Zusammenfassung
- Definition:Diabetes mellitus geht mit einem vermehrten Auftreten gastrointestinaler Komplikationen einher, die zu großen Teilen durch die gastrointestinale autonome diabetische Neuropathie mit Störungen von Motilität, Sekretion und Resorption verursacht werden.
- Häufigkeit:Übelkeit kommt bei Diabetes fast doppelt so häufig vor wie bei Personen ohne Diabetes. Völlegefühl und Sodbrennen unterscheiden sich dagegen nicht in der Häufigkeit.
- Symptome:Gastrointestinales Hauptsymptom bei Menschen mit Diabetes ist Übelkeit.
- Befunde:Evtl. postprandiale Hypoglykämie, Motilitätsstörungen mit verzögertem Transit oder Magenentleerungsstörung.
- Diagnostik:Symptomorientierte Diagnostik des Gastrointestinaltraktes.
- Therapie:Symptomorientierte Behandlung und an die individuelle Situation der Patient*innen angepasste Diabeteseinstellung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Diabetes mellitus beschreibt eine Gruppe von chronischen Stoffwechselerkrankungen, die durch erhöhte Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) gekennzeichnet sind.
- Beim Typ-1-Diabetes kommt es zu Insulinmangel durch Zerstörung der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse.
- Beim Typ-2-Diabetes kommt es zu Insulinresistenz und im Verlauf zur verminderten Bildung von Insulin.
- Diabetes mellitus kann insbesondere bei insuffizienter Therapie zu einer Reihe von Komplikationen führen.
- u. a. Schädigung der peripheren Nerven, der diabetischen Neuropathie mit Beteiligung des autonomen Nervensystems
- Gastrointestinale Beschwerden bei Diabetes mellitus sind oft Folge der autonomen diabetischen Neuropathie und umfassen:1
- Dysphagie
- gastroösophageale Refluxkrankheit
- diabetische Gastropathie (dyspeptische Symptome, postprandiale Hypoglykämie)
- diabetische Cholezystopathie
- diabetische Diarrhö
- Hypomotilität von Dünn- und/oder Dickdarm mit Obstipation
- chronische intestinale Pseudoobstruktion
- anorektale Dysfunktion (meist Stuhlinkontinenz).
- Übelkeit kommt bei Diabetes fast doppelt so häufig vor wie bei Personen ohne Diabetes. Völlegefühl und Sodbrennen unterscheiden sich nicht in der Häufigkeit.2
- Zu den gastrointestinalen Komplikationen des Diabetes wird mitunter auch die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) gezählt.3
- Bei wechselseitiger Assoziation ist die pathogenetische Beziehung unklar.4-5
- Die Therapie umfasst eine optimale Blutzuckereinstellung des Diabetes mellitus sowie symptomorientierte Behandlungsmaßnahmen.
- Zu berücksichtigen ist, dass auch durch die Therapie eines Diabetes – z. B. mit Metformin, Acarbose, DPP4-Hemmern oder GLP-1-Analoga – gastrointestinale Symptome auftreten können.
Häufigkeit
- Viele Patient*innen mit Diabetes mellitus beklagen gastrointestinale Beschwerden.
- Diabetische Neuropathie bei bis zu 30 % nach 10–15 Jahren Krankheitsdauer1
- Typ-1-Diabetes
- Prävalenz der diabetischen Neuropathie von 8–54 %
- Typ-2-Diabetes
- Prävalenz der diabetischen Neuropathie von 13–46 %
- Nachweisbare Magenentleerungsstörung bei Diabetes mellitus1
- bei bis zu 55 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes
- bei bis zu 30 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes
- Völlegefühl tritt aber bei Personen mit Diabetes nicht häufiger auf als bei Menschen ohne die Erkrankung.
- Dysphagie bei 5–12 %9
- Diarrhö bei bis zu 20 %1,10
- Auch hier ist an mögliche unerwünschte Wirkungen einer Therapie mit DPP4-Hemmern oder GLP-1-Analoga zu denken.
- Exokrine Pankreasinsuffizienz
- bei 26 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes
- bei 12 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes1
Ätiologie und Pathogenese
- Die häufigste Ursache einer autonomen Polyneuropathie ist Diabetes mellitus.11
- Durch autonome Denervierung kommt es zu vielseitigen Störungen.
