Allgemeine Informationen
Definition
Nach DSM-5 (gekürzt)1-2
- Eine Bulimia nervosa ist zu diagnostizieren, wenn folgende Kriterien zutreffen:
wiederkehrendeA.EssattackenWiederholte Episoden von Essanfällen. Ein Essanfall ist durch die folgenden beiden Merkmale gekennzeichnet:- Verzehr einer Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum (
Episodes of Binge-Eating..),charakterisiertwobeidurch folgende Eigenschaften:In einem abgegrenzten Zeitraum, z. B. innerhalb eines zweistündigen Zeitabschnitts, wird einediese Nahrungsmengegegessen, die eindeutigerheblich größer istdasdie Menge,wasdie die meisten Menschen in einem vergleichbarenZeitabschnitt undZeitraum unterähnlichenvergleichbarenUmständenBedingungenverzehrenessen würden.EmpfindungDasvon mangelnder SelbstkontrolleGefühl, während derEssattacke,Episodez.dieB.Kontrolle über dasGefühl, das Essen nicht beendenEssverhalten zukönnen,verlieren.oder nicht bestimmen zu können, was und wie viel gegessen wird(..)
- Verzehr einer Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum (
WiederkehrendesB.unangemessenesWiederholteKompensationsverhaltenAnwendung(InappropriatevonCompensatoryunangemessenenBehaviour)kompensatorischenmitMaßnahmen,der Absicht,um einer Gewichtszunahmevorzubeugen, zentgegenzusteuern.B(.selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder anderen Medikamenten, Fasten oder exzessive sportliche Betätigung.)- C. Die
durchschnittlicheEssanfälleFrequenzundsowohl der Essattacken als auch desdie unangemessenenKompensationsverhaltenskompensatorischen Maßnahmen treten im Durchschnitt mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monatenliegt bei mindestens einmal pro Wocheauf. DieD.SelbstbewertungFiguristund Körpergewicht haben einen übermäßigigendurchEinflussKörperformaufunddie-gewicht beeinflusstSelbstbewertung.DasE.auffälligeDieVerhaltenStörung tritt nicht ausschließlichwährendim Verlauf von Episoden einer Anorexia nervosa auf.
Nach ICD-10 3
- Die Bulimia nervosa ist durch wiederholte Anfälle von Heißhunger und eine übertriebene Beschäftigung mit der Kontrolle des Körpergewichts charakterisiert.
- Dies führt zu einem Verhaltensmuster von Essanfällen und Erbrechen oder Gebrauch von Abführmitteln.
- Viele psychische Merkmale dieser Störung ähneln denen der Anorexia nervosa
, so– die - Wiederholtes Erbrechen kann zu Elektrolytstörungen und körperlichen Komplikationen führen.
- Häufig lässt sich in der Anamnese eine frühere Episode einer Anorexia nervosa mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren nachweisen.
Schweregrad
- Der Absatz basiert auf dieser Referenz.4
- Der Schweregrad variiert stark.
4 - Die überwiegende Mehrheit der Personen mit einer Essstörung geht zur Schule oder Arbeit.
- Die meisten Betroffenen sind normalgewichtig, und ihr Problem ist nach außen hin nicht sichtbar.
Häufigkeit
- Prävalenz
- bei Erwachsenen in Deutschland laut DEGS1-Studie5
- 0,3
- 0,1
- 0,3
- keine systematischen Erhebungen zur Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland
In nordamerikanischen Studien der 1980er und 1990er Jahre betrug die Lebenszeitprävalenz unter jungen Frauen im Alter von 15–35 Jahren ca. 1–3 %.6-7- vermutlich hohe Dunkelziffer
- bei Erwachsenen in Deutschland laut DEGS1-Studie5
Inzidenz in Hausarztpraxen in Großbritannien im Jahr 20004gesamt12,40/100.000 Personen0,70/100.000 männliche Patienten
Altersgruppe 10–1935,8/100.000 Mädchen3,4/100.000 Jungen
Altersgruppe 20–3928,6/100.000 Frauen1,0/100.000 Männer
Dynamik in den vergangenen 12 JahrenZunahme in den Jahren 1988–1996Abnahme in den Jahren 1996–2000
- Geschlecht und Alter5
- Entwicklungstendenz
- Im Jahr
20002021 wurden in deutschen Krankenhäusern insgesamt21.726453 Fälle von Bulimie behandelt, im Jahr 2016 waren es 1.949 Fälle.10-116
- Im Jahr
- Inanspruchnahme von therapeutischer Hilfe4
- Viele Betroffene weigern sich, therapeutische Hilfe aufzusuchen.
- Durchschnittlich bestehen bereits seit 4–5 Jahren große Probleme, bevor Hilfe in Anspruch genommen wird.
12
UnterdiagnostiziertDie Erkrankung wird nicht in ihrer tatsächlichen Häufigkeit diagnostiziert.
Ätiologie und Pathogenese
EsDerhandeltAbsatzsichbasiertumaufeinedieserKombination aus Ursachen und einemReferenz.7- Zusammenspiel biopsychosozialer Faktoren
.13, darunter:
Unter den psychosozialen Faktoren scheinendysfunktionale familiäre Beziehungeneine Schlüsselrolle zu spielen.EsgeringesgibtSelbstwertgefühl- ausgeprägtes
immer mehr Belege dafKontrollbedür, dassrfnis - genetische Faktoren
ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.14
- Es gibt viele Gemeinsamkeiten mit der Anorexia nervosa.
- Eine Anorexia nervosa kann in eine Bulimia nervosa münden und umgekehrt.
Psychologische Merkmale, die heute als wichtige ätiologische Faktoren gelten, sind ein geringes SelbstwertgefühlPsychische undausgeprägtes Kontrollbedürfnis.Auf der physiologischen Ebene scheint zur Krankheitserhaltung beizutragen, dass längere Nahrungsrestriktion zu einem starken Hungergefühl führt, dem die Betroffenen nicht widerstehen können, sodass es zu Essanfällen kommt.Auf der psychischen und neurophysiologischen Ebene wurdenneurophysiologische Parallelen zu Suchterkrankungen- Substanzbezogene
beschriebenSuchterkrankungen sind bei Bulimie häufig.
- Substanzbezogene
Prädisponierende Faktoren
Individuelle Faktoren4
- Rund 95 % aller von Bulimie Betroffenen haben eine weitere psychische Erkrankung.
