Keuchhusten (Pertussis)

Zusammenfassung

  • Definition:Bakterielle Infektion der Atemwege mit Bordetella pertussis, die für Säuglinge lebensbedrohlich verlaufen kann.
  • Häufigkeit:11–20 Fälle pro 100.000 Einw. in Deutschland, davon 60 % Erwachsene. Auch Geimpfte und Genesene können erkranken.
  • Symptome:Stark variables klinisches Bild, abhängig vom Alter und Impfstatus der Patient*innen. Klassischer Keuchhusten mit anfallsweise auftretenden Hustenstößen, gefolgt von tiefem Einatmen (Keuchen) und Erbrechen.
  • Befunde:Klinische Befunde meist schwach ausgeprägt, teilweise geröteter Rachen und leicht obstruktives Atemgeräusch. 
  • Diagnostik:In den ersten Wochen PCR oder Kultur zum Erregernachweis. Bei Hustenbeginn vor > 3 Wochen serologische Testung (ELISA) auf Pertussis-Toxin-spezifische Antikörper. Charakteristische Lymphozytose im Differenzialblutbild.
  • Therapie:Prävention durch Impfung. Antibiotika der Wahl sind Makrolide.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bakterielle Infektion durch Bordetella pertussis, die anfallsartigen Husten, der bis zu 6–10 Wochen anhält, verursacht.1
    • Hustenattacken typischerweise von tiefem Einatmen (Keuchen) unterbrochen2
  • Keine reine Kinderkrankheit
    • Kleinkinder erkranken zwar in der Regel schwerer, jedoch sind insgesamt mehr Erwachsene als Kinder betroffen. 3-4
  • Durch kontinuierlich nachlassenden Impfschutz sind regelmäßige Auffrischimpfungen notwendig (siehe Abschnitt Impfempfehlung).

Häufigkeit

  • Inzidenz für Deutschland nach RKI4-5
    • hohe Impfquoten: 2018 bei Schulanfänger*innen: ca. 93 % 
    • Die Inzidenz ist im Herbst und Winter etwas erhöht.
    • jährliche Inzidenz 11–20 Fälle pro 100.000 Personen 
      • Säuglinge (Lebensalter < 1 Jahr) mit Inzidenzen von 50 bis zu mehr als 100 Fällen in epidemischen Jahren
    • rund 60 % aller Erkrankungen bei Personen ≥ 18 Jahre
      • ursächlich unzureichende Umsetzung der empfohlenen Auffrischimpfungen insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen
  • Weltweit6
    • global geschätzt 20–40 Mio. Fälle pro Jahr mit 300.000 Todesfällen
      • davon 90 % in Dritte-Welt-Ländern

Ätiologie und Pathogenese

  • Erreger4
    • hauptsächlich Bordetella pertussis, zunehmend aber auch B. parapertussis (2019 in 9 % der übermittelten Fälle)
    • kleines gramnegatives, unbewegliches, bekapseltes, aerobes Stäbchen
    • Die Vermehrung der Bordetellen erfolgt auf zilien­tragendem Epithel der Atemwegs­schleimhäute mit lokaler Zerstörung der Mukosa.
    • Wichtigster Virulenzfaktor von B. pertussis ist Pertussis-Toxin, das G‑Proteine inhibiert, wodurch charakteristische Leukozytose bedingt ist.3
  • Inkubationszeit1
    • in der Regel 9–10 Tage 
  • Infektionsweg4
    • hochkontagiöse Tröpfcheninfektion 
  • Dauer der Ansteckungsfähigkeit4
    • Beginn am Ende der Inkubationszeit, Höhepunkt während der ersten beiden Krankheitswochen und bis zu 3 Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum
    • bei antibiotischer Therapie bis 3–7 Tage nach Beginn der Therapie

Prädisponierende Faktoren

  • Unzureichende Impfung (siehe Impfempfehlung)
  • Der Impfstoff sorgt nicht für einen vollständigen Schutz, und der Impfschutz lässt kontinuierlich nach.3
    • Nach der Grundimmunisierung sind Auffrischimpfungen notwendig (im Kinder- und Jugendalter, bei Schwangeren, alle 10 Jahre bei prädisponierten Personen, z. B. im Gesundheitswesen).
  • Kleinkinder
  • Exposition gegenüber Infektionsquellen (medizinisches Personal, Erzieher*innen)

