Allgemeine Informationen
Definition
- Eine Muskelschwäche bezeichnet eine Kraftminderung der Muskulatur und ist ein vieldeutiges Symptom und ein häufiger Vorstellungsgrund.1-4
- Muskelschwäche kann sich an einer bestimmten Stelle (lokal) oder am gesamten Körper (diffus, generalisiert) manifestieren.3-4
- Die Abgrenzung zu unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit ist oft nicht sicher möglich.2
- Siehe auch den Artikel Verzögerte motorische Entwicklung und Muskelschwäche bei kleinen Kindern.
Einteilung
- Eine Lähmung (Parese) bezeichnet eine relative Kraftminderung einzelner Muskeln, Muskelgruppen oder Extremitäten.
- Einteilung nach Ausmaß
- Parese: unvollständige Lähmung
- Plegie (seltener Paralyse): vollständige Lähmung
- Einteilung nach Lokalisation
- Schwäche einer Extremität: Monoparese/-plegie
- Schwäche einer Körperhälfte: Hemiparese/-plegie (links oder rechts)
- Schwäche beider Arme oder Beine: Paraparese/-plegie
- Schwäche aller Extremitäten: Tetraparese/-plegie
Häufigkeit
- Eine allgemeine Kraftminderung bzw. Muskelschwäche ist ein häufiger Vorstellungsgrund.
- In der Hausarztpraxis sind Vorstellungen bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit häufiger als eine primäre Muskelschwäche.1-2
Diagnostische Überlegungen
- Für die Differenzialdiagnose ist die folgende Unterscheidung wichtig:
- generalisierte Muskelschwäche
- lokalisierte, umschriebene Muskelschwäche (siehe auch die Artikel Lähmung und Akute Parese).
- unspezifische Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
Lokalisierte Muskelschwäche
- Das Ausmaß der einer umschriebenen Muskelschwäche (Parese) erlaubt häufig die Lokalisation der ursächlichen Schädigung.
- Hemiparese (halbseitige Lähmung)
- Hinweis auf eine zentrale Läsion
- z. B. Schlaganfall und TIA oder Rückenmarksverletzungen
- Tetraparese (Lähmung aller Extremitäten)
- Hinweis auf eine Läsion des Hirnstamms oder des Rückenmarks
- Paraparese (Lähmung der unteren Extremitäten)
- Hinweis auf eine spinale Läsion oder aufsteigende Polyradikulitis
- z. B. Rückenmarksverletzung oder Guillain-Barré-Syndrom
- Muskelschwäche, die sich einem spinalen Segment bzw. einer Nervenwurzel zuordnen lässt.
- Hinweis auf eine Läsion der spinalen Nervenwurzel
- z. B. Bandscheibenvorfall oder Bannwarth-Syndrom bei Borreliose
- Muskelschwäche, die sich einem oder mehreren peripheren Nerven zuordnen lässt.
- Hinweis auf ein Nervenkompressionssyndrom oder eine periphere Neuropathie
- Hemiparese (halbseitige Lähmung)
- Bei einer Muskellähmung (Parese) wird Folgendes unterschieden:
- schlaffe Parese bei Schädigung des 2. Motoneurons oder PNS (periphere Parese)
- abgeschwächte Muskeleigenreflexe und Muskelatrophie
- spastische Parese bei Schädigung des 1. Motoneurons (zentrale Parese)
- Spastik, gesteigerte Muskeleigenreflexe und Pyramidenbahnzeichen (z. B. Babinski-Zeichen).
- schlaffe Parese bei Schädigung des 2. Motoneurons oder PNS (periphere Parese)
Generalisierte Muskelschwäche
- Bei generalisierter Muskelschwäche können Verlauf, Verteilungsmuster, Ausmaß und Begleitsymptome weitere diagnostische Hinweise liefern.3
- Eine sichere Abgrenzung zu unspezifischer Müdigkeit und Abgeschlagenheit ist nicht immer möglich.1
- Insbesondere in fortgeschrittenem Alter häufig im Rahmen einer Gebrechlichkeit (Frailty-Syndrom)5
- Komorbidität mit Sarkopenie, Mangelernährung und ungewollter Gewichtsabnahme
Ätiologie
- In den meisten Fällen sind die Symptome nicht durch eine Schädigung der Skelettmuskulatur (Myopathie) verursacht.3-4
- Die möglichen Ursachen einer Muskelschwäche sind vielseitig:
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Eine akute Parese ist ein medizinischer Notfall, z. B. bei:
- Bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit2
- Schlafapnoe-Syndrom
- Medikamentennebenwirkungen bzw. Substanzabusus
- psychische Störungen (Depression, Angststörung)
- behandelbare schwere körperliche Erkrankungen (selten)2
- Beachtung von Red Flags (z. B. ungewollte Gewichtsabnahme, Fieber)
- organisch fixierte Diagnostik (z. B. Tumorsuche) z. T. mit unnötiger Belastung und/oder Somatisierung
ICPC-2
- A04 Schwäche/allgemeine Müdigkeit
- L18 Muskelschmerzen
- L19 Muskelsymptome/-beschwerden NNB
- N18 Lähmung/Schwäche
- N28 Funktionseinschränkung/Behinderung (N)
ICD-10
- G12 Spinale Muskelatrophie und verwandte Syndrome
- G12.0 Infantile spinale Muskelatrophie, Typ I (Typ Werdnig-Hoffmann)
- G12.1 Sonstige vererbte spinale Muskelatrophie
- G12.2 Motoneuron-Krankheit
- G56 Mononeuropathien der oberen Extremität
- G57 Mononeuropathien der unteren Extremität
- G71 Primäre Myopathien
- G71.0 Muskeldystrophie
- G71.1 Myotone Syndrome
- G71.2 Angeborene Myopathien
- G71.3 Mitochondriale Myopathie, anderenorts nicht klassifiziert
- G71.8 Sonstige primäre Myopathien
- G71.9 Primäre Myopathie, nicht näher bezeichnet