Tatsam hächlichufigsten Angststörungen und Depression- Auch ADHS und Persönlichkeitsstörungen kommen
begleitende substanzbezogene Suchterkrankungengehäuft vor.
Prädisponierende Faktoren
Individuelle Faktoren
KomorbiditätPersönlichkeitsstörung – verschiedene Formen und AusprägungsgradeZwanghafte und ausweichende/vermeidende Persönlichkeitsstörungen sind am häufigsten.15Fast 60 % der Betroffenen weisen eine Form einerPersönlichkeitsstörungauf16, und dieser Anteil ist bei schweren Formen der Bulimia nervosa noch höher.
andere psychische ErkrankungenBei 50–75 % der Patienten mit Essstörungen kommt es zu schwererDepressionoder Dysthymie.17Bei Patienten mit Bulimia nervosa beträgt die Lebenszeitprävalenz fürZwangsstörungen25 %.Fast 40 % der Patienten mit Bulimia nervosa leiden auch an einer anderen Suchterkrankung.18
Familiäre Faktoren7
- Diese unterscheiden sich von der Anorexia nervosa.
- Häufung von offenen Konflikten, Missbrauch und Psychopathologie
Unterschiede zur Anorexie
Siehe auch ArtikelAnorexia nervosa.7
- Bei Bulimie
- größere Impulsivität und emotionale Labilität
- selbstdestruktives Verhalten ausgeprägter
- substanzbezogene Suchterkrankungen hä
ufigererAlkohol-und Medikamentenmissbrauchufiger
- Weitere Faktoren, die bei Bulimie häufiger auftreten als bei Anorexie:
- Übergewicht (bei den Erkrankten und deren Eltern)
- Stimmungsschwankungen, geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus
- sexueller und körperlicher Missbrauch
Übergewichtder ElternDrogenkonsumgeringes SelbstwertgefühlPerfektionismusfamiliendynamische Veränderungen- Eltern, die Wert auf Gewicht/Äußeres legen.
- vorzeitige Pubertät (mit frü
hzeitigehemMenarche.19Erkrankungsbeginn der Bulimie assoziiert)
- P86 Anorexia nervosa/Bulimie
- F50 Essstörungen3
- F50.2 Bulimia nervosa
- Die Krankheit kann schwer zu diagnostizieren sein, da viele
PatientenPatient*innen die Essanfälle und das Erbrechen nicht zugeben wollen.207 - Kriterien nach DSM-5 und ICD-10 siehe Abschnitt Definition.
- Zur Früherkennung sollte im primärärztlichen Setting (Jugendgesundheitsuntersuchung mit 13 [12–14] Jahren) gezielt und altersangemessen nach Essverhalten und Gewichtsverlauf gefragt werden.
- Bei entsprechenden Hinweisen sollte an die Möglichkeit einer Essstörung gedacht, Körpergröße und Körpergewicht bestimmt und Screening-Fragen
*(z. B. die SCOFF-Fragen) zur Identifikation von Verdachtsfällen gestellt werden.Hierbei könnenessstörungsbezogene Fragebögendie Früherkennung unterstützen. - Besondere Aufmerksamkeit sollte
hierbeifolgenden Personengruppen zukommen:- Personen mit niedrigem Körpergewicht oder starkem Gewichtsverlust
- Personen mit
- Personen mit Amenorrhö oder Infertilität
- Personen mit Zahnschäden
- Personen, die mit Sorgen über ihr Gewicht in die Sprechstunde kommen, aber normalgewichtig sind.
übergewichtigePersonen- Personen mit gastrointestinalen Störungen, die nicht eindeutig einer anderen medizinischen Ursache zugeordnet werden können.
- Kinder und Jugendliche mit Wachstumsverzögerung
- Personen, die im Unterhaltungsbereich, in der Mode- oder Ernährungsbranche arbeiten.
- Leistungssportlerinnen
- Kinder und Jugendliche, deren Eltern sich besorgt zeigen über ihr Gewicht und Essverhalten.
Besteht nach Voruntersuchungen der Verdacht auf eine Essstörung fort, dann sollte eine klassifikatorische Diagnostik systematisch anhand der aktuellen Diagnosekriterien des DSM oder ICD durchgeführt werden, idealerweise anhand von Leitfäden oder validierten diagnostischen Interviews.Bei der differenzialdiagnostischen Abklärung sollte frühzeitig eine Mitbeurteilung durch Ärztliche Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vorgenommen werden.Komorbide Störungen sollen systematisch diagnostiziert werden.AnthropometrieGrößeGewichtPulsBlutdruckbei Kindern und Jugendlichen:Pubertätsstatus nach Tanner
Allgemeine körperliche UntersuchungAuskultation ThoraxPalpation AbdomenErhebung des GefäßstatusInspektion Mundhöhle, SpeicheldrüsenInspektion HautoberflächeUltraschall AbdomenEKGevtl. Echokardiografie
Neurologische Untersuchunghöhere kortikale Funktionen (z. B. Gedächtnis, Rechnen, Praxie)Stand und GangHirnnervenmotorisches SystemFeinbewegungen und KoordinationSensibilitätMuskeleigenreflexeautonomes NervensystemLaborDifferenzialblutbildBSG,CRPBlutzuckerElektrolyte (Natrium,Kalium,Kalzium,Magnesium,Phosphat)Nierenfunktion (Kreatinin)Leberstatus (z. B.ALT,AST,AP,CK,GGT,Bilirubin gesamtunddirektes Bilirubin, TPZ und PTT)Amylase,LipaseUrinstatusTSHBei ausgewählten Patienten sollte auch die Bestimmung vonEisen,Ferritin,Vitamin A, Vitamin E,Vitamin B12,Vitamin D, Folsäure, Beta-Karotin, Zink,Kupfer, Selen sowie ein immunchemisches oder chromatografischesDrogenscreeningerwogen werden.
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.
214 - Binge-Eating-Störung (BES)
- Abgrenzungskriterium unangemessene kompensatorische Maßnahmen
- Werden bei Bulimia nervosa regelmäßig eingesetzt.
- Werden bei BES wenig systematisch oder gar nicht eingesetzt.
- Abgrenzungskriterium unangemessene kompensatorische Maßnahmen
- Anorexia nervosa (AN)
- Abgrenzungskriterium Gewicht
- Bei Essanfällen mit unangemessenen kompensatorischen Maßnahmen und zeitgleich signifikantem Untergewicht ist die Diagnose AN zu stellen.
- Abgrenzungskriterium Gewicht
- Somatische Erkrankungen von Magen oder Ösophagus, Erbrechen ist dabei Teil des klinischen Bildes.
