Autonome periphere Neuropathien Content Allgemeine Informationen
Definition
Erkrankung des peripheren Nervensystems (PNS) mit Beteiligung der Nerven des autonomen (vegetativen) Nervensystems1-5
Das autonome Nervensystem ist für die Regulation der unwillkürlichen Körperfunktionen (z. B. Kreislauf, Atmung, Verdauung) verantwortlich.
Autonome Nervenfasern sind dünn und nur wenig myelinisiert.
Isolierte autonome Neuropathien sind selten, meist Mitbeteiligung im Rahmen einer peripheren Neuropathie (z. T. auch subklinisch).
Zahlreiche Erkrankungen können zu einer Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung führen.1-4 ,6
Die Auswirkungen einer autonomen Neuropathie sind vielseitig.
Häufigkeit
Die Häufigkeit der autonomen peripheren Neuropathie als Syndrom ist abhängig von der Grunderkrankung.
Häufigste Ursache für eine Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung ist die diabetische Neuropathie .
Hereditäre Neuropathien sind seltener (Prävalenz ca. ca. 40/100.000).
Diagnostische Überlegungen
Die Diagnostik beruht wesentlich auf der Anamnese und dem klinischen Befund.1
Autonome Symptome gezielt erfragen.
begleitende Symptome einer sensiblen oder motorischen Beteiligung
Abklärung der Ätiologie der peripheren Neuropathie
Leitlinie: Diagnostik bei Polyneuropathien1
Klassifikation der Neuropathie
Verlaufstyp
akut (≤ 4 Wochen)
subakut (4–8 Wochen)
chronisch (> 8 Wochen)
Lokalisation
symmetrisch oder asymmetrisch
distal oder proximal
untere und/oder obere Extremität
Ätiologie
metabolisch/endokrin/toxisch
genetisch/hereditär
entzündlich
immunologisch
paraneoplastisch
Pathologie
Demyelinisierung
axonale Degeneration
Mischformen
Folgen autonomer Denervierung
Somatische Nerven
Pupillenstörungen
trophische Störungen: Ödem, Ulkus, Osteoarthropathie
Hypo-/Anhidrosis
vasomotorische Störungen: orthostatische Hypotonie , Rubeosis plantarum
Viszerale Nerven
kardiovaskulär: Ruhe-Tachykardie, Frequenzstarre
gastrointestinal: Ösophagusdystonie, Gastroparese , Diarrhö , Obstipation , Cholezystopathie
Leber: gestörter Glukosestoffwechsel
exokrines Pankreas: Ausfall der reflektorischen Sekretion
urogenital: Blasenentleerungsstörung, erektile Dysfunktion , retrograde Ejakulation
Folgen afferenter autonomer Denervierung
fehlender Schmerz bei Koronarischämie
fehlende vegetative Reaktion bei Hypoglykämie
fehlendes Gefühl für die Blasenfüllung
fehlender Hodendruckschmerz
fehlender Wehenschmerz
Häufige autonome Beteiligung bei Polyneuropathie
Konsultationsgrund
Autonome Symptome, die zur Vorstellung führen können:
Oft stehen sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen einer Polyneuropathie im Vordergrund.