- G72 Sonstige Myopathien
- G72.0 Arzneimittelinduzierte Myopathie
- G72.1 Alkoholmyopathie
- G72.2 Myopathie durch sonstige toxische Agenzien
- G72.4 Entzündliche Myopathie, anderenorts nicht klassifiziert
- G72.8 Sonstige näher bezeichnete Myopathien
- G83 Sonstige Lähmungssyndrome
- G83.0 Diparese und Diplegie der oberen Extremitäten
- G83.1 Monoparese und Monoplegie einer unteren Extremität
- G83.2 Monoparese und Monoplegie einer oberen Extremität
- G83.3 Monoparese und Monoplegie, nicht näher bezeichnet
- G83.9 Lähmungssyndrom, nicht näher bezeichnet
- G93: Sonstige Krankheiten des Gehirns
- G93.3 Chronisches Müdigkeitssyndrom (Chronisches Fatigue-Syndrom)
- M62 Sonstige Muskelkrankheiten
- M62.5 Muskelschwund und -atrophie, anderenorts nicht klassifiziert
- M62.8 Sonstige näher bezeichnete Muskelkrankheiten
- M63 Muskelkrankheiten bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- M63.0 Myositis bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
- M63.1 Myositis bei anderenorts klassifizierten Protozoen- und Parasiteninfektionen
- M63.2 Myositis bei sonstigen anderenorts klassifizierten Infektionskrankheiten
- M63.3 Myositis bei Sarkoidose
- M63.8 Sonstige Muskelkrankheiten bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- R53 Unwohlsein und Ermüdung
Differenzialdiagnosen
Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
Primär ungeklärte Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Siehe Artikel Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
- Definition und Ursache
- beeinträchtigende Müdigkeit ohne offensichtliche Ursache (z. B. Anstrengung, Schlafmangel, akuter Infekt)
- Vielzahl möglicher ursächlicher Erkrankungen und Belastungen
- Häufigkeit
- häufiger Vorstellungsgrund in der Hausarztpraxis (1,1–10,2 %)
- Prävalenz von unerklärter, anhaltender Müdigkeit > 1 Monat in Deutschland bei ca. 11 %
- Klinik
- große Spannbreite: leichte Müdigkeit bis schwere Behinderung im Alltag
- muskuläre Schwäche als körperlicher Aspekt neben emotionalen, kognitiven und Verhaltensaspekten („Leistungsknick“)
- psychische Faktoren (Depression, Angst und psychosoziale Belastung) als Ursache und/oder Begleiterscheinung häufig
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)
- Siehe Artikel Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS).
- Definition und Ursache
- auch: myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS)
- heterogenes Syndrom bislang unklarer Ätiopathogenese
- Diagnosekriterien nach Institute of Medicine (IOM, 2015) oder kanadischen Konsensuskriterien (CCC)
- Häufigkeit
- seltene Ursache von Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- geschätzte Prävalenz von 0,1–0,7 %
- Klinik
- Hauptsymptom ist eine Erschöpfung mit Verschlechterung nach Belastung (Post-Exertional Malaise, PEM, Belastungsintoleranz).
- Zusatzsymptomen umfassen u. a. kognitive Einschränkungen („Brain Fog“), muskuloskelettale Schmerzen, orthostatische Beschwerden, nicht erholsamer Schlaf
- substanzielle Einschränkung alltäglicher Aktivitäten für > 6 Monate
Neurologische Erkrankungen
Schlaganfall und intrakranielle Blutungen23
- Siehe die Artikel:
- Definition und Ursache
- Gewebsschädigung des Gehirns durch Ischämie, Kompression oder Ödem im Rahmen eines zerebrovaskulären Akutereignisses
- Häufigkeit
- in Deutschland ca. 270.000 Schlaganfälle jährlich
- Inzidenz ca. 336/100.000 Einw. pro Jahr
- Klinik
- akute neurologische Defizite abhängig von der Lokalisation
- bei hemisphärieller ZNS-Schädigung meist halbseitige Lähmungen (Hemiparese)
Rückenmarkserkrankungen8
- Siehe Artikel Rückenmarksverletzung.
- Definition und Ursache
- traumatische Schädigung (direkte Verletzung)
- Schädigung durch Kompression (oft Bandscheibenvorfall)
- nicht-traumatische Schädigung (z. B. entzündlich bei Multipler Sklerose)
- Klinik
- komplette oder inkomplette Querschnittsyndrome mit neurologischen Funktionsausfällen unterhalb der Läsion
- motorische Ausfälle meist in Form einer spastischen Para- bzw. Tetraparese
Periphere Neuropathien9,24
- Siehe Artikel Periphere Neuropathien.24
- Polyneuropathie
- Definition und Ursache
- Erkrankung des peripheren Nervensystems (PNS) unterschiedlicher Genese (häufig Diabetes mellitus, Alkohol)
- Klinik
- sehr variabel, häufig distal-symmetrische Polyneuropathie
- häufig sensible und autonome Störungen, seltener vorwiegend motorische Symptomatik
- Definition und Ursache
- Guillain-Barré-Syndrom
- Definition und Ursache
- demyelinisierende autoimmun vermittelte Polyneuropathie
- häufig postinfektiös
- Klinik
- aufsteigende Lähmungen (Paresen), Sensibilitätsstörungen und Areflexie
- Definition und Ursache
- Nervenkompressionssyndrome
- Schädigung eines peripheren Nervens, häufig durch Kompression an Engstellen
- z. B. Karpaltunnelsyndrom, Läsion des N. peroneus
Myasthenia gravis11,25
- Siehe Artikel Myasthenia gravis.