- Persönlichkeitsstörung
- z.
- Essanfälle können dabei auch im Rahmen des impulsiven, potenziell selbstschädigenden Verhaltens vorkommen.
- Typisch für die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine ausgeprägte Instabilität von interpersonellen Beziehungen, Selbstbild und Affektregulation.
- Ausgeprägte Körperbildprobleme sprechen für eine Essstörung und sind keine Kernsymptome einer Persönlichkeitsstörung.
- Es ist sinnvoll, beide Diagnosen zu stellen, wenn die Kriterien für beide erfüllt sind.
- z.
- Depression
- Gemeinsamkeiten
- Appetitsteigerung wie Heißhungerattacken können im Rahmen einer depressiven Episode auftreten und zählen zu den atypischen Merkmalen einer depressiven Störung.
- Abgrenzungskriterien
- unangemessene kompensatorische Maßnahmen nicht bei Depression
- Die für Bulimia nervosa typische Überbewertung von Körperbau und Gewicht und die damit zusammenhängende Selbstabwertung fehlen bei der Depression.
- Beide Diagnosen sollten gestellt werden, wenn die Kriterien für beide erfüllt sind.
- Gemeinsamkeiten
- Zwangsstörungen
- Schizophrenie mit anomalem Essverhalten
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf dieser Referenz.4
- Die Fremdanamnese ist entscheidend.
- Da gestörtes Essverhalten von den Betroffenen oft verheimlicht wird, häufig ohne Krankheitseinsicht, können die entscheidenden Informationen oft nur fremdanamnestisch erhoben werden.
- Bei Jugendlichen erfordert das Hinzuziehen Dritter, in der Regel der Sorgeberechtigten, jedoch das ausdrückliche Einverständnis der Betroffenen.
- Da gestörtes Essverhalten von den Betroffenen oft verheimlicht wird, häufig ohne Krankheitseinsicht, können die entscheidenden Informationen oft nur fremdanamnestisch erhoben werden.
- Gewichtsziele
- Das von Bulimie-Betroffenen angestrebte Gewicht liegt typischerweise etwa 10 kg unter Normalgewicht. Extrem niedrige Gewichtsziele wie bei der Anorexie sind eher untypisch.
- Purging-Verhalten (von engl. to purge: säubern, läutern)
- Die Betroffenen verwenden in der Regel eine oder mehrere der folgenden Methoden, um einer Gewichtszunahme vorzubeugen:
- selbst herbeigeführtes Erbrechen
- Fastenzeiten
- übertriebene sportliche Aktivitäten
.
- Die Betroffenen verwenden in der Regel eine oder mehrere der folgenden Methoden, um einer Gewichtszunahme vorzubeugen:
- Laxanzienabusus?
- Die regelmäßige Anwendung von Laxanzien kann auf Bulimia nervosa hindeuten.
- Auf direkte Nachfrage antworten viele Betroffene, dass sie nach dem Essen erbrechen oder Laxanzien verwenden.
- Verzerrte Selbstwahrnehmung
- Selbstverachtung als hervorstechendes Merkmal
- Die betroffenen Personen haben eine völlig andere Sicht auf sich und ihren Körper als ihre Umwelt.
- Somatische Begleitsymptome
,- z. B. Schwindel, Lethargie, Schlafstörungen, Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen
- Häufig kommt es zu einer unregelmäßigen Menstruation, Amenorrhö tritt jedoch nicht so häufig auf wie bei der Anorexia nervosa.
- z. B. Schwindel, Lethargie, Schlafstörungen, Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen
Die regelmäßige Anwendung von Laxanzien kann auf Bulimia nervosa hindeuten.Auf direkte Nachfrage antworten viele Betroffene, dass sie nach dem Essenerbrechenoder Laxanzien verwenden.Die betroffenen Personen haben eine völlig andere Sicht auf sich und ihren Körper als ihre Umwelt.Das von ihnen angestrebte Gewicht liegt typischerweise etwa 10 kg unter Normalgewicht. Extrem niedrige Gewichtsziele wie bei derAnorexiesind eher untypisch.- Bei einem Essanfall verliert die betroffene Person die Kontrolle über die Situation. Viele Betroffene beschreiben die Gier nach Essen als Auslöser.
- Es werden große Nahrungsmengen aufgenommen und wieder erbrochen.
- Essanfälle können ein- bis mehrmals täglich oder nur einmal alle 2 Wochen auftreten.
- Ein Anfall kann Minuten bis Stunden dauern.
- Angst, innere Unruhe/Anspannung, Langeweile und Einsamkeit können einen Essanfall auslösen.
- Viele Betroffene erleben insbesondere am Anfang ein Gefühl der Erleichterung oder Befriedigung nach dem Essanfall.
- Danach kommt es vermehrt zu Schuld- und Schamgefühlen sowie Verzweiflung.
- Depressionen treten häufig auf.
- Aufgrund der hohen Ausgaben für Lebensmittel kann es zu finanziellen Problemen kommen.
- Die Feststellung früherer Krankheiten und Traumata in der Kindheit und Pubertät sowie die psychomotorische und psychosoziale Entwicklung sind für die Therapie und Verlaufskontrolle wichtig.
- Missbrauch von Alkohol, Drogen, Beruhigungs- oder Schlafmitteln
- Der SCOFF-Fragebogen ist ein Screening-Instrument zur Identifizierung von möglichem essgestörtem Verhalten.
Das Akronym „SCOFF“ leitet sich aus den Fragen der englischen Version22ab.
- Der Fragebogen besteht aus den nachfolgend genannten
5fünf Fragen, die die Kernsymptome von Anorexia und Bulimia nervosa charakterisieren.24 - Übergibst du dich (do you make yourself sick), wenn du dich unangenehm voll fühlst?
- Machst du dir Sorgen, weil du manchmal nicht mit dem Essen aufhören kannst (lost control)?
- Hast du in der letzten Zeit mehr als 6 kg (one stone) in 3 Monaten abgenommen?
- Findest du dich zu fett, während andere dich zu dünn finden?
- Würdest du sagen, dass Essen (food) dein Leben sehr beeinflusst?
Konkrete Fragen zu:Verhältnis zum EssenEssanfällenErbrechenanderen Methoden, Gewicht zu verlieren.