Abwendbar gefährliche Verläufe
ICPC-2
N94 Periphere Neuritis/Neuropathie
ICD-10
G60 Hereditäre und idiopathische Neuropathie
G60.0: Hereditäre sensomotorische Neuropathie
G60.1: Refsum-Krankheit
G60.2: Neuropathie in Verbindung mit hereditärer Ataxie
G60.3: Idiopathische progressive Neuropathie
G60.8: Sonstige hereditäre und idiopathische Neuropathien
G60.9: Hereditäre und idiopathische Neuropathie, nicht näher bezeichnet
G61 Polyneuritis
G61.0: Guillain-Barré-Syndrom
G61.8: Sonstige Polyneuritiden
G61.9: Polyneuritis, nicht näher bezeichnet
G62 Sonstige Polyneuropathien
G62.0: Arzneimittelinduzierte Polyneuropathie
G62.1: Alkohol-Polyneuropathie
G62.2: Polyneuropathie durch sonstige toxische Agenzien
G62.8: Sonstige näher bezeichnete Polyneuropathien
G62.9: Polyneuropathie, nicht näher bezeichnet
G63 Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
G63.0: Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
G63.1: Polyneuropathie bei Neubildungen
G63.2: Diabetische Polyneuropathie
G63.3: Polyneuropathie bei sonstigen endokrinen und Stoffwechselkrankheiten
G63.4: Polyneuropathie bei alimentären Mangelzuständen
G63.5: Polyneuropathie bei Systemkrankheiten des Bindegewebes
G63.6: Polyneuropathie bei sonstigen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems
G63.8: Polyneuropathie bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
G64 Sonstige Krankheiten des peripheren Nervensystems
T44 Vergiftung durch primär auf das autonome Nervensystem wirkende Arzneimittel
Differenzialdiagnosen
Diabetische Neuropathie
Siehe Artikel Diabetische Neuropathie .
Definition und Ursache
Diabetes Typ 1 und Diabetes Typ 2 sind die häufigsten Ursachen einer Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung.1-4
autonome diabetische Neuropathie meist erst im späten Stadium der vorwiegend distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie
erhöhtes Risiko für Komplikationen, u. a. für Fußkomplikationen (diabetisches Fußsyndrom ) und kardiale Mortalität2 ,7
Häufigkeit
Prävalenz von 13–46 % bei Typ-2-Diabetes und 8–54 % bei Typ-1-Diabetes
Manifestation im Durchschnitt 8 Jahre nach Diagnosestellung3
Kardiovaskuläre Symptome
Urogenitale Symptome
Harnblasenentleerungsstörung (bis zu 50 %)
anfangs häufigere Miktion, später verringerte Aktivität der Blasenmuskulatur und Gefahr des Harnverhalts 8
erektile Dysfunktion (30–75 % der Männer mit Diabetes mellitus)9
Gastrointestinale Symptome
Weitere Symptome
neuroendokrine Symptome
verminderte Katecholaminfreisetzung bei Belastung
Störung der Hypoglykämie -Wahrnehmung
Störungen der Schweißsekretion (Hyper- oder Anhidrose)
trophische Störungen (z. B. neuropathisches Ulkus)
Neuroosteoarthropathie (z. B. Charcot-Fuß, diabetischer Fuß )
Störungen der Atmung (z. B. Schlafapnoe )
Guillain-Barré-Syndrom
Siehe Artikel Guillain-Barré-Syndrom (GBS).
Definition und Ursache
immunvermittelte symmetrisch-sensomotorische demyelinisierende Polyneuropathie3
Manifestation häufig postinfektiös nach z. B. Campylobacter jejuni , Mycoplasma pneumoniae oder CMV )
Autoimmunreaktion durch „molekulares Mimikry“
Häufigkeit
Inzidenz von 0,9‒1,9 Fällen pro 100.000 Einw. pro Jahr
Symptome
Beginn meist mit distal symmetrischen und von den Beinen aufsteigenden Parästhesien, Schmerzen und schlaffen Paresen
oft ausgeprägte autonome Störungen1 ,3
insbesondere kardial-autonome Neuropathie mit Tachykardie und Bradykardie im Wechsel, Arrhythmien (Bradyarrhythmie, AV-Block) , Blutdruckschwankungen
Darm- und Blasenfunktionsstörungen
neuroendokrine Störungen (SIADH oder Diabetes insipidus )
sudomotorische Dysfunktion (exzessives Schwitzen)
vasomotorische Störungen (orthostatische Hypotonie )
autonome Störungen häufigste Todesursache im Rahmen der Erkrankung
insbesondere durch plötzliche Schwankungen der Herzfrequenz und des Blutdrucks („autonomer Sturm“)
daher häufig Monitorüberwachung notwendig
bei Arrhythmien ggf. passagere Schrittmachertherapie
Therapie mit i. v. Immunglobulinen oder Plasmapherese3 ,12
langwierige Verläufe über Wochen bis Monate möglich
Notwendigkeit der invasiven Beatmung bei Beteiligung der Atemmuskulatur12
Akute Pandysautonomie
Definition und Ursache
autoimmun-entzündliche Erkrankung
Synonym: idiopathische autonome Neuropathie
oft als Variante des Guillain-Barré-Syndroms gewertet
Symptome
akute oder subakute (Tage bis 2 Monate) autonome Funktionsstörung ohne sensomotorische Defizite3 ,13
autonome Symptome mit orthostatischer Hypotonie , Anhidrose, gastrointestinaler Funktionsstörung, Miktionsstörungen
Therapie mit i. v. Immunglobulinen3
Amyloidneuropathie
Siehe Artikel Amyloidose .
