DDD MK 09.01.2023 DMP noch nicht verfügbar.
CCC MK 19.12.2022 DMP und neue Ergebnisse zu Empagliflozin ergänzt.
BBB MK 26.04.2022 SGLT2-Hemmer.
CCC MK 14.09.2021 Nomenklatur an NVL angepasst, nach Leseranfrage.
BBB MK 29.06.2021 Stellungnahme des G-BA zu Dapagliflozin.
BBB MK 17.05.2021 Stellungnahme der AkdÄ zu Dapagliflozin.
BBB MK 07.11.2019, neue NVL.
BBB MK 04.07.2019 Gefährliche Interaktion Sacubitril und Statine
CCC MK 21.12.2018, Influenzaimpfung senkt Mortalität, dänische Kohortenstudie Modin et al.
U-NH 22.09.17 + 13.03.18
Hinweis zur Fahreignung TH 2.3.18
DDD MK 10.08.2018, Änderung der Aussage zur diastolischen Herzinsuff. nach Leseranfrage
U-MK 14.11.2018
BBB MK 07.02.2023 übereinstimmend mit der NVL komplett umgeschrieben (Kardiologe).
BBB MK 08.12.2021 neue LL und aktuelle Ergänzungen in der NVL.
chck go 30.5.; DEGAM Winand 25.1.17, MK 25.09.2017, neue NVL
Herzinsuffizienz
Chronische Herzinsuffizienz
Linksherzinsuffizienz
Rechtsherzinsuffizienz
HFreF
HFmEF
HFpEF
Dyspnoe
Atemnot
Kurzatmigkeit
Flüssigkeitsretention
Ödeme
Koronare Herzerkrankung
KHK
New York Heart Association
NYHA
Kardiomyopathie
Ejektionsfraktion
EF
Echokardiographie
ACE-Hemmer
Angiotensin-Rezeptorblocker
Sartane
AT-Antagonisten
Mineralokortikoidantagonisten
SGLT2-Inhibitoren
Sacubitril
ARNI
Digitalis
Diuretika
Torasemid
Herztransplantation
Kardiale Resynchronisationstherapie
CRT
Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
ICD
Zusammenfassung
Definition:Unfähigkeit des Herzens zur ausreichenden Versorgung des Organismus mit Blut und Sauerstoff, um einen stabilen Stoffwechsel unter Belastung oder in Ruhe zu gewährleisten.
Häufigkeit:Gesamtprävalenz ca. 4 %, starke Altersabhängigkeit.
Diagnostik:Labor (NTproBNP bzw. BNP), Echokardiografie. Echokardiografische Einteilung in Herzinsuffizienz mit reduzierter (HFrEF), mild reduzierter (HFmEF) und erhaltener (HFpEF) Ejektionsfraktion.
Therapie:Behandlung von Grunderkrankungen. Medikamentöse Therapie bei HFrEF/HFmEF: Basistherapie mit ACE-Hemmer (bzw. Angiotensinrezeptor-Blocker), Betablocker, evtl. Mineralokortikoidantagonisten. Ergänzende Optionen bei Symptompersistenz sind Sacubitril/Valsartan (als Ersatz für ACE-Hemmer) und SGLT-2-Inhibitoren. Medikamentöse Therapie bei HFpEF: mit SGLT2-Inhibitoren ist erstmalig eine prognostisch wirksame Therapie verfügbar. Bei allen Arten der Herzinsuffizienz Diuretika zur symptomatischen Therapie bei Flüssigkeitsretention. CRT und/oder ICD bei bestimmten Gruppen als interventionelle Therapien.
Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1
Der Artikel basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf der NVL Chronische Herzinsuffizienz2, außerdem auf der ESC-Leitlinie und ihrer deutschen Adaptation.3-4
Definition
Die chronische Herzinsuffizienz kann klinisch und pathophysiologisch definiert werden.
Klinische Definition
Vorliegen typischer Symptome (z. B. Dyspnoe, Leistungsminderung und/oder Flüssigkeitsretention) auf dem Boden einer kardialen Funktionsstörung
Pathophysiologische Definition
Unfähigkeit des Herzens zur ausreichenden Versorgung des Organismus mit Blut und Sauerstoff, um einen stabilen Stoffwechsel unter Belastung oder in Ruhe zu gewährleisten.