- Definition und Ursache
- Störung der neuromuskulären Erregungsübertragung durch Autoantikörper
- Häufigkeit
- Prävalenz von ca. 15–180 pro 100.000 Einw.
- Klinik
- Ptosis und Doppelbilder sind häufige Initialsymptome
- fluktuierende und belastungsabhängige Muskelschwäche, Sprech- und Schluckstörungen und respiratorische Insuffizienz
Motoneuronerkrankungen7
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
- Definition und Ursache
- Erkrankung mit progredienter Schädigung des 1. und 2. Motoneurons bislang unklarer Ätiologie
- Häufigkeit
- Inzidenz von 1,5–2,5 pro 100.000 Einw. pro Jahr
- Klinik
- progrediente Paresen, Muskelatrophie und Faszikulationen
- im Verlauf fortschreitende Dysphagie und Insuffizienz der Atemmuskulatur
- Definition und Ursache
- Spinale Muskelatrophien (SMA)
- Definition und Ursache
- Gruppe von Erkrankungen mit degenerativer Schädigung des 2. Motoneurons (hereditäre und sporadische Formen)
- Klinik
- heterogene Verläufe und Manifestationen, Beginn oft im Kindesalter
- meist symmetrische Muskelschwäche und -atrophie
- Therapie
- zuletzt neue Therapieansätze mit Antisense-Oligonukleotiden
- Definition und Ursache
Critical-Illness-Myopathie (CIM) und Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP)9,26
- Definition und Ursache
- Komplikation einer intensivmedizinischen Behandlung und Beatmung mit Muskel- und axonaler Nervenschädigung
- Ursache bislang ungeklärt
- Häufigkeit
- in bis zu 70 % der Fälle nach 2-wöchiger Beatmung bei Sepsis und/oder Multiorganversagen
- Klinik
- symmetrische Paresen, meist an den unteren Extremitäten beginnend
- oft respiratorische Beteiligung mit verzögerter Entwöhnung von der Beatmung
- Diagnostik und Therapie
- klinisch-neurologische und elektrophysiologische Diagnostik
- bislang keine spezifische Therapie bekannt
Weitere neurologische Erkrankungen
- Intrakranielle Tumoren
- Multiple Sklerose27
- Parkinson-Syndrom
- Autoimmune Enzephalitiden
- Lambert-Eaton-Syndrom (LEMS)11
Hereditäre Erkrankungen
- Siehe Artikel Erbliche Muskelerkrankungen.
- Erbliche Muskelerkrankungen (hereditäre Myopathien) sind insgesamt selten.3
- Die Anzahl identifizierter Gendefekte als Ursache für Myopathien ist in den letzten Jahren enorm gestiegen.
- erleichterte Diagnostik durch neue molekulargenetische Verfahren (z. B. Next Generation Sequencing, NGS)
- teils komplexe Diagnosestellung, daher Abklärung in einem neuromuskulären Zentrum empfohlen
Muskeldystrophien3,28
- Definition und Ursache
- erbliche Muskelerkrankungen mit Degeneration des Muskelgewebes und Umbau zu Fett und Bindegewebe
- Muskeldystrophie Typ Duchenne
- X-chromosomal rezessiv vererbter Defekt im Dystrophin-Gen (daher v. a. Jungen betroffen)
- häufigste hereditäre Myopathie (Inzidenz ca. 1 pro 3.500 neugeb. Jungen)
- Erkrankungsbeginn im 2.–4. Lebensjahr
- Schwäche der Beckenmuskulatur (Probleme beim Aufrichten, Treppensteigen)
- im Verlauf Schwäche der Schulter- und Oberarmmuskulatur und schließlich der distalen Muskulatur
- Muskeldystrophie Typ Becker
- X-chromosomal rezessiv vererbter Defekt im Dystrophin-Gen (daher v. a. Jungen betroffen)
- deutlich seltener als Muskeldystrophie Duchenne
- Erkrankungsbeginn im 5.–20. Lebensjahr
- milderer Krankheitsverlauf und klinisch variabler als Muskeldystrophie Duchenne
- Kardiomyopathie im Verlauf häufig führend und prognosebestimmend
- Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
- Prävalenz bis 5 pro 100.000 Einw.
- Erkrankungsbeginn meist im 2.–3. Lebensjahrzehnt
- Schwäche der Gesichtsmuskulatur, des Schultergürtels (Scapula alata) und der proximalen Armmuskulatur
- im Verlauf Schwäche der Becken-, Bein- und Rumpfmuskulatur
- Gliedergürteldystrophie
- Gruppe von Krankheiten mit ähnlichen klinischen Merkmalen
- Schwäche der Beckengürtelmuskulatur
- Schwäche der Schultergürtelmuskulatur
- sowohl autosomal-rezessive als auch autosomal-dominante Erbgänge
- Gruppe von Krankheiten mit ähnlichen klinischen Merkmalen
Myotone Erkrankungen10,28
- Myotone Dystrophien
- Definition und Ursache
- Muskeldystrophie und Myotonie (verlängerte, tonische Muskelanspannung) aufgrund veränderter Membranstabilität
- autosomal-dominanter Erbgang
- häufigste Muskelerkrankungen des Erwachsenenalters in Europa
- Prävalenz ca. 5,5/100.000 Einw.