Definition und Ursache
Bei Amyloidose führt eine Ansammlung von unlöslichen fibrillären Proteinen im Gewebe zu Organschäden.14
AL-Amyloidose mit Ablagerungen von Kappa- und Lambda-Leichtketten
z. B. bei multiplem Myelom
häufigste Form der Amyloidose in den Industrieländern
Polyneuropathie bei ca. 20 % der Betroffenen
AA-Amyloidose mit Ablagerungen von Amyloid-A-Protein
familiäre Amyloidosen (z. B. AF-Amyloidose (Ablagerungen von Transthyretin, TTR)
Symptome
Polyneuropathie mit deutlicher autonomer Beteiligung bei Amyloidose häufig
dissoziierte Sensibilitätsstörung (reduzierte Schmerzempfindung und intakte Oberflächensensibilität) charakteristisch1
positive Familienanamnese als Hinweis für familiäre Amyloidpolyneuropathien1
Die Diagnose kann häufig erst durch Nervenbiopsie gesichert werden.1
Familiäre Amyloidosen
Heterogene Gruppe erblicher Formen der systemischen Amyloidose mit Polyneuropathie1
z. B. Transthyretin-assoziierte familiäre Amyloidneuropathie (TTR-FAP) durch Mutationen im Transthyretin-Gen13
Inzidenz mit geografischen Schwankungen (USA 1:100.000 und Schweden 1:170)1
Symptome
Manifestation der PNP meist zwischen dem 30. bis 60. Lebensjahr1 ,3
schmerzhafte axonale sensomotorische Neuropathie
rasch progrediente motorische Defizite
häufig autonome Dysfunktion (75 %), z. B. orthostatische Hypotonie
weitere Organmanifestation wie Nephropathie und Kardiomyopathie
Therapie der TTR-FAP durch Medikamente, die die Transthyretin-Aufspaltung verhindern.3
Hereditäre Neuropathien
Siehe Artikel Hereditäre Neuropathien .
Definition und Ursache
vielfältige Gruppe von hereditären Polyneuropathien1 ,3 ,6
unterschieden in Klinik und Vererbungsmuster
hereditäre motorischen und sensiblen Neuropathien (HMSN)1 ,3 ,5-6
8 Krankheitsbilder mit vorwiegend sensomotorischer Symptomatik
Typen I und II mit autonomer Symptomatik
auch als Charcot-Marie-Tooth(CMT)-Neuropathien bekannt
hereditäre sensible und autonome Neuropathien (HSAN)1 ,3 ,5-6 ,15
8 seltene Erkrankungen mit vorwiegend sensiblen und autonomen Störungen
weitere Formen mit variabler autonomer Beteiligung5-6
hereditäre motorische Neuropathien (HMN)
episodische Neuropathien
syndromale Neuropathien
Diagnostik
Gendiagnostik zum Nachweis sinnvoll1 ,6
bei positiver Familienanamnese für Polyneuropathie , jungem Manifestationsalter sowie klinischen Zeichen, die für eine hereditäre Polyneuropathie sprechen (z. B. Hohlfuß, Krallenzehen)
Hereditäre Neuropathien mit vorwiegend sensiblen und autonomen Störungen durch Befall der dünnen Fasern
Autosomal rezessive Formen (II–V) manifestieren sich früh im Leben.