- Wesentliche Faktoren, die eine gastrointestinale autonome Neuropathie begünstigen, sind:1
- Dauer der Erkrankung
- Blutzuckereinstellung
- Assoziation mit der sensomotorischen diabetischen Polyneuropathie.
- Die gastrointestinale autonome Neuropathie führt zu Dysfunktionen von:1
- gastrointestinaler Motilität
- Sekretion
- Resorption
- Perzeption.
- Häufiger Pathomechanismus ist die Hypomotilität im Gastrointestinaltrakt.
- verzögerter Transit im Ösophagus1
- zudem anomale ösophageale Peristaltik, spontane Kontraktionen und eingeschränkter Tonus12-13
- Kann zu Dysphagie, Regurgitationen und Refluxerkrankung führen.
- verzögerte Magenentleerung bei Gastroparese1
- wichtigste Manifestation der autonomen Neuropathie am Gastrointestinaltrakt
- Kann zu Übelkeit, Erbrechen und postprandialer Hypoglykämie führen.
- verzögerte Darmpassage
- Begünstigt bakterielle Fehlbesiedlung oder gesteigerte intestinale Sekretion.
- Kann zu Diarrhö und Obstipation führen.
- gestörte Darmperistaltik als Ursache der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion
- Seltener findet sich ein beschleunigter Transit bzw. eine beschleunigte Magenentleerung.1
- verzögerter Transit im Ösophagus1
- Stuhlinkontinenz
- begünstigt durch:
- reduzierten Sphinktertonus
- verminderte rektale Compliance
- verminderte Wahrnehmung rektaler Reize.1
- begünstigt durch:
- Exokrine Pankreasinsuffizienz
- Kann zu Diarrhö bzw. Steatorrhö führen.
- durch Zusammenwirken multipler Pathomechanismen bedingt
- Anteil der autonomen Neuropathie ist unklar, was jedoch keine therapeutische Konsequenz mit sich bringt.1
- Gehäuftes Auftreten von Gallensteinen
ICPC-2
- T89 Diabetes mellitus, primär insulinabhäng
- T90 Diabetes mellitus, primär insulinunabhäng
- N94 Periphere Neuritis/Neuropathie
ICD-10
- E10: Diabetes mellitus, Typ 1
- E11: Diabetes mellitus, Typ 2
- G63: Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G63.2: Diabetische Polyneuropathie
- G99: Sonstige Krankheiten des Nervensystems bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G99.0: Autonome Neuropathie bei endokrinen und Stoffwechselkrankheiten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Vorliegen gastrointestinaler Beschwerden bei einer Grunderkrankung mit Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes
- Hinweise für Manifestation der autonomen Neuropathie am Magen-Darm-Trakt1
- langjähriger Diabetes
- Hypoglykämien/Stoffwechselschwankungen mit schlechter Diabeteseinstellung
- andere Diabeteskomplikationen (v. a. Assoziation mit sensomotorischer diabetischer Polyneuropathie)
- andere autonome Störungen
- hohes Alter
- Ausschluss struktureller und infektiöser Erkrankungen bei progredienten Beschwerden oder Warnsymptomen1
Differenzialdiagnosen
- Abhängig vom Leitsymptom
- Mögliche Differenzialdiagnosen
- Pseudoperitonitis diabetica bei Hyperglykämie
- Reizdarmsyndrom
- gastroösophageale Refluxkrankheit
- kolorektales Karzinom
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Pankreatitis
- Cholezystitis
- Urolithiasis
- Bei intestinaler Pseudoobstruktion (selten)14
Anamnese
Praxisempfehlung der DDG zur ausführlichen Anamnese14
- Gezieltes Erfragen folgender Symptome und Befunde:
- Dysphagie/Odynophagie
- abdominelle Schmerzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Völlegefühl, Blähungen
- Diarrhö
- Obstipation
- Stuhlinkontinenz
- Blut im Stuhl.