Klassifikationen
Eine chronische Herzinsuffizienz kann nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden.
Klinische Klassifikation (NYHA)
Die klinische Einteilung in verschiedene Schweregrade ermöglicht eine Prognoseabschätzung und ist auch für eine stadiengerechte Behandlung relevant.
Am gebräuchlichsten ist die Klassifikation der New York Heart Association (NYHA).
NYHA I
kardiale Dysfunktion ohne Einschränkung körperlicher Aktivität
Alltägliche körperliche Belastung verursacht keine Beschwerden.
NYHA II
leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit
keine Beschwerden in Ruhe und geringer Anstrengung
Stärkere Belastung (z. B. Bergaufgehen oder Treppensteigen) verursacht Luftnot, Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Angina pectoris.
NYHA III
höhergradige Einschränkung der Leistungsfähigkeit
keine Beschwerden in Ruhe
Geringe körperliche Belastung (z. B. Gehen in der Ebene) verursacht Luftnot, Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Angina pectoris.
NYHA IV
Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe
Bettlägerigkeit
Klassifikation nach der linksventrikulären Ejektionsfraktion
Diese Klassifikation hat vor allem auch Bedeutung für die Therapie.
Die klassische medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie bezieht sich auf Patient*innen mit reduzierter Ejektionsfraktion (EF), während für Patient*innen mit erhaltener EF bis vor Kurzem keine prognostisch wirksame medikamentöse Therapie zur Verfügung stand.
Während früher nur zwischen Herzinsuffizienz mit reduzierter und erhaltener EF unterschieden wurde, wird neuerdings eine dritte Gruppe mit leicht reduzierter EF abgegrenzt.
Patient*innen mit erhaltener EF unterscheiden sich u. a. in folgenden Punkten:
Bislang ging man auf Basis der Daten hospitalisierter Patient*innen davon aus, dass Patient*innen mit reduzierter und erhaltener EF etwa gleich häufig sind.
Neuere Daten ambulanter Patient*innen zeigen ein Überwiegen der Patient*innen mit reduzierter EF:
HFrEF 60 %, HFmEF 24 %, HFpEF 16 %.
Ätiologie
Häufige Ursachen
Koronare Herzerkrankung: chronische Ischämie, St. n. Myokardinfarkt, Ventrikelaneurysma
dilatative Kardiomyopathie: infektiös (z. B. viral), toxisch (z. B. Alkohol, Kokain, Zytostatika), Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen (z. B. Lupus erythematodes, Polyarteriitis nodosa, idiopathisch u. a.)
High Output Failure (Anämie, Thyreotoxikose, arteriovenöse Fisteln u. a.)
Pathogenese
Die Herzinsuffizienz als klinisches Syndrom ist die gemeinsame Endstrecke unterschiedlicher Erkrankungen mit Schädigung des Herzens.6
Dabei können unterschiedliche Ätiologien zu demselben klinischen Phänotyp führen.6
Am Beginn steht eine myokardiale Schädigung, z. B. durch Druck- bzw. Volumenbelastung oder Gewebeverlust.
Gegenregulationsmechanismen verbessern kurzfristig das Herzzeitvolumen, führen aber langfristig zu weiterer Zellschädigung und Manifestation der Herzinsuffizienz.
Bei Patient*innen mit reduzierter EF ist primär die systolische Kontraktion und damit das Schlagvolumen des Herzens vermindert.
Bei Patient*innen mit erhaltener EF ist die Pathophysiologie komplexer und nicht abschließend geklärt: Im Rahmen von Grunderkrankungen wie arterieller Hypertonie oder Diabetes mellitus kommt es zu Störungen vor allem der diastolischen Funktion (früher wurde daher häufig auch der Begriff „diastolische Herzinsuffizienz“ verwendet).