autosomal dominante Form (I) oft erst im Erwachsenenalter1
Typ I1 ,3
autosomal dominante Vererbung mit Manifestation in der 2.–4. Lebensdekade
Schmerz- und Temperaturempfinden stärker betroffen als Oberflächensensibilität (oft Spontanschmerzen)
Anhidrosis, Ulzerationen, Neuroosteoarthropathie mit Ermüdungsfrakturen, insbesondere an den Füßen (Charcot-Fuß )
Typ II (Morbus Morvan)1 ,3
autosomal rezessive Vererbung mit Manifestation im Säuglings- oder Kleinkindalter
armbetonte, sensible Defizite aller Qualitäten, keine Schmerzen
Hyperhidrose , verzögerte Pupillenreaktion, Obstipation , Ulzerationen, Akroosteolysen
Typ III (Riley-Day-Syndrom; familiäre Dysautonomie)1 ,3
autosomal rezessive Vererbung mit Manifestation kurz nach der Geburt
gehäuft bei Kindern aschkenasisch-jüdischer Herkunft
fehlende Schmerzwahrnehmung und schwer beeinträchtigte Funktion des autonomen Nervensystems
Typ IV (Swanson-Syndrom, CIPA (Congenital Insensitivity to Pain with Anhidrosis))1 ,3
autosomal rezessive Vererbung mit Manifestation in den ersten Lebensmonaten
Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung, Anhidrose, mentale Retardierung und episodische Fieberschübe
Typ V1 ,3
autosomal rezessive Vererbung
Analgesie, akrale Läsionen, schmerzlose Frakturen
Typ VI3
autosomal rezessive Vererbung, Beginn mit der Geburt
schwere Retardierung mit Tod meist vor dem 2. Lebensjahr
Typ VII3
autosomal dominante Vererbung
psychomotorische Retardierung, Analgesie, Hyperhidrose, Obstipation
Typ VIII3
autosomal rezessive Vererbung
Analgesie, Anhidrose, verminderte Tränenproduktion, Ulzerationen
Definition und Ursache
X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung
Enzymdefekt der Alpha-Galaktosidase A führt zur Akkumulation von Glycosphingolipiden.
Multiorganerkrankung durch Ablagerungen (Herz, Niere, Auge, Haut)
neurologische Symptome durch Ablagerungen von Glycosphingolipiden in Ganglien und Axonen
Heterogenes klinisches Bild
Symptombeginn meist im Kindes- und Jugendalter
teils frühe Todesfälle, z. B. durch Herzinfarkte
schmerzhafte Neuropathien, Temperaturmissempfindungen, episodische Schmerzkrisen (Fabry-Krisen), unklare Fieberschübe, kolikartige Abdominalbeschwerden
autonome Symptome
Hypo- oder Anhidrose, trophische Störungen, verminderte Speichel- und Tränenproduktion, gestörte Darmmotilität1 ,3
Diagnostik
Messung der Alpha-Galaktosidase-A-Aktivität in Leukozyten
molekulargenetische Testung
Therapie durch regelmäßige intravenöse Enzymersatztherapie
Infektiöse Neuropathien
HIV-assoziierte Polyneuropathie
Siehe Artikel HIV-Infektion und AIDS .
Definition und Ursache
chronische Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus
Häufigkeit
im Jahr 2019 ca. 90.700 Menschen mit HIV oder AIDS in Deutschland
Symptome
distal-symmetrische Polyneuropathie als Manifestation des klinischen Stadium B einer HIV-Infektion
Ursache sowohl Neurotoxizität des Virus als auch der antiretroviralen Medikation
häufig autonome Störungen wie orthostatische Hypotonie , Synkopen , Gastroparese, gestörte Schweißproduktion, Blasenfunktionsstörung, verzögerte Pupillenreaktion oder erektile Dysfunktion 4 ,16
autonome Beteiligung möglicherweise mit erhöhter Mortalität assoziiert16
Botulismus
Siehe Artikel Botulismus .
