Zusammenfassung
- Definition:Durch das Zikavirus ausgelöste akute Infektion. Übertragungsweg: primär durch die Gelbfiebermücke Aedes aegypti (möglicherweise auch durch die asiatische Tigermücke), durch sexuelle Kontakte sowie über die Plazenta Schwangerer auf das ungeborene Kind.
- Häufigkeit:Größere Infektionsausbrüche erstmalig 2007 im pazifischen Raum. Seit 2015 epidemische Ausbreitung in Mittel- und Südamerika und der Karibik berichtet. Erste Fälle in Deutschland bei Reiserückkehrer*innen.
- Symptome:Vermutlich meist asymptomatisch. Symptomatischer Verlauf: Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, nichteitrige Konjunktivitis 3–12 Tage.
- Befunde:Es ist möglich, dass kaum klinische Befunde vorliegen. Evtl. leichtes Fieber, makulopapulöses Exanthem, Konjunktivitis. Ein Zusammenhang zwischen Mikrozephalie Neugeborener und Infektion wird diskutiert.
- Diagnostik:Innerhalb der ersten Woche nach Symptombeginn kann das Virus-Genom im Blut nachgewiesen werden, bis zu 2 Wochen im Urin.
- Therapie:Keine Impfung oder Therapie vorhanden. Prävention: Mückenschutz, Schwangere sollten Epidemiegebiete meiden.
Allgemeine Informationen
Definition
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Die Zikavirus-Infektion ist eine durch das Zikavirus (ZIKV)1-3 verursachte Viruskrankheit, die durch die Gelbfiebermücke Aedes aegypti, möglicherweise auch durch die in gemäßigten Breiten vorkommende asiatische Tigermücke Aedes albopictus übertragen wird.4
- Sexuelle Übertragung ist möglich, am häufigsten von infizierten Männern auf weibliche Partnerinnen.1
- Schwangere Frauen, die mit dem Zikavirus infiziert sind, können das Virus über die Plazenta auf das ungeborene Kind übertragen.1
- Die Infektion macht sich durch Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie eine nichteitrige Konjunktivitis bemerkbar. Die Akutsymptome treten 3–12 Tage (meist 3–7 Tage) nach einem infektiösen Mückenstich auf und halten bis zu 1 Woche an. Ein vermutlich großer Anteil der Infektionen (60–80 %) verläuft asymptomatisch.5
- In seltenen Fällen können neurologische Komplikationen wie das Guillain-Barré-Syndrom auftreten.
- Es existieren weder Impfstoffe noch eine virusspezifische Therapie.
- Wegen der Möglichkeit, dass Zikavirus-Infektionen in der Schwangerschaft mit ZNS-Schädigungen Neugeborener zusammenhängen, sollten schwangere Frauen Reisen in Gebiete mit aktuellen Zika-Ausbrüchen möglichst vermeiden. Sollte eine Reise nicht zu vermeiden sein, sollten sie auf einen konsequenten Mückenschutz achten.6-7
Häufigkeit
- Geografische Ausbreitung4
- nachgewiesene Infektionen in Afrika, Südostasien, auf Inseln im Pazifik, in Süd- und Mittelamerika und auf karibischen Inseln seit den 1960er Jahren
- epidemisches Auftreten in Süd- und Mittelamerika 2015–2016
- Eine aktuelle Übersicht über alle Länder, in denen Zikavirus-Infektionen jemals direkt oder indirekt nachgewiesen wurden, finden Sie auf der Webseite des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC).
Ätiologie und Pathogenese
- ZIKV ist ein Arbo-Virus und wurde erstmals 1947 aus einem Rhesusaffen im Zika-Wald in Uganda isoliert.
- Es gehört zur Gattung der Flaviviren und ist mit dem Dengue-Virus, dem Gelbfieber-Virus und dem Japan-Enzephalitis-Virus verwandt.
- Übertragung4
- Das ZIKV wird durch Stiche der Mückenarten Aedes aegypti und Aedes albopictus übertragen.
- Die Aedes-Mücke pflanzt sich in künstlichen, kleinen Wasserreservoirs fort, die sich z. B. in Altreifen, Blechdosen usw. bilden.
- Die Aedes-Mücke sticht im Gegensatz zur Malaria-Mücke vor allem tagsüber. Sie lebt die meiste Zeit in Innenräumen in städtischen Gebieten.
- Der Stich der Aedes-Mücke ist schmerzlos; im Gegensatz zum Stich der Malaria-Mücke juckt er jedoch meist (siehe auch Artikel Dengue-Fieber).
- Sexuelle Übertragung sowie die Übertragung bei Schwangeren über die Plazenta auf das ungeborene Kind sind möglich.1
- Infektion durch Blutübertragung ist möglich.
Prädisponierende Faktoren
- Aufenthalt in endemischen Gebieten
ICPC-2
- A77 Virale Erkrankung NNB, andere
ICD-10
- U06 Zika-Viruskrankheit
- U06.9 Zika-Viruskrankheit, nicht näher bezeichnet.8
Diagnose
Diagnostische Kriterien
- In endemischen Gebieten meist klinische Diagnose
- Das klinische Bild einer akuten Zikavirus-Infektion wird im Vergleich zu Dengue- und Chikungunyavirus-Infektionen als milder beschrieben.