Prädisponierende Faktoren
Als wichtigste prädisponierende Faktoren konnten in epidemiologischen Studien identifiziert werden:
I11.0 Hypertensive Herzkrankheit mit (kongestiver) Herzinsuffizienz
Diagnostik
Der V. a. auf Herzinsuffizienz ergibt sich durch Anamnese und Befund, allerdings sind die verschiedenen klinischen Parameter entweder begrenzt sensitiv oder begrenzt spezifisch.
Ferritin und Transferrinsättigung (v. a. nach Diagnosestellung einer chronischen Herzinsuffizienz, da bei Eisenmangel evtl. Indikation zur Supplementierung)
Urinstatus
Rö-Thorax
Evtl. Nachweis von Herzvergrößerung, Lungenstauung, Pleuraerguss
Nachweis bzw. Ausschluss pulmonaler Pathologien
Sonografie
Diameter der V. cava inferior und das Ausmaß des inspiratorischen Kollapses zur Beurteilung des Volumenstatus
Erfassung von Lebensqualität und psychosoziale Diagnostik
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
Die Koordination diagnostischer, therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen erfolgt durch die Hausärzt*innen in Kooperation mit Kardiolog*innen und anderen Fachdisziplinen.
Im Rahmen der Erstdiagnostik sowie im Verlauf sollen fachkardiologische Untersuchungen angeboten werden.
Bei kardialer Dekompensation stationäre Einweisung
Leitlinie: Diagnostik der chronischen Herzinsuffizienz2
Diagnosestellung
Patient*innen mit Symptomen einer Herzinsuffizienz sollen auf typische klinische Zeichen untersucht werden.
Im Rahmen der Anamnese sollen für eine Herzinsuffizienz relevante Vor- und Begleiterkrankungen, Expositionen, seltene Ursachen und familiäre Dispositionen erfragt und berücksichtigt werden.
Besteht nach Anamnese und körperlicher Untersuchung der Verdacht auf Herzinsuffizienz weiter, soll eine Abklärung durch Labordiagnostik und EKG (12 Ableitungen) erfolgen.
Wird die Ausschlussdiagnostik einer Herzinsuffizienz für erforderlich gehalten, soll die Bestimmung von entweder BNP oder NT-proBNP zu einem frühen Zeitpunkt erfolgen.
Bei allen Patient*innen, bei denen nach der Basisdiagnostik der Verdacht auf Herzinsuffizienz weiterhin besteht, soll zeitnah eine transthorakale Echokardiografie durchgeführt werden.
Bei Patient*innen mit nachgewiesener chronischer Herzinsuffizienz soll der aktuelle funktionelle Status mithilfe der NYHA-Klassifikation bestimmt und dokumentiert werden.
Weiterführende diagnostische Maßnahmen
Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sollen nach Diagnosestellung sowie wiederholt im Krankheitsverlauf im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs bezüglich ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität befragt werden.
Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sollen nach Diagnosestellung sowie wiederholt im Krankheitsverlauf im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs bezüglich psychosozialer Belastung und psychischer/psychosomatischer Komorbidität befragt werden.
Weiterführende, insbesondere aufwändige und invasive diagnostische Maßnahmen sollen zwischen Hausärzt*innen und Kardiolog*innen abgestimmt werden.
Dabei sollen die individuellen Therapieziele insbesondere bei älteren und/oder multimorbiden Patient*innen sowie die möglichen Belastungen durch die diagnostischen Maßnahmen berücksichtigt werden.
Die Patient*innen sollen über weiterführende diagnostische Maßnahmen und die möglichen therapeutischen Konsequenzen (z. B. Operationen) aufgeklärt werden und diese mittragen. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen soll im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung getroffen werden.
Therapie
Therapieziele
Prognose verbessern.
Hospitalisationen vermeiden.
Symptome lindern.
Belastbarkeit und Lebensqualität verbessern.
Allgemeines zur Therapie
Optionen der Behandlung einer Herzinsuffizienz sind:
kausale Behandlung einer Grunderkrankung (z. B. KHK)
nichtmedikamentöse Therapie
Lebensstilmodifikation
körperliches Training
Schulungen
medikamentöse Therapie
prognostisch wirksame Substanzen
symptomatisch wirksame Substanzen
apparative Therapie (z. B. kardiale Resynchronisationstherapie CRT).