Machen Sie den Betroffenen klar, dass ihnen nur geholfen werden kann, wenn sie bereit sind, offen über ihr Essverhalten und die damit verbundenen Gefühle und Gedanken zu sprechen.Informieren Sie sich über die soziale Situation der Patienten.Das Ausmaß sozialer Probleme korreliert mit dem Grad der psychischen Beinträchtigung im Rahmen der Erkrankung.
Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.21Bei klinischem Verdacht auf eine Essstörung sollten in der weiterführenden Diagnostik Checklisten oder strukturierte Interviews angewandt werden.Aus der Vielzahl verfügbarer Fragebögen ist hier nur eine Auswahl validierter deutschsprachiger Instrumente aufgeführt.Zur diagnostischen Erfassung psychischer Störungen einschließlich Essstörungen:Diagnostisches Interview für psychische Störungen (DIPS): Kurzform:Mini-DIPSStrukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV:SKID-I und SKID-IIInternationale Diagnose-Checklisten:IDCL.
Vertiefend, auf die Therapieplanung bei Essstörungen ausgerichtet:Eating Disorder Examination (EDE)Strukturiertes Inventar für Anorektische und Bulimische Essstörungen zurExpertenbeurteilung (SIAB-EX).
Zur diagnostischen Erfassung psychischer Störungen einschließlich Essstörungen:Diagnostische Interviews bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter (Kinder-DIPS)Kiddie-Sads-Present and Lifetime Version (K-SADS-PL).
Vertiefend, auf die Therapieplanung bei Essstörungen ausgerichtet:Siehe TabelleEssstörungen, physiologische Grenzwerte.25- Aufgrund möglicher Komplikationen ist eine eingehende klinische Untersuchung notwendig.4
Somatische Komplikationen, die aufgrund von Erbrechen auftreten können, sind:MuskelkrämpfeGröße, Gewicht (Berechnung des BMI)- Puls, Blutdruck
- Bei Kindern und Jugendlichen:
epileptischePubertätsstatusAnfällenach Tanner HerzrhythmusstörungenAuskultation ThoraxMuskelschwPalpation Abdomen, gastrointestinale Symptome? z. B.:
- geblä
che.htes Abdomen - veränderte Darmmotilität
- Obstipation
- epigastrische Schmerzen
- selten akutes Abdomen bei extremer Magendilatation
- geblä
BestimmungInspektionvon Gewicht und Größe in Unterwäsche und ohne SchuheBerechnung des BMIDie meisten Betroffenen sind normalgewichtig, Bulimie-Patienten gibt es jedoch in allen Gewichtsklassen.
Russell-ZeichenSchwielen am Finger oder Handrücken nach häufiger Induktion vonErbrechen
- Mundhöhle
, Speicheldrüsen- Ausgeprägte Karies? Mögliche Ursachen:
- Schmelzschädigung durch Magensäure bei häufigem Erbrechen
- exzessiver Konsum zuckerhaltiger Nahrungsmittel im Rahmen von Essattacken
- Fasten erhöht die Phosphatkonzentration im Speichel und begünstigt die Plaquebildung.
- Verminderte Speichelproduktion durch Diuretika oder Laxanzien kann zu Xerostomie führen.
- Absichtlich unbehandelte Karies, z.
- Zahnarztphobie
.
- Gingivitis und Parodontitis durch Unter- oder Fehlernährung
- Ausgeprägte Karies? Mögliche Ursachen:
weitereMundschleimhaut und Speicheldrüsen – Folgen häufigen Erbrechens:- Schleimhauterosionen
- Vergrößerung der Ohrspeicheldrüsen und Zungengrundspeicheldrüsen
.
GastrointestinaleHautoberflächeSymptome,(Russell-Zeichen:z.SchwielenB.:geblam Finger oder Handrücken nach hähtesufigerAbdomenInduktion von Erbrechen)veränderteGgf.DarmmotilitätObstipationepigastrischeneurologischeSchmerzenseltenakutes Abdomenbei extremer Magendilatation.
ICPC-2
ICD-10
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Leitlinie: Diagnostik der Essstörungen214
Früherkennung
Diagnosestellung
Initiale Diagnostik
* Beispielsweise die SCOFF-Fragen
Differenzialdiagnosen
Anamnese
Anamneseerhebung
Merkmale der Essanfälle
Psychischer Zustand
Soziale Verhältnisse
Erschwerende Faktoren
SCOFF – Selbsttest bei Essstörungen22-23
SCOFF-Fragen248
Aufnahme der Anamnese
Checklisten und strukturierte Interviews
Weiterführende Fragebögen für das Erwachsenenalter
Weiterführende Fragebögen für das Kindes- und Jugendalter
Klinische Untersuchung
Anthropometrie4
Allgemeine körperliche Untersuchung4
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Siehe TabelleLabor- BSG,
EssstörungenCRP,LaborwerteBlutzucker.,25TSH - Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphat, Kreatinin
- Blutbild
- ,
BSGDifferenzialblutbild AlbuminKreatininElektrolyte (Na,K,Ca,Phosphat): Bei Essstörungen kann es aus verschiedenen Gründen zu bedenklichen Elektrolytverschiebungen kommen, z. B.:LeberstatusVerdünnungshyponatriämie durch Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH, Schwartz-Bartter-Syndrom)Scheint beiAnorexiegehäuft aufzutreten.möglicher Medikamenteneffekt (z.Antidepressiva)
-
Kaliumverlust durchErbrechen ernährungsbedingterKalziummangelNatriumverlust durch exzessive FlüssigkeitsaufnahmeLaxanzienabusus (Kaliumverlust bis hin zu Herzrhythmusstörungen und hypokaliämischer Nephropathie)
LeberfunktionstestsGGTALT,GOT,GPTAST, AP,BilirubinCK,CHEGGT, Bilirubin gesamt und direktes Bilirubin, TPZ und PTT
BlutglukosePankreas-Amylase, Lipase- Urinstatus
- BSG,
- Ggf.
weitere Labortests, z. B.relevant:
- Speichelamylase im Serum (korreliert mit der Häufigkeit des Erbrechens)
- Endokrinologie
FerritinVitamineZinkSerumproteinHarnstoff- Transglutaminase-Antikörper (Zöliakie)
- Bei ausgewählten Patient*innen sollte auch die Bestimmung von Gesamteiweiß, Albumin, CHE, Eisen, Ferritin, Vitamin B12, Vitamin D, Folsäure, Kupfer, sowie ein immunchemisches oder chromatografisches Drogenscreening erwogen werden.
- EKG (z.
- Ultraschall Abdomen
Indikationen zur Überweisung
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.