- Frage nach Dauer und möglicher Progredienz gastrointestinaler Symptome
- Bedeutung der Beschwerden für Lebensqualität
- Vorliegen von B-Symptomatik
Weitere Begleitsymptome
- Symptome des Diabetes mellitus
- z. B. Abgeschlagenheit, Polyurie, Polydipsie
- Symptome einer distal symmetrischen (diabetischen) Polyneuropathie
- z. B. sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen (Kribbeln, Schmerzen, Ameisenlaufen, Taubheit, schmerzlose Wunden)
- Symptome einer autonomen (diabetischen) Neuropathie
- z. B. orthostatische Dysregulation mit lageabhängigem Schwindel, und Synkopen
Warnsymptome
- Warnsymptome für strukturelle und infektiöse Erkrankungen14
- Blut im Stuhl
- Anämie
- frühes Sättigungsgefühl
- anhaltendes Erbrechen
- ungewollter Gewichtsverlust > 10 %
- paradoxe Diarrhöen
- Malnutrition
- Dysphagie/Odynophagie
- Lymphknotenvergrößerungen
- B-Symptome (Fieber, Schwäche, Gewichtsverlust)
- tastbare Resistenz
- positive Familienanamnese für gastrointestinale Tumoren
- Alter > 50 Jahre
Klinische Untersuchung
- Allgemeine körperliche Untersuchung
- Vitalparameter
- Organomegalie
- abdominale Resistenz
- Orientierende neurologische Untersuchung auf Symptome einer Polyneuropathie
- Schwerpunkt auf autonomer Beteiligung
- trophische Störungen (Hauttrockenheit, Ulkus, Osteoarthropathie)
- orthostatische Hypotonie
- Ruhe-Tachykardie
- Schwerpunkt auf autonomer Beteiligung
Ergänzende Untersuchungen
- Labordiagnostik
- ggf. Urinstatus
- ggf. Stuhldiagnostik auf pathogene Keime – v. a. auf Clostridien nach erfolgter Antibiotikabehandlung
- Ggf. Sonografie des Abdomens
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Die ergänzende Diagnostik ist abhängig vom Beschwerdebild.
- Bei Anzeichen einer peripheren Neuropathie mit autonomer oder ohne autonome Beteiligung
- ggf. weiterführende neurologische Diagnostik bzgl. autonomer Neuropathien bzw. diabetischer Polyneuropathie
- Das wesentliche Ziel ist der Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen.1
- Häufige Untersuchungsverfahren
- Sonografie des Abdomens
- endoskopische Untersuchungen
- z. B. Ösophagogastroduodenoskopie, Koloskopie
- weiterführende Labordiagnostik
- z. B. Antikörperdiagnostik bei Zöliakie/Sprue
- Schnittbildgebung (CT oder MRT)
- gastrointestinale Funktionsdiagnostik
- z. B. Messung der Magenentleerungsgeschwindigkeit1
Symptomspezifische Diagnostik
- Die NVL empfiehlt anhand der führenden Symptomatik folgende diagnostische Algorithmen.1
Dysphagie und Refluxerkrankung
- Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
- bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss struktureller Veränderungen:
- Ösophagogastroduodenoskopie
- ggf. auch sonstige bildgebende Untersuchungen.
- bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss struktureller Veränderungen:
- Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
- Bei nichtobstruktiver Dysphagie oder Refluxbeschwerden, die nicht ausreichend auf PPI ansprechen:
- Ösophagusmanometrie
- 24-Stunden-pH-Metrie.
- Bei nichtobstruktiver Dysphagie oder Refluxbeschwerden, die nicht ausreichend auf PPI ansprechen:
Diabetische Gastropathie (Gastroparese) – das Vollbild dieser Erkrankung ist sehr selten!
- Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
- bei V. a. Gastropathie und auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
- Ösophagogastroduodenoskopie
- Abdomensonografie
- ggf. auch sonstige bildgebende Untersuchungen
- Laboruntersuchungen.
- bei V. a. Gastropathie und auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
- Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
- bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und fehlendem Ansprechen auf einfache Maßnahmen (z. B. Ernährungsumstellung):
- Magenentleerungs-Szintigrafie (Referenzverfahren)
- 13C-Atemtest (mit Markierung fester Speisen).
Diabetische Diarrhö und exokrine Pankreasinsuffizienz – ebenfalls selten
- Eine diabetische Diarrhö ist im Wesentlichen eine Ausschlussdiagnose.