Definition und Ursache
Infektion durch das Bakterium Clostridium botulinum
Produziert ein Neurotoxin, das die Freisetzung von Acetylcholin und die neuromuskuläre Übertragung blockiert.
keine autonome Polyneuropathie im eigentlichen Sinne
Symptome
Leitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
autonome, anticholinerge Symptome
erweiterte Pupillen (Mydriasis), eingeschränkte Akkommodationsfähigkeit, Anhidrose, Miktionsstörungen, trockener Mund (Xerostomie) und trockene Augen (Xerophthalmie)17
Autonome Symptome können nach Abklingen der Infektion bestehen bleiben.4
später schlaffe, symmetrische, absteigende Paresen
Diphtherie
Siehe Artikel Diphtherie .
Definition und Ursache
Infektion der oberen Atemwege durch das Bakterium Corynebacterium diphtheriae
Toxinvermittelte sensomotorische Polyneuropathie als mögliche Komplikation18-19
sensomotorische Neuropathie mit Tetraparese und Ataxie möglich
in der Regel Hirnnervenbeteiligung, häufig mit Gaumensegelparese19
mögliche autonome Störungen: Akkomodationsstörung, Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung sowie kardial-autonome Symptome4
Toxische Neuropathien
Alkohol
Definition und Ursache
Häufigkeit
Symptome
oft in Begleitung anderer alkoholabhängiger Erkrankungen
distal-symmetrische sensomotorische Polyneuropathie3
gelegentlich mit autonomer Beteiligung (oft Hyperhidrosis palmar und plantar)
Therapie durch Alkoholkarenz und Substitution von Vitamin-B-Komplex3
Medikamente
Potenzielle Ursachen einer medikamenteninduzierten Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung:1 ,4
Chemotherapeutika (z. B. Vincristin, Cisplatin)
Isoniazid
Amiodaron
Thalidomid
Chloroquin
Linezolid
Bortezomib.
Arbeitsplatzbezogene und Umweltschadstoffe
Toxische Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung im Zusammenhang mit industriell eingesetzten Stoffen sind beschrieben.4
z. B. organische Lösungsmittel, Acrylamid, Blei, Quecksilber, Arsen, Thallium, andere Schwermetalle
Klinisch signifikante autonome Auswirkungen dieser Polyneuropathien sind selten.
Anerkennung als Berufskrankheit
Treten autonome periphere Neuropathien im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auf, können diese als Berufskrankheit anerkannt werden.20
Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen ).21
Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.
Dann können bestimmte Maßnahmen auf Kosten der GUV durchgeführt werden:
Ersatzstoffprüfungen
geeignete Schutzvorrichtungen
spezielle therapeutische Maßnahmen
Einstellung der gefährdenden Tätigkeit
Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Zahlung einer Rente.22
Manchmal muss die Tätigkeit erst vollständig aufgegeben werden, damit die Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen kann.
Immunvermittelte und paraneoplastische Neuropathien
Paraneoplastische autonome Neuropathie
Zahlreiche Autoantikörper können zu einer paraneoplastischen autonomen Neuropathie führen.4
häufig in Verbindung mit Anti-Hu-Antikörpern (kleinzelliges Bronchialkarzinom (80 % bei Anti-Hu-Ak), andere Bronchialkarzinome, gastrointestinale sowie urogenitalen Malignome)
weitere z. B. CV2/CRMP5-, Amphiphysin- und ACh-Rezeptor-Antikörper
Autonome Symptome sind vielfältig:
Gastroparese, Hypomotilität des Darms, Obstipation , gastrointestinale Pseudoobstruktion, Blasenfunktionsstörungen, orthostatische Hypotonie , Arrhythmie, Blutdruckschwankungen, sudomotorische Dysfunktion, Impotenz und Xerophthalmie (trockene Augen)24
Polyneuropathie bei Porphyrie
Siehe Artikel Porphyrien .
Definition und Ursache
heterogene Gruppe metabolischer Erkrankungen mit gestörter Hämsynthese
insbesondere bei akut intermittierender Porphyrie (AIP) Polyneuropathie mit Schädigung der autonomen Nerven
90 % der Patient*innen mit AIP bleiben symptomfrei.
