Zum Diagnosezeitpunkt besteht bei Typ 2 jedoch bereits häufig eine Polyneuropathie.
Schwankende Zahlen zur Häufigkeit aufgrund von unterschiedlichen diagnostischen Kriterien und Untersuchungsmethoden
In Deutschland kommt es Schätzungen zufolge zu mehr als 20.000 nichttraumatischen Amputationen bei Diabetes mellitus pro Jahr.1
Wichtigster Risikofaktor ist die sensomotorische diabetische Polyneuropathie.
Ätiologie und Pathogenese
Die Ursache der Schädigung der peripheren Nerven bei Diabetes mellitus ist noch nicht geklärt.
vermutlich multifaktorielle Genese mit metabolischen und mikrovaskulären Mechanismen10
Umwandlung von Glukose zu Polyolen (z. B. Sorbitol), oxidativer Stress und eine nichtenzymatische Glykosylierung sind wichtige metabolische Ursachen von Nervenschäden.
Mikroangiopathie von Blutgefäßen, die die Nerven versorgen, durch Glukoseablagerung führt auch zu Minderversorgung und Schädigung der peripheren Nerven.
Der häufigste Manifestationstyp der diabetischen Neuropathie ist eine distal symmetrische und sensible Polyneuropathie vom Subtyp der Small-Fiber-Neuropathie.2
distal betonte Sensibilitätsstörungen, v. a. der Temperaturempfindung und von Schmerz
zudem Schmerzen ohne weitere Symptome
Distale symmetrische sensible oder sensomotorische Polyneuropathie
Verringerte Lebensqualität und erhöhte kardiovaskuläre Mortalität sowie Rate an Fußkomplikationen
Risiko für nichttraumatische Amputationen der unteren Extremität 10- bis 22-fach erhöht1
Die Polyneuropathie verläuft chronisch progredient und irreversibel.
Dünne Nervenfasern, C-Fasern und A-Delta-Fasern sind vermutlich zuerst betroffen.1
Small-Fiber-Neuropathie ohne Schädigung dicker Nervenfasern; neurophysiologischen Untersuchung (z. B. Nervenleitgeschwindigkeit) oft uneindeutig
Kälte-, Wärme- und Schmerzempfindungen
Symptome sind Schmerzen, z. B. „Burning Feet"-Syndrom, vermindertes Temperaturempfinden und Hypalgesie
Vibrationsempfinden, Propriozeption, Muskeltonus, Tastsinn und Zwei-Punkt-Diskrimination
Cave: Die Small-Fiber-Neuropathie kann bereits bei einer pathologischen Glukosetoleranz auftreten. Das Dogma vom lange vorhandenen Diabetes, der erst dann eine Neuropathie verursacht, ist nicht mehr aufrechtzuerhalten.2
Autonome Neuropathie
Eine subklinische autonome Beteiligung ist bei diabetischen Patient*innen mit Polyneuropathie häufig.
Die Erkrankung kann zwar in jedem beliebigen Diabetesstadium auftreten, ist jedoch bei langer Krankheitsdauer und unzureichender Blutzuckerkontrolle häufiger.3
Die Pathogenese gastrointestinaler Störungen ist komplex, da sie neben der autonomen Neuropathie auch durch Hyperglykämie und eine veränderte Freisetzung hormoneller Regulatoren beeinflusst wird.1
Die Fußkomplikationen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes werden insbesondere durch die Schädigungen der Gefäße (Makroangiopathie) und der Nerven (Neuropathie) verursacht.
Sowohl die schlechtere Wahrnehmung von krankhaften Veränderungen an den Füßen als auch die höhere Wahrscheinlichkeit der Entstehung aufgrund von Durchblutungsstörungen führen in einen Circulus vitiosus, an dessen Ende Amputationen an den Extremitäten stehen können, die massive Einschränkungen für die Patient*innen mit deutlich herabgesetzter Lebensqualität bedeuten.8
Fokale und multifokale Neuropathien
Geringerer Zusammenhang mit der Erkrankungsdauer und meist reversibel
Die meisten gehen innerhalb eines Jahres von allein zurück, können aber auch länger andauern.
Kraniale Neuropathien sind selten und oft reversibel.
Vibrationsempfindung (Messung dorsal am Großzehengrundgelenk)
normal: 0 Punkte
vermindert/fehlend: 1 Punkt
Schmerzempfindung (Messung am Fußrücken, z. B. mit Zahnstocher)
normal: 0 Punkte
vermindert/fehlend: 1 Punkt
Temperaturempfindung (Messung am Fußrücken, z. B. mit kaltem Metall)
normal: 0 Punkte
vermindert/fehlend: 1 Punkt
Auswertung
Die Prüfung findet am rechten und linken Fuß statt, die Punkte der beiden Seiten werden addiert.