- Myotone Dystrophie Typ I (Curschmann-Steinert)
- distal betonte Paresen
- variabler Erkrankungsbeginn
- Myotone Dystrophie Typ II (proximale myotone Myopathie/PROMM)
- mildere Symptomatik als bei Typ I
- Erkrankungsbeginn zwischen 20. und 50. Lebensjahr
- Definition und Ursache
- Nichtdystrophe Myotonien
- hereditäre Erkrankungen des muskulären Chlorid- oder Natriumkanals mit Über- oder Untererregbarkeit
- Formen der Myotonia congenita
- autosomal-dominante Form (Typ Thomsen)
- autosomal-rezessive Form (Typ Becker)
- ausgeprägte Myotonie (verlängerte, tonische Muskelanspannung) nach Willkürinnervation und bei Beklopfen des Muskels ohne Muskelatrophie
Weitere hereditäre Muskelerkrankungen3,10,28
- Periodische Lähmungen
- Distale Muskeldystrophien
- Okulopharyngeale Muskeldystrophie
Hereditäre Stoffwechselerkrankungen3,14,29-31
- Zu den angeborenen metabolischen Myopathien gehören:
- Myoadenylat-Desaminase-Mangel (MAD-Mangel)
- Glykogenosen (Glykogenspeichererkrankungen)
- Lipidmyopathien (Defekte im Fettsäurestoffwechsel)
- mitochondriale Erkrankungen.
- Myoadenylat-Desaminase-Mangel (MAD-Mangel)
- häufigste metabolische Myopathie
- autosomal-rezessiv vererbt
- Erkrankungsbeginn meist im Erwachsenenalter
- frühzeitige Muskelermüdung, Muskelschmerzen und -krämpfe, z. T. mit leichter Muskelatrophie
- M. Pompe (Glykogenose Typ II)
- Anreicherung von Glykogen durch Mangel an α-1,4-Glukosidase
- autosomal-rezessiv vererbt
- Erkrankungsbeginn Kindheit oder Erwachsenenalter
- proximale Muskelschwäche, Kardiomyopathie und resp. Insuffizienz
- McArdle-Erkrankung (Glykogenose Typ V)
- Siehe Artikel McArdle-Syndrom.
- fehlender Glykogenabbau im Muskel durch Mangel an Muskelphosphorylase
- autosomal-rezessiv vererbt
- Erkrankungsbeginn Kindheit oder Erwachsenenalter
- belastungsabhängige und bleibende Muskelschwäche, Muskelkrämpfe und Kontrakturen
- Lipidmyopathien
- Gruppe erblicher Erkrankungen mit Störungen des Fettsäurestoffwechsels, die zur Akkumulation von Lipiden im Muskel führen.
- autosomal rezessive vererbt
- episodische Muskelschwäche und -schmerzen unterschiedlicher Ausprägung, teils weitere Organbeteiligungen (Leber, Niere, ZNS)
Rheumatologische Erkrankungen
Myositissyndrome3,6,12-13,32-34
- Siehe Artikel Myositissyndrome.
- Definition und Ursache
- Gruppe seltener, heterogener, autoimmun vermittelter Muskelentzündungen
- idiopathische Myositiden
- Polymyositis (PM)
- Dermatomyositis (DM)
- immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (IMNM)
- Einschlusskörpermyositis (IBM)
- Overlap-Myositis (OM) und Anti-Synthetase-Syndrom (ASyS oder ASS)
- Myositiden im Rahmen von Overlap Syndromen auf, v. a. bei:
- rheumatoider Arthritis (RA)
- systemischem Lupus erythematodes (SLE)
- systemischer Sklerose (Sklerodermie)
- Sjögren-Syndrom
- undifferenzierter (UCTD) und Mischkollagenose (MCTD).
- z. T. fakultativ paraneoplastisch (insbesondere Dermatomyositis).
- Klinik
- progrediente Muskelschwäche mit unterschiedlichem Befallsmuster, muskelkaterartige Schmerzen (Myalgien) und Dysphagie
- z. T. weitere Organmanifestationen (z. B. interstitielle Lungenerkrankung, Myokarditis)
Vaskulitiden
- Siehe Artikel Systemische Vaskulitiden.
- Polymyalgia rheumatica (Riesenzellarteriitis)
- Großgefäßvaskulitis mit bilateralen Schulterschmerzen mit Bewegungseinschränkungen als Leitsymptom
- Weitere Symptome umfassen B-Symptomatik, Nackenschmerzen sowie Schmerzen im Beckengürtelbereich.
- Bei den meisten Vaskulitiden kann es zu neuromuskulärer Beteiligung (z. B. Begleitmyositis, Polyneuropathie) kommen.6
Weitere rheumatologische Erkrankungen
- Rheumatoide Arthritis
- Im Vordergrund stehen Gelenkschmerzen, -schwellungen und Morgensteifigkeit, z. T. aber auch Muskelschmerzen und Schwäche im Rahmen der Allgemeinsymptome.
- Eosinophile Fasziitis/Myositis
- Sarkoidose-assoziierte Myositis
- Muskuläres IgG4-Syndrom
- Immun-Checkpoint-Inhibitor-bedingte Myositis6,35
- bei Therapie mit PD-1-Inhibitoren (z. B. Nivolumab, Pembrolizumab)
Infektionen
ZNS-Infektionen
- Enzephalitis bzw. Meningoenzephalitis
- Definition und Ursache
- Entzündung des Gehirns (Enzephalitis), ggf. auch der Hirnhäute (Meningitis) durch eine Infektion mit Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilzen
- Klinik
- Fieber, Übelkeit/Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, evtl. Kopf-/Nackenschmerzen und Meningismus
- Paresen gehören zu den neurologischen Herdsymptomen (bei ca. 37 % der akuten Enzephalitiden).
