Chronische Herzinsuffizienz

Zusammenfassung

  • Definition:Unfähigkeit des Herzens zur ausreichenden Versorgung des Organismus mit Blut und Sauerstoff, um einen stabilen Stoffwechsel unter Belastung oder in Ruhe zu gewährleisten.
  • Häufigkeit:Gesamtprävalenz ca. 4 %, starke Altersabhängigkeit.
  • Symptome:Leistungsminderung, (Belastungs-)Dyspnoe, Ödeme.
  • Befunde:Lungenstauung, Beinödeme, gestaute Halsvenen.
  • Diagnostik:Labor (NTproBNP bzw. BNP), Echokardiografie. Echokardiografische Einteilung in Herzinsuffizienz mit reduzierter (HFrEF), mild reduzierter (HFmEF) und erhaltener (HFpEF) Ejektionsfraktion.
  • Therapie:Behandlung von Grunderkrankungen. Medikamentöse Therapie bei HFrEF/HFmEF: Basistherapie mit ACE-Hemmer (bzw. Angiotensinrezeptor-Blocker), Betablocker, evtl. Mineralokortikoidantagonisten. Ergänzende Optionen bei Symptompersistenz sind Sacubitril/Valsartan (als Ersatz für ACE-Hemmer) und SGLT-2-Inhibitoren. Medikamentöse Therapie bei HFpEF: mit SGLT2-Inhibitoren ist erstmalig eine prognostisch wirksame Therapie verfügbar. Bei allen Arten der Herzinsuffizienz Diuretika zur symptomatischen Therapie bei Flüssigkeitsretention. CRT und/oder ICD bei bestimmten Gruppen als interventionelle Therapien.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

  • Der Artikel basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf der NVL Chronische Herzinsuffizienz2, außerdem auf der ESC-Leitlinie und ihrer deutschen Adaptation.3-4

Definition

  • Die chronische Herzinsuffizienz kann klinisch und pathophysiologisch definiert werden.

Klinische Definition 

  • Vorliegen typischer Symptome (z. B. Dyspnoe, Leistungsminderung und/oder Flüssigkeitsretention) auf dem Boden einer kardialen Funktionsstörung

Pathophysiologische Definition

  • Unfähigkeit des Herzens zur ausreichenden Versorgung des Organismus mit Blut und Sauerstoff, um einen stabilen Stoffwechsel unter Belastung oder in Ruhe zu gewährleisten.

Klassifikationen

  • Eine chronische Herzinsuffizienz kann nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden.

Klinische Klassifikation (NYHA)

  • Die klinische Einteilung in verschiedene Schweregrade ermöglicht eine Prognoseabschätzung und ist auch für eine stadiengerechte Behandlung relevant.
  • Am gebräuchlichsten ist die Klassifikation der New York Heart Association (NYHA).
  • NYHA I
    • kardiale Dysfunktion ohne Einschränkung körperlicher Aktivität
    • Alltägliche körperliche Belastung verursacht keine Beschwerden.
  • NYHA II
    • leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit
    • keine Beschwerden in Ruhe und geringer Anstrengung
    • Stärkere Belastung (z. B. Bergaufgehen oder Treppensteigen) verursacht Luftnot, Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Angina pectoris.
  • NYHA III
    • höhergradige Einschränkung der Leistungsfähigkeit
    • keine Beschwerden in Ruhe
    • Geringe körperliche Belastung (z. B. Gehen in der Ebene) verursacht Luftnot, Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Angina pectoris.
  • NYHA IV
    • Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe
    • Bettlägerigkeit

Klassifikation nach der linksventrikulären Ejektionsfraktion

  • Diese Klassifikation hat vor allem auch Bedeutung für die Therapie.
  • Die klassische medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie bezieht sich auf Patient*innen mit reduzierter Ejektionsfraktion (EF), während für Patient*innen mit erhaltener EF bis vor Kurzem keine prognostisch wirksame medikamentöse Therapie zur Verfügung stand.
  • Während früher nur zwischen Herzinsuffizienz mit reduzierter und erhaltener EF unterschieden wurde, wird neuerdings eine dritte Gruppe mit leicht reduzierter EF abgegrenzt.
  • Patient*innen mit erhaltener EF unterscheiden sich u. a. in folgenden Punkten:
  • Herzinsuffizienz mit reduzierter („reduced“) Ejektionsfraktion (HFrEF)
    • LVEF < 40 %
  • Herzinsuffizienz mit leicht („mild“) reduzierter Ejektionsfraktion (HFmEF)
    • LVEF 40–49 %
    • weitere Kriterien zur Erhärtung der Diagnose: erhöhte natriuretische Peptide (BNP > 35 pg/ml und/oder NT-proBNP > 125 pg/ml), echokardiografisch objektivierte strukturelle oder funktionelle Störung des linken Ventrikels
  • Herzinsuffizienz mit erhaltener („preserved“) Ejektionsfraktion (HFpEF)
    • LVEF ≥ 50 %
    • erhöhte natriuretische Peptide (BNP > 35 pg/ml und/oder NT-proBNP > 125 pg/ml), echokardiografisch objektivierte strukturelle oder funktionelle Störung des linken Ventrikels

Klassifikation nach dem betroffenen Herzabschnitt

  • Linksherzinsuffizienz
  • Rechtsherzinsuffizienz
  • Globale Herzinsuffizienz

Häufigkeit

  • Inzidenz und Prävalenz in Deurschland5
    • jährliche Inzidenz 655/100.000
    • Prävalenz ca. 4 %
  • Alter
    • Zunahme der Prävalenz mit dem Alter
    • 65–69 Jahre 7 %, 80–84 Jahre: 24 %, ≥ 95 Jahre: 47 %
  • Geschlecht
    • Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
  • Art der Herzinsuffizienz
    • Bislang ging man auf Basis der Daten hospitalisierter Patient*innen davon aus, dass Patient*innen mit reduzierter und erhaltener EF etwa gleich häufig sind.
    • Neuere Daten ambulanter Patient*innen zeigen ein Überwiegen der Patient*innen mit reduzierter EF:
      • HFrEF 60 %, HFmEF 24 %, HFpEF 16 %.

