Hypoglykämie (Unterzuckerung)

Eine Hypoglykämie tritt auf, wenn eine Person wegen eines zu niedrigen Blutzuckerwerts Beschwerden entwickelt. Eine leichte Unterzuckerung kann auch bei Gesunden auftreten; häufiger kommen auch schwere Hypoglykämien jedoch als Komplikationen bei der Therapie von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vor.

Was ist eine Hypoglykämie?

Hypoglykämie, also ein niedriger Blutzuckerwert, tritt auf, wenn der Blutzucker unter den normalen Wert fällt. Das ist eine häufige Komplikation bei der Therapie von Typ-1-Diabetes unter Insulintherapie, seltener bei medikamentös behandeltem Typ-2-Diabetes.

Bei Menschen mit Diabetes soll die medikamentöse Therapie den zu hohen Blutzuckerspiegel eigentlich senken. In manchen Situationen jedoch kann es zu einem Ungleichgewicht zwischen Nahrungsaufnahme, Energieverbrauch und Wirkung der Medikamente kommen. In solchen Situationen ist eine Unterzuckerung bzw. Hypoglykämie möglich.

Ob eine Hypoglykämie als leicht oder schwer einzuschätzen ist, richtet sich eher nach dem Zustand des Betroffenen als nach dem absoluten Zuckerwert. Manche Menschen sind bei recht niedrigem Blutzucker noch fähig, etwas zu essen und sich selbst zu helfen, dies wird als leichte Hypoglykämie bezeichnet. Andere sind auch bei mäßig niedrigen Werten schon so beeinträchtigt, dass sie auf fremde Hilfe angewiesen sind (schwere Hypoglykämie).

Symptome

Zu Beginn:

  • Unruhe
  • Schweiß
  • erhöhter Puls
  • Herzklopfen
  • Stimmungsschwankungen
  • Durst.

Im Verlauf:

  • eingeschränktes Bewusstsein
  • Bewusstlosigkeit
  • Krampfanfälle
  • Lähmungen.

Bei einem niedrigen Blutzuckerspiegel über längeren Zeitraum können die Beschwerden nachlassen, sodass Betroffene ihr Gefühl für den niedrigen Blutzucker verlieren. Gleiches ist auch bei der Einnahme bestimmter Medikamente oder bei Alkoholkonsum möglich. Das Gefühl für den niedrigen Blutzucker kann zurückkommen, wenn der Blutzuckerspiegel über einige Wochen konstant über 90 mg/dl (5 mmol/l) gehalten wird.

Ursachen

Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes:

  • Über-/Fehldosierung (zeitlich) von Insulin im Verhältnis zur Nahrungsaufnahme
  • Medikamente, die die Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse stimulieren (Sulfonylharnstoffe, Glinide).
  • Medikamente, die eine Unterzuckerung verstärken oder weniger bemerkbar machen (Psychopharmaka oder Betablocker).
  • vergessene oder verspätete Mahlzeiten
  • stärkere Muskelarbeit, z. B. nach Sport
  • Alkoholkonsum, da er die körpereigene Glukoseproduktion hemmt.
  • Eingeschränkte Nierenfunktion, da sie die Ausscheidung von Insulin verschlechtert.
  • Bei verbesserter Blutglukoseeinstellung oder verbessertem körperlichen Trainingszustand oder auch allgemein nachts, da Insulin besser wirken kann.
  • mangelndes Therapieverständnis oder fehlende Patientenschulung.

Die Therapie der Zuckerkrankheit ist die häufigste Ursache von Hypoglykämien, allerdings kann auch eine Reihe von Krankheiten dazu führen: u. a. Erkrankungen des Zuckerstoffwechsels, Sepsis(Blutvergiftung), ein Insulin produzierender Tumor, Wachstumshormonmangel, Schilddrüsenüberfunktion oder eine Alkoholvergiftung.

Untersuchungen

Die meisten Betroffenen erkennen die typischen Symptome meist rechtzeitig selbst und können rasch gegensteuern, indem sie etwas Süßes essen oder trinken. Bei Zweifel an der Diagnose oder zur Bestätigung kann ein Glukose-Schnelltest durchgeführt werden. Hierfür wird einmal in die Fingerkuppe gepikst und ein Bluttropfen analysiert.