Bei der Therapieplanung sollen auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden:
psychische und psychosomatische Komorbiditäten
kognitive Leistungsfähigkeit
soziales Umfeld
psychosoziale Auswirkungen der therapeutischen Maßnahmen.
Bei multimorbiden Patient*innen sollen das Therapiekonzept unter Berücksichtigung von Wertvorstellungen und Präferenzen der Patient*innen sowie der Perspektive der behandelnden Ärzt*in festgelegt werden.
Beschlüsse zu Zielen und Durchführung der Therapie sollten im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Patient*innen und Ärzt*innen getroffen werden.
Kausale Therapie
Die Grunderkrankung einer Herzinsuffizienz soll – unter Berücksichtigung der Gesamtsituation – behandelt werden.
interventionelle/operative Therapie von Klappenvitien
Behandlung von tachykarden oder bradykarden Rhythmusstörungen.
Nichtmedikamentöse Therapie
Körperliche Aktivität
Herzinsuffiziente Patient*innen sind zwar wenig belastbar, die Vermeidung körperlicher Belastung führt aber zu einer weiteren Zunahme der Belastungsintoleranz.
Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich positiv aus mit Verbesserung von Belastbarkeit, Lebensqualität und Prognose sowie einer Reduktion von herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen.
Dies gilt insbesondere für Patient*innen mit reduzierter EF (HFrEF), für Patient*innen mit erhaltener EF (HFpEF) ist die Evidenz geringer.
Bestandteile eines körperlichen Trainings sind Ausdauertraining sowie im Verlauf ergänzend dynamisches Krafttraining.
Ausdauertraining z. B. Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen
Dynamisches Krafttraining ist gekennzeichnt durch häufige Wiederholungen mit geringem Gewicht.
Durch konkrete Vereinbarungen zwischen Ärzt*in und Patient*in können Adhärenz und Nachhaltigkeit verbessert werden.8
Beispieltrainingsplan
Phase 1: Woche 1–2 („Start Low“)
kontinuierliches Ausdauertraining
Umfang: 5–10 min (langsam steigern)
Häufigkeit: täglich, auch mehrmals täglich
Phase 2: Woche 3–4 („Go Slow“)
kontinuierliches Ausdauertraining
Umfang: 10–15 min (langsam steigern)
Häufigkeit: täglich, auch 2-mal täglich
Phase 3: Woche 5–7
kontinuierliches Ausdauertraining
Umfang: 15–20 min (langsam steigern)
Häufigkeit: täglich
ergänzend: dynamisches Krafttraining 2-mal pro Woche
Phase 4: Woche 8–12
kontinuierliches Ausdauertraining
Umfang: 20–30 min (langsam steigern)
Häufigkeit: 3- bis 4-mal pro Woche
ergänzend: dynamisches Krafttraining 2-mal pro Woche
alternativ Kombination von kontinuierlichem und Intervalltraining
kontinuierliches Ausdauertraining 3-mal pro Woche (20–30 min), Intervalltraining 1- bis 2-mal pro Woche (20 min), 1 Tag Pause nach dem Intervalltraining
Lebensstil
Gewicht
Herzinsuffiziente Patient*innen mit Übergewicht oder leichter Adipositas haben eine etwas bessere Prognose, die genauen Zusammenhänge sind noch unklar.
Eine Gewichtsreduktion sollte diesen Patient*innen daher nicht regelhaft empfohlen werden.
Diät
Es gibt keine Evidenz für Vorteile einer spezifischen Ernährung.
Salz
Früher wurde aus theoretischen Überlegungen Salzrestriktion empfohlen, hierzu gibt es keine wissenschaftliche Evidenz.
Eine Salzrestriktion < 6 g/d sollte daher nicht empfohlen werden.
Flüssigkeitszufuhr
Eine generelle Flüssigkeitsrestriktion ist nicht indiziert, eine hohe Zufuhr (> 3 l tgl.) sollte aber vermieden werden.
Im Übrigen soll sich die Flüssigkeitszufuhr an Veränderungen des Gewichts und der Nierenfunktion orientieren.