- Definition und Ursache
- (Neuro-)Borreliose
- Definition und Ursache
- Infektion mit Borrelia (Bakterien aus der Gruppe der Spirochäten) mit Befall des Nervensystems
- Klinik
- häufig ein- oder beidseitige Gesichtslähmung (Fazialisparese)
- Polyradikulitis (Meningoradikulitis Bannwarth)
- Meningitis
- Definition und Ursache
- Weitere spezifische Infektionen mit Beteiligung des Nervensystems
Weitere Infektionen
- Botulismus
- Störung der neuromuskulären Übertragung durch Botulinumtoxin des sporenbildende, anaeroben Bakteriums Clostridium botulinum
- Klinik
- Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle, Sehstörungen und Mundtrockenheit
- schlaffe, symmetrische, absteigende Paresen
- Erregerbedingte Muskelentzündungen (Myositiden)1,3
- Influenza
- Epstein-Barr-Virus-Infektion
- Enterovirus-Infektion (Coxsackie- und Echoviren)
Elektrolytstörungen
Elektrolytstörungen Kalzium1,36
- Hyperkalzämie
- Definition und Ursache
- erhöhtes Gesamtkalzium (> 2,55 mmol/l) bzw. ionisiertes Kalzium (> 1,32 mmol/l)
- Die häufigste Ursache ist ein primärer Hyperparathyreoidismus (80–90 %), seltener in Zusammenhang mit Malignomen
- Klinik
- vielseitige Manifestation, teils asymptomatisch
- u. a. Muskelschwäche, Obstipation, Polyurie und Bewusstseinsstörung
- Definition und Ursache
Elektrolytstörungen Kalium1,36
- Hypokaliämie
- Definition und Ursache
- erniedrigtes Serumkalium (< 3,5 mmol/l)
- durch Hyperkaliämie Hyperpolarisation des Ruhemembranpotenzials mit verminderter Erregbarkeit der Zellen
- Klinik
- oft unspezifische Symptome (Abgeschlagenheit und Unwohlsein)
- generelle Muskelschwäche, Abschwächung von Reflexen und z. T. Muskelschmerzen/-krämpfe
- Gefahr von Herzrhythmusstörungen
- Definition und Ursache
- Hyperkaliämie
- Definition und Ursache
- erhöhtes Serumkalium (> 5,0–5,5 mmol/l)
- durch Hyperkaliämie Depolarisation der Zellmembran und damit erhöhte Erregbarkeit der Zellen
- Klinik
- vielseitige Symptome wie Durchfälle, Sensibilitätsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit
- generelle Muskelschwäche und Muskelzuckungen
- Cave bei Hyperkaliämie und Muskelschmerzen: Rhabdomyolyse!
- Definition und Ursache
Endokrine Erkrankungen
Morbus Addison1
- Siehe Artikel Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison).
- Definition und Ursache
- Mangel an adrenokortikalen Hormonen (Kortisol und Aldosteron)
- Klinik
- generalisierte Muskelschwäche
- Hyperpigmentierung, Hypotonie, Hypoglykämie, Hyponatriämie, Gewichtsverlust und Adynamie
- akute Verschlechterung bis zum Schock möglich (Addison-Krise)
Cushing-Syndrom1
- Siehe Artikel Cushing-Syndrom.
- Definition und Ursache
- häufig iatrogenes Cushing-Syndrom, seltener endogener Hyperkortisolismus
- Klinik
- proximal betonte Muskelschwäche
- Gewichtszunahme, Hypertonie, psychische Veränderungen (Depression, Angst), Stiernacken, Osteoporose, Schlafstörungen
Conn-Syndrom
- Siehe Artikel Conn-Syndrom.
- Definition und Ursache
- Überproduktion des Mineralokortikoids Aldosteron mit Störung des Wasser- und Elektrolythaushalts
- Klinik
- generalisierte Muskelschwäche
- Hypertonie, Polyurie, Polydipsie, Hypokaliämie, Hypernatriämie, schnelle Erschöpfbarkeit
Hyperparathyreoidismus36-37
- Siehe Artikel Hyperparathyreoidismus.
- Definition
- primär oder sekundär erhöhte Produktion von Parathormon
- häufiger asymptomatischer Zufallsbefund bei Hyperkalzämie
- Klinik
- Symptome der Hyperkalzämie oft unspezifisch
- Müdigkeit, Angst, Obstipation, Polyurie kognitive Einschränkungen
- z. T. proximal betonte Muskelschwäche
Hyperthyreose1,3
- Siehe Artikel Hyperthyreose.
- Definition und Ursache
- Schilddrüsenüberfunktion mit erhöhten Schilddrüsenhormonen
- unterschiedliche Ursachen, z. B. Morbus Basedow
- Klinik
- Myopathie mit Muskelschwäche und Muskelschmerzen (Myalgien) möglich, v. a. in den Beinen
- Gewichtsverlust, Tachykardie, arterielle Hypertonie, vermehrtes Schwitzen, Tremor
Hypothyreose1
- Siehe Artikel Hypothyreose.