- Die Infektion macht sich durch Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie eine nichteitrige Konjunktivitis bemerkbar.
- Die Körpertemperatur ist meist im subfebrilen Bereich.
- Die Akutsymptome treten 3–12 Tage (meist 3–7 Tage) nach einem infektiösen Mückenstich auf und halten bis zu 1 Woche an.
- Ein vermutlich großer Anteil der Infektionen verläuft asymptomatisch.4
- Nachweis
- Die Bestätigung der Diagnose erfolgt entweder durch den direkten Virusnachweis im Blut oder Urin (PCR) oder indirekt durch den serologischen Antikörpernachweis (IgM).
- Innerhalb der ersten Woche9 nach Symptombeginn kann das Virus-Genom im Serum oder Plasma (RT-PCR) nachgewiesen werden.
- Immer eine Urinprobe für den Virus-Direktnachweis einschicken. IgM- und IgG-Serumantikörper gegen Zikavirus werden gegen Ende der ersten Krankheitswoche nachweisbar, zeigen aber Kreuzreaktivitäten mit anderen Flaviviren im ELISA und IIFT.
- IgM kann bis zu 12 Wochen erhöht bleiben.10
- Spezifisch ist der Nachweis von Antikörpern gegen Zikavirus nur in einem Neutralisationstest innerhalb der ersten Woche nach Symptombeginn.
Differenzialdiagnosen
- Influenza
- Infektion mit dem Dengue-Virus
- Andere Tropenkrankheiten
Anamnese
- Aufenthalt in Risikogebieten und (meist unspezifische) Symptome (siehe Abschnitt Diagnostische Kriterien)
- Fieber und Gelenkschmerzen: wenn überhaupt, dann nur meist leicht und wenige Tage
- Fleckig-knotiger Hautausschlag: häufig, etwa 6 Tage anhaltend
Klinische Untersuchung
- Leichtes Fieber („subfebrile“ Temperaturen um die 38 °C)
- Makulopapulöses Exanthem
- Arthralgie
- Konjunktivitis
- Es besteht eine gesetzliche Meldepflicht in Deutschland.1
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Keine
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Siehe Abschnitt Diagnostische Kriterien.
Indikationen zur Überweisung
- In den meisten Fällen wird die Absprache mit Infektiolog*innen und möglicherweise die sofortige Überweisung empfohlen. Die Differenzialdiagnostik zur Unterscheidung von anderen potenziell gefährlichen Erkrankungen (wie Malaria, Typhus) kann schwierig sein.
- Eine umfassende Zikavirus-Diagnostik bietet in Deutschland z. B. das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Nationales Referenzzentrum für tropische Infektionserreger) in Hamburg an.
Therapie
Therapieziele
- Linderung der Symptome und unterstützende Behandlung
Allgemeines zur Therapie
- Es handelt sich um eine symptomatische Behandlung. Es gibt keine spezifische Behandlung.
- Da spezifische Therapien oder Impfungen gegen Zikavirus-Infektionen nicht zur Verfügung stehen, beruht die Prävention auf der Vermeidung von Mückenstichen und somit der Infektion. Es ist zu beachten, dass Aedes-Mücken auch tagsüber stechen.
- Es gibt noch keinen Impfstoff.
Medikamentöse Therapie
- Behandlung mit Schmerzmitteln und bei Bedarf fiebersenkenden Mitteln
- Paracetamol: 3–4 x 1 g für Erwachsene
- Paracetamol-Mixtur 24 mg/ml: 3 x 15 mg/kg für Kinder
- Bei Flüssigkeitsbehandlung
- strenge Überwachung des Flüssigkeitshaushalts durch wiederholte Untersuchungen von Hämatokrit, Blutdruck, Puls und Urinmenge
Prävention
Mückenstichprophylaxe
- Für Reisende in endemische Gebiete ist es wichtig, Mückenstiche zu vermeiden.12-13
- Im Gegensatz zur Malaria-Mücke, die am Abend und in der Nacht aktiv ist, kann Aedes aegypti jederzeit stechen, besonders in Innenräumen und an schattigen Orten.
- Die Mücke gedeiht besonders in urbanen Regionen, sodass das Risiko einer Infektion auch in Großstädten besteht.
- Schützende Kleidung tragen.
- dunkle Oberbekleidung mit langen Ärmeln, lange Hosen und Socken
- Insektizide/Insektenschutzmittel verwenden, die Diethyltoluamid (DEET) enthalten.
- Diese Mittel sollten auch tagsüber verwendet werden; mehrmals täglich einreiben, wenn man schwitzt.
- Sowohl in ländlichen als auch in städtischen Umgebungen besonders in den frühen Morgenstunden und in der Abenddämmerung vorsichtig sein.
- Moskitonetze
- Unter mit Permethrin imprägnierten Moskitonetzen schlafen, und auch die Kleidung mit Permethrin einsprühen.
- Ggf. Insektenschutzmittel in der Unterkunft versprühen.