Ätiologie 

Häufige Ursachen

Seltenere Ursachen

  • Nichtischämische Kardiomyopathien
    • dilatative Kardiomyopathie: infektiös (z. B. viral), toxisch (z. B. Alkohol, Kokain, Zytostatika), Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen (z. B. Lupus erythematodes, Polyarteriitis nodosa, idiopathisch u. a.)
    • hypertrophe Kardiomyopathie
    • restriktive Kardiomyopathie: Amyloidose, Sarkoidose, Hämochromatose und andere infiltrative Erkrankungen
  • Arrhythmien
    • tachykarde und bradykarde Herzrhythmusstörungen
  • Valvuläre Herzerkrankungen
  • Angeborene Herzfehler (z. B. Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt u. a.)
  • Perikarderkrankungen
  • High Output Failure (Anämie, Thyreotoxikose, arteriovenöse Fisteln u. a.)

Pathogenese

  • Die Herzinsuffizienz als klinisches Syndrom ist die gemeinsame Endstrecke unterschiedlicher Erkrankungen mit Schädigung des Herzens.6
  • Dabei können unterschiedliche Ätiologien zu demselben klinischen Phänotyp führen.6
  • Am Beginn steht eine myokardiale Schädigung, z. B. durch Druck- bzw. Volumenbelastung oder Gewebeverlust.
  • Gegenregulationsmechanismen verbessern kurzfristig das Herzzeitvolumen, führen aber langfristig zu weiterer Zellschädigung und Manifestation der Herzinsuffizienz.
  • Bei Patient*innen mit reduzierter EF ist primär die systolische Kontraktion und damit das Schlagvolumen des Herzens vermindert.
  • Bei Patient*innen mit erhaltener EF ist die Pathophysiologie komplexer und nicht abschließend geklärt: Im Rahmen von Grunderkrankungen wie arterieller Hypertonie oder Diabetes mellitus kommt es zu Störungen vor allem der diastolischen Funktion (früher wurde daher häufig auch der Begriff „diastolische Herzinsuffizienz“ verwendet).

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • K77 Herzinsuffizienz

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20217
    • I50 Herzinsuffizienz
      • I50.0 Rechtsherzinsuffizienz
      • I50.1 Linksherzinsuffizienz
      • I50.9 Herzinsuffizienz, nicht näher bezeichnet
    • I09 Sonstige rheumatische Herzkrankheiten
      • I09.0 Rheumatische Myokarditis
    • I11 Hypertensive Herzkrankheit
      • I11.0 Hypertensive Herzkrankheit mit (kongestiver) Herzinsuffizienz

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdachtsdiagnose durch Symptome und klinische Befunde
  • Bestätigung durch:

Differenzialdiagnosen

Anamnese und klinische Untersuchung

Symptome der Herzinsuffizienz

  • Dyspnoe
  • Leistungsminderung
    • inadäquate Erschöpfung nach Belastung, allgemeine Schwäche, Müdigkeit
  • Flüssigkeitsretention
    • periphere Ödeme, Anasarka, schnelle Gewichtszunahme
  • Trockener Husten
    • insbesondere nächtlich
  • Andere Symptome

Klinische Zeichen

  • Gestaute Halsvenen (fehlt häufig)
  • Nach lateral verlagerter Herzspitzenstoß (sehr spezifisch, fehlt häufig)
  • Auskultatorisch 3. Herzton (sehr spezifisch, fehlt häufig)
  • Weniger spezifische Zeichen:
    • Tachykardie
    • Herzgeräusche
    • Pulmonale Rasselgeräusche, die nach Husten persistieren.
    • Tachypnoe
    • Pleuraerguss
    • periphere Ödeme 
    • Hepatomegalie.

Vor- und Begleiterkrankungen, Expositionen

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

EKG

  • Die Wertigkeit des EKG für die Diagnose „chronische Herzinsuffizienz“ ist nur sehr begrenzt.
  • Weder können EKG-Veränderungen den V. a. Herzinsuffizienz bestätigen, noch schließt ein normales EKG eine Herzinsuffizienz aus.
  • Dennoch ist ein Ruhe-EKG Teil der Basis-Diagnostik, da es
    • Hinweise auf die Ätiologie liefern kann (z. B. St. n. Myokardinfarkt).
    • therapeutische Konsequenzen nach sich ziehen kann (z. B. Vorhofflimmern).
    • als Ausgangsbefund dient, um Veränderungen im Verlauf zu erfassen.
  • Häufige Befunde sind:
    • St. n. Myokardinfarkt
    • Hinweise für LV-Hypertrophie
    • Rhythmusstörungen (bradykarde, tachykarde, Vorhofflimmern)
    • Erregungsleitungsstörungen (Schenkelblöcke, AV-Blockierungen).

LZ-EKG

Belastungs-EKG

  • Beurteilung der Belastbarkeit, belastungsindizierter Rhythmusstörungen
  • Für die Ischämiediagnostik heutzutage von untergeordneter Bedeutung (geringe Sensitivität und Spezifität)

Labor

  • Folgende Laborwerte werden bei V. a. Herzinsuffizienz empfohlen:
  • Natriuretische Peptide (NT-proBNP bzw. BNP) zum Ausschluss bzw. Erhärtung des V. a. chronische Herzinsuffizienz
    • Normwerte für die natriuretischen Peptide schließen eine Herzinsuffizienz weitestgehend aus:
      • NT-proBNP < 125 pg/ml, BNP < 35 pg/ml.
    • Die diagnostische Wertigkeit kann weiter erhöht werden, wenn altersspezifische Grenzwerte herangezogen werden, für NT-proBNP betragen diese:
      • < 50 Jahre 50 pg/ml, 50–75 Jahre 75 pg/ml, > 75 Jahre 250 pg/ml.
    • Bei normalen Werten von NT-proBNP bzw. BNP kann auf eine weitere Diagnostik (z. B. Echokardiografie) verzichtet werden.
  • Weitere Laborparameter (Profil kann individuell eingeschränkt oder erweitert werden)

Rö-Thorax

  • Evtl. Nachweis von Herzvergrößerung, Lungenstauung, Pleuraerguss
  • Nachweis bzw. Ausschluss pulmonaler Pathologien

