Zusammenfassung
- Definition:Anstieg des pH-Wertes aufgrund eines Verlusts von Säuren oder einer Retention von Bikarbonat.
- Häufigkeit:Häufigste Säure-Basen-Störung hospitalisierter Patienten, z. B. bei Patienten mit starkem Erbrechen oder Säureverlusten über Magensonde.
- Symptome:Unspezifische Symptome, häufig durch die begleitende Hypokaliämie verursacht: Parästhesien, Muskelschwäche, Palpitationen.
- Befunde:Bei schwerer Alkalose Hypoventilation, Arrhythmien, Tetanie, Krampfanfälle, Lethargie.
- Diagnostik:Beurteilung des Säure-Basenhaushaltes durch arterielle Blutgasanalyse. Bei metabolischer Alkalose pH-Wert ≥ 7,45, Bikarbonat > 26 mmol/l. Bestimmung der Elektrolyte in Serum und Urin.
- Therapie:Behandlung der Grunderkrankung. Bei chloridresponsiver metabolischer Alkalose NaCl-Infusionen und Kaliumsubstitution.
Allgemeine Informationen
Definition
- Anstieg des pH-Wertes aufgrund eines Verlusts/einer Verschiebung von Säuren oder einer Retention/Zufuhr von Bikarbonat.
- Konstellation der metabolischen Alkalose in der Blutgasanalyse: pH-Wert ≥ 7,45, Bikarbonat > 26 mmol/l.
- Metabolische Störungen sind durch primäre Veränderungen der Bikarbonatkonzentration gekennzeichnet, respiratorische durch primäre Veränderungen des CO2-Partialdrucks.1
Häufigkeit
- Häufigste Störung des Säure-Basen-Haushalts bei hospitalisierten Patienten2
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Schwierige Klassifikation der metabolischen Alkalosen aufgrund häufig multifaktoriellen Geschehens3
- Mögliche Einteilung der Ätiologien3-4
- Alkalose mit Chloridverlust
- Erbrechen, Verluste über Magensonde, Bulimie
- Diuretika (Schleifendiuretika, Thiazide)
- villöse Adenome
- zystische Fibrose
- kongenitale Chloridorrhoe
- Alkalose mit Mineralokortikoidexzess/Hypokaliämie
-
- primärer oder sekundärer Hyperaldosteronismus
- Liddle-Syndrom
- Lakritzabusus
- primäre Überproduktion von Deoxykortikosteron
- Bartter-Syndrom, Gitelman-Syndrom
- Hyperkalzämie
- Hyperkälzämie bei Malignom
- Milch-Alkali-Syndrom
- andere Ursachen
- Bikarbonat-Infusionen
- Penicilin, Ampicillin, Carbenicillin
- Hypoalbuminämie
- Alkalose mit Chloridverlust
Pathophysiologie
- Gastrointestinaltrakt und Nieren sind die hauptsächlich beteiligten Organsysteme.
- Neben Mechanismen, die eine metabolische Alkalose auslösen, bedarf es zusätzlicher Mechansimen, die die Alkalose aufrechterhalten.2
- Eine metabolische Alkalose wird ausgelöst durch einen der folgenden Mechanismen:2
- Verlust von H+-Ionen
- z. B. Säureverlust durch Erbrechen oder über Magensonde, für jedes neu gebildete H+-Ion wird ein HCO3– -Ion in den Extrazelluläraum abgegeben.
- Verschiebung von H+-Ionen in den intrazellulären Raum
- vor allem bei Hypokaliämie: Die kompensierende Kaliumverschiebung aus dem Intrazellulärraum wird durch Verschiebung von H+-Ionen in den Intrazellulärraum elektrisch ausgeglichen.
- Verabreichung von Bikarbonat
- Normalerweise sehr hohe Bikarbonatausscheidungskapazität der Niere, reduziert z. B. bei Niereninsuffizienz oder Volumenmangel
- Kontraktionsalkalose
- Entstehung einer sog. Kontraktionsalkalose vor allem bei älteren Patienten mit Diuretikatherapie und Exsikkose5
- Verlust von H+-Ionen
- Zur Aufrechterhaltung einer metabolischen Alkalose tragen bei:2,4
- Volumenmangel
- verstärkte Flüssigkeitsabsorption im proximalen Tubuls mit Absorption von Bikarbonat
- Chloridmangel
- Führt zu verstärkter Reabsorption sowie zu einer verminderten Ausscheidung von Bikarbonat.
- Hypokaliämie
- Verschiedene durch Hypokaliämie ausgelöste Mechanismen, u. a. Shift von H+-Ionen in den Intrazellulärraum, verstärkte renale H+-Sekretion, verminderte Ausscheidung von Bikarbonat
- Volumenmangel
Disponierende Faktoren
- Hospitalisation, intensivmedizinische Behandlung
ICPC-2
- T99 Endo./metab./ernäh. Erkrank., andere
ICD-10
- E87 Sonstige Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes sowie des Säure-Basen-Gleichgewichts
- E87.3 Alkalose
- E87.4 Gemischte Störung des Säure-Basen-Gleichgewichts
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- pH-Wert ≥ 7,45
- Bikarbonat > 26 mmol/l
Differenzialdiagnosen
- Respiratorische Alkalose
- Gemischte Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts
Anamnese
- Symptome im Rahmen einer Grunderkrankung
- Ansonsten unspezifische Symptome, häufig durch die begleitende Hypokaliämie verursacht:5
- Parästhesien
- Muskelschwäche
- Palpitationen.
- Erbrechen? Durchfall?
- Medikamente?
- Diuretika
- Bikarbonat
- Nierenerkrankung?
- Familiäre Erkrankungen mit metabolischer Alkalose?