ICPC-2

  • R71 Keuchhusten

ICD-10

  • A37 Keuchhusten
    • A37.0 Keuchhusten durch Bordetella pertussis
    • A37.1 Keuchhusten durch Bordetella parapertussis
    • A37.8 Keuchhusten durch sonstige Bordetella-Spezies

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

RKI4

  • Bei Patient*innen mit Husten sollte eine Labordiagnostik für Keuchhusten durchgeführt werden, wenn
    • Kontakt zu einem bestätigten Keuchhustenfall stattgefunden hat – oder –
    • die klassischen Symptome wie Hustenattacken, inspiratorischer Stridor oder Erbrechen nach den Hustenattacken vorliegen – oder –
    • der Husten länger persistiert (> 14 Tage Dauer), auch wenn die klassischen Symptome fehlen.
    • Cave: Vorliegende Impfung kein Ausschlussgrund!

DEGAM-Leitlinie: Husten1

Diagnostik von Keuchhusten

  • In den ersten 2–3 Wochen nach Hustenbeginn
    • Ein Nachweis von B. pertussis und B. parapertussis aus tiefen Nasopharyngealabstrichen, nasopharyngealen Sekreten oder Material, das beim Absaugen gewonnen wurde, mittels Kultur oder Nukleinsäureamplifikationstechnik (meist PCR) ist dringend zu empfehlen.
  • Im späteren Krankheitsverlauf
    • Methode der Wahl Durchführung eines Enzyme Linked Immunosorbent Assays (ELISA) zum Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Pertussis-Toxin

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Frage nach dem Impfstatus der erkrankten Person bzw. bei Säuglingen nach dem Impfstatus der Mutter
  • Kontakt zu erkrankten Personen?
  • Klassischer Keuchhusten im Stadium convulsivum1
    • anfallsweise auftretende Hustenstöße (Stakkatohusten), gefolgt von inspiratorischem Ziehen, Hervorwürgen von zähem Schleim und anschließendem Erbrechen
  • Das klinische Bild kann jedoch stark variieren und ist u. a. abhängig vom Alter der Patient*innen; die Erkrankung ist umso gefährlicher, je jünger das Kind ist.
  • Meist nur geringes oder mäßiges Fieber, höhere Temperaturen eher bei bakterieller Superinfektion4

Klinische Untersuchung

  • Typischerweise Verlauf in 3 klinischen Stadien1

1. Stadium catarrhale

  • Dauer 1–2 Wochen
  • Leichter, trockener Husten (erkältungsähnlich)
    • Unterscheidung zu viralen Atemwegserkrankungen klinisch nicht möglich

2. Stadium convulsivum

  • Dauer 4–6 Wochen
  • Anfallsweise auftretende Hustenstöße (Stakkatohusten), gefolgt von inspiratorischem Ziehen, Hervorwürgen von zähem Schleim und anschließendem Erbrechen
    • Bei Erwachsenen ist das Erbrechen nach einer Hustenattacke das Leitsymptom.7
  • Zahlreiche Attacken, v. a. nachts
  • Bei Kleinkindern Gefahr von Apnoe und Zyanose durch Husten und Schleim

3. Stadium decrementi

  • Dauer 1–4 Wochen
    • teilweise auch Monate möglich
  • Abklingen der Hustenanfälle
  • Durch spätere Atemwegsinfekte können wieder keuchhustenähnliche Hustenattacken ausgelöst werden.