Symptome der akut intermittierender Porphyrie (AIP)
im Rahmen einer akuten Episode starke Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Stuhlunregelmäßigkeiten
begleitend Tachykardie, Hypertonie und Fieber.
Gefahr lebensbedrohlicher Arrhythmien
Die Polyneuropathie betrifft proximale und distale Nervenfasern sowie die Nervenwurzeln.1
überwiegend distal-symmetrische motorische Ausfälle
Störung der autonomen parasympathischen und sympathischen Funktionen
Therapie durch Vermeidung von auslösenden Substanzen (z. B. Alkohol, Medikamente) und eine symptomatische Therapie
Anamnese
Eine ausführliche Anamnese mit Beginn, Art und Dauer der Beschwerden ist von großer Bedeutung.1 ,6
Dauer der Beschwerden
akut ≤ 4 Wochen
subakut 4–8 Wochen
chronisch > 8 Wochen
Frage nach Symptomen autonomer Störungen1 ,5-6
Begleitende sensible und motorische Symptome einer Polyneuropathie
sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen (z. B. Kribbeln, Schmerzen, Ameisenlaufen, Taubheit, schmerzlose Wunden)
motorische Reiz- und Ausfallerscheinungen (z. B. Muskelkrämpfe, Paresen )
Familienanamnese (Polyneuropathien, Gehbehinderungen, Fußdeformitäten)3 ,6
Mögliche Grunderkrankung und deren Verlauf
Medikamenteneinnahme
Alkoholkonsum
Exposition gegenüber Noxen
Klinische Untersuchung
Allgemeine körperliche Untersuchung1
Neurologische Untersuchung1 ,6
Hirnnervenbeteiligung
motorische Störungen
sensible Störungen
Reflexstatus
autonome Beteiligung
Pupillenreaktion (z. B. verzögerte Pupillenreaktion)
trophische Störungen (Hauttrockenheit, Ulkus, Osteoarthropathie)
orthostatische Hypotonie
Ruhe-Tachykardie
Prüfung der Trophik von Haut und Muskulatur, des Kraft- bzw. Paresegrades, des Reflexstatus und der Sensibilität
Ergänzende Untersuchungen
Leitlinie: Basisdiagnostik bei Polyneuropathie1
Obligate Diagnostik
Anamnese
klinische Untersuchung
Elektrophysiologie
Standardlabor
Fakultative Diagnostik
erweitertes Labor
Lumbalpunktion
Muskel-/Nerv-/Hautbiopsie
genetische Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Laboruntersuchungen1 ,3
Differenzialblutbild , Elektrolyte, BSG , CRP , Leberwerte (GOT , GPT , Gamma-GT , AP ), Nierenwerte (Kreatinin , Harnstoff ), TSH , CK , Folsäure
Blutzucker und HbA1c (Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 )
Vitamin B12 , ggf. Methylmalonsäure und Holotranscobalamin (Vitamin-B12-Mangel )
Immunelektrophorese mit Immunfixation (Paraproteinämien)
Die weitere Diagnostik ist abhängig von der Verdachtsdiagnose:3
HIV-Stufendiagnostik
spezifische Autoantikörper, z. B. Anti-Hu-Antikörper (paraneoplastische Neuropathie)
Uro- und Koproporphyrine, Porphobilinogen, δ-Aminolävulinsäure (Porphyrie )
Bei Spezialist*innen
Elektrophysiologische Untersuchungen bei Polyneuropathie1 ,3 ,6
Neurografie
sensible Neurografie eines Arm- und Beinnervs
motorische Neurografie eines Arm- und Beinnervs
Elektromyografie
Nachweis von Denervierungszeichen oder differenzialdiagnostisch zum Ausschluss von Myopathien
quantitative Sensorischen Testung (QST) zur Diagnostik einer Small-Fiber-Neuropathie 1 ,6
Neurovegetative Diagnostik1 ,5-6