214 - Diagnostische Abgrenzung zu anderen Essstörungen und sonstigen psychischen Störungen (frühzeitige Einbindung ärztliche oder psychologische Psychotherapie oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie)
- Bulimie erfordert eine störungsspezifische Psychotherapie.
- Diese sollte möglichst ambulant durch eine Psychotherapeutin/einen Psychotherapeuten mit Erfahrung in der Behandlung von Menschen mit Essstörungen erfolgen.
- Ggf. vertiefende somatische Abklärung und Behandlung, z.
- endokrinologisch-metabolisch
- kardiologisch (z. B. Echokardiografie)
- HNO
.
- Ggf. Zusammenarbeit mit einer Ernährungsberaterin/einem Ernährungsberater, die/der im Umgang mit Bulimie-Betroffenen erfahren ist, und sich engmaschig mit den behandelnden
PsychotherapeutenPsychotherapeut*innen abstimmt. - Regelmäßige zahnärztliche Konsultationen zur Abklärung, Behandlung und Verlaufsbeobachtung von Folgeschäden an Zahnschmelz und Parodontium (siehe auch Abschnitt Klinische Untersuchung).
Leitlinie: Ambulante Behandlung der Essstörungen214
- Bei Vorliegen einer BN soll den Betroffenen frühzeitig eine Behandlung angeboten werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden.
- Es sollte berücksichtigt werden, dass einige Betroffene einer Veränderung ihres Essverhaltens ambivalent gegenüberstehen und daher aktiv für eine Behandlung zu motivieren sind.
- Personen mit Bulimia nervosa (BN) sollten nach Möglichkeit ambulant behandelt werden (Ia/B).
- Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber auch eine stationäre oder teilstationäre Behandlung infrage kommen (s. u.)
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Leitlinie: Ambulant vs. stationär34
- Stationäre oder teilstationäre Behandlung bei fehlender Möglichkeit für eine zeitnahe ambulante Therapie oder Vorliegen folgender Indikationskriterien:
- Psychische bzw. physische Komorbidität, die eine Indikation für eine stationäre bzw. teilstationäre Behandlung darstellt (z. B. Suizidalität, unzureichend eingestellter Diabetes mellitus, schwere Selbstverletzung, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit).
- erhebliche bulimische Symptomatik (inkl. erheblich entgleistes Essverhalten, Elektrolytverschiebung)
- essstörungsbedingte Komplikationen einer Schwangerschaft
- nicht ausreichende Wirksamkeit ambulanter Therapie
- therapieverhindernde Umstände im Umfeld der betroffenen Person
.
Ambulante, stationäre und teilstationäre Behandlungen sollen in Einrichtungen oder bei Therapeuten erfolgen, die Expertise in der Therapie von Menschen mit Essstörungen haben.
Therapie
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert dieser Abschnitt auf folgender Referenz.4
TherapiezielePsychotherapie
Angemessene Aufklärung der Patienten und – bei minderjährigen Patienten – ihrer Eltern über die Erkrankung und den TherapieplanAufbau einer Therapieallianz mit den BetroffenenVerhinderung von Essanfällen und ErbrechenNormalisierung der körperlichen AktivitätFörderung von Selbstvertrauen und positivem SelbstbildWiedererlangen von ImpulskontrolleRemission körperlicher FolgeerkrankungenBewältigung psychischer SchwierigkeitenChronifizierung des gestörten Essverhaltens vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
Viele Patienten mit Bulimia nervosa können von der Hausärztin/vom Hausarzt betreut werden.PsychotherapieDie Therapie kann alsEinzel-, Gruppen- oder Familientherapiedurchgeführt werden.Im Gegensatz zurAnorexia nervosagibt es viele kontrollierte Studien.- Die Wirksamkeit bei Bulimie ist für die kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
istamdiebesten belegt.4,9- ggf. auch als KVT-basiertes Selbstmanagementprogramm („angeleitete Selbsthilfe“)
- vergleichbar wirksam: Interpersonelle Psychotherapie (in Deutschland im Rahmen der
WahlRichtlinienpsychotherapie nicht zugelassen) - evtl. Alternative, z. B. bei entsprechendem Wunsch der behandelten Person: tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Bewegung und Entspannung
Im Rahmen einer Studie bei Personen mit Essstörungen wirkten sich verschiedeneFolgende physiotherapeutische VerfahrenimscheinenVergleichsich,zurauchWartelistein Kombination, günstig auf Essverhalten und lebensqualitätsbezogene Parameteraus.auszuwirken:2610Zu den in dieser Studie verwendeten Verfahren zählten:- aerobe Körperübungen
- , Krafttraining
- Entspannungsübungen
- , Übungen zur Körperwahrnehmung
- , Yoga
- Massage
verschiedene Kombinationen aus mehreren der genannten Verfahren.
Medikamente (SSRI)Antidepressiva
- Erwachsenen mit Bulimie können begleitend zur Psychotherapie mit Antidepressiva behandelt werden.
- Mit Fluoxetin (SSRI) können Essanfälle und Erbrechen reduziert werden.
- Behandlungsversuch über mindestens 4 Wochen
SSRIFluoxetin 60 mg/d hat sich als wirksamer erwiesen als 20 mg/d
- Die Bulimie allein sollte bei Kindern keine Indikation für die Therapie mit Antidepressiva sein.
- Antidepressiva können bei
einerKindern (12–18 Jahre) indiziert sein, wenn gleichzeitigauftretendeneine mittelschwere bis schwere Depression vorliegt.11 - Eindosierung
hilfreichdurchseinFachärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Antidepressiva können bei
Elektrolytausgleich4
- Hypokaliämie
- Hyponatriämie
- mögliche Ursachen: Polydipsie, SIADH-Syndrom (s. o.)
- bei Polydipsie: Normalisierung der Wasseraufnahme anstreben.
- bei SIADH
- Flüssigkeitsrestriktion als primäre Maßnahme
- vorsichtige Natriumanhebung nur nach Berechnung des Urin-/Plasma-Elektolytverhältnisses und des Gesamtkörperwassers, möglichst unter stationären Bedingungen (Näheres siehe Artikel Hyponatriämie)
Therapiemaßnahmen bei weiteren Komplikationen
- Zahnschäden
- Siehe Abschnitt Empfehlungen für Patient*innen.
- Sialadenitis
- Stimulation der Speichelproduktion durch Lutschtabletten oder Kaugummi
- Kühlende Umschläge wirken abschwellend und schmerzlindernd.