- Definition und Ursache
- Schilddrüsenunterfunktion mit Mangel an Schilddrüsenhormonen
- Klinik
- Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteintoleranz, Trägheit, Obstipation
- selten Myopathie mit proximal betonter Muskelschwäche
Geriatrische Erkrankungen
- Siehe die Artikel:
Physiologisches Altern und Sarkopenie5,38
- Physiologisches Altern geht mit Funktionseinbußen und Abnahmen der Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit einher.
- Sarkopenie bezeichnet den Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft bzw. Muskelfunktion und geschieht mit fortschreitendem Alter physiologisch.
- Das Körpergewicht sinkt um ca. 0,1–0,2 kg/Jahr ab 70–75 Jahren.
- Überdurchschnittliche Sarkopenie ist ein prädisponierender Faktor für Frailty.
Gebrechlichkeit (Frailty)5,38
- Definition und Ursache
- „Frailty“ beschreibt den Zustand erhöhter Vulnerabilität mit gesteigertem Risiko für ungünstiges gesundheitliches Outcome.
- Führt zu unverhältnismäßig gravierenden Auswirkungen nach relativ geringfügigen Erkrankungen oder medizinischen Interventionen.
- assoziiert mit Multimorbidität und Behinderung
- Klinische Kriterien des Frailty-Syndroms
- muskuläre Schwäche
- körperliche Inaktivität
- reduzierte Ganggeschwindigkeit
- körperliche und/oder geistige Erschöpfung
- unbeabsichtigter Gewichtsverlust
- Weitere klinische Merkmale
- Management mit Interventionen zur positiven Beeinflussung der weiteren Entwicklung, optimalerweise im Stadium der Pre-Frailty
- Ziel ist die Vermeidung von Behinderung (Disability), Institutionalisierung (stationäre Altenhilfe) und Mortalität.
Psychische Erkrankungen
- Psychogene und funktionelle Lähmungen15,18
- Siehe Artikel Somatoforme Körperbeschwerden.
- Funktionelle Körperbeschwerden sind häufig, psychogene Lähmungen sind selten (Inzidenz 3,9/100.000/Jahr).
- Depression16-17,39
- Angststörung16,18
- Schlafstörungen18
- Dissoziative Störungen18
Medikamente und Substanzen
Statinassoziierte Myopathie1,3,20-22,40
- Definition und Ursache
- Muskelerkrankung in Folge einer Statintherapie
- normalerweise im ersten Behandlungsjahr
- Häufigkeit
- Die Prävalenz des Krankheitsbildes ist umstritten.
- Klinik
- Beginn Wochen bis Monate nach Therapiebeginn
- meist muskelkaterartige Schmerzen (Myalgien) und Muskelschwäche bzw. -ermüdbarkeit
- Diagnostik
- erhöhte CK-Werte, selten Rhabdomyolyse
Alkohol-Myopathie1,3,19,22
- Definition
- Schädigung der Muskulatur bei anhaltendem, übermäßigem Alkoholkonsum
- Die Ursachen sind direkte äthyltoxische sowie malnutritive Faktoren.
- Klinik
- akute (Stunden bis Tage) und chronische Verlaufsform
- proximal betonte Muskelschwäche (seltener distal)
- z. T. Schwellung der Muskulatur, Myalgien, Rhabdomyolyse
- oft begleitende äthyltoxische Polyneuropathie
- Diagnostik
- erhöhte Transaminasen und Gamma-GT, Anämie, Vitamin-B12-Mangel, CK meist normal oder leicht erhöht
Steroidmyopathie3,22
- Definition und Ursache
- Myopathie im Rahmen einer Behandlung mit Glukokortikoiden, besonders fluorierte Steroide (z. B. Dexamethason)
- Klinik
- Beginn Wochen bis Monate nach Therapiebeginn
- proximal betonte Muskelschwäche mit Beteiligung der Atemmuskulatur
- Diagnostik
- laborchemisch erhöhte CK-Werte, selten Rhabdomyolyse
Weitere Medikamente und Substanzen1,3,22
- Checkpoint-Inhibitoren
- Amiodaron
- Chemotherapeutika (z. B. Vincristin)
- Thyreostatika (z. B. Propylthiouracil)
- Antiretrovirale Medikamente (z. B. Zidovudin, Lamivudin)
- Chloroquin
- Colchizin
- Ciclosporin
- Interferone
- Penicillin
- Sulfonamide
- nichtsteroidale Antiphlogistika
- Phenytoin
- L-Dopa
- Barbiturate
- Amphetamine
- Kokain
- Heroin
Anamnese
Beschwerden
- Zeitlicher Verlauf der Beschwerden3-4
- akut, subakut, chronisch
- akute Paresen (Lähmungen) oft im Rahmen neurologischer Notfälle (z. B. Schlaganfall und TIA oder Rückenmarksverletzungen)
- langsam oder schnell progredient
- dauerhaft, intermittierend, attackenartig, belastungsinduziert
- Abhängigkeit von der Tageszeit
- z. B. abends schlechter bei Myasthenia gravis und morgens schlechter bei rheumatoider Arthritis
- akut, subakut, chronisch
- Lokalisation der Muskelschwäche3
- Beschränkung auf einzelne Muskeln oder Extremitäten
- distal oder proximal betont
- einseitig oder beidseitig
- symmetrisch oder asymmetrisch
- Ausmaß der Muskelschwäche3
- Funktionelle Einschränkungen sind anamnestisch gut zu erfragen.