Klinische Untersuchung
- Mögliche klinische Befunde bei schwerer Alkalose:6
Weiteres diagnostisches Vorgehen
Blutgasanalyse
- Für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes wird eine arterielle Blutgasanalyse (BGA) durchgeführt.
- Normwerte der BGA
- pH: 7,36–7,44
- Bikarbonat: 22–26 mmol/l
- pO2: 75–100 mmHg
- pCO2: 35–45 mmHg
- BGA bei metabolischer Alkalose
- pH-Wert ≥ 7,45
- Bikarbonat > 26 mmol/l
- pCO2 zumeist erhöht
- Sofern eine rein metabolische Alkalose vorliegt, Erhöhung des pCO2 durch kompensierende Hypoventilation, bei gleichzeitiger Störung der Respiration muss dies aber nicht der Fall sein (kombinierte metabolische und respiratorische Alkalose).
- Bei ausgeprägter Hypoventilation kann es zu einem Abfall des pO2 kommen.
Serum
- Natrium, Kalium, Chlorid, Kreatinin, Harnstoff, Osmolalität
Urin
- Urinuntersuchung auf Natrium, Kalium, Chlorid und Osmolalität
- Die Untersuchung des Urins ist von differenzialdiagnostischer und differenzialtherapeutischer Bedeutung.
- Bei anhaltendem Erbrechen/Verlust von HCl mit dadurch hervorgerufener Volumenkontraktion und Chloridverlust wird der Urin chloridarm.8
- Durch Bestimmung der Chloridausscheidung im Urin Abschätzung des Volumenstatus5
- Die Urinchloridkonzentration ist meistens sogar besser geeignet als die Urinnatriumkonzentration zur Erfassung einer Volumenkontraktion.8
Therapie
Therapieziele
- Grunderkrankung behandeln.
- Die Alkalose ausgleichen.
- Elektrolytstörungen ausgleichen.
Allgemeines zur Therapie
- Die Ursache und Erhaltungsmechanismen der metabolischen Alkalose müssen behandelt werden.8
- Wichtigste Maßnahmen sind:9
- Die Grunderkrankung behandeln.
- Volumen- und Elektrolytverluste ausgleichen.
- Eine ansäuernde Therapie ist selten notwendig und komplikationsträchtig.
- Mithilfe der Urinuntersuchung kann zwischen chloridresponsiven und nicht-chloridresponsiven Alkalosen unterschieden werden.
- Urin-Chlorid < 20 mmol/l: chloridresponsiv, z. B.:2
- Erbrechen, Magensonde
- Diuretika
- villöse Adenome, kongenitale Chloridorrhoe
- zystische Fibrose.
- Urin-Chlorid > 20 mmol/l: nicht chloridresponsiv, z. B.:2
- Hyperaldosteronismus
- schwerer Kaliummangel
- Bartter-Syndrom.
- Urin-Chlorid < 20 mmol/l: chloridresponsiv, z. B.:2
Therapie bei chloridresponsiver metabolischer Alkalose
- NaCl-Infusionen
- Behandlung von Volumen-und Chloridmangel
- Kaliumsubstitution (KCL) bei zumeist vorliegender Hypokaliämie
- Bei schwerer Alkalose erhöht Azetazolamid die Bikarbonatausscheidung, verstärkt allerdings eine Hypokaliämie.
Therapie bei nicht-chloridresponsiver metabolischer Alkalose
- Aldosteronantagonisten bei Hyperaldosteronismus
- Kaliumsubstitution, evtl. kaliumsparende Diuretika
- Ggf. Behandlung eines Volumenmangels
Verlauf, Komplikationen und Prognose
- Verlauf und Prognose sowie Komplikationen sind vor allem auch von der Grunderkrankung abhängig.
- Erhebliche Mortalität bei Patienten mit schwerer metabolischer Alkalose:4
- Mortalitätsrate 45 % bei pH > 7,55
- Mortalitätsrate 80 % bei pH > 7,65.
Quellen
Literatur
- Adrogue H, Gennari F, Galla J, et al. Assessing acid–base disorders. Kidney International 2009; 76: 1239–1247. doi:10.1038/ki.2009.359 DOI
- Thomas C. Metabolic Alkalosis. Medscape, updated: Nov 01, 2018. Zugriff 22.03.18. emedicine.medscape.com
- de Torrenté A. Alcalose: respiratoire et métabolique. Schweiz Med Forum 2004; 4: 727-731. doi:10.4414/smf.2004.05253 DOI
- Galla JH. Metabolic alkalosis. J Am Soc Nephrol 2000;11:369-375. PubMed
- Schaefer R, Koch M. Störungen des Säure-Basen-Haushalts: Rationale Diagnostik und ökonomische Therapie. Dtsch Arztebl 2005; 102: A1896. www.aerzteblatt.de
- Swagata T. Extreme metabolic alkalosis in intensive care. Indian J Crit Care Med 2009; 13: 217–220. doi:10.4103%2F0972-5229.60175
- Chappell D, Hofmann-Kiefer K, Jacob M, et al. Metabolische Alkalose trotz ausgeprägter Hyperlaktatämie und Hyperkapnie. Anaesthesist 2008; 57: 139-142. doi:10.1007/s00101-007-1288-4 DOI
- Kettritz R. Gastrointestinale Ursachen von metabolischer Alkalose. Nephrologe 2012; 12: 481–489. doi:10.1007/s11560-012-0668-1 DOI
- Koball S, Hinz M, Gloger M, et al. Die metabolische Alkalose - Diagnostik und Therapie. Intensivmedizin und Notfallmedizin 2008; 45: 396-401. doi:10.1007/s00390-008-0875-1 DOI
Autoren
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
- Kurt Østhuus Krogh, spesialist i barnesykdommer, Barne- og ungdomsklinikken, St. Olavs Hospital, Trondheim