- evtl. Massage der Drüse
- Reflux
- evtl. Antazida, H2-Blocker oder Protonenpumpenhemmer
- Näheres siehe Artikel Gastroösophageale Refluxkrankheit.
- Obstipation
- allgemeine Hinweise zu Ernährung und Stuhlgang
- evtl. Laktulose
- bei Entleerungsstörungen Klysma oder Suppositorien (Bisacodyl-Zäpfchen oder CO2-freisetzende Zäpfchen)
- Beinödeme
- bei normalem oder hohem Serumnatrium: salzarme Kost
- bei Polydipsie: Normalisierung der Wasseraufnahme
- Hochlagerung der Beine, Geduld
- ggf. Diuretika (Cave: gefährliche Interaktionen bei Abusus anderer Diuretika, z. B. Hyperkaliämie!)
- Näheres zur differenziellen medikamentösen Therapie siehe die Artikel Beinödeme und Hyponatriämie.
- Kalzium
- ggf. Substitution von Kalzium und Vitamin D zur Osteoporoseprophylaxe
- Ggf. Supplementierung weiterer Nahrungsbestandteile
- Näheres siehe Artikel Anorexia nervosa.
Empfehlungen für
PatientenPatient*innenEs gibt Selbsthilfegruppen für Menschen mit Bulimie.- Für ausgewählte Bulimie-Betroffene kommen validierte, KVT-basierte Selbsthilfeprogramme unter Anleitung als wirksame Behandlung infrage (B).
214 - Vermeidung von Zahnschäden infolge von häufigem Erbrechen
- Die wirksamste Prophylaxe ist das Unterlassen des Erbrechens.
- Bis dieses Ziel im Rahmen der Psychotherapie erreicht wird, gelten folgende zahnmedizinischen Empfehlungen:
21,274- Da der Zahnschmelz bei niedrigen pH-Werten besonders vulnerabel ist, die Zähne nicht unmittelbar nach dem Erbrechen putzen, sondern nur den Mund mit Wasser gründlich ausspülen.
- Auch das Ausspülen des Mundes mit säureneutralisierenden Mitteln wie Natron oder in Wasser gelösten Antazida ist sinnvoll.
- Fluoridhaltige Mundspüllösungen, Lacke und Zahnpasten erhöhen vorbeugend die Resistenz des Zahnschmelzes.
In der HausarztpraxisMenschen mit Bulimia nervosa sollten beim ersten Arztbesuch eingehend klinisch untersucht werden.Das Führen einesErnährungstagebuchs(s. u.) kann bei der Verhaltensmodifikation helfen.Die Betroffenen sollten dazu ermutigt werden, ihr Verhalten im Rahmen einer Psychotherapie schrittweise zu ändern.Medizinische Komplikationen, z. B.Hypokaliämie, sollten behandelt werden.
Vorschlag eines TherapieansatzesBegleitete SelbsthilfeErnährungsplanDie Essgewohnheiten und körperlichen Aktivitäten der Betroffenen sollten aufgezeichnet werden.Stellen Sie fest, wann es den Patienten am schwersten fällt, zu essen. Danach sollten zulässige Lebensmittel und Situationen, die das Essen vereinfachen, festgelegt werden.Arzt und Betroffene sollten gemeinsam einen Ernährungsplan erstellen.Dieser gilt als Orientierung für ein normales Essverhalten.Darin sollten konkrete Angaben zu Art und Menge der Nahrungsmittel und zum Zeitpunkt der Mahlzeiten enthalten sein.Der Ernährungsplan kann als „Hausaufgabe“ für die betroffene Person dienen, die sie bis zum nächsten Arztbesuch erledigen soll.
Tagebuch zu Essanfällen/ErbrechenMit einemTagebuch, in das Essen und Mahlzeiten, Essanfälle, Erbrechen und Verwendung von Laxanzien eingetragen werden, kann festgestellt werden, wann die Probleme am größten sind und welche Situationen oder Gefühle die Symptome auslösen.
Bewegung und EntspannungVerschiedene Formen der körperlichen Aktivität und Entspannung sind wirksam (s. o.).26Ist unangemessene körperliche Aktivität ein Teil der Purge-Symptomatik, dann sollte ein Bewegungstagebuch geführt werden.
Aufmerksamkeitsfokus auf dem Hier und Jetzt, auf der Funktion des gestörten Essverhaltens und auf der Gestaltung von BeziehungenSomatische Verlaufskontrolleje nach Schwere der somatischen Symptome regelmäßige Blutuntersuchungen und EKGregelmäßige zahnärztliche Kontrollen (siehe AbschnittIndikationen zur Überweisung)
Medikamentöse TherapieLeitlinie: Medikamentöse Therapie3Pharmakotherapie soll nicht als alleinige Behandlung angeboten werden (Ia/A).Wenn eine Pharmakotherapie angeboten wird, dann sollte Fluoxetin eingesetzt werden (Ia/B).Eine Behandlung der BN mit einer Dosis von 60 mg Fluoxetin ist wirksamer als eine Behandlung mit einer Dosis mit 20 mg Fluoxetin (Ib).Nur dieser Wirkstoff ist in Deutschland in Kombination mit Psychotherapie für die Behandlung der BN und nur für die Behandlung von Erwachsenen zugelassen.Ein Behandlungsversuch mit Fluoxetin sollte mit einer Mindestdauer von 4 Wochen unternommen werden; für den Therapieerfolg ist von einer längeren Behandlungsdauer auszugehen.Werden andere Medikamente als Fluoxetin zur Behandlung der BN eingesetzt, soll die betroffene Person darüber aufgeklärt werden, dass es sich um einen Off-Label-Use handelt.
Bupropion ist kontraindiziert zur Behandlung von BN-Betroffenen (IIb).Bei Vorliegen komorbider Störungen sollte die Behandlung um störungsorientierte therapeutische Elemente ergänzt werden.
Die Bulimie allein sollte bei Kindern keine Indikation für die Therapie mit Antidepressiva sein.Antidepressiva können bei Kindern (12–18 Jahre) indiziert sein, wenn gleichzeitig eine mittelschwere bis schwereDepressionvorliegt.15
Bei einigen Erwachsenen können Antidepressiva(SSRI)begleitend zur Psychotherapie infrage kommen, insbesondere bei vorherrschenden depressiven Symptomen.28Die Häufigkeit bulimischen Verhaltens konnte im Rahmen kontrollierter Studien unter der Behandlung mit Antidepressiva innerhalb von 6–8 Wochen um 50–60 % reduziert werden.29Die Behandlung der Bulimie mit Fluoxetin erfordert höhere Dosierungen als die Behandlung einerDepression.Zieldosis: Fluoxetin 60 mg tgl. als Einzeldosis am Morgen30
Elektrolytausgleich21HypokaliämieKaliumregelmäßig kontrollieren.EKGmit RhythmusstreifenAusgleich durch orale Kaliumzufuhr, bis Normwerte erreicht sind.