Bestehen Zweifel, ob die Ursache der Hypoglykämie nur ein Ungleichgewicht zwischen Medikamenten und Zuckerspiegel war, so können Blutuntersuchungen bei der Differenzialdiagnostik helfen: TSH zur Einschätzung der Schilddrüsenfunktion, Kreatinin zur Beurteilung der Nierenfunktion oder Leukozyten und CRP als Marker für eine Infektion.

Behandlung

Selbsttherapie

15–20 g Kohlenhydrate, vorzugsweise in Form von Glukose

  • Glukosegels
    • in verschiedenen Geschmacksrichtungen verfügbar
  • Traubenzucker
    • in Tablettenform meist schwierig zu verabreichen, löst sich schlecht auf.
  • Zucker in flüssiger Form: Fruchtsäfte, Cola
    • Achtung: bei Bewusstseinsstörungen besteht die Gefahr, dass Getränke in die Luftwege verschluckt werden

Ärztliche Therapie

  • Wenn keine Selbsttherapie möglich ist, durch geschultes Personal.
  • 30 g Glukose über den Mund oder auch höhere Dosen als Infusion intravenös
  • 1 mg Glukagon intramuskulär oder unter die Haut

Für alle Hypoglykämien gilt

  • Nach erfolgreicher Therapie sollten Sie eine Mahlzeit oder einen Snack einnehmen, um wiederkehrende Hypoglykämie zu vermeiden.
  • Im Anschluss an eine Hypoglykämie ist ggf. eine Neueinstellung der Therapie nötig.
  • Eine schwere Hypoglykämie erfordert meist eine sorgfältige Überwachung und eine Einweisung ins Krankenhaus.

Was können Sie selbst tun?

Das Risiko einer Hypoglykämie kann durch gute Aufklärung, regelmäßige Verlaufskontrollen und individualisierte Therapie reduziert werden. Es ist wichtig, dass Sie Ihren Blutzuckerspiegel gut kontrollieren und die Signale Ihres Körpers beachten. Haben Sie immer etwas Süßes bei sich, das Sie bei einer Unterzuckerung zu sich nehmen können. Lassen Sie sich und Ihren wichtigsten Bezugspersonen die Anwendung von Glukagonspritzen und anderen Sofortmaßnahmen erklären.

Wenn häufiger innerhalb kurzer Zeit Hypoglykämien auftreten, ist es meist hilfreich, den Blutzuckerspiegel über einige Wochen eher etwas höher einzustellen. Dadurch gelingt es oft, die ersten Symptome einer Unterzuckerung wieder sensibler wahrzunehmen. Es gibt auch spezifische Schulungen für Menschen mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen. In Ihrer Hausarztpraxis werden Sie hierzu genauer informiert.

Es gilt zu bedenken, dass Personen mit starker Neigung zu Hypoglykämien ein erhöhtes Unfallrisiko im Straßenverkehr aufweisen. Treten Sie keine Autofahrt an, wenn der Blutzuckerspiegel nur bei 70–90 mg/dl (4–5 mmol/l) liegt, ohne zuvor zu essen. Zuckerhaltige Speisen oder Getränke sollten Sie leicht zugänglich bereit halten.

Prognose

  • Bei schneller Zufuhr von Zucker gehen leichte Hypoglykämie-Anfälle in der Regel zurück.
  • Schwere Hypoglykämie-Anfälle können dramatischeren Verlauf nehmen, wenn nicht schnell Glukose oder Glukagon zugeführt wird.
  • Eine langanhaltende schwere Hypoglykämie kann zu Hirnschäden, Koma und Tod führen.
  • Die Prognose ist bei milden Symptomen bzw. schneller Therapie gut, aber das Sterblichkeitsrisiko liegt bei immerhin 0,2 %, wenn die Hypoglykämie durch eine Insulintherapie versursacht wurde.

Weitere Informationen

Autorin

  • Hannah Brand, Dr. med., Ärztin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hypoglykämie bei Diabetes mellitus. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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