Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen (Obsessiv-kompulsive Störungen OKS)

Zusammenfassung

  • Definition: Zwangsstörungen sind gekennzeichnet durch wiederkehrende störende, unwillkommene und aufdringliche Zwangsgedanken oder -handlungen.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz beträgt 0,5‒2 %unter Kindern zwischen 7 und 16 Jahren. Bei vielen verläuft die Erkrankung subklinisch.
  • Symptome: Zwangsgedanken (Obsessionen): Verstörende Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die wiederholt auftauchen und/oder andauern, trotz des Bewusstseins, dass sie unangemessen sind und trotz des Wunsches, ihnen zu widerstehen.
  • Befund: Zwangshandlungen (Kompulsionen) Stereotype Verhaltensweisen, die ständig wiederholt werden, trotz des Bewusstseins, dass sie unangemessen sind, und trotz des Wunsches, ihnen zu widerstehen.
  • Diagnostik: Andere Untersuchungen sind selten erforderlich.
  • Behandlung: Die empfohlene Behandlung ist eine kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition und Reaktionsverhinderung, ggf. ergänzt durch die Gabe von Sertralin.

Allgemeine Informationen

Definition

Leitlinie

Definition1

  • Das klinische Bild der Zwangsstörung wird von Leitmerkmalen bestimmt, die über kulturelle Grenzen und Zeiten hinweg in stabiler Weise zu beobachten sind.
  • Typischerweise berichten Patienten über
    • unangenehme Gedanken, Vorstellungen und Handlungsimpulse (Intrusionen), die sich dem Bewusstsein aufdrängen (englisch: obsessions),
    • ritualisierte Gedanken- und Handlungsketten (compulsions), die zumeist mit dem Ziel ausgeführt werden, die aversiven Intrusionen abzuwehren oder zu neutralisieren.
  • Obsessiv-kompulsive Störung (OKS) - englisch: Obsessive-compulsibe Disorder (OCD)
  • Zwangsstörungen sind gekennzeichnet durch wiederkehrende störende, unwillkommene und aufdringliche Zwangsgedanken oder -handlungen.2
  • Zwangsgedanken (Obsessionen)
    • Verstörende Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die wiederholt auftauchen und/oder andauern, trotz des Bewusstseins, dass sie unangemessen sind und trotz des Wunsches, ihnen zu widerstehen.
    • Das Kind oder der Jugendliche empfindet sie als sinnlos oder unerträglich.
  • Zwangshandlungen (Kompulsionen)
    • Stereotype Verhaltensweisen, die ständig wiederholt werden, trotz des Bewusstseins, dass sie unangemessen sind, und trotz des Wunsches, ihnen zu widerstehen.
    • Die Handlung ist nicht sinnvoll, dient aber dazu, katastrophale Gedanken und Ängste abzuwehren.
  • Viele normale Kinder weisen in einem bestimmten Zeitraum die Neigung zu Zwangshandlungen und -gedanken auf, ohne dass diese Teil einer späteren Zwangsstörung sind.