Atypische Krankheitsbilder

  • Häufig bei Patient*innen zu beobachten, die gegen Keuchhusten geimpft oder durch früher durchlaufene Erkrankung immunisiert sind.
  • Bei Jugendlichen und Erwachsenen kann sich Keuchhusten in Form eines lang anhaltenden Reizhustens äußern, was auch der chinesischen Bezeichnung für die Krankheit entspricht: „100-Tage-Husten“.8
  • Bei Säuglingen stehen nicht selten Apnoen im Vordergrund der Symptomatik.4
  • Oft keine korrekte Diagnosestellung, und die Erkrankung wird als Bronchitis eingeordnet.9

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

PCR oder Kultur

  • Methoden der Wahl zum Erregernachweis in den ersten 2–3 Wochen nach Hustenbeginn
    • Die DEGAM sieht beide Nachweismethoden als gleichberechtigt.1
    • Dei DGP nennt den kulturellen Nachweis als Goldstandard.10
    • Das European Centre for Disease Prevention and Control empfiehlt PCR.11
  • Klinische Epidemiologie
    • PCR hat höhere Sensitivität als Kultur bei gleich hoher Spezifizität.4
    • Der Test kann abgestorbene und lebende Keime nachweisen, sodass die Sensitivität weniger durch Antibiotikabehandlung beeinträchtigt wird als bei der Kultur.
    • PCR jedoch relativ teuer
    • Bei der Kultur können Isolate für Antibiotika-Resistenz­testung gewonnen werden.4
  • Materialentnahme
    • durch Nasopharyngeal-Absaugung gewonnenes Material oder transnasal entnommener Nasopharyngeal-Abstrich
      • Cave: Rachen­abstriche oder Abstriche aus dem vorderen Nasen­raum sind ungeeignet, da sich Bordetellen vorrangig auf Flimmer­epithel des hinteren Naso­pharynx ansiedeln!4
    • für Kultur auch Direktnachweis von B. pertussis auf der Agarplatte nach Anhusten möglich, jedoch nur selten erfolgreich10

Serologie

  • Ungeeignet für die Frühdiagnostik
    • Spezifische Antikörper im Serum sind erst 3 Wochen nach Hustenbeginn nachweisbar.4
  • Methode der Wahl1,4
    • Enzyme Linked Immunosorbent Assays (ELISA) zum Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Pertussis-Toxin (PT)
  • Cave: In folgenden Fällen ist keine zuverlässige serologische Diagnose möglich:3
    • bei Säuglingen im Alter unter 6 Monaten (passiv übertragene maternale PT-IgG-Antikörper) sowie
    • bei Patient*innen mit Pertussis-Impfung in den letzten 12 Monaten.

Labor

  • Insbesondere im Säuglingsalter Differenzialblutbild zur Früherkennung einer bedrohlichen Lymphozytose3
    • Gefahr der leukämoiden Lymphozytose durch Pertussis-Toxin, mit Bildung von Lymphozytenaggregaten im Lungenkapillargebiet und konsekutiv auftretender respiratorischer Globalinsuffizienz
  • Lymphozytose charakteristisch ab Ende des Stadium catarrhale und während des Stadium convulsivum12

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Säuglingen ist oft eine Einweisung in die pädiatrische Abteilung mit adäquaten Isolierungsmaßnahmen gegen Atemwegsinfektionen notwendig.
    • z. B. bei Apnoe, Trinkschwäche oder Notwendigkeit des Absaugens der Atemwege

Therapie

Therapieziele

  • Infektion sanieren.
  • Symptomatik lindern.
  • Komplikationen verhindern.
  • Kontagiosität senken.

Allgemeines zur Therapie

Antibiotika

  • Die antibio­tische Therapie kann grund­sätzlich nur dann Dauer und Heftigkeit der Husten­attacken beeinflussen, wenn sie möglichst früh (d. h. vor Beginn oder in ersten 1–2 Wochen ab Beginn des Hustens) verabreicht wird.4
  • Zudem ist sie zur Unter­brechung der Infektions­ketten von erheblicher Bedeutung.4
    • Solange die Betroffenen Bordetellen ausscheiden, d. h. positiver Erreger­nachweis im Naso­pharyngeal­sekret.
  • Makrolide sind die Medikamente der Wahl.1,4

Supportive Therapie

  • Kleinere Mahlzeiten und das Vermeiden von Hustenanfälle auslösenden Trigger-Faktoren, wie z. B. Racheninspektionen3
  • Kopf hoch lagern und für ausreichende Flüssigkeitszufuhr sorgen.
  • Ggf. symptomatische Behandlung mit Sauerstoffzufuhr und Absaugung der Atemwege