3–5 Punkte: leichte neuropathische Defizite
6–8 Punkte: mäßige neuropathische Defizite
9–10 Punkte: schwere neuropathische Defizite
Screening
Die Screening-Empfehlungen beruhen auf der nationalen Versorgungsleitlinie Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter (Version aus dem Jahr 2016).1
Ein Screening auf sensomotorische und/oder autonome diabetische Neuropathie soll bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eines Diabetes erfolgen und bei Menschen mit Typ-1-Diabetes spätestens 5 Jahre nach Diagnosestellung.
Wenn keine Neuropathie vorliegt, soll einmal jährlich ein Neuropathie-Screening durchgeführt werden.
Ergibt sich aus dem Screening der Verdacht auf das Vorliegen einer Neuropathie, soll die Diagnose mithilfe der Methoden der Basisdiagnostik, evtl. unter Hinzuziehung einer weiterführenden Diagnostik, gesichert werden.
Hinweisende Symptome sind Ruhetachykardie, Störungen im gastrointestinalen Bereich (dyspeptische Symptome, Obstipation, Diarrhö, Stuhlinkontinenz), Blasenfunktionsstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, gestörte Hypoglykämiewahrnehmung, Schweißsekretionsstörungen und anderweitig nicht begründete Blutglukoseschwankungen.
Basisdiagnostik
Sensomotorische diabetische Polyneuropathie
Von der nationalen Versorgungsleitlinie Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter (Version aus dem Jahr 2016) empfohlene Diagnostik, die bei niedergelassenen Allgemeinärzt*innen, Internist*innen oder betreuenden Diabetolog*innen durchgeführt werden kann.1
Indikationen
Bei symptomatischen Patient*innen
Bei asymptomatischen Patient*innen mit einem pathologischen Befund im Screening
Zeitgleich Untersuchung auf Komplikationen einer diabetischen Neuropathie (z. B. Fußkomplikationen)
Anamnese
Lebensalter, Körpergewicht und Körpergröße (BMI, Taillenumfang)
Diabetesdauer und -einstellung
Diabeteskomplikationen (Mikro- und Makroangiopathie)
Frühere und aktuelle Diabetes-Therapie
neurologische Symptome als Plus- und/oder Minus-Symptome
z. B. sensible Reizerscheinungen, Schmerzen, Krämpfe, Taubheitsgefühl
Zeichen einer bakteriellen Infektion und/oder Mykose
Fußdeformitäten (z. B. Neuroosteoarthropathie, Hammerzehen, Krallenzehen)
Fußulkus mit genauer Beschreibung von Lokalisation, Ausdehnung und Begleitinfektion
Klinische Untersuchung
Erhebung des peripheren Pulsstatus
Palpation der Fußpulse der A. tibialis posterior und der A. dorsalis pedis beidseits
Prüfung der Hauttemperatur, des Hautturgors und der Schweißbildung
Orientierende Erfassung von Fußdeformitäten sowie orientierende Erfassung der Muskel- und Gelenkfunktion
Beurteilung des Ganges, optische und Tastkontrolle von Schuhen und Einlagen
Veränderungen am Ober- und Futtermaterial, übermäßige Abnutzung der Laufsohlen, Fußabdruck auf der Einlage, Wundsekret auf der Einlage, Ermüdung des Polstermaterials
Neurologische Untersuchung
Die Untersuchungen sind bilateral und im Seitenvergleich durchzuführen.
Sensibilitätsstörungen
typischerweise mit bds. gliedabschnittsweiser Begrenzung (z. B. socken- oder strumpfförmig)
Schmerzempfindungz. B. mit Zahnstocher oder Einmalnadel
Ausschluss struktureller Erkrankungen bei Warnsymptomen (z. B. B-Symptomatik, Hämatochezie, Anämie)
ggf. Überweisung an Spezialist*in zur weiterführenden Diagnostik
Autonome Neuropathie am Urogenitaltrakt
jährliche Anamnese bzgl. urogenitaler Symptome (z. B. Miktionsstörungen, Sexualleben)
Miktionstagebuch (Miktionsfrequenz, Miktionsvolumina und Trinkmenge) über 48 Stunden
Differenzialdiagnosen
Bei Vorliegen folgender Befunde sollte differenzialdiagnostisch an eine andere, nicht diabetische Form der Polyneuropathie gedacht werden:2
vorwiegend motorische Ausfälle
rasche Entwicklung der Symptomatik
stark ausgeprägte Asymmetrie, Multiplexneuropathie und Hirnnervenstörung
Fortschreiten der Symptomatik trotz Optimierung der Stoffwechsellage bei Typ-1-Diabetes; bei Typ-2-Diabetes hat die Optimierung der Stoffwechsellage grundsätzlich nur einen geringen Effekt.