Häufigkeit

  • 0,5‒2 % der Kinder zwischen 7 und 16 Jahren (bei vielen besteht eine subklinische Erkrankung) 3
  • Die Erkrankung beginnt meist im Alter zwischen 10 und 13 Jahren, bei Jungen etwas früher als bei Mädchen. 4
  • Studien zufolge sind vor der Pubertät mehr Jungen als Mädchen betroffen, während es nach der Pubertät umgekehrt ist. Das bedeutet, die Erkrankung beginnt bei Jungen etwas früher, dann häufiger im Rahmen einer Komorbidität mit dem Tourette-Syndrom.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursachen sind nicht bekannt.
  • Die Symptome müssen von einer normalen Entwicklung unterschieden werden.
    • Perioden mit zwangsähnlichen Ritualen sind Teil der normalen Entwicklung bei vielen Kindern, wenn diese z. B. vermeiden, auf Linien zu treten, Rituale beim Schlafengehen, Glückszahlen usw.
    • Nur in den Fällen, in denen die Kinder in täglichen Funktionen eingeschränkt werden oder wenn ein Leidensdruck besteht, sollte eine OKS-Diagnose erwogen werden.
  • Genetische und Umweltfaktoren interagieren. 5
    • Die Häufigkeit im näheren Familienumfeld ist erhöht. Eine Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass Personen mit Zwangsstörungen eine 4-mal so hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, einen Verwandten mit OKS zu haben, als eine Person ohne OKS.
    • Zwillingsstudien weisen auf genetische Faktoren hin.
    • Hirnverletzungen und -infektionen können Zwangssymptome verursachen.
    • Belastende Faktoren in der Familie/in der Umgebung, in der das Kind aufwächst, können ursächlich sein und/oder die Störung aufrechterhalten.
  • Dysfunktion der kortiko-striato-thalamischen Schaltkreise des Gehirns6-7?
    • Mehrere Studien zeigen, dass eine Dysregulation im Serotonin-Neurotransmittorsystem in die Pathogenese involviert ist.
    • Bildgebende Verfahren, Kandidatengenstudien und neurochemische Untersuchungen sprechen dafür, dass auch eine Störung der Glutamat-Regulation ursächlich sein könnte.
    • Die Wirkung von SSRI bei OKS bestätigt die Serotonin-Theorie.
  • Autoimmunreaktion auf Streptokokken-Infektion
    • Wurde ebenfalls als äthiologischer Faktor bei Kindern vorgeschlagen.7
  • Komorbidität
    • In etwa 75 % aller Fälle liegt eine Komorbidität vor.8
    • In den letzten Jahren wurde häufig eine Komorbidität zwischen einer obsessiv-kompulsiven Störung und anderen Syndromen, vor allem Autismus und Asperger-Syndrom, dokumentiert.9
    • Es besteht außerdem eine erhebliche Komorbidität zwischen OKS und dem Tourette-Syndrom, das bei etwa einem Drittel bis der Hälfte aller Kinder mit OKS vorkommt.10

Pathologie

  • OKS ist eine neuropsychiatrische Erkrankung und repräsentiert ausgehend von einem neuropsychologischen Modell Obsessionen und Kompulsionen, instinktive Verhaltens- und Gedankenmuster, die der OKS-Patient nicht unterdrücken kann, sondern auf die er reagieren muss.
  • Viele Phänomene innerhalb des OKS-Spektrums lassen sich auch funktionell auf der Basis eines erlernten Verhaltens11 analysieren. Diese Therorie liegt der wirksamsten Behandlung bei OKS zu Grunde, nämlich der kognitiven Verhaltenstherapie.12
  • Kognitiv ist der Patient geprägt durch ein automatisches Gedankenmuster mit vor allem katastrophalen Gedanken und Abscheu.13
  • Serotonin spielt eine wichtige Rolle als Neurotransmitter in den Bereichen des Gehirns, die bei OKS betroffen sind: Thalamus, Basalganglien und orbitofrontaler Kortex.14

Prädisponierende Faktoren

  • Persönlichkeitsmerkmale wie Bescheidenheit, Perfektionismus, evtl. mit leichten subklinischen Zwangszügen. Aber diese Züge müssen nicht zwingend vorhanden sein.