Sonografie

  • Diameter der V. cava inferior und das Ausmaß des inspiratorischen Kollapses zur Beurteilung des Volumenstatus

Spirometrie

  • Nachweis bzw. Ausschluss pulmonaler Ätiologien einer Dyspnoe

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Transthorakale Echokardiografie
    • wichtigstes bildgebendes Verfahren im Rahmen der Diagnostik auf chronische Herzinsuffizienz
      • Größe und Funktion der Ventrikel, insbesondere Bestimmung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF)
      • Messung der Herzwanddicke (LV-Hypertrophie RV-Hypertrophie)
      • Beurteilung der Herzklappen
      • Erfassung angeborener Herzfehler (z. B. ASD, VSD)
      • ggf. Quantifizierung einer pulmonalen Hypertonie
  • Stressechokardiografie
    • Ischämiediagnostik bei V. a. KHK
  • Transösophageale Echokardiografie
    • erweiterte Abklärung von Klappenvitien, angeborenen Herzfehlern
  • Computertomografie des Herzens (Kardio-CT)
    • Ausschluss einer stenosierenden KHK
  • Magnetresonanztomografie (MRT)
    • Beurteilung des Myokards (Myokarditis? Vitalität? Speicherkrankheiten?)
  • Myokardszintigrafie
    • Ischämiediagnostik bei V. a. KHK
  • 6-Minuten-Gehtest
    • Beurteilung der Belastbarkeit
    • Verlaufskontrolle bei Therapie
  • Spiroergometrie
    • Abgrenzung kardialer und pulmonaler Ätiologien einer Dyspnoe
    • Prognoseabschätzung
  • Koronarangiografie und Linksherzkatheruntersuchung
    • Nachweis einer KHK
    • ventrikulografische Erfassung der LV-Funktion
  • Rechtsherzkatheteruntersuchung
  • Endomyokardbiopsie
    • Nachweis von entzündlichen und infiltrativen Prozessen (indiziert nur bei potenzieller therapeutischer Konsequenz)

Diagnostischer Algorithmus

  • Patient*in mit Symptomen einer Herzinsuffizienz
  • Anamnese
    • Vor- und Begleiterkrankungen
    • Expositionen
    • familiäre Disposition
  • Untersuchung auf klinische Zeichen
  • Falls weiterhin V. a. Herzinsuffizienz
    • NT-proBNP bzw. BNP, ergänzende Laborparameter
    • 12-Kanal-EKG
  • Falls weiterhin V. a. Herzinsuffizienz
  • Falls Herzinsuffizienz bestätigt, evtl. weiterführende Diagnostik
    • Bestimmung von Stadium und Ätiologie
    • Diagnose von Begleiterkrankungen
    • Abschätzung der Prognose
    • Erfassung von Lebensqualität und psychosoziale Diagnostik

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Die Koordination diagnostischer, therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen erfolgt durch die Hausärzt*innen in Kooperation mit Kardiolog*innen und anderen Fachdisziplinen.
  • Im Rahmen der Erstdiagnostik sowie im Verlauf sollen fachkardiologische Untersuchungen angeboten werden.
  • Bei kardialer Dekompensation stationäre Einweisung

Leitlinie: Diagnostik der chronischen Herzinsuffizienz2

Diagnosestellung

  • Patient*innen mit Symptomen einer Herzinsuffizienz sollen auf typische klinische Zeichen untersucht werden.
  • Im Rahmen der Anamnese sollen für eine Herzinsuffizienz relevante Vor- und Begleiterkrankungen, Expositionen, seltene Ursachen und familiäre Dispositionen erfragt und berücksichtigt werden.
  • Besteht nach Anamnese und körperlicher Untersuchung der Verdacht auf Herzinsuffizienz weiter, soll eine Abklärung durch Labordiagnostik und EKG (12 Ableitungen) erfolgen.
  • Wird die Ausschlussdiagnostik einer Herzinsuffizienz für erforderlich gehalten, soll die Bestimmung von entweder BNP oder NT-proBNP zu einem frühen Zeitpunkt erfolgen.
  • Bei allen Patient*innen, bei denen nach der Basisdiagnostik der Verdacht auf Herzinsuffizienz weiterhin besteht, soll zeitnah eine transthorakale Echokardiografie durchgeführt werden.
  • Bei Patient*innen mit nachgewiesener chronischer Herzinsuffizienz soll der aktuelle funktionelle Status mithilfe der NYHA-Klassifikation bestimmt und dokumentiert werden.

Weiterführende diagnostische Maßnahmen

  • Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sollen nach Diagnosestellung sowie wiederholt im Krankheitsverlauf im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs bezüglich ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität befragt werden.
  • Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sollen nach Diagnosestellung sowie wiederholt im Krankheitsverlauf im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs bezüglich psychosozialer Belastung und psychischer/psychosomatischer Komorbidität befragt werden.
  • Weiterführende, insbesondere aufwändige und invasive diagnostische Maßnahmen sollen zwischen Hausärzt*innen und Kardiolog*innen abgestimmt werden.
    • Dabei sollen die individuellen Therapieziele insbesondere bei älteren und/oder multimorbiden Patient*innen sowie die möglichen Belastungen durch die diagnostischen Maßnahmen berücksichtigt werden.
  • Die Patient*innen sollen über weiterführende diagnostische Maßnahmen und die möglichen therapeutischen Konsequenzen (z. B. Operationen) aufgeklärt werden und diese mittragen. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen soll im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung getroffen werden.

Therapie

Therapieziele

  • Prognose verbessern.
  • Hospitalisationen vermeiden.
  • Symptome lindern.
  • Belastbarkeit und Lebensqualität verbessern.