Medikamentöse Therapie

Antibiotika

  • Empfehlungen gemäß RKI4
  • Azithromycin und Clarithromycin sind ebenso wirksam wie Erythromycin und aufgrund ihrer besseren Verträglichkeit und besseren Anwendung heute Mittel der Wahl.
    • Bei Erythromycin besteht ein signifikant erhöhtes Risiko für hypertrophe Pylorusstenose.
    • Alternativ zu Makroliden (z. B. bei Resistenzen) Cotrimoxazol (Trimethoprim + Sulfamethoxazol)
  • Dosierung Kinder < 1 Monat
    • Azithromycin: 10 mg/kg KG/d in 1 Dosis für 5 Tage
    • Erythromycin-Estolat: 40 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 14 Tage
    • Clarithromycin: nicht empfohlen
    • Cotrimoxazol: kontraindiziert
  • Dosierung Kinder 1–6 Monate
    • Azithromycin: 10 mg/kg KG/d in 1 Dosis für 5 Tage
    • Erythromycin-Estolat: 40 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 14 Tage
    • Clarithromycin: 15 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 7 Tage
    • Cotrimoxazol ab Alter > 2 Monate: Trimethoprim (TMP) 8 mg/kg KG/d, Sulfamethoxazol (SMX) 40 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 14 Tage
  • Dosierung Kinder > 6 Monate, Kleinkinder, Kinder
    • Azithromycin: 10 mg/kg KG in 1 Dosis am Tag 1; 5 mg/kg KG/d an Tagen 2–5 (max. 500 mg)
    • Erythromycin-Estolat: 40 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 14 Tage (max. 2 g/d) 
    • Clarithromycin: 15 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 7 Tage (max. 1 g/d)
    • Cotrimoxazol: TMP 8 mg/kg KG/d, SMX 40 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 14 Tage
  • Dosierung Erwachsene
    • Azithromycin: 500 mg in 1 Dosis am Tag 1, 250 mg an den Tagen 2–5
    • Erythromycin-Estolat: 2 g/d in 2 Dosen für 14 Tage 
    • Clarithromycin: 1 g/d in 2 Dosen für 7 Tage
    • Cotrimoxazol: TMP 320 mg/d, SMX 1.600 mg/d in 2 Dosen für 14 Tage

Symptomatische medikamentöse Therapie

  • Bei wiederholten Apnoen kann ein Therapieversuch mit Koffein erfolgen.3
    • 20 mg/kg KG i. v.
  • Der Nutzen von Antitussiva, Sedativa, Mukolytika, beta‑sympathikomimetischen Substanzen, Kortikosteroiden und Antihistaminika ist fraglich und nicht durch kontrollierte Studien belegt.3

Weitere Therapien

  • Bei lebensbedrohlichen Blutbildveränderungen Austauschtransfusionen3
  • Bei respiratorischer Insuffizienz ggf. extrakorporale Membranoxygenierung3

Meldepflicht gemäß IfSG

  • Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an Pertussis sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG direkter oder indirekter Nachweis von Bordetella pertussis oder Bordetella parapertussis, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.4

Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen

  • Empfehlungen gemäß RKI4
  • Kinder/Jugendliche mit Keuchhusten dürfen nicht am Schulunterricht teilnehmen bzw. in den Kindergarten gehen.
  • Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann für Erkrankte in der Regel 5 Tage nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie (bei Gabe von Azithromycin ggf. nach 3 Tagen) erfolgen bzw. wenn keine antibiotische Behandlung durchgeführt wurde, 21 Tage nach Beginn des Hustens.
  • Der Ausschluss von Personen in Gemeinschaftseinrichtungen, die Kontakt zu Pertussis-Erkrankten hatten, ist nur erforderlich, wenn Husten auftritt.
    • bei Husten umgehende PCR-Untersuchung oder Kultur

Chemoprophylaxe

  • Für ungeimpfte enge Kontaktpersonen von an Keuchhusten Erkrankten besteht die Empfehlung einer Chemoprophylaxe mit Makroliden, sofern die Erkrankung durch B. pertussis verursacht wird.4
    • Dosierungen wie o. g.
    • Verabreichung so früh wie möglich nach dem Kontakt zur erkrankten Person