- Beispiele für Bewegungseinschränkungen in Alltagssituationen
- z. B. Aufstehen von einem Stuhl, Haarekämmen, Kniebeuge
- Weitere Begleitsymptome
- Muskelschmerzen (Myalgien)
- Fieber als Hinweis auf eine Infektion (z. B. Meningitis, Borreliose)
- Dysphagie (z. B. Polymyositis, amyotrophe Lateralsklerose)
- Sprach- und Sprechstörungen (z. B. Schlaganfall und TIA)
- Interessenverlust und Freudlosigkeit (z. B. Depression)
- Braunverfärbung des Urins (Hinweis auf eine Myoglobinurie)3
- verzögerte geistige Entwicklung (z. B. bei erblichen Muskelerkrankungen)28
Ursachen
- Grunderkrankungen
- z. B. Diabetes mellitus (Polyneuropathie) oder kardiovaskuläre Risikofaktoren (Schlaganfall)
- Auslöser
- z. B. Trauma (Rückenmarksverletzung) oder vorangegangener Infekt (Guillain-Barré-Syndrom)
- Medikamentenanamnese
- z. B. neu begonnene Einnahme von Statinen, Steroiden, Checkpoint-Inhibitoren
- Anamnese hinsichtlich Noxen und Substanzen
- z. B. Alkohol, Heroin, Amphetamine
- Familienanamnese
- Kann Hinweise auf eine hereditäre Muskelerkrankung liefern.
- Ggf. erreichbare Familienangehörige zur Untersuchung einladen.
- Verlauf der kindlichen Entwicklung3
- motorische Meilensteine (z. B. Alter, in dem Gehen gelernt wurde).
- Kann Hinweise auf eine hereditäre Muskelerkrankung liefern.
Klinische Untersuchung
Allgemeine körperliche Untersuchung
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-3,29
- Allgemeine körperliche Untersuchung
- Untersuchung von Schleimhäuten, Atemwegen, Herz, Puls und Blutdruck, Lymphknoten und Abdomen
- Hautveränderungen, z. B. bei Dermatomyositis
- Hyperpigmentierung und orthostatische Hypotonie bei Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison)
- Hepatomegalie (z. B. Alkoholabhängigkeit, Stoffwechselkrankheiten)
- Hinweise auf Kardiomyopathie, z. B. bei erblichen Muskelerkrankungen
- Kontrakturen oder Skelettveränderungen
Neurologische Untersuchung
- Funktionelle Untersuchungen1,3
- z. B. Kniebeuge, auf einen Stuhl steigen, Hacken-/Zehengang, Schreiben
- Abnahme der Muskelkraft bei längerer oder wiederholter Belastung
- Muskeltrophik (Wachstumszustand der Muskulatur)
- Muskelatrophie
- lokalisiert oder generalisiert
- z. B. bei peripheren Neuropathien, Motoneuronerkrankungen, Myositiden
- Muskelhypertrophie
- z. B. bei Myotonie, Muskeldystrophie
- Muskelatrophie
- Muskeltonus
- Spastik: geschwindigkeitsabhängiger, federnder Muskelwiderstand bei passiver Bewegung mit plötzlicher Abnahme (Taschenmesserphänomen)
- Rigor: wächserner Muskelwiderstand bei passiver Bewegung
- Einzelkraftprüfung (Einteilung nach Kraftgraden)
- Kraftgrad 0: keine Muskelaktivität erkennbar (Plegie)
- Kraftgrad 1: Muskelaktivität ohne Bewegung
- Kraftgrad 2: Bewegung unter Aufhebung der Schwerkraft möglich
- Kraftgrad 3: Bewegung gegen Schwerkraft möglich
- Kraftgrad 4: Bewegung gegen Widerstand, aber vermindert
- Kraftgrad 5: normale Muskelkraft
- Verteilungsmuster der Muskelschwäche
- proximal oder distal
- halbseitig, beidseitig, symmetrisch, asymmetrisch
- Zuordnung zu spinalem Segment bzw. Nervenwurzel möglich?
- Zuordnung zu peripherem Nerven möglich?
- Störungen spezieller Muskelgruppen3
- mimische Muskulatur (Facies myopathica)
- Ptosis und Ermüdbarkeit der Muskulatur (Myasthenia gravis)
- extraokuläre Muskeln (Ptosis, Einschränkung der Okulomotorik)
- oropharyngeale Muskulatur (Dysphagie und Dysarthrie)
- axiale Muskulatur (Scapula alata, Hyperlordose und Skoliose)
- Atemmuskulatur (Hypoventilation)
Psychiatrische Untersuchung
- Bei vermuteter psychischer Grunderkrankung ggf. Einsatz validierter Fragebögen
- Einfache und schnell einsetzbare Fragebögen bei Depression39
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Labordiagnostik2-4,6-7
- Basislabor bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit2
- großes Blutbild, Blut-Glucose, BSG, CRP, Transaminasen (GOT, GPT), Gamma-GT, TSH
- Weiterführende Diagnostik bei auffälligen Befunden
- Kreatinkinase (CK)3,34,41
- CK ist der wichtigste laborchemische Biomarker des Muskelfaseruntergangs.
- Bestimmung nach körperlicher Schonung empfohlen
- > 10-fach erhöhte CK typisch für primäre Erkrankung der Muskulatur3,6
- u. a. erhöht bei Myositiden (Dermatomyositis, Polymyositis), hereditären Myopathien sowie statininduzierter Myopathie3,6,10,40
- Metabolische Myopathien und neurogene Muskelschwächen können weniger deutlich erhöhte CK-Werte verursachen.3,13,42
Bei Spezialist*innen
Erweiterte Labordiagnostik3-4,6-7,11-13
- Je nach Klinik und Verdachtsdiagnose
- Antinukleäre Antikörper (ANA)
- bei V. a. rheumatologische Erkrankungen, u. a. bei Kollagenosen
- als Suchtest bei unklarer Myopathie nicht sinnvoll
- falls positiv, weitere Differenzierung der ANA
- Myositis-spezifische und -assoziierte Antikörper6
- Myositis-spezifische Antikörper
- Myositis-assoziierte Antikörper
- Antikörper bei myasthenen Syndromen11
- Neurofilament7
- Neurofilamente (NfL) im Serum und Liquor sind unspezifische Marker.