Alkohol
Alkohol sollte nur innerhalb der allgemein empfohlenen Höchstmengen konsumiert werden, bei alkoholtoxischer Kardiomyopathie ist Abstinenz notwendig.
Nikotinverzicht soll empfohlen und unterstützende Maßnahmen zur Raucherentwöhnung vermittelt werden.
Schulungen
Grundsätzlich sind nach Diagnosestellung und wiederholt im Krankheitsverlauf strukturierte Schulungen sinnvoll, allerdings existieren hierfür bislang in Deutschland nur eingeschränkt die notwendigen Versorgungsstrukturen.
Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz soll empfohlen werden, ihr Gewicht täglich zu messen, zu dokumentieren und bei einem unüblichen, kurzfristigen Gewichtsanstieg die behandelnden Ärzt*innen zu benachrichtigen.
Bei symptomatischen Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz soll geprüft werden, ob sie auf Grundlage des Gewichtsprotokolls ihre Diuretikadosis selbstständig anpassen können.
Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF, HFmEF)
Allgemeines
Da die Patient*innen häufig schon älter und multimorbide sind, empfehlen sich zur Vermeidung von Hypotonien und Stürzen:
geringere Anfangsdosen und
langsamere Steigerung der Dosis.
Die Studiendaten wurden v. a. bei Patient*innen mit HFrEF erhoben, die Behandlungsempfehlungen können aber – bei geringerer Evidenz und daher geringerem Empfehlungsgrad – auf Patient*innen mit HFmEF übertragen werden.
Im Zentrum der Therapie stehen ACE-Hemmer (alternativ Angiotensin-Rezeptorblocker), Betablocker und Mineralokortikoidantagonisten.
Weitere Substanzen kommen bei persistierender Symptomatik oder in bestimmten klinischen Konstellationen in Betracht.
Prognostisch bzw. symptomatisch wirksame Medikamente
Zu unterscheiden sind prognoseverbessernde Substanzen von Wirkstoffen, die nur symptomatisch wirksam sind.
Prognostisch wirksam:
ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker
Betablocker
Mineralokortikoidantagonisten
SGLT-2-Inhibitoren
Sacubitril/Valsartan
mglw. Ivabradin.
Symptomatisch wirksam:
Diuretika
Digitalis.
Stufentherapie
Basistherapie
ACE-Hemmer sollen allen Patient*innen (NYHA I–IV, d. h. auch asymptomatischen mit LV-Dysfunktion) verabreicht werden.
ACE-Hemmer sind primär aufgrund besserer Evidenz gegenüber Angiotensin-Rezeptorblockern („Sartanen“) zu bevorzugen, diese stellen vor allem bei Unverträglichkeiten (z. B. bei ACE-Hemmer-induziertem Husten) eine Alternative dar.
Betablocker sollen allen symptomatischen Patient*innen (NYHA II–IV) verabreicht werden.
Mineralokortikoidantagonisten sollen verabreicht werden, wenn die Patient*innen trotz leitliniengerechter Therapie mit ACE-Hemmer und Betablocker weiter symptomatisch sind.
Unter Abwägung von Nutzen und Risiko können sie auch bei Diabetes mellitus, eingeschränkter Nierenfunktion oder grenzwertiger Hyperkaliämie verabreicht werden (engmaschige Kontrollen in der Einstellungsphase, dann mindestens alle 4 Monate).
Ergänzende Therapie bei persistierender Symptomatik trotz leitliniengerechter Basistherapie
Die ergänzende Therapie kann erfolgen mit:
SGLT-2-Inhibitoren (unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes mellitus) – oder –
Sacubitril/Valsartan (als Ersatz für ACE-Hemmer).
Wichtig: 36-Stunden-Intervall zwischen Absetzen des ACE-Hemmers und Beginn mit Sacubitril/Valsartan (sonst Gefahr des Angioödems)!
Wirkmechanismus von Sacubitril: Hemmung des Enzyms Neprilysin führt zu reduziertem Abbau natriuretischer Peptide mit diuretischen, natriuretischen, gefäßerweiternden und antiproliferativen Effekten.