Impfung/Prävention

Impfempfehlung des Robert Koch-Instituts  

  • Empfehlungen von RKI und STIKO4,13-14
  • Pertussis-Impfung wird für alle Säuglinge und Kleinkinder empfohlen.
  • Grundimmunisierung
    • Nach Möglichkeit Kombinationsimpfstoffe verwenden, um Säugling Impftermine und Impfungen zu ersparen.
    • reife Neugeborene
      • Beginn der Grundimmunisierung im Alter von 2 Monaten
      • Für die Sechsfach-Impfung, bei der gegen DiphtherieTetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B immunisiert wird, empfiehlt die STIKO ein 2+1-Schema mit Impfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten.
      • Um Langzeitschutz aufzubauen, ist es besonders wichtig, den Abstand von 6 Monaten zwischen 2. und 3. Impfung nicht zu unterschreiten.
    • Frühgeborene (vor der 37. Schwangerschaftswoche)
      • aufgrund des noch nicht ausgereiften Immunsystems 3+1-Impfschema, mit 4 Impfstoffdosen im Alter von 2, 3, 4 und 11 Monaten
  • Auffrischimpfung
    • Auffrischimpfungen im Vorschul- (5–6 Jahre) und Jugendalter (9–17 Jahre) werden empfohlen.
      • mit den dazu zugelassenen Impfstoffen in Kombination mit Tetanus und Diphtherie (Tdap)
    • Erwachsene sollten bei der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Auffrischung einmalig zusätzlich gegen Pertussis geimpft werden.
      • Tdap, bei entsprechender Indikation zusätzlich in Kombination mit Tdap-IPV (Polio)
    • Ab dem Alter ≥ 5–6 Jahre werden sowohl zur Auffrischimpfung als auch für eine ggf. nachzuholende Grundimmunisierung Impfstoffe mit reduziertem Pertussis-Antigengehalt (ap statt aP) verwendet.
  • Wenn in den letzten 10 Jahren keine Pertussis-Impfung erfolgt ist, sollte dies bei folgenden Personen nachgeholt werden:
    • Personal im Gesundheits­dienst sowie in Gemeinschaftseinrichtungen
    • enge Haushalts­kontakt­personen (Eltern, Geschwister) und Betreuer*innen (z. B. Tages­mütter/-väter, Babysitter, ggf. Groß­eltern) eines Neugeborenen nach Möglichkeit spätestens 4 Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin
  • Schwangere
    • Schwangere Frauen sollten zu Beginn des 3. Trimenons (ab der 28. Schwangerschaftswoche) mit Tdap-Kombinationsimpfstoff geimpft werden.
      • bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfstoff
    • Bei erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt sollte die Impfung ins 2. Trimenon vorgezogen werden.
    • Impfung unabhängig vom Abstand zu einer vorher verabreichten Pertussis-Impfung und in jeder Schwangerschaft
      • Nestschutz für den Säugling in den ersten Lebensmonaten durch eine Übertragung von mütterlichen Pertussis-Antikörpern
  • Siehe auch TrainAMed Impfen (Uni Freiburg).

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In der Regel selbstlimitierend, der Husten kann jedoch prolongiert anhalten.1
  • Für den klassischen Verlauf siehe die klinischen Stadien.
  • Atypische Verläufe besonders bei Erwachsenen und geimpften Kindern mit lang dauerndem unspezifischem Husten ohne klassische Begleitsymptome1
  • Mehr als 50 % der in den ersten 5 Lebensmonaten an Pertussis erkrankten Kinder werden hospitalisiert.3
    • Im übrigen Säuglingsalter geht der Anteil der Hospitalisierungen kontinuierlich auf etwa 10 % zurück und verbleibt bis zum Alter von 4 Jahren auf diesem niedrigen Niveau oder darunter.