- Symptome und Verläufe
- Typisch sind intermittierende braune, wässrige, voluminöse Stuhlgänge mit plötzlichem Stuhldrang und Tenesmen.
- Diabetesspezifische Medikamente und Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommen als Ursachen infrage und müssen gezielt erfragt werden.
- Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
- bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
- Anamnese (Medikamente, Zuckeraustauschstoffe u. a.). Insbesondere DPP4-Hemmer und GLP-1-Analoga sollten probatorisch abgesetzt werden.
- Endoskopie (einschl. Histologie zum Ausschluss von z. B. Zöliakie/Sprue, mikroskopischer Kolitis)
- Abdomensonografie
- Laboruntersuchungen (einschl. Stuhluntersuchung auf pathogene Keime, sofern keine Duodenalbiopsie erfolgt; Antikörperdiagnostik mit Frage nach Zöliakie/Sprue)
- ggf. sonstige bildgebende Untersuchungen.
- bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
- Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
- Bei Patient*innen, deren Beschwerden weiterhin unzureichend geklärt sind:
- Laktose-/Fruktose-/Sorbitol-Wasserstoffatemtest
- Glukose-Wasserstoffatemtest
- ggf. fäkale Elastase-1
- ggf. Laktulose-Wasserstoffatemtest
- ggf. D-Xylose-Test.
- Bei Patient*innen, deren Beschwerden weiterhin unzureichend geklärt sind:
Diabetische Obstipation – nicht häufiger als bei Personen ohne Diabetes
- Der 1. Schritt: Feststellen, ob eine hyperglykäme Situation zur Dehydratation geführt hat – dann zunächst diese behandeln.
- Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
- bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
- Medikamentenanamnese
- digital-rektale Untersuchung
- Ileokoloskopie (aussagekräftigstes Verfahren)
- Laboruntersuchungen
- ggf. Abdomensonografie
- ggf. sonstige bildgebende Untersuchungen.
- bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
- Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
- bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und unzureichendem Ansprechen auf übliche therapeutische Maßnahmen (z. B. Laxanzien):
- (MRT-)Defäkografie
- anorektale Manometrie
- Bestimmung der Kolon-Transitzeit (Hinton-Test)
- neurologische Mitbeurteilung.
- bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und unzureichendem Ansprechen auf übliche therapeutische Maßnahmen (z. B. Laxanzien):
Diabetische Stuhlinkontinenz – extrem selten!
- Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
- digital-rektale Untersuchung
- rektale Endosonografie
- (MRT-)Defäkografie
- bei fehlendem Hinweis auf organische Erkrankungen weiterhin:
- anorektale Manometrie
- ggf. neurologische Untersuchungen.
- Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
- bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und unzureichendem Ansprechen auf übliche therapeutische Maßnahmen:
- (MRT-)Defäkografie
- Anorektale Manometrie
- Bestimmung der Kolon-Transitzeit (Hinton-Test)
- Neurologische Mitbeurteilung.
- bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und unzureichendem Ansprechen auf übliche therapeutische Maßnahmen:
Diabetische Gallenblasendysfunktion
- Bei Gallenblasenkontraktionen, Cholezystomegalie und Gallensteinen
- Abdomensonografie
- ggf. zusätzliche bildgebende Untersuchungen (CT, MRT, MRCP)
- ggf. invasivere Verfahren (Endosonografie oder ERCP)
Indikationen zur Überweisung
- Bei länger als 4 Wochen andauernden Beschwerden, die subjektiv belastend sind, ist anhand der Symptomatik zu entscheiden, ob eine Überweisung zur weiterführenden Diagnostik (z. B. an Gastroenterolog*in) unmittelbar oder erst nach einem erfolglosen Therapieversuch eingeleitet wird.14
Therapie
Therapieziele
- Grundsätzliche Therapieziele1
- Lebensqualität verbessern.
- Beschwerden verringern.
- Komplikationen vermeiden.
- Diabeteseinstellung verbessern.
- Individualisierung der Therapieziele
- u. a. abhängig von (Ko-)Morbidität, Alter und Lebenserwartung sowie von der Lebensqualität der Betroffenen
Allgemeines zur Therapie
- Empfehlungen gemäß der NVL1
- Störungen des Gastrointestinaltraktes sollen symptomorientiert behandelt werden.