Zur obligaten Diagnostik von unklaren Polyneuropathien gehören elektrophysiologische Untersuchungen:2
Schädigungstyp: axonal vs. demyelinisierend
Schädigungsmuster
Verteilungsmuster
Ausmaß der Muskelschädigung.
Je nach Verdachtsdiagnose gehören zur fakultativen Diagnostik:2
erweitertes Labor
Liquoranalytik
Muskel-/Nerv-/Hautbiopsie
Genetik
bildgebende Diagnostik (Sonografie, MRT).
Indikationen zur Überweisung
Überweisung an Neurolog*in bei folgenden Befunden erwägen:1
Motorische Ausfälle stehen im Vordergrund.
akutes Auftreten und Progredienz der Symptome
Asymmetrie der neurologischen Ausfälle
Beginn an der oberen Extremität
Mononeuropathie und Hirnnervenstörung
neurologische Begleitsymptome
positive Famillienanamnese bzgl. Neuropathie.
Bei Patient*innen mit neuropathischen Schmerzen, die nach spätestens 12 Wochen Therapie keine ausreichende Schmerzlinderung zeigen und deren Lebensqualität durch diese Schmerzen eingeschränkt ist, sollen zur weiterführenden Therapie in der Schmerztherapie erfahrene Ärzt*innen hinzugezogen werden.1
Checkliste zur Überweisung
Diabetische Neuropathie
Zweck der Überweisung
Weiterführende Diagnostik? Therapie? Einstellung des Diabetes? Sonstiges?
Eine normnahe Blutzuckereinstellung (anhand des HbA1c-Wertes) konnte das Risiko für das Auftreten einer sensomotorischen Polyneuropathie innerhalb von 5 Jahren um 69 % senken.1
Die Progression einer diabetischen Neuropathie ließ sich durch Kontrolle des Typ-1-Diabetes verzögern.7
Nach einem Beobachtungszeitraum von 18 Jahren konnten die sensorischen und autonomen Nervenfunktionen bei einem durchschnittlichen HbA1c-Wert von unter 8,4 % besser erhalten werden.17-18
autonome diabetische Neuropathie
Eine intensive Therapie konnte die Inzidenz für eine autonome diabetische Neuropathie nach 14 Jahren um 31 % senken.1
Vielen gastrointestinalen Störungen liegt eine autonome Neuropathie zugrunde, die durch optimierte Blutzuckereinstellung gebessert werden kann.
Die Auswirkung der Blutzuckereinstellung auf das Risiko einer diabetischen Polyneuropathie ist weniger eindeutig als bei Typ-1-Diabetes.1,7
In einer Studie zeigte die Gruppe der intensiven Blutzuckertherapie nach 15 Jahren ein um 40 % geringeres Risiko für ein reduziertes Vibrationsempfinden.17
keine Unterschiede in Bezug auf Muskeleigenreflexe, erektile Dysfunktion oder Herzfrequenzvariabilität
autonome diabetische Neuropathie
Eine intensive Behandlung führte in einer Studie zu einem signifikant niedrigeren Risiko für autonome Neuropathie nach einer mittleren Behandlungsdauer von 7,8 Jahren.19
Es gibt Hinweise auf eine Risikoreduktion bzgl. der Inzidenz durch intensive Therapie, jedoch ebenfalls Studien, die keinen oder einen gegensätzlichen Effekt belegen.1
Lebensstilmodifikation
Die Empfehlungen entsprechen der nationalen Versorgungsleitlinie Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter, Version aus dem Jahr 2016.1
kaum Wirkung bei neuropathischen Schmerzen und gastrointestinale und renale Langzeitnebenwirkungen
Nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen, Diclophenac) und Cox-2-Inhibitoren sollen nicht zur Behandlung eingesetzt werden.1
Paracetamol und Metamizol
keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit
Können zeitlich begrenzt (Lebertoxizität bzw. Agranulozytose und Thrombozytopenie) eingesetzt werden.