Komplikationen

  • Komplikationen vor allem bei Säuglingen und älteren Menschen
  • Pneumonie4
    • meist durch Super­in­fektionen mit anderen bakteriellen Erregern, insbesondere Pneumokokken oder Haemophilus influenzae
    • Bis zu 10 % der erkrankten Säuglinge und älteren Menschen sind betroffen.
  • Leukämoide Lymphozytose/Hyperleukozytose3-4   
    • Kann pulmonale Hypertonie und schwere Hypoxämie verursachen.
    • oft Ursache für letalen Verlauf bei Säuglingen
  • Neurologische Schädigungen durch Hypoxie bei Apnoe oder Krämpfen
  • Otitis media4
  • Durch starke Hustenattacken sind Inkontinenz, Hernien, Rippen­frakturen sowie subkonjunktivale oder selten sogar zerebrale Blutungen möglich.4
  • Gewichtsverlust durch reduzierte Kalorienzufuhr

Prognose

  • Gut
    • einzelne Todesfälle, Versterben jedoch sehr selten11
    • Hoher Anteil der Krankenhausbehandlungen, und fast alle Todesfälle betreffen ungeimpfte Säuglinge unter 6 Monaten.1
  • Der Impfschutz nimmt kontinuierlich ab, und auch eine durchgemachte Erkrankung führt nicht zu dauerhaftem Schutz.13
    • Regelmäßige Auffrischimpfungen sind empfohlen.
    • Säuglinge, die an Pertussis erkrankt waren, sollen pünktlich zu allen von der STIKO empfohlenen Zeitpunkten mit dem üblichen hexavalenten Impfstoff geimpft werden.3

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Video

Quellen

Leitlinien/RKI-Ratgeber

  • RKI-Ratgeber. Keuchhusten (Pertussis). Stand 02.03.2022. www.rki.de
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Akuter und chronischer Husten. AWMF-Leitlinie Nr. 053-013. S3, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. S2k, AWMF-Nr. 020-003. Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Husten, AWMF-Leitlinie Nr. 053-013, Stand 2021. www.awmf.org
  2. Crowcroft NS, Pebody RG. Recent developments in pertussis. Lancet 2006; 367: 1926-36. PubMed
  3. Heininger U. Pertussis (Keuchhusten). Monatsschrift Kinderheilkunde 2020; 168: 747-59. link.springer.com
  4. Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber für Ärzte: Keuchhusten. Berlin, Stand 02.03.2022. Letzter Zugriff 15.01.2023. www.rki.de
  5. Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 13/2020. Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der Pertussisimpfung mit einem Tdap-Kombinationsimpfstoff in der Schwangerschaft. Zugriff 27.3.2020 www.rki.de
  6. Carbonetti NH, Wirsing von König CH, Lan R, et al. Highlights of the 11th International Bordetella Symposium: from Basic Biology to Vaccine Development. Clinical and Vaccine Immunology 2016. journals.asm.org
  7. Moore A, Ashdown HF, Shinkins B, et al. Clinical Characteristics of Pertussis-Associated Cough in Adults and Children: A Diagnostic Systematic Review and Meta-Analysis. Chest 2017; 152: 353-67. pmid:28511929 PubMed
  8. Schellekens J, von Konig CH, Gardner P. Pertussis sources of infection and routes of transmission in the vaccination era. Pediatr Infect Dis J 2005; 24: S19-S24. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Mattoo S, Cherry JD. Molecular pathogenesis, epidemiology, and clinical manifestations of respiratory infections due to Bordetella pertussis and other Bordetella subspecies. Clin Microbiol Rev 2005; 18: 326-82. PubMed
  10. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. S2k, AWMF-Nr. 020-003. Stand 2019. register.awmf.org
  11. European Centre for Disease Prevention and Control: Guidance and protocol for the use of realtime PCR in laboratory diagnosis of human infection with Bordetella pertussis or Bordetella parapertussis. Stockholm 2012 www.ecdc.europa.eu
  12. Fung KSC, Yeung WL, Wong TW, So KW, Cheng AFB. Pertussis - a re-emerging infection? J Infect 2004; 48: 145 - 8. PubMed
  13. RKI. Schutzimpfung gegen Pertussis: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Stand: 11.05.2021. Letzter Zugriff 13.01.2023. www.rki.de
  14. RKI. Empfehlungen der STIKO. Stand 2022. Letzter Zugriff 15.04.22. www.rki.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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