
- Fenollar F, Fournier PE, Robert C, Raoult D. Use of genome selected repeated sequences increases the sensitivity of PCR detection of Tropheryma whipplei. J Clin Microbiol 2004; 42: 401-3. PubMed
- Feurle GE, Moos V, Schinnerling K. The immune reconstitution inflammatory syndrome in whipple disease: a cohort study. Ann Intern Med. 2010 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).