Entscheidung nach klinischen Kriterien (Komorbiditäten, Nebenwirkungsprofil, Erfahrung der Behandelnden)
Bei persistierender Symptomatik trotz Therapieintensivierung mit Sacubitril/Valsartan oder SGLT2-Inhibitoren kann additiv auch der andere Wirkstoff/die andere Wirkstoffkombination angeboten werden.
Ergänzende Therapie bei Betablocker-Intoleranz oder Herzfrequenz ≥ 75/min
Ivabradin
Voraussetzungen: LVEF ≤ 35 %, stabiler Sinusrhythmus, Ruheherzfrequenz ≥ 75/min trotz Zieldosis bzw. maximal tolerierter Betablocker-Dosis, Therapie mit ACE-Hemmern (bzw. Angiotensinrezeptorblockern) und Mineralokortikoidrezeptorantagonisten
Symptomverbesserung
Diuretika
Bei Zeichen einer Flüssigkeitsretention sollen Diuretika verabreicht werden (bevorzugt Schleifendiuretika).
Digitalisglykoside
Reservemittel bei Stadium III–IV trotz optimaler Therapie
Reduktion von Hospitalisationen nach Dekompensation
Vericiguat
neu zugelassenes Medikament, bislang Mittel der Reserve
Kann bei Patient*innen nach kürzlicher kardialer Dekompensation unter Basistherapie erwogen werden, um das Risiko einer Re-Hospitalisierung zu verringern.
Konsequente Aufdosierung
ACE-Hemmer sollten in zweiwöchentlichen Intervallen bis zur höchsten in Studien ermittelten Zieldosis bzw. bis zur maximal tolerierten Dosis gesteigert werden.
Betablocker sollen bis zur Zieldosis bzw. maximal tolerierten Dosis auftitriert werden:
Auch bei einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz im Verlauf (Übergang in Stadium III–IV) sollen Betablocker möglichst beibehalten werden.
Eisensubstitution
Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz besteht häufig ein Eisenmangel.
Eine Substitution führt bei Patient*innen mit HFrEF zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.
Dies gilt nur für i. v. Substitution, eine orale Gabe erwies sich als nicht wirksam.
Daher kann i. v. Eisensupplementierung (Eisencarboxymaltose) bei HFrEF und Eisenmangel (Ferritin < 100 mg/l bzw. Ferritin 100–299 mg/l + Transferrinsättigung < 20 %)9-12 erwogen werden.
Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF)
Bis vor Kurzem gab es keine Therapie mit in Studien nachgewiesener prognostischer Wirksamkeit bei Patient*innen mit HFpEF.
Die Therapie beschränkte sich daher auf:
die Behandlung kardialer und nichtkardialer Grunderkrankungen
die Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren
diuretische Therapie bei Zeichen der Flüssgkeitsüberladung.
Mit SGLT2-Inhibitoren (Empagliflozin, Dapagliflozin) besteht neuerdings erstmals eine prognostisch wirksame Therapieoption bei HFpEF mit Reduktion von kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisationen.9-12
Medikamente mit potenziell negativer Wirkung bei Herzinsuffizienz
Bei Medikamenten, die die Herzinsuffizienz verschlechtern können, ist die Indikation besonders kritisch zu stellen und im Verlauf regelmäßig zu überprüfen, hierzu zählen:
NSAR
nichtselektive NSAR
selektive COX-2-Hemmer (Coxibe)
Antidiabetika
Metformin (erhöhte Gefahr der Laktatazidose bei dekompensierter Herzinsuffizienz)
DPP4-Inhibitoren (Gliptine): erhöhtes Hospitalisationsrisiko bei Saxagliptin
Die Empfehlungen beziehen sich primär auf Patient*innen mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF).13
Es gibt keine Studien, die ausschließlich bei Patient*innen mit mild reduzierter Ejektionsfraktion (HFmEF) durchgeführt wurden, die Behandlung kann sich aber grundsätzlich an der Behandlung der HFrEF orientieren.
