Kokzidioidomykose

Zusammenfassung

  • Definition:Systemische Pilzinfektion durch Inhalation der Sporen von Coccidioides immitis; verläuft meist inapperent, in einigen Fällen mild, und in seltenen Fällen kommt es zu schweren Atemwegsinfektionen oder Dissemination.
  • Häufigkeit:In Deutschland äußerst selten. In den Endemiegebieten zunehmende Fallzahlen.
  • Symptome:Meist keine Symptome; in einigen Fällen Husten, Fieber, Schüttelfrost, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Muskelschmerzen und Kraftlosigkeit.
  • Befunde:Abhängig vom betroffenen Organ.
  • Diagnostik:Infektionsparameter, Serologie, Kultur, ggf. Röntgenthorax.
  • Therapie:Beobachtung, sonst Antimykotika.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Auch unter der Bezeichnung San Joaquin Valley Fever, Talfieber, Valley Fever oder Wüstenrheumatismus bekannt.1
  • Die  Kokzidioidomykose ist eine Pilzinfektion, verursacht durch das Einatmen der Sporen von Coccidioides immitis oder Coccidioides posadasii.1
  • Die Infektion erfolgt durch Inhalation und führt zu einem primären Lungenbefall, kann sich aber auch ausbreiten.2

Häufigkeit

  • Die auf die westliche Hemisphäre (Südwesten der USA, Mittel- und Südamerika) beschränkte Pilzinfektion kommt zwischen dem 40. Grad nördlicher und 40. Grad südlicher Breite vor.3
  • Jährlich 25.000 gemeldete Fälle in den USA, darunter ca. 75 Todesfälle4
    • Die Inzidenz stieg im Zeitraum 2000–2007 um das Dreifache im Vergleich zu den vorangegangenen 7 Jahren und betrug im Jahr 2006: 8 Fälle pro 100.000 Einwohner.
    • Hauptendemiegebiete in den USA sind der südliche Teil des San-Joaquin-Tals in Kalifornien und die südliche Zentralregion.
    • Die Endemiegebiete scheinen sich auch auszuweiten.5
    • Die Kokzidioidomykose kommt in  Mexiko vor. Guatemala, Brasilien, Paraguay und Argentinien, Venezuela und Kolumbien sind kaum betroffen.4

Ätiologie und Pathogenese

  • Wird durch Einatmen der Sporen des Pilzes Coccidioides immitis oder Coccidioides posadasii ausgelöst.6
  • Der Pilz wächst im Boden, bei Trockenheit werden jedoch die Sporen aufgewirbelt und von der Luft weitertransportiert.4
  • Ein Anstieg der Fälle wird bei Trockenperioden nach vorangegangenen Regenphasen beobachtet.
  • Das Infektionsrisiko steigt mit dem Kontakt zum Erdreich, dies ist aber nicht obligat.3 
  • Die Infektion kann eine Lokalinfektion sein, kann sich aber über die Blutbahn auch auf die Lunge ausbreiten.
  • Häufig ist eine Begleitarthritis.
  • Die Inkubationsdauer beträgt 1–4 Wochen. Eine Dissemination kann noch Jahre nach der primären Affektion der Lunge erfolgen.2
  • 50–60 % der Patienten weisen keine Symptome auf, bei ca. 40 % kommt es zu erkältungs- oder grippeähnliche Symptomen, diese Symptome klingen meist ohne Behandlung wieder ab.7 
  • Manchmal verbleiben fibrotische oder verkalkte Rundherde, teilweise auch kavernöse Veränderungen in der Lunge.2 
  • Bei ca. 20 % der Patienten entwickelt sich ein Erythema nodosum oder Erythema multiforme.
  • Weniger als 1 % der Betroffenen sind von einer disseminierten Erkrankung betroffen, die sich auf Haut, Knochen und das zentrale Nervensystem auswirken kann.
    • ZNS-Erkrankungen weisen eine hohe Morbidität und Mortalität auf und verlaufen ohne Behandlung tödlich; bei diesen Patienten ist häufig eine lebenslange Behandlung notwendig.