- besonders ausgeprägt erhöht bei amyotropher Lateralsklerose (ALS)
- Lactat-Ischämie-Test (Unterarmbelastungstest)
- wiederholte Blutentnahmen aus dem Arm unter muskulärer Belastung zur Diagnostik von metabolischen Myopathien
Bildgebende Untersuchungen3-4,6
- MRT des Muskels
- aussagekräftigste Bildgebung bei Myopathien
- Nachweis eines Muskelödems (Entzündung), Umbau zu Fettgewebe, ggf. Kontrastmittel-Aufnahme, Befallsmuster
- Auswahl eines biopsierbaren, betroffenen Muskels
- z. T. zur Verlaufskontrolle eingesetzt (z. B. bei Myositis)
- Sonografie des Muskels (Myosonografie)
- insbesondere bei Kindern geeignetes Verfahren
- bei Erwachsenen in der Diagnostik meist noch nicht routinemäßig etabliert
- Bildgebung des Gehirns bzw. des Rückenmarks (MRT, CT)
- Abklärung hinsichtlich Pathologien des ZNS (z. B. Schlaganfall, intrakranielle Tumoren, Rückenmarksverletzungen)
Neurologische Diagnostik3-4,7,29,41,43
- Elektromyografie (EMG)
- immer bei Verdacht auf eine Myopathie empfohlen
- Differenzierung zwischen myopathischer und neurogener Schädigung
- Nachweis myotoner Entladungsserien hinweisend für Myotonie
- Elektroneurografie (ENG)
- Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und Amplituden der peripheren Nerven
- bei Verdacht auf eine periphere Neuropathie
- (NLG) mit Nachweis einer Latenzverzögerung oder Amplitudenminderung bei peripherer Genese, z. B. Nervenkompressionssyndrom
- Repetitive Stimulation
- auffällig bei myasthenen Syndromen
- Lumbalpunktion und Liquordiagnostik
- bei Verdacht auf ZNS-Infektionen oder entzündliche Prozesse
- Untersuchung der Schluckfunktionen (ggf. Videoendoskopie)
Muskelbiopsie3-4,6,29,44
- Biopsie eines klinisch moderat betroffenen Muskels oder Auswahl nach MRT bzw. Sonografie
- Untersuchung an spezialisierten Zentren
- Bei vielen Myopathien (z. B. Myositiden) wichtigste Untersuchung
- bei hereditären Myopathien ggf. verzichtbar, falls genetische Diagnostik ausreichend
Genetische Diagnostik3-4,10,28
- Bei unklaren Myopathien rasche und kosteneffektive Untersuchung zahlreicher Gene durch Hochdurchsatzverfahren (Next Generation Sequencing, NGS)
- wesentlicher Bestandteil in der Abklärung von Myopathien
- Identifikation eines ursächlichen Gendefekts hat therapeutische Konsequenzen.
- genspezifische Therapien, z. B. bei spinalen Muskelatrophien (SMA)
- Siehe Artikel Erbliche Muskelerkrankungen.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Erste diagnostische Schritte (z. B. körperliche Untersuchung und CK-Bestimmung) bei Muskelschwäche können in der Hausarztpraxis vorgenommen werden.3
- Zur weiteren Abklärung in der Regel Überweisung zu Neurolog*innen3
- In komplexeren Fällen ist eine stationäre Untersuchung sinnvoll.
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Bei akut aufgetretener Parese (Lähmung) notfallmäßige Krankenhauseinweisung
- Bei progredienter Muskelschwäche (z. B. Verdacht auf eine Myopathie):3
- zeitnahe neurologische Abklärung, ggf. stationär in neurologischer Klinik
- Insbesondere bei diagnostisch komplexen Fällen Vorstellung in einem zertifizierten neuromuskulären Zentrum erwägen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Weitere Informationen
- DEGAM-Patienteninformation Müdigkeit2
- DEGAM-Patienteninformation Müdigkeit – Fragebogen zur Anamnese2
- DEGAM-Patienteninformation Schlaganfall23
Patientenorganisationen
Videos
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Müdigkeit. AWMF-Leitlinie Nr. 053-002. S3, Stand 2022. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Myositissyndrome. AWMF-Leitlinie Nr. 030–054. S2k, Stand 2022. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik von Myopathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030–115. S1, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Motoneuronerkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 030-001. S1, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien. AWMF-Leitlinie Nr. 030–051. S1, Stand 2020. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Schlaganfall. AWMF-Leitlinie Nr. 053-011. S3, Stand 2020. www.awmf.org
- Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) und Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Funktionelle Körperbeschwerden. AWMF-Leitlinie Nr. 051-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
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- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Amyotrophe Lateralsklerose (Motoneuronerkrankung). AWMF-Leitlinie Nr. 030-001. S1, Stand 2021. register.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Querschnittlähmung. AWMF-Leitlinie Nr. 030-070, Stand 2012 (abgelaufen). dgn.org
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- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Myotone Dystrophien, nicht-dystrophe Myotonien und periodische Paralysen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-055. S1, Stand 2017 (abgelaufen). www.awmf.org
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Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
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