ICPC-2

  • P79 Phobie/Zwangsstörung

ICD-10

  • F42 Zwangsstörung
    • F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang
    • F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen [Zwangsrituale]
    • F42.2 Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Und die Diagnosekriterien für OKS nach ICD-10 zu erfüllen, müssen entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen oder beides über mehr als 2 Wochen vorwiegend bestanden haben und in einem gewissen Grad ein Leiden verursacht oder tägliche Aktivitäten beeinträchtigt haben.
  • Der Patient muss sich darüber bewusst sein, dass dies seine eigenen Gedanken sind und diese nicht durch jemanden oder etwas von außen bewirkt wurden.
  • Leichtere Rituale können vorübergehend sein. Sie kommen normalerweise bei Kindern vor und berechtigen nicht diese Diagnose. Z. B.:
    • Rituale vor dem Schlafengehen
    • Glückszahlen
    • Vermeidung, auf Linien zu treten
  • Die Diagnose (ICD-10) wird gestellt bei:
    • A. entweder Obsessionen (Zwangsgedanken, -ideen, -vorstellungen) oder Kompulsionen (Zwangshandlungen)
    • B. Folgendes muss erfüllt sein:
      1. Die Zwangsgedanken oder -handlungen werden als die eigenen erkannt bzw. treten bei einem selbst auf (werden nicht von außen bewirkt).
      2. Die Symptome sind wiederkehrend und störend und werden als übertrieben oder unangemessen empfunden.
      3. Die Person versucht, den Symptomen zu widerstehen.
      4. Das Erleben von Zwangsgedanken– oder die Ausführung von Zwangshandlungen – ist an sich unerwünscht (kann aber zu einer vorübergehenden Dämpfung von Ängsten führen).
    • C. Die Symptome verursachen ein Leiden oder stören Funktionen des täglichen Lebens (normalerweise aufgrund des hohen Zeitaufwands).
    • D. Die Symptome sind nicht das Ergebnis einer anderen psychischen Erkrankung wie Schizophrenie oder einer affektiven Störung.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Berücksichtigen Sie, dass in der normalen Entwicklung bei den meisten Kindern vorübergehendes ritualisierte Verhalten vorkommt.
  • Die meisten Kinder durchlaufen Phasen, in denen sie bestimmte Rituale ausführen müssen.
  • Die Notwendigkeit dieser normalen Rituale endet normalerweise etwa im Alter von 8 Jahren.
  • Zwangsgedanken
    • Sind unerwünschte, aufdringliche, wiederkehrende Gedanken, Bilder oder Impulse, die in Kombination mit einem Gefühl von Angst, Unbehagen, Scham oder dem Gefühl, dass „etwas nicht richtig ist“, auftreten.
    • Der Inhalt der Zwangsgedanken kann erheblich variieren.
    • Übliche Zwangsgedanken sind die Angst vor Infektion und Bakterien, die Angst, Schäden zu verursachen, aggressive oder sexuelle Gedanken oder ein übertriebenes Bedürfnis nach Symmetrie.
  • Zwangshandlungen
    • Zwangshandlungen werden durchgeführt, um unbehagliche Gefühle, Gedanken oder Impulse zu unterdrücken, die die Folge von Zwangsgedanken sind.
    • Zwangshandlungen werden häufig auf eine ritualisierte Weise wiederholt und wirken seltsam und unverständlich.
    • Häufige Zwangshandlungen sind Waschzwang, Kontrollzwang, Zählzwang oder Sammelzwang. Ein Kind mit Angst vor Ansteckung kann z. B. ein starkes Unbehagen bzw. eine Angst beim Berühren anderer Personen oder Objekte empfinden, was dazu führt, dass er oder sie sich immer wieder die Hände waschen muss, auch wenn das Kind weiß, dass sie nicht schmutzig sind.
  • Zwangshandlungen sind häufig mit Gedanken verbunden, eine (nicht reale) Gefahr zu verhindern, und sie lösen Unbehagen aus, wenn sie nicht ausgeführt werden. Fast immer sind sie mit Ängsten verbunden, die zunehmen, wenn Zwangshandlungen unterdrückt werden. Die Zwangssymptome werden häufig als belastend und verstörend empfunden.

Komorbidität

  • Viele Patienten sind depressiv.
  • Bei Mädchen können Essstörungen auftreten.
  • Angststörungen wie generalisierte Angst, Trennungsangst und Phobien sind häufig.
  • Kinder mit OKS leiden häufig an Tourette-Syndrom, und die Grenze zwischen Tics und Zwangshandlungen kann bei einigen Patienten schwer zu erkennen sein.

Untersuchung

  • aktuelle Anamnese
    • Beginn und Entwicklung der Symptome
    • auslösende, ggf. erhaltende Faktoren
    • Auswirkungen auf das tägliche Leben in Form von sozialer Isolation und Vermeidung von Situationen, die die unbehaglichen Zwangsgedanken auslösen können
    • Fragen Sie direkt nach den Symptomen (viele verbergen ihre Symptome aufgrund von Verlegenheit und Scham): Zwangshandlungen, Vermeidungsverhalten
    • Schlüsselfragen zur Identifikation von OKS:15
      1. Wäscht dich häufig oder putzt Du viel?
      2. Überprüfst du häufig bestimmte Dinge?
      3. Hast du Gedanken, die dich belasten und die du gerne loswerden möchtest, aber nicht aus deinem Kopf bekommst?
      4. Brauchst du lange, um alltägliche Dinge zu erledigen?
      5. Sind Dir Ordnung und Symmetrie wichtig?
    • Somatische Beschwerden?
  • Frühere Erkrankungen
  • Familienanamnese
    • u. a. Vorkommen von Zwangssymptomen
  • ggf. Fragebögen und Interviewformulare
    • z. B. Children`s Yale-Brown Obsessive-Compulsive scale (CY-BOCS), Kiddie-SADS (Schedule for Affective Disorders and Schizophrenia) oder DAWBA (The Development and Well-Being Assessment)