Prädisponierende Faktoren für Komplikationen

  • Menschen indianischer, afrikanischer oder asiatischer Herkunft8
  • Alter
  • Immunschwäche (z. B. HIV, Malignome, Immunsuppression)
  • Schwangerschaft im letzten Drittel

ICPC-2

  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • B38 Kokzidioidomykose
    • B38.0 Akute Kokzidioidomykose der Lunge
    • B38.1 Chronische Kokzidioidomykose der Lunge
    • B38.2 Kokzidioidomykose der Lunge, nicht näher bezeichnet
    • B38.3 Kokzidioidomykose der Haut
    • B38.4 Kokzidioidomykose der Meningen
    • B38.7 Disseminierte Kokzidioidomykose
    • B38.8 Sonstige Formen der Kokzidioidomykose
    • B38.9 Kokzidioidomykose, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Bei Patienten mit den entsprechenden Symptomen (z. B. Pneumonien), die sich in den Endemiegebieten aufgehalten haben, sollte an eine Kokzidioidomykose gedacht werden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese 

Klinische Untersuchung

  • Befunde wie bei einer Pneumonie
  • Hautausschläge wie ein Erythema nodosum oder Erythema multiforme kommen bei ca. 20 % der Patienten vor.
  • Bei der disseminierten Kokzidioidomykose können Abszesse und Granulome vor allem in der Haut, Subkutis, Peritoneum und Knochen, aber auch im ZNS (meningeale Symptome) vorkommen.

Ergänzende Untersuchungen

Labor

  • Erhöhte BSG, erhöhtes CRP, evtl. Leukozytose, möglicherweise Eosinophilie
  • Serologie: spezifischer Antikörpernachweis bei Immunkompetenz meist bis zu 2 Jahren nach Erstinfektion mittels Immundiffusion oder Western Blot möglich. Im Akutstadium empfiehlt sich ergänzend die KBR (Komplementbindungsreaktion) zur Quantifizierung und Titerverlaufskontrolle.2
  • Der Erregernachweis gelingt mit kulturellen Verfahren aus bronchoalveolärer Lavage, Sputum oder Punktat.
    • Das Labor sollte vorher über die Verdachtsdiagnose informiert werden, da ein unabsichtliches Einatmen eine beträchtliche Gesundheitsgefahr für Labormitarbeiter darstellt (Risikogruppe 3 für biologische Arbeitsstoffe).5
    • Erregernachweis über Gensonden, PCR und Sequenzierung möglich.6
    • Das zuständige Konsiliarlabor befindet sich am RKI in Berlin. Kontakt:8
      • PD Dr. Volker Rickerts
      • Robert-Koch-Institut Fachgebiet 16
      • Nordufer 20
      • 13353 Berlin
      • Tel: 03018754-2208
      • FAX: 030187542614
      • E-Mail: FG16MykologieK@rki.de
  • Ggf. Liquorpunktion

Diagnostik beim Spezialisten

Röntgen

  • Kann eine einfache Lobärpneumonie, Multilobärpneumonie, Kavernen, Empyeme oder Ergüsse zeigen.
  • Weist eine hiläre oder mediastinale Lymphadenopathie nach.

Szintigrafie oder MRT

  • Können ggf. Knochen- oder Gehirnbefall nachweisen.

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern.
  • Pilz beseitigen.
  • Dissemination verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei den meisten symptomlosen immunkompetenten Betroffenen ist keine Behandlung notwendig.
  • Bei Patienten mit Immundefiziten oder Symptomen, die länger als 2 Monate bestehen, sollte eine antimykotische Therapie erwogen werden.
  • Infrage kommen Triazolderivate oder Amphtotericin B, das aber schwersten Verläufen oder der Behandlung im 1. Schwangerschaftsdrittel vorbehalten bleiben sollte.5

Medikamentöse Therapie

  • Therapie der 1. Wahl ist Itraconazol 200-400 mg/Tag oral bis 6 Monate über die klinische Abheilung hinaus.1 
  • Alternativ Fluconazol Tag 1: 400 mg oral, ab Tag 2: 200 mg oral Therapiedauer: 3–6 Monate über die klinische Abheilung hinaus (bei disseminierten Formen 400–800 mg/Tag i. v.)1
    • Kontrolle der Transaminasen erforderlich
  • Alternativ Posaconazol: Tagesdosis 800 mg oral in 2 oder 4 Einzelgaben
  • Bei lebensbedrohlichen Verläufen Amphotericin B in hohen Dosierungen: initial 0,1 mg/kg KG/Tag i. v., dann schrittweise Steigerung auf max. 1 mg/kg KG/Tag i. v. (max. bis zu 3 g/Tag).1 
  • Alternativ liposomales Amphotericin B mit 1 mg/kg KG/Tag i. v., bei Bedarf schrittweise Steigerung auf 3 mg/kg KG/Tag1 
    • Bei eintretender Besserung ist der Wechsel auf ein orales Triazolderivat möglich.