Hyponatriämiemögliche Ursachen:Polydipsie, SIADH-Syndrom (s. o.)Bei Polydipsie: Normalisierung der Wasseraufnahme anstreben.bei SIADHFlüssigkeitsrestriktion als primäre MaßnahmevorsichtigeNatriumanhebung nur nach Berechnung des Urin/Plasma-Elektolytverhältnisses und des Gesamtkörperwassers, möglichst unter stationären Bedingungen (Näheres siehe ArtikelHyponatriämie)
Therapiemaßnahmen bei weiteren KomplikationenZahnschädenSiehe AbschnittEmpfehlungen für Patienten.
SialadenitisStimulation der Speichelproduktion durch Lutschtabletten oder KaugummiKühlende Umschläge wirken abschwellend und schmerzlindernd.evtl. Massage der DrüseNäheres siehe ArtikelSialadenitis.
Refluxevtl. Antazida, H2-Blocker oder ProtonenpumpenhemmerNäheres siehe ArtikelGastroösophageale Refluxkrankheit.
Obstipationallgemeine Hinweise zu Ernährung und Stuhlgangevtl. Laktulosebei Entleerungsstörungen Klysma oder Suppositorien (Bisacodyl-Zäpfchen oder CO2-freisetzende Zäpfchen)Näheres siehe ArtikelObstipation.
Beinödemebei normalem oder hohem Serumnatrium: salzarme KostbeiPolydipsie: Normalisierung der WasseraufnahmeHochlagerung der Beine, Geduldggf. Diuretika (Cave: gefährliche Interaktionen bei Abusus anderer Diuretika, z. B.Hyperkaliämie!)Näheres zur differenziellen medikamentösen Therapie siehe die ArtikelBeinödemeundHyponatriämie.
Kalziumggf. Substitution vonKalziumundVitamin DzurOsteoporoseprophylaxe
Ggf. Supplementierung weiterer NahrungsbestandteileNäheres siehe ArtikelAnorexia nervosa.
PsychotherapieLeitlinie: Psychotherapie21Erwachsenen und Jugendlichen mit Bulimia nervosa (BN) soll als Behandlungsverfahren der 1. Wahl Psychotherapie angeboten werden (Ia–IIa/A).Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) inkl. ihrer Weiterentwicklungen – wie der dialektisch-behavioralen Therapie – stellt bei BN das am meisten beforschte Psychotherapieverfahren mit den zuverlässigsten Wirksamkeitsbelegen dar (Ia).Daher sollte KVT als Psychotherapie der 1. Wahl angeboten werden (B).
Andere Psychotherapieverfahren sind verfügbar und sollten gewählt werden, wenn sich KVT im Einzelfall nicht als wirksam erweist oder nicht gewollt wird (IIb/B).Als Alternative zur KVT sollte eine interpersonelle Psychotherapie (IPT)* empfohlen werden (IIa/B).Alternativ kann auch tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie empfohlen werden (IIb/C).
Kinder und JugendlicheKVT sollte als Psychotherapieverfahren der 1. Wahl angeboten werden (IIa/B).Die Psychotherapie sollte dem individuellen Entwicklungsstand angepasst sein.
Auch eine familienbasierte Therapie kann angeboten werden (IIb/B).
SelbstmanagementprogrammeFür einige BN-Betroffene kann die Teilnahme an einem evidenzbasierten Selbstmanagementprogramm empfohlen werden, das unter therapeutischer Anleitung erfolgt („angeleitete Selbsthilfe“) und auf KVT-Elementen beruht (Ia/C).
* Die IPT ist in Deutschland im Rahmen der Richtlinienpsychotherapie nicht zugelassen.Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)Die Wirksamkeit der Psychotherapie bei Bulimie ist für dieses Verfahren am besten dokumentiert, insbesondere, was den relativ schnellen Wirkeintritt betrifft.31-32Unter der KVT kommt es häufiger zu einer Symptomreduktion als unter einem anderen Psychotherapieverfahren sowie im Vergleich zur Warteliste oder ohne Therapie.33Es gibt Belege dafür, dass die medikamentöse Therapie als Ergänzung der KVT bei einem Teil der Betroffenen wirksam ist.32
Interpersonelle PsychotherapieAuf lange Sicht hat diese Therapie eine mit der KVT vergleichbare Wirksamkeit.34
Psychoanalytische PsychotherapieIn einer Vergleichsstudie schnitt die KVT bezüglich der Kosteneffizienz besser ab als die Psychoanalyse und führte zu einer ausgeprägteren und schnelleren Symptomreduktion.33
Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva (Fluoxetin)Antidepressiva kommen besonders bei Betroffenen mit ausgeprägter psychischer Begleitsymptomatik infrage (wieDepression,Angst,Zwanghaftigkeitund Impulskontrollstörungen) oder bei Betroffenen, die nicht ausreichend auf eine leitliniengerechte Psychotherapie angesprochen haben.21
Familienzentrierter AnsatzFamilienorientierte Interventionen umfassen die Beratung, die sozialpädagogische Familienarbeit und die Familientherapie.Eine Familientherapie ist z. B. indiziert, wenn in der Familie konfliktgeladene Beziehungen bestehen, die psychische Entwicklung verzögert oder gestört ist oder andere Familienmitglieder für den Therapieerfolg von Bedeutung sind.
Therapeutische ZielbereicheVerhaltensänderungNormalisierung des Essverhaltens, Einstellung desErbrechensusw.
PsychoedukationAufklärung übergesunde Ernährung, den Nährstoffbedarf des Körpers und die somatischen Folgen einer Essstörung
KognitionHinterfragen der zentralen dysfunktionalen Denkmuster wie etwa „Ich kann nur glücklich sein, wenn ich dünn bin“.
EmotionenIdentifizierung des Zusammenhangs zwischen dem Essverhalten und zugrunde liegenden Gefühlen wie Scham, Trauer, Wut usw.