Testung kardiovaskulärer Regulationsmechanismen1 ,5 ,25
(wiederholte) Beurteilung der Herzfrequenzvariabilität (HRV)
HRV bei tiefer Inspiration (respiratorische Herzfrequenzvariabilität)
Orthostasereaktion (physiologisch Herzfrequenzanstieg um 10–30/min)
Valsalva-Manöver über 15 sec
Kipptisch-Untersuchung
orthostatische Hypotonie
posturales Tachykardie-Syndrom (POTS)
Messung der Herzfrequenz nach 4 min Liegen und über 5 min nach dem Aufstehen
pathologisch bei Herzfrequenzanstieg > 120/min bzw. Anstieg > 30/min gegenüber Ruhewert
Störungen der sudomotorischen Fasern
Jod-Stärke-Reaktion
sympathische Hautantwort (SHA; „Sympathic Skin Response“, SSR)1 ,6
„Quantitative Sudomotor Axon Reflex Testing“ (QSART)
Lumbalpunktion und Liquoruntersuchung
Untersuchung auf Zellzahl, Eiweiß, Glukose, Laktat
insbesondere bei V. a. entzündlichen Polyneuropathien1
erhöhtes Eiweiß bei normaler oder leicht erhöhter Zellzahl (zytoalbuminäre Dissoziation) typisch bei Guillain-Barré-Syndrom
Genetische Untersuchungen1
Indikation bei positiver Familienanamnese oder klinischen Zeichen einer hereditären Erkrankung
molekulargenetische Untersuchung als Stufendiagnostik abhängig vom vermuteten Erbgang, dem Manifestationsalter und der elektrophysiologischen Befunde
Nervenbiopsie
Indikation bei schwerer oder progredienter Polyneuropathie , die anderweitig nicht gesichert werden kann, und therapeutischer Konsequenz.
Invasiver, meist nicht wiederholbarer Eingriff, der an spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollte.
Ggf. weitere Zusatzuntersuchungen1 ,5
Röntgen-Breischluck oder Magenentleerungsszintigrafie
Nachweis inkompletter Magenentleerung bzw. verlängerten Passagezeit
Abdomen-Sonografie mit Bestimmung der Restharnmenge oder urodynamische Zystometrie
Nachweis Blasenentleerungsstörung, Detrusorfunktion
augenärztliche Untersuchung und Schirmer-Test
Röntgen-Thorax
erweiterte Tumorsuche (Bildgebung, gynäkologische oder urologische Untersuchung, iFOBT-Test, Endoskopie, Knochenmarkpunktion)
Rektumbiopsie (zum Nachweis einer Amyloidpolyneuropathie)
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
Bei milden autonomen Symptomen im Rahmen einer Polyneuropathie ist eine Überweisung in der Regel nicht erforderlich.
Überweisung an Neurolog*in bei folgenden Befunden erwägen:2
Die motorischen Ausfälle stehen im Vordergrund.
akutes Auftreten und Progredienz der Symptome
Asymmetrie der neurologischen Ausfälle
Beginn an der oberen Extremität
Mononeuropathie und Hirnnervenstörung
neurologische Begleitsymptome
positive Famillienanamnese bzgl. Neuropathie.
Allgemeines zur Therapie
Ziel der Therapie ist die Behandlung der Grunderkrankung, z. B.:
In einigen, insbesondere chronischen Fällen sind die Symptome nicht reversibel.
Ziel der Therapie ist dann, Progredienz der Polyneuropathie zu verhindern.
Für einige Formen der (autonomen) Polyneuropathie stehen keine kausalen Therapien zur Verfügung.
Symptomatische Behandlungen zur Kontrolle autonomer Symptome sind z. B. möglich für:4 ,26-27
Symptomatische Therapien
Behandlung reversibler Ursachen5
Patient*innen über das Symptom und die Auslöser aufklären.