Sonstige Therapien

  • In einigen Fällen können chirurgische Eingriffe erforderlich sein, z. B. bei Knochenbefall oder persistierenden Hämoptysen oder Pyopneumothorax.
  • Bei Meningitiden kann die Anlage eines Liquorshunts erforderlich sein.

Meldepflicht gemäß IfSG

  • In Deutschland besteht keine Meldepflicht.

Prävention

  • Inhalationsprophylaxe bei staub- und erdverbundenen Arbeiten in gefährdeten Gebieten
  • Wenn möglich, Reiseverschiebung bei passagerer Immunsuppression3
  • An der Entwicklung eines Impfstoffes wird gearbeitet.9 
  • Eine prophylaktische Gabe von Antimykotika in Endemiegebieten für Immunsupprimierte wird nicht empfohlen.
  • Lediglich vor der Einnahme von TNF-Alpha-Blockern bei Patienten, bei denen eine Kokzidioidomykose vorangegangen ist, wird eine Behandlung mit Triazolderivaten empfohlen.5

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In vielen Fällen ist eine Abheilung auch ohne Therapie möglich.
  • Nach Absetzen der Therapie bei systemischen Mykosen kommt es zu häufigen Rückfällen, deshalb sind jahrelange klinische, mykoserologische (KBR-Titer) und ggf. radiologische Kontrollen notwendig.1

Komplikationen

  • Disseminierte Infektion
  • Pyopneumothorax
  • Meningitis

Prognose

  • Bei einer unkomplizierten Erkrankung ist die Prognose gut.
  • Ist die Infektion abgeklungen, besitzen die Patienten eine lebenslange Immunität gegenüber einer erneuten Infektion.
  • Bei Patienten mit Immunschwäche kann es jedoch auch später noch zu einer disseminierten Kokzidioidomykose infolge einer Reaktivierung kommen.2
  • Eine unbehandelte Kokzidioidomeningitis verläuft stets tödlich, auch nach erfolgter Therapie kann sich ein Hydrozephalus entwickeln, es kommt zu kognitiven und motorischen Störungen.5

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Coccidioides immitis (Quelle: Centers for Disease Control and Prevention, USA)
Coccidioides immitis (Quelle: Centers for Disease Control and Prevention, USA)

Quellen

Literatur

  1. Altmeyer P. Online Enzyklopädie Dermatologie. Coccidioidomycose. Zugriff 01.02.2019 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  2. Robert Koch-Institut Berlin. Infektionskrankheiten: Mykosen. Ratgeber/Merkblatt: Kokzidioidomykose. Stand 2015. (Zugriff 01.02.2019) www.rki.de
  3. Rieke B., Küpper T., et al. Moderne Reisemedizin: Handbuch für Ärzte, Apotheker und Reisende S. 224ff. Stuttgart: Gentner, 2010.
  4. Hospenthal DR. Coccidioidomycosis. eMedicine, Sept 2018. zugriff 02.02.2019 emedicine.medscape.com
  5. Hoffmeister B. Suttorp N. Kokzidioidomykose. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag S.1630ff.
  6. Tintelnot K, de Hoog GS, Antweiler E, Losert .Taxonomic and diagnostic markers for identification of Coccidioides immitis and Coccidioides posadasii. Med. Mycol. 45 (5): 385-393. 2007 www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Galgiani JN, Ample NM, Blair JE, Catanzaro A, Johnson RH, Stevens DA et al. Coccidioidomycosis. Clin Infect Dis 2005; 41: 1217-23. PubMed
  8. Centrum für Reisemedizin. Handbuch Reisemedizin. Ausgabe 54. 2018.
  9. Cox RA, Magee DM. Coccidioidomycosis: host response and vaccine development. Clin Micro Rev 2004; 17: 804-39. PubMed

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Bertil Christensson, Professor und Oberarzt, Infektionsklinik, Universitätskrankenhaus Skåne
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim

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