- Entsprechend den Vorgaben für Menschen ohne Diabetes mellitus – sie kommen bis auf Übelkeit auch nicht häufiger vor.
- Diabetesspezifische Risiken und Kontraindikationen berücksichtigen.
- Normnahe Diabeteseinstellung anstreben.
- Nicht behandlungsbedürftig sind Funktionsstörungen
- ohne subjektive Beschwerden
- ohne relevante morphologische Veränderungen
- ohne Beeinträchtigung der Stoffwechselfunktion.
- Psychosoziale Aspekte und Komorbidität beachten.
Symptomatische Therapie
- Empfehlungen zur symptomorientierten Therapie gemäß der NVL.1
Gallenblasendysfunktion
- Erhöht das Risiko für das Auftreten von Gallensteinen.
- Bei unkomplizierter Gallenblasendysfunktion
- keine übliche Therapie neben Diabeteseinstellung
- Gallensteine und deren Komplikationen sollen so behandelt werden wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus.
- Besondere diabetesassoziierte Risiken berücksichtigen.
- z. B. in Bezug auf OP-Indikation bzw. Kontraindikationen (Medikamenteneinnahme)
- Besondere diabetesassoziierte Risiken berücksichtigen.
Refluxerkrankung
- Behandlung entsprechend der üblichen Vorgaben wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus
- Medikamentöse Therapie der Wahl sind Protonenpumpenhemmer (PPI).
Dysphagie
- Bei Dysphagie und retrosternalen Schmerzen, die auf Ösophagusmotilitätsstörungen beruhen.
- Behandlung entsprechend der üblichen Vorgaben wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus
- Bei Hypotonie des Ösophagus
- ausgiebiges Kauen fester Nahrung bzw. Verabreichung von flüssiger Zusatzkost bei aufrechtem Oberkörper
- Eine generelle Gabe von Prokinetika ist nicht empfohlen.
- am Ösophagus allenfalls geringer Effekt
- Bei anhaltenden Beschwerden kann im Einzelfall ein Therapieversuch mit Prokinetika (z. B. Domperidon, Metoclopramid) erwogen werden (Off-Label-Use).
- Bei Dysphagie durch Hypertonie des Ösophagus
- Therapieversuch mit Glattmuskelrelaxanzien (z. B. Kalziumantagonisten, off label)
- bei Therapieversagen
- invasive endoskopisch interventionelle Verfahren
- operative Therapie als Ultima Ratio
- Bei Achalasie
- pneumatische Dilatation als Therapie der Wahl
- Gabe von Glattmuskelrelaxanzien
- endoskopische Injektion von Botulinustoxin in den unteren Ösophagussphinkter
- operative Behandlung in therapierefraktären Fällen
Diabetische Gastropathie
- Die diabetische Gastropathie behindert eine Optimierung der Stoffwechseleinstellung.
- Beschleunigte Magenentleerung (seltener)
- Führt zu schnellem und starkem Anstieg der postprandialen Blutglukosespiegel und zu Oberbauchbeschwerden.
- noch keine etablierten Therapieoptionen
- Umstellung der Ernährungsgewohnheiten
- kleine, über den Tag verteilte Mahlzeiten
- Vermeidung rasch resorbierbarer Kohlenhydrate (z. B. zuckerhaltige Getränke)
- probatorisch Verwendung von Quellstoffen (z. B. Flohsamenschalen) zur Verzögerung des Transits
- Verzögerte Magenentleerung/Gastroparese (häufiger)
- Behindert die Synchronisation zwischen Kohlenhydratresorption und Medikamentenwirkung (v. a. Insulinwirkung).
- Dies kann zu akuten Stoffwechselentgleisungen, insbesondere Hypoglykämien, führen.
- allgemeintherapeutische Maßnahmen
- gründliches Kauen
- aufrechtes Sitzen für mindestens 30 min nach jeder Mahlzeit
- kleine, über den Tag verteilte Mahlzeiten
- reduzierte Fettzufuhr, wenig Ballaststoffe
- langsames Spazierengehen nach den Mahlzeiten
- ggf. Gabe von passierter/flüssiger Kost
- bei insulinpflichtigen Patient*innen
- Insulinbedarf kann reduziert sein.