Paracetamol 500–1.000 mg 2- bis 3-mal tgl. (max. 3 g/Tag) über max. 12 Wochen1
Metamizol 500–1.000 mg 2- bis 4-mal tgl. mit labormedizinischem Monitoring (Agranulozytose)1
Opioid-Analgetika
Einsatz bei starken Schmerzen oder Kontraindikationen gegen andere Substanzen
Therapieversuch mit WHO-II-Opioiden, ggf. Steigerung auf WHO-III-Opioide1,35
Tilidin/Naloxon, Tramadol (WHO-II) bzw. Oxycodon, Morphin oder L-Methadon (WHO-III)
Tramadol hat eine stärkere Empfehlung als Tilidin/Naloxon1
Cave: Tramadol sollte nicht mit Substanzen der Wirkstoffgruppen SSRI und SNRI kombiniert werden, da die Gefahr eines Serotonin-Syndroms besteht!
Kurzwirksame Opioide sollen bei schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie nicht eingesetzt werden.1
keine allgemeingültigen Empfehlungen zur Dosis (abhängig von Wirksamkeit und Nebenwirkungen)1
Tapentadol (Agonist am μ-Opioidrezeptor und zugleich selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) wird von internationalen Leitlinien als Präparat empfohlen.6
Von der deutschen NVL gibt es noch keine Einschätzung.1
Für die spezifische Therapie der autonomen diabetischer Neuropathie am Gastrointestinaltrakt (u. a. Dysphagie, Gastropathie, Gallenblasendysfunktion, diabetische Diarrhö und Obstipation) siehe den ausführlichen Artikel zu gastrointestinalen Komplikationen beim Diabetes mellitus.
Kardiale autonome diabetische Neuropathie
allgemeine Behandlung (Diabeteseinstellung und Reduktion von Risikofaktoren)
Meidung von Betablockern mit sympathomimetischer Aktivität und trizyklischen Antidepressiva in entsprechender Dosierung bei Vorliegen einer kardialen autonomen Neuropathie
Die über physikalische Maßnahmen hinausgehenden Therapieoptionen sollten nicht außerhalb von Einrichtungen mit Kompetenz in der Behandlung der kardialen autonomen diabetischen Neuropathie durchgeführt werden.1
bei Sinustachykardie ggf. Beta-1-selektive-Betablocker (z. B. Metoprolol, Nebivolol)1
Bei chronischer Harnretention mit symptomatischen Infekten, Überlaufinkontinenz oder beginnender Schädigung des oberen Harntrakts intermittierenden Katheterismus einem Dauerkatheter vorziehen.1
Falls intermittierender Katheterismus nicht etablierbar, suprapubischen Dauerkatheter in Erwägung ziehen.
Psychosoziale Aspekte sollten bei Diagnostik, Prävention, Therapie, Rehabilitation und Schulung gleichwertig zu somatischen Aspekten mit den Patient*innen angesprochen und berücksichtigt werden.1
Gefährdung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit, eines geeigneten und angemessenen Schulabschlusses bzw. einer Berufsausbildung
drohende Pflege- und Hilfsbedürftigkeit
Notwendigkeit von rehabilitationsspezifischen, nichtmedikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können (z. B. Schulung, Physiotherapie, medizinische Trainingstherapie, psychologische Hilfen).
Festsetzung individueller Rehabilitationsziele
Optimierung der Therapie
nachhaltige Lebensstiländerungen
Verbesserung des Umgangs mit der Krankheit
Strategien für den Alltag und das Erwerbsleben
somatische, edukative, psychologische und berufliche/soziale Behandlung
z. B. Physiotherapie, Ernährungsberatung, Psychoedukation, Berufsberatung
In Deutschland wurden DMP bzw. strukturierte Behandlungsprogramme im Jahr 2002 bundesweit implementiert mit dem Ziel, eine Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und des Behandlungsablaufes für Patient*innen mit chronischen Erkrankungen zu erreichen.40
Sie umfassen regelmäßige Arzttermine mit Beratungsgesprächen und Untersuchungen sowie die Vermittlung von Hintergrundinformationen z. B. durch Schulungen.41
Derzeit gibt es in Deutschland DMP für Menschen mit den folgenden chronischen Erkrankungen:4142
Nach Gesprächen, Untersuchungen und Diagnose erstellen die Ärzt*innen auf Grundlage von DMP-Vorgaben einen individuellen Therapieplan.41
Dieser umfasst u. a. die medikamentöse Behandlung und andere therapeutische Maßnahmen, Schulungstermine und regelmäßige Kontrolluntersuchungen, z. T. auch in anderen Praxen oder Kliniken.