Allgemeines zur Therapie

  • Optionen der Behandlung einer Herzinsuffizienz sind:
    • kausale Behandlung einer Grunderkrankung (z. B. KHK)
    • nichtmedikamentöse Therapie
      • Lebensstilmodifikation
      • körperliches Training
      • Schulungen
    • medikamentöse Therapie
      • prognostisch wirksame Substanzen
      • symptomatisch wirksame Substanzen
    • apparative Therapie (z. B. kardiale Resynchronisationstherapie CRT).
  • Bei der Therapieplanung sollen auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden:
    • psychische und psychosomatische Komorbiditäten
    • kognitive Leistungsfähigkeit
    • soziales Umfeld
    • psychosoziale Auswirkungen der therapeutischen Maßnahmen.
  • Bei multimorbiden Patient*innen sollen das Therapiekonzept unter Berücksichtigung von Wertvorstellungen und Präferenzen der Patient*innen sowie der Perspektive der behandelnden Ärzt*in festgelegt werden.
  • Beschlüsse zu Zielen und Durchführung der Therapie sollten im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Patient*innen und Ärzt*innen getroffen werden.

Kausale Therapie

  • Die Grunderkrankung einer Herzinsuffizienz soll – unter Berücksichtigung der Gesamtsituation – behandelt werden.
  • Kausale Therapieansätze sind z. B.:
    • antihypertensive Therapie bei arterieller Hypertonie
    • Myokardrevaskularisation bei Ischämie
    • interventionelle/operative Therapie von Klappenvitien
    • Behandlung von tachykarden oder bradykarden Rhythmusstörungen.

Nichtmedikamentöse Therapie

Körperliche Aktivität

  • Herzinsuffiziente Patient*innen sind zwar wenig belastbar, die Vermeidung körperlicher Belastung führt aber zu einer weiteren Zunahme der Belastungsintoleranz.
  • Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich positiv aus mit Verbesserung von Belastbarkeit, Lebensqualität und Prognose sowie einer Reduktion von herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen.
    • Dies gilt insbesondere für Patient*innen mit reduzierter EF (HFrEF), für Patient*innen mit erhaltener EF (HFpEF) ist die Evidenz geringer.
  • Bestandteile eines körperlichen Trainings sind Ausdauertraining sowie im Verlauf ergänzend dynamisches Krafttraining.
    • Ausdauertraining z. B. Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen
    • Dynamisches Krafttraining ist gekennzeichnt durch häufige Wiederholungen mit geringem Gewicht.
  • Durch konkrete Vereinbarungen zwischen Ärzt*in und Patient*in können Adhärenz und Nachhaltigkeit verbessert werden.8
Beispieltrainingsplan
  • Phase 1: Woche 1–2 („Start Low“)
    • kontinuierliches Ausdauertraining
      • Umfang: 5–10 min (langsam steigern)
      • Häufigkeit: täglich, auch mehrmals täglich
  • Phase 2: Woche 3–4 („Go Slow“)
    • kontinuierliches Ausdauertraining
      • Umfang: 10–15 min (langsam steigern)
      • Häufigkeit: täglich, auch 2-mal täglich
  • Phase 3: Woche 5–7
    • kontinuierliches Ausdauertraining
      • Umfang: 15–20 min (langsam steigern)
      • Häufigkeit: täglich
    • ergänzend: dynamisches Krafttraining 2-mal pro Woche
  • Phase 4: Woche 8–12
    • kontinuierliches Ausdauertraining
      • Umfang: 20–30 min (langsam steigern)
      • Häufigkeit: 3- bis 4-mal pro Woche
    • ergänzend: dynamisches Krafttraining 2-mal pro Woche
    • alternativ Kombination von kontinuierlichem und Intervalltraining
      • kontinuierliches Ausdauertraining 3-mal pro Woche (20–30 min), Intervalltraining 1- bis 2-mal pro Woche (20 min), 1 Tag Pause nach dem Intervalltraining

Lebensstil

  • Gewicht
    • Herzinsuffiziente Patient*innen mit Übergewicht oder leichter Adipositas haben eine etwas bessere Prognose, die genauen Zusammenhänge sind noch unklar.
    • Eine Gewichtsreduktion sollte diesen Patient*innen daher nicht regelhaft empfohlen werden.
  • Diät
    • Es gibt keine Evidenz für Vorteile einer spezifischen Ernährung.
  • Salz
    • Früher wurde aus theoretischen Überlegungen Salzrestriktion empfohlen, hierzu gibt es keine wissenschaftliche Evidenz.
    • Eine Salzrestriktion < 6 g/d sollte daher nicht empfohlen werden.
  • Flüssigkeitszufuhr
    • Eine generelle Flüssigkeitsrestriktion ist nicht indiziert, eine hohe Zufuhr (> 3 l tgl.) sollte aber vermieden werden.
    • Im Übrigen soll sich die Flüssigkeitszufuhr an Veränderungen des Gewichts und der Nierenfunktion orientieren.
  • Alkohol
    • Alkohol sollte nur innerhalb der allgemein empfohlenen Höchstmengen konsumiert werden, bei alkoholtoxischer Kardiomyopathie ist Abstinenz notwendig.
  • Nikotin
    • Nikotinverzicht soll empfohlen und unterstützende Maßnahmen zur Raucherentwöhnung vermittelt werden.

Schulungen

  • Grundsätzlich sind nach Diagnosestellung und wiederholt im Krankheitsverlauf strukturierte Schulungen sinnvoll, allerdings existieren hierfür bislang in Deutschland nur eingeschränkt die notwendigen Versorgungsstrukturen.
  • Inhalte strukturierter Schulungen können sein:
    • Wissen über die Erkrankung
    • Selbstmanagement
    • psychosoziale Aspekte
    • sexuelle Aktivität
    • nichtmedikamentöse Therapie
    • medikamentöse Therapie
    • invasive Therapie
    • spezielle Versorgungsformen
    • Hilfsmittel
    • Führen von Kraftfahrzeugen und Reisen
    • Palliativversorgung.

Leitlinie: Selbstmanagement2

  • Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz soll empfohlen werden, ihr Gewicht täglich zu messen, zu dokumentieren und bei einem unüblichen, kurzfristigen Gewichtsanstieg die behandelnden Ärzt*innen zu benachrichtigen.
  • Bei symptomatischen Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz soll geprüft werden, ob sie auf Grundlage des Gewichtsprotokolls ihre Diuretikadosis selbstständig anpassen können.

Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF, HFmEF)

Allgemeines

  • Da die Patient*innen häufig schon älter und multimorbide sind, empfehlen sich zur Vermeidung von Hypotonien und Stürzen:
    • geringere Anfangsdosen und
    • langsamere Steigerung der Dosis.
  • Die Studiendaten wurden v. a. bei Patient*innen mit HFrEF erhoben, die Behandlungsempfehlungen können aber – bei geringerer Evidenz und daher geringerem Empfehlungsgrad – auf Patient*innen mit HFmEF übertragen werden.
  • Im Zentrum der Therapie stehen ACE-Hemmer (alternativ Angiotensin-Rezeptorblocker), Betablocker und Mineralokortikoidantagonisten.
  • Weitere Substanzen kommen bei persistierender Symptomatik oder in bestimmten klinischen Konstellationen in Betracht.

Prognostisch bzw. symptomatisch wirksame Medikamente

  • Zu unterscheiden sind prognoseverbessernde Substanzen von Wirkstoffen, die nur symptomatisch wirksam sind.
  • Prognostisch wirksam:
    • ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker
    • Betablocker
    • Mineralokortikoidantagonisten
    • SGLT-2-Inhibitoren
    • Sacubitril/Valsartan
    • mglw. Ivabradin.
  • Symptomatisch wirksam:
    • Diuretika
    • Digitalis.

Stufentherapie

Basistherapie
  • ACE-Hemmer sollen allen Patient*innen (NYHA I–IV, d. h. auch asymptomatischen mit LV-Dysfunktion) verabreicht werden.
    • ACE-Hemmer sind primär aufgrund besserer Evidenz gegenüber Angiotensin-Rezeptorblockern („Sartanen“) zu bevorzugen, diese stellen vor allem bei Unverträglichkeiten (z. B. bei ACE-Hemmer-induziertem Husten) eine Alternative dar.
  • Betablocker sollen allen symptomatischen Patient*innen (NYHA II–IV) verabreicht werden.
  • Mineralokortikoidantagonisten sollen verabreicht werden, wenn die Patient*innen trotz leitliniengerechter Therapie mit ACE-Hemmer und Betablocker weiter symptomatisch sind.
    • Unter Abwägung von Nutzen und Risiko können sie auch bei Diabetes mellitus, eingeschränkter Nierenfunktion oder grenzwertiger Hyperkaliämie verabreicht werden (engmaschige Kontrollen in der Einstellungsphase, dann mindestens alle 4 Monate).
Ergänzende Therapie bei persistierender Symptomatik trotz leitliniengerechter Basistherapie
  • Die ergänzende Therapie kann erfolgen mit:
    • SGLT-2-Inhibitoren (unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes mellitus) – oder –
    • Sacubitril/Valsartan (als Ersatz für ACE-Hemmer).
      • Wichtig: 36-Stunden-Intervall zwischen Absetzen des ACE-Hemmers und Beginn mit Sacubitril/Valsartan (sonst Gefahr des Angioödems)!
      • Wirkmechanismus von Sacubitril: Hemmung des Enzyms Neprilysin führt zu reduziertem Abbau natriuretischer Peptide mit diuretischen, natriuretischen, gefäßerweiternden und antiproliferativen Effekten.
  • Entscheidung nach klinischen Kriterien (Komorbiditäten, Nebenwirkungsprofil, Erfahrung der Behandelnden) 
  • Bei persistierender Symptomatik trotz Therapieintensivierung mit Sacubitril/Valsartan oder SGLT2-Inhibitoren kann additiv auch der andere Wirkstoff/die andere Wirkstoffkombination angeboten werden.
Ergänzende Therapie bei Betablocker-Intoleranz oder Herzfrequenz ≥ 75/min
  • Ivabradin  
    • Voraussetzungen: LVEF ≤ 35 %, stabiler Sinusrhythmus, Ruheherzfrequenz ≥ 75/min trotz Zieldosis bzw. maximal tolerierter Betablocker-Dosis, Therapie mit ACE-Hemmern (bzw. Angiotensinrezeptorblockern) und Mineralokortikoidrezeptorantagonisten
Symptomverbesserung
  • Diuretika
    • Bei Zeichen einer Flüssigkeitsretention sollen Diuretika verabreicht werden (bevorzugt Schleifendiuretika).
  • Digitalisglykoside
    • Reservemittel bei Stadium III–IV trotz optimaler Therapie
    • bei chronischer Nierenerkrankung Reduktion der Erhaltungsdosis von Digoxin bzw. Umstellung auf Digitoxin
Reduktion von Hospitalisationen nach Dekompensation 
  • Vericiguat
    • neu zugelassenes Medikament, bislang Mittel der Reserve
    • Kann bei Patient*innen nach kürzlicher kardialer Dekompensation unter Basistherapie erwogen werden, um das Risiko einer Re-Hospitalisierung zu verringern.

Konsequente Aufdosierung

  • ACE-Hemmer sollten in zweiwöchentlichen Intervallen bis zur höchsten in Studien ermittelten Zieldosis bzw. bis zur maximal tolerierten Dosis gesteigert werden.
  • Betablocker sollen bis zur Zieldosis bzw. maximal tolerierten Dosis auftitriert werden:
    • beginnend mit einer geringen Startdosis
    • in minimal zweiwöchentlichen Intervallen
    • frequenzadaptiert (Ziel: Herzfrequenz 55–60/min)
    • symptomorientiert (Ziel: maximale Symptomkontrolle).
  • Auch bei einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz im Verlauf (Übergang in Stadium III–IV) sollen Betablocker möglichst beibehalten werden.

Eisensubstitution

  • Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz besteht häufig ein Eisenmangel.
  • Eine Substitution führt bei Patient*innen mit HFrEF zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.
    • Dies gilt nur für i. v. Substitution, eine orale Gabe erwies sich als nicht wirksam.
  • Daher kann i. v. Eisensupplementierung (Eisencarboxymaltose) bei HFrEF und Eisenmangel (Ferritin < 100 mg/l bzw. Ferritin 100–299 mg/l + Transferrinsättigung < 20 %)9-12 erwogen werden.

Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF)

  • Bis vor Kurzem gab es keine Therapie mit in Studien nachgewiesener prognostischer Wirksamkeit bei Patient*innen mit HFpEF.
  • Die Therapie beschränkte sich daher auf:
    • die Behandlung kardialer und nichtkardialer Grunderkrankungen
    • die Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren
    • diuretische Therapie bei Zeichen der Flüssgkeitsüberladung.
  • Mit SGLT2-Inhibitoren (Empagliflozin, Dapagliflozin) besteht neuerdings erstmals eine prognostisch wirksame Therapieoption bei HFpEF mit Reduktion von kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisationen.9-12

Medikamente mit potenziell negativer Wirkung bei Herzinsuffizienz

  • Bei Medikamenten, die die Herzinsuffizienz verschlechtern können, ist die Indikation besonders kritisch zu stellen und im Verlauf regelmäßig zu überprüfen, hierzu zählen:
  • NSAR
    • nichtselektive NSAR
    • selektive COX-2-Hemmer (Coxibe)
  • Antidiabetika
    • Metformin (erhöhte Gefahr der Laktatazidose bei dekompensierter Herzinsuffizienz)
    • DPP4-Inhibitoren (Gliptine): erhöhtes Hospitalisationsrisiko bei Saxagliptin
  • Antiarrhythmika
    • Klasse I: Flecainid, Propafenon
    • Klasse III: Dronedaron, Sotalol
  • Antihypertensiva
    • Ca-Antagonisten: Verapamil, Diltiazem, Nifedipin
    • Alpha-2-Agonisten: Moxonidin
    • periphere Vasodilatatoren (Dihydralazin, Minoxidil)
  • Antiepileptika
    • Carbamazepin
    • Pregabalin
  • Antidepressive, Antipsychotika
    • trizyklische Antidepressiva
    • Citalopram, Escitalopram (auch Fluoxetin, Venlafaxin u. a.)
    • Lithium
    • Clozapin
  • Urologika
    • Alpha-1-Blocker (Doxazosin, Tamsulosin, Terazosin)

Dosierungen häufig verwendeter Medikamente

  • Die Empfehlungen beziehen sich primär auf Patient*innen mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF).13
  • Es gibt keine Studien, die ausschließlich bei Patient*innen mit mild reduzierter Ejektionsfraktion (HFmEF) durchgeführt wurden, die Behandlung kann sich aber grundsätzlich an der Behandlung der HFrEF orientieren.

ACE-Hemmer

  • Ramipril: Startdosis 1 x 1,25 mg, Zieldosis 1 x 10 mg
  • Enalapril: Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 20 mg
  • Lisinopril: Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 20 mg
  • Perindopril: Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 5 mg
  • Fosinopril: Startdosis 1 x 10 mg, Zieldosis 1 x 40 mg
  • Captopril: Startdosis 3 x 6,25 mg, Zieldosis 3 x 25–50 mg

Angiotensin-Rezeptorblocker („Sartane“)

  • Candesartan: Startdosis 1 x 4 mg, Zieldosis 1 x 32 mg
  • Losartan: Startdosis 1 x 12,5 mg, Zieldosis 1 x 150 mg
  • Valsartan: Startdosis 2 x 40 mg, Zieldosis 2 x 160 mg

Betablocker

  • Metoprololsuccinat: Startdosis 1 x 23,75 mg, Zieldosis 1 x 190 mg
  • Bisoprolol: Startdosis 1 x 1,25 mg, Zieldosis 1 x 10 mg
  • Carvedilol: Startdosis 2 x 3,125 mg, Zieldosis 2 x 25 mg
  • Nebivolol: Startdosis 1 x 1,25 mg, Zieldosis 1 x 10 mg

Mineralokortikoidantagonisten

  • Eplerenon 1 x 12,5–50 mg 
  • Spironolacton 1 x 12,5–50 mg

Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI)

  • Sacubitril/Valsartan: Startdosis 2 x 50 mg, Steigerung alle 2–4 Wochen bis Zieldosis 2 x 200 mg
    • Cave: Die Behandlung mit Sacubitril/Valsartan darf frühestens 36 Stunden nach Absetzen eines ACE-Hemmers eingeleitet werden, da sonst Risiko eines Angioödems!

SGLT2-Hemmer

  • Dapagliflozin 1 x 10 mg14
  • Empagliflozin 1 x 10 mg15-16

Diuretika

  • Dosierung der (Schleifen-)Diuretika nach Symptomatik und Nierenfunktion
    • z. B. Furosemid 1 x 20–40 mg, Torasemid 1 x 5–10 mg
    • Ggf. höhere Dosierungen notwendig, nach Rekompensation sollten die Dosierungen wieder weitmöglichst reduziert werden.

Weitere Substanzen

  • Ivabradin
    • Startdosis 2 x 5 mg, Zieldosis 2 x 7,5 mg
  • Vericiguat
    • Startdosis 1 x 2,5 mg, Zieldosis 1 x 10 mg
  • Digitalispräparate
    • Digitoxin: Aufsättigung nach Fachinformation, Zieldosis 0,07–1,0 mg 1 x tgl.
    • Digoxin: Aufsättigung nach Fachinformation, Zieldosis ca. 0,2–0,3 mg 1 x tgl. (regelmäßige Spiegelkontrollen, Zielspiegel < 1,2 ng/ml)

Invasive Therapie

Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)

  • Ca. 1/3 der Patient*innen mit HFrEF NYHA III–IV weist eine kardiale Dyssynchronie auf (Verschlechterung der Effektivität der kardialen Kontraktion).
  • Verglichen mit einer rein medikamentösen Therapie führt eine CRT bei Dyssynchronie zu prognostischen und symptomatischen Verbesserungen.
    • geringere Sterblichkeit
    • weniger Hospitalisierungen
    • bessere Belastbarkeit
    • bessere Lebensqualität
  • Das Ansprechen auf CRT („Responder“) ist am besten bei:
    • Linksschenkelblock
    • breitem QRS-Komplex
    • Frauen
    • nichtischämischer Kardiomyopathie.
  • Eine CRT soll symptomatischen Patient*innen (NYHA II–IV) angeboten werden, die folgende Voraussetzungen erfüllen:17
    • reduzierte EF ≤ 35 % trotz optimaler medikamentöser Therapie
    • Sinusrhythmus
    • Linksschenkelblock
    • QRS-Komplex ≥ 130 ms.
  • Wenn sowohl die Kriterien für CRT als auch für ICD erfüllt sind, kann ein CRT-ICD-Systems erwogen werden.

Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD)

  • Ein ICD verhindert den plötzlichen Herztod bei ventrikulärer Arrhythmie durch Abgabe eines Schocks (oder antitachykardes Pacing).
    • Er dient nicht der Verhinderung der Progression einer Herzinsuffizienz, hierfür ist ggf. ein CRT-ICD-System erforderlich.
  • Sekundärprophylaxe
    • Nach überlebtem plötzlichem Herztod oder bei anhaltenden, hämodynamisch wirksamen ventrikulären Tachykardien soll ein ICD empfohlen werden.
  • Primärprophylaxe
    • ICD soll Patient*innen mit ischämischer Kardiomyopathie empfohlen werden, die folgende Kriterien erfüllen:
      • NYHA II–III
      • LVEF ≤ 35 % trotz optimaler medikamentöser Therapie
      • Lebenserwartung > 1 Jahr
      • bei nichtischämischer Kardiomyopathie weniger sichere Evidenz, individualisierte Indikationsstellung durch Spezialist*innen.

Weitere invasive Therapien

  • Myokardrevaskularisation
    • Die Entscheidung für eine Myokardrevaskularisation (Bypass-OP oder PCI) hängt vom Nachweis einer Myokardischämie ab.
  • Klappenvitien
    • leitliniengerechte Behandlung unabhängig vom Ausmaß der Herzinsuffizienz
  • Herzunterstützungssysteme/Herztransplantation
    • Bei Patient*innen, die trotz optimaler medikamentöser und CRT/ICD-Therapie schwer symptomatisch sind, kann ein Herzunterstützungssystem erwogen werden.
    • Die Indikation sollte rechtzeitig geprüft werden, bevor schwere Organdysfunktionen eingetreten sind.
    • Ein Herzunterstützungssystem kann helfen, bei terminaler Herzinsuffizienz die Zeit bis zu einer Herztransplantation zu überbrücken („Bridge-to-Transplant“).

Komplementäre Therapien, Alternativtherapien

  • Sonstige medikamentöse oder nahrungsergänzende Mittel sollen nicht angewendet werden, z. B. Crataegus-Extrakt (Weißdorn), Coenzym Q10, Myrobalan, Caritine, Omega-3-Fettsäuren, Taurin, Vitamine (außer bei Mangelzuständen).

Impfungen

  • Grippeschutzimpfung soll jährlich durchgeführt werden.
  • Impfprophylaxe gegen Pneumokokken soll durchgeführt werden.
  • Die COVID-Impfung mit mRNA-Impfstoffen ist für Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz unbedenklich.18

Rehabilitation

  • Im ambulanten Bereich sollte eine Rehabilitation im Antragsverfahren empfohlen werden, wenn
    • die Grunderkrankung sich chronisch verschlechtert und die Symptome (Dyspnoe, Flüssigkeitsretention) schwer beherrschbar sind.
    • Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie oder Niereninsuffizienz sich chronisch verschlechtern und schwer einstellbar sind.
    • Trainingstherapie initiiert und anfänglich überwacht werden muss.
    • besonderer Bedarf an Schulungen/Lebensstilinterventionen besteht.
    • psychokardiologische Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und/oder bei der psychischen Stabilisierung notwendig ist.
    • die Aussicht auf Stabilisierung bzw. Verbesserung der sozialen und/oder der beruflichen Teilhabe besteht.
  • Über die Antragsstellung und die Art der Durchführung (ambulanz bzw. stationär) sollte anhand medizinischer und psychosozialer Aspekte sowie Präferenzen der Patient*innen und Verfügbarkeit geeigneter Einrichtungen entschieden werden.

Palliativmedizin

  • Durch palliativmedizinische Maßnahmen soll die Lebensqualität der Patient*innen und ihrer Angehörigen bestmöglich erhalten werden.
  • Den Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sollen frühzeitig Gespräche zu möglichen Krankheitsverläufen und Krisenszenarien angeboten werden.
  • Bestandteile der palliativmedizinischen Versorgung sind: 
    • Frühzeitige Erfassung von Symptomen und Belastungen, die auf eine palliative Situation hindeuten.
    • Festlegen des gewünschten Vorgehens
    • bei Nichteinwilligungsfähigkeit die Benennung einer bevollmächtigten Person.
  • In der Sterbephase sollen Maßnahmen, die nicht dem Ziel bestmöglicher Lebensqualität dienen, beendet bzw. nicht eingeleitet werden.

DMP Chronische Herzinsuffizienz

  • Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.19
  • Für die Diagnosestellung im Hinblick auf eine Einschreibung ist erforderlich:
    • Einschränkung der linksventrikulären Auswurfleistung (Ejektionsfraktion, LVEF) ≤ 40 %
    • Auch asymptomatische Patient*innen können teilnehmen.
  • Besteht neben der chronischen Herzinsuffizienz eine KHK bzw. handelt es sich um eine Herzinsuffizienz als Folge einer KHK, sollten in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf die behandelnden Ärzt*innen abwägen, von welchem der beiden DMP die Versicherte/der Versicherte stärker profitiert.
    • Eine gleichzeitige Einschreibung in ein DMP Chronische Herzinsuffizienz und ein DMP Koronare Herzkrankheit ist nicht möglich.
  • Dokumentiert werden sollen bei jedem Patientenkontakt:
    • Anamnese und Befund
      • Serum-Elektrolyte und eGFR in den letzten 6 Monaten
      • Symptomatik (NYHA I–IV)
    • relevante Ereignisse
      • ungeplante stationäre Behandlung wegen Herzinsuffizienz
    • Medikamente
      • ACE-Hemmer und Betablocker in evidenzbasierter Zieldosis
    • Schulung
    • Behandlungsplanung
      • regelmäßiges körperliches Training (in Stadien NYHA I–III)
      • Führen eines Gewichtsprotokolls.
  • Das DMP Herzinsuffizienz ist bislang noch nicht in der Regelversorgung der Bundesländer implementiert (Stand Dezember 2022).