- ggf. Anpassung des Spritz-Ess-Abstands
- bei ausbleibender Besserung durch Ernährungsumstellung
- Einsatz von Prokinetika unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Profils zeitlich begrenzt auf wenige Wochen (ggf. wiederholt)
- Metoclopramid oder Domperidon (Off-Label-Use)
- bei unzureichender Wirksamkeit: ggf. Erythromycin (Off-Label-Use)
- Einsatz von Prokinetika unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Profils zeitlich begrenzt auf wenige Wochen (ggf. wiederholt)
- bei therapierefraktären Fällen
- Behandlung in spezialisierten Einrichtungen
- Einsatz eines gastralen Neurostimulators
- dauerhafte enterale Ernährung
- dauerhafte parenterale Ernährung (Ultima Ratio)
- nicht empfohlene Verfahren
- endoskopische Injektion von Botulinustoxin-A in den Pylorus
- resezierende operative Verfahren
- Behindert die Synchronisation zwischen Kohlenhydratresorption und Medikamentenwirkung (v. a. Insulinwirkung).
Diabetische Diarrhö und exokrine Pankreasinsuffizienz
- Eine genaue differenzialdiagnostische Abklärung ist entscheidend.
- Bei anderen Ursachen sind spezifische Therapien verfügbar, bei diabetischer Diarrhö ist dies nicht möglich.
- Symptomatische Therapie
- Gabe von Quellstoffen (Flohsamenschalen)
- Loperamid
- bei Therapieversagen
- probatorische Therapie mit Colestyramin
- ggf. Therapieversuche mit Clonidin oder Octreotid
- Bei bakterieller Fehlbesiedlung
- gastroenterologische Diagnostik und ggf. Therapie
- Indikation zur Therapie mit Breitbandantibiotika
- Gefahr der Induktion einer Clostridium-difficile-assoziierten Kolitis
- Bei diabetesassoziierter exokriner Pankreasinsuffizienz
- Therapie durch Substitution von Pankreasenzymen
- Kontrolle der Diabeteseinstellung
- z. T. Verschlechterung der Blutglukosekontrolle unter Therapie
Diabetische Obstipation
- Bei unkomplizierter Obstipation
- Behandlung entsprechend den Vorgaben wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus
- Umstellung der Ernährung
- Erhöhung der Ballaststoffzufuhr
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Allgemeinmaßnahmen (z. B. körperliche Bewegung)
- Bei Nichtansprechen auf eine Ernährungsumstellung
- Ballaststoffe (sofern verträglich) therapeutisch (Pektine, Flohsamenschalenpräparate, Weizenkleie, Leinsamen)
- Laxanzien und/oder Klistiere (z. B. PEG-Lösungen)
- Bei funktionellen Stuhlentleerungsstörungen
- Biofeedback-Therapie
- Klistiere und Suppositorien, die eine Defäkation auslösen.
- Bei organischen Veränderungen (z. B. große Rektozele)
- chirurgische Mitbehandlung
- Bei schweren Formen der Obstipation ist oft ein komplexes therapeutisches Regime nötig (Ernährungstherapie, Prokinetika, Laxanzien, Schmerzmedikation, ggf. chirurgische Intervention).
Anorektale Dysfunktion (diabetische Stuhlinkontinenz)
- Bei Stuhlinkontinenz mit Schwächung des Sphinkterapparates
- Beckenbodengymnastik
- Biofeedback-Therapie (bei erhaltener intrarektaler Wahrnehmung)
- Wenn Durchfälle die Inkontinenz erschweren, sollte die begleitende Therapie mit einem Antidiarrhoikum erfolgen.
- Bei organischen Veränderungen mit Stuhlinkontinenz sollte die Indikation chirurgischer Verfahren geprüft werden.