BeziehungenAnalyse der Beziehungen zu anderen und der Rolle der Essstörung in diesen Interaktionen
Prävention
- Der Abschnitt basiert auf
diesendieserReferenzenReferenz.35-3612
Grundprinzipien
- Die Lebenskompetenzen von Jugendlichen stärken.
- Das Selbstwertgefühl fördern.
- Kritischer Umgang mit den Medien und dem darin vermittelten Schönheitsideal
- Lernen, mit Gefühlen umzugehen.
- Ein positives Körpergefühl entwickeln.
Diät und Sport mit Augenmaß
- Ist bei jungen Frauen eine Diät zur Verringerung des Gewichts notwendig, soll mit Vorsicht vorgegangen werden. Eine „normale Diät“ kann leicht außer Kontrolle geraten und zur Entwicklung einer Essstörung beitragen. Ähnliches gilt für sportliche Aktivitäten (Näheres siehe auch Artikel Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit).
Verlauf, Komplikationen und Prognose
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf dieser Referenz.7
Verlauf
DerEpisodisch,Verlaufwiederholteist episodisch mit Tendenz zu mehreren Rezidiven.Rezidive- Betroffene, die bereits unter Anorexia nervosa litten, können zwischen beiden Störungen hin und her wechseln.
Komplikationen
Somatische Komplikationen, die aufgrund vonErbrechenauftreten können, sind Tetanien,epileptische Anfälle,Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche undKaries.Elektrolytstörungen,Hypokaliämieund Hypochlorämie sind häufige Komplikationen.Die Bulimia nervosa wird mit einer erhöhten Inzidenz vonDepressionundAlkoholismusin Verbindung gebracht.37-38
Orale Komplikationen29Oral- Rachenschmerzen
- Verlust des Zahnschmelzes, besonders an der Innenseite der Frontzähne
- Vermehrtes Auftreten von Karies
- Sialadenitis: meist schmerzlose Schwellung der Speicheldrüsen infolge häufigen Erbrechens
Gastrointestinale Komplikationen29Gastrointestinal- Häufiges Erbrechen kann zu gastroösophagealem Reflux, Ösophagitis und Schleimhauteinrissen (Mallory-Weiss-Syndrom) führen.
- Dyspepsie kommt häufig vor.
- Es kann zu schwerer Obstipation kommen.
39
Elektrolytstörungen
29- Es können schwere Störungen des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalts auftreten.
- Eine metabolische Alkalose kann vorliegen, z.
- Säureverlust bei häufigem Erbrechen
- Diuretikaabusus (hypochlorämische metabolische Alkalose)
.
- Aufgrund akuter Diarrhö infolge der Verwendung von Laxanzien kann es zu einer hyperchlorämischen metabolischen Azidose kommen.
- Hypokaliämie kann zu Herzrhythmusstörungen führen.
- Eine normotensive hypokaliämische Alkalose tritt häufig bei
PatientenPatient*innen auf, die viel erbrechen und häufig Diuretika und/oder Laxanzien einnehmen. - Der Flüssigkeitsverlust führt zu Hyperaldosteronismus und kann Ödeme verursachen.
Medikamentöse Therapie
Endokrine Komplikationen29Endokrin
- Bei Bulimia nervosa kommt es im Gegensatz zur Anorexia nervosa selten zu endokrinen Störungen.
- Obwohl es zu Menstruationsstörungen kommen kann, scheint die Fertilität bei
PersonenPatientinnen, die ihre Bulimie überwunden haben, nicht beeinträchtigt zu sein.
Neurologisch, neuromuskulär
- Tetanien, Muskelschwäche
- Epileptische Anfälle
Psychisch
- Erhöhtes Risiko für Suizidalität und für andere psychische Störungen wie Depression und substanzbezogene Suchterkrankungen. Näheres siehe auch den Abschnitt Prädisponierende Faktoren.
404
Prognose
- Die Prognose ist bei kurzem Krankheitsverlauf und niedrigem Alter bei Krankheitsbeginn und bei Betroffenen, in deren Familie keine Alkoholabhängigkeit vorliegt, günstig.
41 - Die Therapie verbessert die Prognose. Auch spontane Besserungen wurden beobachtet.
42 - Die Prognose ist schlechter: bei gleichzeitigem Drogen- oder Alkoholmissbrauch, Suizidversuch, lang anhaltender Depression, prämorbidem Übergewicht, Adipositas der Eltern und Persönlichkeitsstörungen.
43 - Fallkontrollstudien haben gezeigt, dass viele Betroffene weiterhin unter einem anomalen Essverhalten oder einer Depression leiden.
- Viele Betroffene schließen ihre Ausbildung ab und können einen Beruf ausüben.
Rezidivhäufigkeit und Symptompersistenz
Es gibt keine gesicherten Informationen zur Rezidivhäufigkeit und der Anzahl der Betroffenen, die im weiteren Verlauf eineAnorexia nervosaentwickeln.Am Ende des 10-jährigen Beobachtungszeitraums einer Fallkontrollstudie waren 52 % der Betroffenen vollkommen symptomfrei und lediglich 9 % zeigten weiterhin das Vollbild einer Bulimia nervosa.41In einer anderen Studie befanden sich nach einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 11,5 Jahren 70 % der Betroffenen in einer vollständigen oder teilweisen Remission, während 11 % der Betroffenen weiterhin die Kriterien für Bulimia nervosa erfüllten.43
Verlaufskontrolle
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.
- Langfristige und regelmäßige Verlaufskontrolle durch die
behandelnde Psychotherapeutin/denbehandelndenPsychotherapeutenPsychotherapeut*innen4 - Regelmäßige körperliche Kontrolluntersuchungen7
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Bulimia nervosaBulimia nervosa, SymptomeBulimia nervosa, UrsachenBulimia nervosa, DiagnoseWie häufig istBulimie?Bulimia nervosa, TherapieBulimia nervosa, Prognose
Beratungsstellen
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Essstörungen
- Bundesfachverband Essstörungen (BFE)
- ANAD (Anorexia Nervosa and Associated Disorders) (auch Online-Beratung)
- Selbsthilfe bei Essstörungen e. V.: Kliniken, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen
Quellen
Leitlinien
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Literatur
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AutorenAutor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
UlfDieWallinursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL,med dr och överläkare barn- och ungdomspsykiatri, Region Skånes Ätstörningscentrum, LundGrete Dyb, barnpsykiater, forskare, Nasjonalt kompetansesenter om vold og traumatisk stress, Oslohttps://legehandboka.no/).