Klinische Untersuchung

  • Zwangsgedanken sind meist:
    • die Angst vor Schmutz, Bakterien, giftigen Stoffen
    • die Angst vor Krankheiten, Unfällen, dem eigenen Tod oder dem Tod naher Familienangehöriger
    • Symmetrie
    • sexuelle, moralische, religiöse Grübeleien
  • Zwangshandlungen sind meist:
    • Waschzwänge
    • Kontrollzwänge
      • dass Türen geschlossen sind, dass elektrische Installationen abgeschaltet sind, häufige Rückfragen an die Eltern, um sich zu vergewissern, dass es (das Kind) nichts falsch gemacht hat
    • andere Wiederholungszwänge
      • Tägliche Handlungen müssen ständig wiederholt werden, meist in einer bestimmten Anzahl, die mit einer starken magischen Bedeutung behaftet ist.
    • Ordnen einer bestimmten Reihenfolge
    • Zählen
    • zwanghafte Langsamkeit (seltener)
    • Mentale Rituale
      • Sind für die Außenwelt nicht sichtbar, sondern laufen im Kopf des Kindes ab.
      • Sie können u. a. darin bestehen, dass das Kind komplizierte Rechenaufgaben löst oder bestimmte Reime oder Namen von Personen wiederholt, die nicht von einer Krankheit getroffen werden sollen.
  • Die Zwangssymptome werden mit Unbehagen, Angst und Abscheu erlebt. Sonstige Symptome und Befunde
    • Verzweiflung und Traurigkeit
    • generelle Ängstlichkeit
    • ggf. Vermeidung von auslösenden Situationen
    • Komplikationen nach Waschzwängen/Selbstverletzung

Zusätzliche Diagnostik in der Hausarztpraxis

  • evtl. eine ergänzende somatische Untersuchung zur Feststellung einer primär somatischen Erkrankung
  • evtl. ein EEG bei klinischem Verdacht auf Epilepsie

Weitere Untersuchungen

  • ergänzende neurologische Untersuchung bei Verdacht auf hirnorganische Erkrankungen

Indikationen zur Überweisung

  • Wenn die Erstlinientherapie nicht zu einem Ergebnis führt.
  • Bei ausgeprägten Beschwerden, die die Lebensführung des Patienten und der Familie einschränken.
  • Bei Entwicklung einer negativen Wechselwirkung in der Familie bzw. einer festgefahrenen Familiensituation

Therapie

Therapieziel

  • Zwangssymptome beenden, abgrenzen oder dämpfen.
  • die Entwicklung einer anhaltenden Zwangsstörung verhindern
  • die Bewältigung und normale Entwicklung des Kindes fördern

Allgemeines zur Therapie

  • Die empfohlene Behandlung ist eine kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition und Reaktionsverhinderung.2,12,16
  • Zeigt die kognitive Verhaltenstherapie nicht die gewünschte Wirkung, sollte eine medikamentöse Therapie versucht werden.

Teile davon sind durch einen Facharzt auszuführen.

  • Beratung mit ausführlicher Information über die Erkrankung für Patient und Eltern/Familie
  • Kognitive Therapie
  • Exposition mit Reaktionsverhinderung
    • Eine geplante zunehmende Exposition mit den auslösenden Faktoren/Situationen, bei der der Patient übt, nicht mit Zwangssymptomen zu reagieren, hat sich als wirksam erwiesen.
    • Die Motivation ist entscheidend für den Erfolg, daher ist das Alter des Kindes wichtig.
  • individuelle psychodynamische Therapie (über Indikation und Wirkung herrscht Uneinigkeit)
  • Eine Familientherapie kann evtl. auslösende und erhaltende Faktoren in der familiären Umgebung reduzieren.
  • Gruppentherapie (Jugendliche)
  • adäquate Therapie einer komorbiden Erkrankung (beispielsweise Depression)

Information

  • Ist ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung.11
  • Viele Kinder mit OKS fühlen sich allein, ihnen sind ihre unverständlichen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen peinlich. Ihnen muss man die Schuldgefühle nehmen.
  • Eltern müssen mehr über OKS wissen, u. a. dass es nicht ihre Schuld ist, dass das Kind diese Symptome hat.
  • Erklären Sie die Rolle des Serotonins, wenn möglich genetische Aspekte und die Bedeutung von äußeren Umständen (Verschlechterung bei psychischen und physischen Stress).
  • Wer in der Umgebung des Kindes sollte über die Erkrankung informiert werden?