ACE-Hemmer
Ramipril: Startdosis 1 x 1,25 mg, Zieldosis 1 x 10 mg
Enalapril: Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 20 mg
Lisinopril: Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 20 mg
Perindopril: Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 5 mg
Fosinopril: Startdosis 1 x 10 mg, Zieldosis 1 x 40 mg
Captopril: Startdosis 3 x 6,25 mg, Zieldosis 3 x 25–50 mg
Angiotensin-Rezeptorblocker („Sartane“)
Candesartan: Startdosis 1 x 4 mg, Zieldosis 1 x 32 mg
Losartan: Startdosis 1 x 12,5 mg, Zieldosis 1 x 150 mg
Valsartan: Startdosis 2 x 40 mg, Zieldosis 2 x 160 mg
Betablocker
Metoprololsuccinat: Startdosis 1 x 23,75 mg, Zieldosis 1 x 190 mg
Bisoprolol: Startdosis 1 x 1,25 mg, Zieldosis 1 x 10 mg
Carvedilol: Startdosis 2 x 3,125 mg, Zieldosis 2 x 25 mg
Nebivolol: Startdosis 1 x 1,25 mg, Zieldosis 1 x 10 mg
Mineralokortikoidantagonisten
Eplerenon 1 x 12,5–50 mg
Spironolacton 1 x 12,5–50 mg
Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI)
Sacubitril/Valsartan: Startdosis 2 x 50 mg, Steigerung alle 2–4 Wochen bis Zieldosis 2 x 200 mg
Cave: Die Behandlung mit Sacubitril/Valsartan darf frühestens 36 Stunden nach Absetzen eines ACE-Hemmers eingeleitet werden, da sonst Risiko eines Angioödems!
bei nichtischämischer Kardiomyopathie weniger sichere Evidenz, individualisierte Indikationsstellung durch Spezialist*innen.
Weitere invasive Therapien
Myokardrevaskularisation
Die Entscheidung für eine Myokardrevaskularisation (Bypass-OP oder PCI) hängt vom Nachweis einer Myokardischämie ab.
Klappenvitien
leitliniengerechte Behandlung unabhängig vom Ausmaß der Herzinsuffizienz
Herzunterstützungssysteme/Herztransplantation
Bei Patient*innen, die trotz optimaler medikamentöser und CRT/ICD-Therapie schwer symptomatisch sind, kann ein Herzunterstützungssystem erwogen werden.
Die Indikation sollte rechtzeitig geprüft werden, bevor schwere Organdysfunktionen eingetreten sind.
Ein Herzunterstützungssystem kann helfen, bei terminaler Herzinsuffizienz die Zeit bis zu einer Herztransplantation zu überbrücken („Bridge-to-Transplant“).
Komplementäre Therapien, Alternativtherapien
Sonstige medikamentöse oder nahrungsergänzende Mittel sollen nicht angewendet werden, z. B. Crataegus-Extrakt (Weißdorn), Coenzym Q10, Myrobalan, Caritine, Omega-3-Fettsäuren, Taurin, Vitamine (außer bei Mangelzuständen).
Impfungen
Grippeschutzimpfung soll jährlich durchgeführt werden.
Impfprophylaxe gegen Pneumokokken soll durchgeführt werden.
Die COVID-Impfung mit mRNA-Impfstoffen ist für Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz unbedenklich.18
Rehabilitation
Im ambulanten Bereich sollte eine Rehabilitation im Antragsverfahren empfohlen werden, wenn
die Grunderkrankung sich chronisch verschlechtert und die Symptome (Dyspnoe, Flüssigkeitsretention) schwer beherrschbar sind.
Trainingstherapie initiiert und anfänglich überwacht werden muss.
besonderer Bedarf an Schulungen/Lebensstilinterventionen besteht.
psychokardiologische Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und/oder bei der psychischen Stabilisierung notwendig ist.
die Aussicht auf Stabilisierung bzw. Verbesserung der sozialen und/oder der beruflichen Teilhabe besteht.
Über die Antragsstellung und die Art der Durchführung (ambulanz bzw. stationär) sollte anhand medizinischer und psychosozialer Aspekte sowie Präferenzen der Patient*innen und Verfügbarkeit geeigneter Einrichtungen entschieden werden.