Untersuchungen beim DMP Typ-2-Diabetes
Die notwendigen Untersuchungen orientieren sich an Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.4243
Berechnung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate
Inspektion der Füße einschließlich klinischer Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus
mind. 1 x/Jahr
Untersuchung der Füße bei erhöhtem Risiko, einschließlich Überprüfung des Schuhwerks
sensible Neuropathie: mind. halbjährlich
sensible Neuropathie und Zeichen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und/oder Risiken wie Fußdeformitäten (ggf. infolge Osteoarthropathie), Hyperkeratose mit Einblutung, Z. n. Ulkus, Z. n. Amputation: mind. alle 3 Monate
Bei insulinpflichtigen Patient*innen Untersuchung der Spritzstellen auf Lipohypertrophie und der korrekten Injektionstechnik, bei starken Blutzuckerschwankungen auch häufiger
vierteljährlich, mindestens halbjährlich
Überprüfung auf psychische Begleiterkrankung (z. B. Depression)
keine genaue Vorgabe, möglichst bei jedem Besuch
Strukturierte Arzneimittelerfassung und Kontrolle auf mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen
bei Einnahme von 5 oder mehr Arzneimitteln mind. 1 x/Jahr
Individuelle Beratung
Ernährungsberatung
Raucherberatung
Beratung zu körperlicher Aktivität
Stoffwechselselbstkontrolle
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Die Erkrankung verläuft chronisch progredient.
Die Entwicklung kann durch Behandlung und Meidung der Risikofaktoren verzögert werden.
Patient*innen mit diabetischer Neuropathie haben ein erhöhtes Risiko für perioperative Komplikationen (z. B. Rhythmusstörungen und verzögerte Wundheilung).1
Prognose
Beschwerden und Folgeerkrankungen der diabetischen Neuropathie tragen zu einer Verminderung der Lebensqualität bei.1
Die häufigste Form der diabetischen Neuropathie (distale symmetrische Polyneuropathie) ist progredient und assoziiert mit anderen Folgeerkrankungen des Diabetes.
Menschen mit Diabetes und Neuropathie gelten als Hochrisikopatient*innen mit erhöhter Gefahr für Fußkomplikationen und kardiale Mortalität.1
Untersuchung des Druck- und Berührungsempfindens mit dem Monofilament
Untersuchung des Druck- und Berührungsempfindens mit dem Monofilament, Testpunkte
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. DEGAM-Anwenderversion als Addendum zur Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. AWMF-Register-Nr. nvl-001. Stand 2021. www.degam.de
NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes - Teilpublikation, 2. Auflage. Stand 2021. www.leitlinien.de
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie: Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. Registernummer nvl - 001e, Stand 2016. www.leitlinien.de
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067, Stand 2019. www.awmf.org
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Zusammenfassung
Definition:Eine diabetische Neuropathie ist eine Komplikation des Diabetes mellitus und bezeichnet eine Schädigung der Nervenfasern des peripheren Nervensystems. Die häufigste Manifestation ist eine distale symmetrische sensomotorische Polyneuropathie.
Häufigkeit:Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter und länger bestehender Diabetes-Erkrankung. Die Prävalenz liegt bei Typ-1-Diabetes im Bereich von 8–54 % und bei Typ-2-Diabetes bei 13–46 %.
Symptome:Häufig subklinischer und schleichender Beginn. Frühe Symptome sind sensible Reizerscheinungen (Kribbeln, Brennen), Taubheitsgefühle und Schmerzen.
Befunde:Klinische Befunde können reduziertes Berührungsempfinden, reduzierte Vibrationsempfindung und abgeschwächte Muskeleigenreflexe sein. Als Folge zeigen sich häufig schmerzlose Wunden und Verletzungen an den Füßen.
Diagnostik:Neuropathie-Screening mit Muskeleigenreflexen, Monofilament- und Stimmgabeltest. Basisuntersuchung mit ausführlicher neurologischer Untersuchung, weitere Diagnostik bei atypischen Befunden oder zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen.
Therapie:Die diabetische Polyneuropathie ist nicht reversibel. Optimale Blutzuckereinstellung und Lebensstilmodifikation (Bewegung, Gewichtsabnahme, Alkohol- und Rauchverzicht), um Progredienz zu verhindern. Die symptomatische Therapie (z. B. medikamentöse Schmerztherapie) richtet sich nach der Art der Beschwerden und zielt auf eine Verbesserung der Lebensqualität ab.
Definition:Eine diabetische Neuropathie ist eine Komplikation des Diabetes mellitus und bezeichnet eine Schädigung der Nervenfasern des peripheren Nervensystems. Die häufigste Manifestation ist eine distale symmetrische sensomotorische Polyneuropathie.