- Lokale Maßnahmen sind u. a. die Drainage von Wasserreservoirs und das Besprühen der Brutstätten der Mücken mit Insektiziden.
- Während der Reise dem Rat der örtlichen Gesundheitsbehörden folgen.
Schutzimpfung bei Reisen
- Es existiert kein Impfstoff.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die bisher gesehenen Fälle entsprachen primär einer selbstlimitierenden, fieberhaften Erkrankung.
Komplikationen
- Risiko für vital bedrohliche ZNS-Erkrankungen Ungeborener14-15
- Schwangeren wird von der Reise in Risikogebiete abgeraten.
- Bei Infektion im 1. Trimenon scheint das Risiko für ZNS-Schäden beim Ungeborenen am höchsten zu sein16-17 und unabhängig davon, ob die Schwangere Symptome entwickelt oder nicht.18
- Es wurde inzwischen ein kongenitales Zika-Syndrom identifiziert.19
- veränderte Schädelmorphologie20, Anomalien im Gehirn und Auge, angeborene Kontrakturen, neurologische Defizite
- Risiko eines Guillain-Barré-Syndroms21
- Möglicherweise Risiko für eine akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)22
- Zeitlich begrenzte Hörminderung22; vermutlich auch Myokarditis und Herzrhythmusstörungen
Prognose
- Gute Prognose bei Nicht-Schwangeren
- Daten einer prospektiven Kohortenstudie in Französisch-Guyana zeigen folgende fetale Komplikationsraten bei Schwangeren mit bekannter Zikavirus-Infektion:23
- Bei rund jeder 4. Schwangeren kommt es zur Infektion des Fetus.
- Bei Infektion des Fetus liegt die Rate von schwerwiegenden Komplikationen oder intrauterinem Fruchttod bei ca. 33 %.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Schwangeren wird von der Reise in Risikogebiete abgeraten.
- Frauen, die aus Risikogebieten zurückkehren, sollten 3 Monate eine Schwangerschaft sicher vermeiden.1
- Über die Bedeutung der Vorbeugung gegen Mückenstiche
- Die Mücke Aedes aegypti ist auch tagsüber aktiv; insbesondere morgens und gegen Abend.
- Verbreitung der Mücken auch in Stadtgebieten, v. a. in der Nähe von Wasserreservoirs
- Bei unklarem Fieber in tropischen Gebieten immer ärztlichen Rat suchen!
- Auswärtiges Amt (Deutschland): Merkblatt für Beschäftigte und Reisende: Zika-Virus-Infektion
- Nach durchgemachter Infektion besteht mit großer Wahrscheinlichkeit eine lebenslange Immunität.1
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Robert Koch Institut. Infektionskrankheiten A-Z. Zikavirus-Infektionen. Berlin, 24.10.2019. www.rki.de
- Bundesministerium für Soziales Gesundheit Pflege und Konsumentenschutz (Österreich). Krankheiten. Zika-Virus. Wien,30.09.2019 www.sozialministerium.at
- Bundesamt für Gesundheit BAG (Schweiz), Infektionskrankheiten. Zika-Virus. Bern, 2016. www.bag.admin.ch
- Robert Koch Institut. Zikavirus – Weitere Ausbreitung und fraglicher Zusammenhang mit Hirn-Fehlbildungen bei Neugeborenen. Epidem. Bull. 2 2016; 2/2016: 16ff. doi:10.17886/EpiBull-2016-004.2 DOI
- European Centre for Disease Prevention and Control ECDC. Zika virus infection. Factsheet for health professionals. Solna (Schweden), 27.11.2015. ecdc.europa.eu
- Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin. Reiseinformationen: Reisen von schwangeren Frauen in Länder, in denen Zikavirus-Infektionen vorkommen. München 13.1.2016. www.dtg.org
- Auswärtiges Amt (Deutschland). Merkblatt für Beschäftigte und Reisende: Zika-Virus-Infektion. Berlin, 11/2019. www.auswaertiges-amt.de
- DIMDI. Aktuelle Klassifikationen. ICD.10 (WHO und GM): U06 kodiert Zika-Viruskrankheit. Köln, 18.12.2015. www.dimdi.de
- Centers for Disease Control and Prevention CDC (USA) Zika Virus, Diagnostic Testing. Atlanta 2016. www.cdc.gov
- Centers for Disease Control and Prevention CDC (USA). Prolonged IgM antibody response in people infected with Zika virus: Implications for interpreting serologic testing results for pregnant women. May 5, 2017. www.jstor.org
- Bingham AM, Cone M, Mock V, et al. Comparison of test results for Zika virus RNA in urine, serum, and saliva specimens from persons with travel-associated Zika virus disease - Florida, 2016. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2016 May 13; 65: 475. pmid:27171533 PubMed
- Rahlenbeck S, Müller-Stöver I, Doggett S. Insektenschutz: Wie man das Stichrisiko senkt. Dtsch Arztebl 2013; 110(29-30): A-1432 / B-1256 / C-1239. www.aerzteblatt.de
- Centers for Disease Control and Prevention CDC (USA) Zika Virus, Prevention. Atlanta 2016. www.cdc.gov
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Autor*innen
- Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln
- Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).