Palliativmedizin
Durch palliativmedizinische Maßnahmen soll die Lebensqualität der Patient*innen und ihrer Angehörigen bestmöglich erhalten werden.
Den Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sollen frühzeitig Gespräche zu möglichen Krankheitsverläufen und Krisenszenarien angeboten werden.
Bestandteile der palliativmedizinischen Versorgung sind:
Frühzeitige Erfassung von Symptomen und Belastungen, die auf eine palliative Situation hindeuten.
Festlegen des gewünschten Vorgehens
bei Nichteinwilligungsfähigkeit die Benennung einer bevollmächtigten Person.
In der Sterbephase sollen Maßnahmen, die nicht dem Ziel bestmöglicher Lebensqualität dienen, beendet bzw. nicht eingeleitet werden.
DMP Chronische Herzinsuffizienz
Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.19
Für die Diagnosestellung im Hinblick auf eine Einschreibung ist erforderlich:
Einschränkung der linksventrikulären Auswurfleistung (Ejektionsfraktion, LVEF) ≤ 40 %
Auch asymptomatische Patient*innen können teilnehmen.
Besteht neben der chronischen Herzinsuffizienz eine KHK bzw. handelt es sich um eine Herzinsuffizienz als Folge einer KHK, sollten in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf die behandelnden Ärzt*innen abwägen, von welchem der beiden DMP die Versicherte/der Versicherte stärker profitiert.
Eine gleichzeitige Einschreibung in ein DMP Chronische Herzinsuffizienz und ein DMP Koronare Herzkrankheit ist nicht möglich.
Dokumentiert werden sollen bei jedem Patientenkontakt:
Anamnese und Befund
Serum-Elektrolyte und eGFR in den letzten 6 Monaten
Symptomatik (NYHA I–IV)
relevante Ereignisse
ungeplante stationäre Behandlung wegen Herzinsuffizienz
Medikamente
ACE-Hemmer und Betablocker in evidenzbasierter Zieldosis
Schulung
Behandlungsplanung
regelmäßiges körperliches Training (in Stadien NYHA I–III)
Führen eines Gewichtsprotokolls.
Das DMP Herzinsuffizienz ist bislang noch nicht in der Regelversorgung der Bundesländer implementiert (Stand Dezember 2022).
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz. AWMF-Leitlinie Nr. nvl–006. S3, Stand 2019, ergänzte Version September 2021. www.awmf.org
European Society of Cardiology. Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Stand 2021. academic.oup.com
European Society of Cardiology. Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Stand 2021. academic.oup.com
American College of Cardiology/American Heart Association. Guideline for the Management of Heart Failure. Stand 2022. ahajournals.org
Literatur
Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz. AWMF-Leitlinie Nr. nvl–006. S3, Stand 2019, ergänzte Version September 2021. www.kbv.de
McDonagh TA, Metra M, Adamo M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021: ehab368. PMID: 34447992 PubMed
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Pocket-Leitlinie: Akute und chronische Herzinsuffizienz (Version 2021). leitlinien.dgk.org
Störk S, Handrock R, Jacob J, et al. Epidemiology of heart failure in Germany: a retrospective database study. Clin Res Cardiol 2017; 106: 913-22. PMID: 28748265 PubMed
Kempf T, Drexler H, Wollert K. Pathophysiologie der Herzinsuffizienz. Internist 2007; 48: 899-908. doi:10.1007/s00108-007-1929-3 DOI
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Unverzagt S, Meyer G, Mittmann S, Samos FA, Unverzagt M, Prondzinsky R. Verbesserung der Adhärenz bei Herzinsuffizienz. Dtsch Arztebl Int 2016; 113(25): 423-30; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0423. www.aerzteblatt.de
HFpEF-Therapie: Weiterer SGLT2-Hemmer erweist sich als wirksam. kardiologie.org, 05.05.22, Zugriff 31.01.23. www.kardiologie.org
Anker SD, Butler J, Filippatos G, et al. Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2021; 14; 385: 1451-61. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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Herzschwäche: Symptome & Prognose. Internisten im Netz. Zugriff 01.02.23. emedicine.medscape.com
Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).