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Verlauf und Prognose

Mortalität

  • Vor 1990, d. h. vor dem Beginn der modernen Herzinsuffizienz-Therapie, betrug die 5-Jahres-Mortalität 60–70 %.20
  • Trotz eines dank der neuen Behandlungsmethoden signifikanten Rückgangs ist die 5-Jahres-Mortalität mit 40–50 % aber immer noch sehr hoch.21
  • Abhängig vom Schweregrad der Herzinsuffizienz beträgt die 1-Jahres-Mortalität ca.:22
    • NYHA I: 5–10 %
    • NYHA II–III: 15–30 %
    • NYHA IV: 50 %.
  • Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA IV) ist die Mortalität höher als das bei den meisten soliden Tumorerkrankungen.

Hospitalisation

  • Herzinsuffizienz-Patient*innen müssen durchschnittlich 2 x/Jahr stationär aufgenommen werden.20
    • Ca. 1/4 der Patient*innen wird innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung rehospitalisiert.
  • Jede Hospitalisation verschlechtert die Prognose, mit jeder Hospitalisation sinkt die Zeitspanne bis zur nächsten Rehospitalisierung.20

Verlaufskontrolle

  • Regelmäßig sollen überprüft werden:
    • funktionelle Kapazität (NYHA-Klasse)
    • Körpergewicht und Hydratationszustand
    • Blutdruck, Herzfrequenz, Rhythmus
    • Elektrolythaushalt und Nierenfunktion
    • Medikation
    • Alltagsfunktionalität, psychosozialer Status und Lebensqualität
    • Adhärenz.
  • Natriuretische Peptide (NT-proNBP bzw. BNP) sollen nicht ohne klinischen Verdacht auf Verschlechterung bestimmt werden.
  • Die Patient*innen sollen ihr Gewicht täglich messen und dokumentieren, bei kurzfristigem Gewichtsanstieg sollen sie entweder:
    • die behandelnde Ärzt*in konsultieren – oder –
    • nach entsprechender Massgabe selbständig die Diuretikadosis anpassen.
  • Orientierungsbereiche sind:
    • Zunahme von > 1 kg über Nacht – oder –
    • Zunahme von > 2 kg innerhalb von 3 Tagen – oder –
    • Zunahme von > 2,5 kg in einer Woche.

Weitere Informationen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Gesundheitsinformation.de

Illustrationen

Hypostatisches Ödem
Hypostatisches Ödem

Herzgeräusche: Galopprhythmus

Quellen

Leitlinien

  • Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz. AWMF-Leitlinie Nr. nvl–006. S3, Stand 2019, ergänzte Version September 2021. www.awmf.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Stand 2021. academic.oup.com
  • European Society of Cardiology. Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Stand 2021. academic.oup.com
  • American College of Cardiology/American Heart Association. Guideline for the Management of Heart Failure. Stand 2022. ahajournals.org

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz. AWMF-Leitlinie Nr. nvl–006. S3, Stand 2019, ergänzte Version September 2021. www.kbv.de
  3. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021: ehab368. PMID: 34447992 PubMed
  4. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Pocket-Leitlinie: Akute und chronische Herzinsuffizienz (Version 2021). leitlinien.dgk.org
  5. Störk S, Handrock R, Jacob J, et al. Epidemiology of heart failure in Germany: a retrospective database study. Clin Res Cardiol 2017; 106: 913-22. PMID: 28748265 PubMed
  6. Kempf T, Drexler H, Wollert K. Pathophysiologie der Herzinsuffizienz. Internist 2007; 48: 899-908. doi:10.1007/s00108-007-1929-3 DOI
  7. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020. www.dimdi.de
  8. Unverzagt S, Meyer G, Mittmann S, Samos FA, Unverzagt M, Prondzinsky R. Verbesserung der Adhärenz bei Herzinsuffizienz. Dtsch Arztebl Int 2016; 113(25): 423-30; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0423. www.aerzteblatt.de
  9. HFpEF-Therapie: Weiterer SGLT2-Hemmer erweist sich als wirksam. kardiologie.org, 05.05.22, Zugriff 31.01.23. www.kardiologie.org
  10. Anker SD, Butler J, Filippatos G, et al. Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2021; 14; 385: 1451-61. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. American College of Cardiology/American Heart Association. Guideline for the Management of Heart Failure. Stand 2022. www.ahajournals.org
  12. Herzinsuffizienz-Therapie: Durchbruch mit SGLT2-Hemmer bei HFpEF. kardiologie.org, 07.07.21, Zugriff 31.01.23. www.kardiologie.org
  13. Hellenkamp K, Valentova M, von Haehling S, et al. Therapie der chronischen Herzinsuffizienz – State of the Art nach den europäischen Leitlinien von 2021. Innere Medizin 2022; 61: 1148-1160. doi:10.1007/s00108-022-01394-w DOI
  14. AkdÄ Update neue Arzneimittel. Dapagliflozin (Forxiga®) (Herzinsuffizienz) (frühe Nutzenbewertung). Arzneiverordnung in der Praxis vorab online 24. Juni 2021. www.akdae.de
  15. Empagliflozin (Jardiance) bei Herzinsuffizienz breiter zugelassen. a-t 2022; 53: 26-8. www.arznei-telegramm.de
  16. Einhart N. Empagliflozin bei Herzinsuffizienz:neue Erkenntnisse? Arzneiverordnung in der Praxis 2022; 49: 124–7. www.akdae.de
  17. European Society of Cardiology. Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Stand 2021. academic.oup.com
  18. Erneut bestätigt: COVID-Impfung für Herzinsuffizienz-Patienten unbedenklich. kardiologie.org, 22.08.22, Zugriff 31.01.22. www.kardiologie.org
  19. Gemeinsamer Bundesausschuss. DMP-Anforderungen-Richtlinie. In Kraft getreten 01.10.22. www.g-ba.de
  20. Böhmer A. Was ist fortgeschrittene Herzinsuffizienz, was ist terminale Herzinsuffizienz? J Kardiol 2014; 21: 200-207. www.kup.at
  21. Dumitru I. Heart Failure. Medscape, updated July 02,2022. emedicine.medscape.com
  22. Herzschwäche: Symptome & Prognose. Internisten im Netz. Zugriff 01.02.23. emedicine.medscape.com

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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