Prävention
- Bestmögliche Einstellung des Blutzuckermanagements1
- vermutlich Besserung der autonomen Neuropathie
- zudem Beeinträchtigung aller Funktionen des Verdauungstraktes durch Hyperglykämien
- Reduktion von Alkoholkonsum1
- Anpassung der Essgewohnheiten
- Besserung z. B. durch kleinere Portionsgrößen bei Gastroparese15
Verlaufskontrolle
- Die Empfehlungen gelten nur für die sehr seltene Situation, dass der Diabetes zu spezifischen gastrointestinalen Komplikationen geführt hat.1
- Erstuntersuchung
- Typ-2-Diabetes: zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
- Typ-1-Diabetes: spätestens 5 Jahre nach Diagnosestellung
- Folgeuntersuchungen
- Wenn keine Neuropathie vorliegt: einmal jährlich.
- Untersuchung
- Symptome, die beim Screening erfasst werden sollten: dyspeptische Symptome, Obstipation, Diarrhö, Stuhlinkontinenz.
- Ergibt sich aus dem Screening ein Verdacht auf Neuropathie: Basisdiagnostik (siehe dort) und evtl. weiterführende Diagnostik.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Weitere Informationen
- Patientenleitlinie Nervenschädigungen bei Diabetes
- Diabetesinformationsportal diabinfo.de
Video
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Diabetes Gesellschaft. Leitlinien & Praxisempfehlungen. Diabetische Neuropathie. Stand 11/2020. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
- NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie: Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-001e. S3, Stand 2016. (abgelaufen; Kapitel in Version von 2021 noch in Überarbeitung). www.leitlinien.de
Literatur
- NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie: Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-001e, Stand 2016. www.awmf.org
- Wilm S, Helmert U. The prevalence of fulness, heartburn and nausea among persons with and without diabetes mellitus in Germany. Z Gastroenterol 2006;44.373-377. www.thieme-connect.com
- Krishnan B, Shithu B, Walker J, Walker AB, Pappachan JM World J Diabetes. 2013 Jun 15; 4(3): 51–63. Published online 2013 Jun 15. doi: 10.4239/wjd.v4.i3.51 www.ncbi.nlm.nih.gov
- Rinella ME. Nonalcoholic fatty liver disease: a systematic review. JAMA. 2015 Jun 9;313(22):2263-73. doi: 10.1001/jama.2015.5370. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Noureddin M1 Mato JM, Lu SC. Nonalcoholic fatty liver disease: update on pathogenesis, diagnosis, treatment and the role of S-adenosylmethionine. Exp Biol Med (Maywood). 2015 Jun;240(6):809-20. doi: 10.1177/1535370215579161. Epub 2015 Apr 13. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Wilm S, Helmert U. The prevalence of fullness, heartburn and nausea among persons with and without diabetes mellitus in Germany. Z Gastroenterol 2006;44(5):373-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Phillips LK, Rayner CK, Jones KL, Horowitz M. An update on autonomic neuropathy affecting the gastrointestinal tract. Curr Diab Rep 2006;6(6):417-23. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Bytzer P, Talley NJ, Leemon M, Young LJ, Jones MP, Horowitz M. Prevalence of gastrointestinal symptoms associated with diabetes mellitus: a population-based survey of 15,000 adults. JAMA Intern Med 2001;161(16):1989-96. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Camilleri M. Clinical practice. Diabetic gastroparesis. N Engl J Med 2007; 356: 820-9. New England Journal of Medicine
- Vinik AI, Maser RE, Mitchell BD, Freeman R. Diabetic autonomic neuropathy. Diabetes Care 2003;26(5):1553-79. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
- Rayner CK, et al.Relationships of upper gastrointestinal motor and sensory function with glycemic control. Diabetes Care 2001; 24: 371-81. PubMed
- Ebert EC. Gastrointestinal complications of diabetes mellitus. Dis Mon 2005; 51: 620-63. PubMed
- Deutsche Diabetes Gesellschaft. Leitlinien & Praxisempfehlungen. Diabetische Neuropathie. Stand 11/2020. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de
- Olausson EA, Störsrud S, Grundin H, Isaksson M, Attvall S, Simrén M. A small particle size diet reduces upper gastrointestinal symptoms in patients with diabetic gastroparesis: a randomized controlled trial. Am J Gastroenterol. 2014;109(3):375-385. Doi:10.1038/ajg.2013.453 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Jonas Klaus, Arzt, Freiburg
- Günther Egidi, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).