Ggf. Erhöhte Flüssigkeits- und Salzzufuhr4 ,27
Ggf. zusätzlich medikamentöse Therapie4 ,24 ,27
Mineralokortikoide (Fludrocortison)
Sympathomimetika (z. B. Midodrin)
Koffein
Gastrointestinale autonome Störungen
Gastroparese
Optimale Blutzuckereinstellung bei Diabetes verbessert die Motilität.4
häufige, kleinere Mahlzeiten mit wenigen rasch resorbierbaren Kohlenhydraten und geringem Fettgehalt2
suffiziente Flüssigkeitszufuhr
ggf. Prokinetika als Off-Label-Use (z. B. Metoclopramid)
Hypomotilität des Darms
vermehrte Ballaststoff- und Flüssigkeitszufuhr
regulierende Nahrungsmittel wie Flohsamen oder Weizenkleie
ggf. osmotisch wirksame Laxanzien (z. B. Macrogol)
gastrointestinale Pseudoobstruktion: ggf. Neostigmin24
Urogenitale autonome Störungen
Regelmäßige Blasenentleerung durch die Patient*innen
Blasenkontraktion kann z. B. durch Valsalva-Manöver unterstützt werden.
Bei fehlender Detrusoraktivität ist ggf. eine Selbstkatheterisierung nötig.4
Bei langfristiger Schädigung (suprapubischen) Dauerkatheter erwägen.
Beratung und Ausschluss anderer Ursachen für die erektile Dysfunktion
Notwendigkeit einer Behandlung klären (subjektiver Leidensdruck).
Medikamentöse Therapie
Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Hemmer) wie z. B. Sildenafil
Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen (u. a. orthostatische Hypotonie ) beachten.
Notwendigkeit einer Behandlung klären (subjektiver Leidensdruck).
Anfänglich lokale Therapie, z. B. mit Aluminiumchlorid
Bei Persistenz ggf. Injektion von Botulinumtoxin
Eine invasive Sympathektomie ist meist nicht notwendig.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP). Differentialdiagnose der hereditären und erworbenen Neuropathien im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 022-027. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Neuropathien und Neuritiden, Therapie akuter und chronischer immunvermittelter Neuropathien und Neuritiden. AWMF-Leitlinie Nr. 030-130. S2e, Stand 2018. www.awmf.org
NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie: Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. Registernummer nvl-001e. S3, Stand 2016. www.awmf.org
Literatur
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Autor*innen
Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/ ).
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Keywords Polyneuropathie; Autonome Polyneuropathie; Pandysautonomie; autoimmune autonome Neuropathie; idiopathische autonome Neuropathie; Pandysautonomie; idiopathische Dysautonomie; diabetische Neuropathie; Polyneuropathie mit autonomer Beteiligung; kardial-autonome Neuropathie; Sudomotorik; Schwitzen; Schweißproduktion; Anhidrose; Hypohidrose; Hyperhidrose; Herzfrequenzvariabilität; Gastroparese; Pseudoobstuktion; Hypomotilität; Obstipation; Diarrhö; Diabetische Diarrhö; Diabetische Zystopathie; Blasenfunktionsstörung; Charcot-Fuß; Neuroosteoarthropathie; Neuroarthropathie; Diabetische Gastroparese; Amyloidneuropathie; familiäre Amyloidose; Porphyrie; AIP; GBS; Guillain-Barré-Syndrom; Herzfrequenzvariabilität; HFV; Akute Pandysautonomie; Autoimmun-entzündliche Erkrankung; idiopathische autonome Neuropathie; Diabetische Polyneuropathie; Polyneuropathie bei Amyloidose; Paraneoplastische Polyneuropathie; Hereditäre sensibel-autonome Neuropathie; HSAN; Riley-Day-Syndrom; HIV-assoziierte Polyneuropathie; Polyneuropathie bei Porphyrie
Title Autonome periphere Neuropathien
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Description Erkrankung des peripheren Nervensystems (PNS) mit Beteiligung der Nerven des autonomen (vegetativen) Nervensystems1-5
Das autonome Nervensystem ist für die Regulation der unwillkürlichen Körperfunktionen (z. B. Kreislauf, Atmung, Verdauung) verantwortlich.
Autonome Nervenfasern sind dünn und nur wenig myelinisiert.
Isolierte autonome Neuropathien sind selten, meist Mitbeteiligung im Rahmen einer peripheren Neuropathie (z. T. auch subklinisch).
häufigste Form der Polyneuropathie: distale symmetrische Polyneuropathie
Topic Neurologie
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