Kognitive Verhaltenstherapie,

  • Kognitive Verhaltenstherapie durch Exposition und Reaktionsverhinderung gilt als die wirksamste psychologische Therapie von OKS.
  • Exposition
    • Das Kind setzt sich beängstigenden Objekten, Situationen oder Gedanken aus.
    • Das wichtigste bei den Expositionsübungen ist, dass das Kind sich lange genug in der bedrohlichen Situation befindet, dass die Angst abnimmt (Habilitation), ohne dass das Kind Rituale durchführt.
    • Die Exposition beginnt mit leichten Übungen. Wenn das Kind erfolgreich seinen Zwängen widersteht, bewegen sich die Aufgaben allmählich in der Symptomhierarchie nach oben.
  • Reaktionsverhinderung
    • Hilft dem Kind dabei, alternative Handlungen zu finden, z. B. das Ritual zu vermeiden, zu verändern oder zu verkürzen.
  • Praktische Durchführung
    • Bei der kognitiven Therapie versucht man, dem Kind oder dem Jugendlichen automatische Gedanken, die katastrophales Denken auslösen, bewusst zu machen und diese festgelegten Gedankenmuster zu ändern.
    • Verhaltenstherapeutische Übungen werden bei der Konsultation vereinbart, sind aber in der Regel zu Hause durchzuführen. Daher ist es wichtig, dass die Eltern in den Untersuchung- und Therapieverlauf eng einbezogen werden.
    • Zusammen mit dem Kind und seinen Eltern werden die wichtigsten Symptome mit einer Hierarchie versehen.
    • Es ist wichtig sicherzustellen, dass man nicht zu hohe Ziele verfolgt, damit die Therapie nicht zu einer unmöglichen und angstbehafteten Aufgabe für das Kind wird. Das Kind sollte die ganze Zeit an der Planung der Therapie teilhaben.
    • Eine solche Behandlung führt immer zu einer vorübergehenden Zunahme der Angst, doch die Übungen werden mit der Zeit die Angst reduzieren.
  • Therapieerfolg
    • Die Ergebnisse der Verhaltenstherapie variieren von Kind zu Kind.
    • Kinder mit leichten bis moderaten OKS scheinen am meisten von der psychologischen Therapie zu profitieren, vor allem wenn die Motivation, die Symptome zu bekämpfen, hoch ist.

Medikamentöse Therapie

  • Nur in Kombination mit anderen Therapiemaßnahmen und nachdem eine kognitive Verhaltenstherapie ausprobiert wurde.
    • Die Kombination aus einer kognitiven Verhaltenstherapie und einer pharmakologischen Therapie wirkt bei drei Viertel der Patienten.
  • Alle Studien haben Kinder und Jugendliche einbezogen. Es gibt keine Daten zu einer medikamentösen Therapie im Vorschulalter.
  • Generell ist die Wirkung von Medikamenten nur mäßig.
    • Selten verschwinden die Symptome ganz, häufig werden sie um 25‒50 % reduziert.

Ab einem Alter von 7 Jahren können folgende Medikamente sinnvoll sein:

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
    • Erste Wahl, wenn eine medikamentöse Therapie indiziert ist. Kann bis zu 12 Wochen lang ausprobiert werden. Eine optimale Dosierung wurde nicht festgelegt, sondern sollte sich an Alter und physischer Entwicklung des Kindes orientieren. Eine Maximaldosis sollte nur bei nicht zufriedenstellende Wirkung erwogen werden.
    • Beachten Sie, dass Studien im Hinblick auf Depressionen bei Kindern und Jugendlichen ein Risiko für Nebenwirkungen nachgewiesen haben, darunter Selbstverletzungen und suizidale Gedanken. Achtung vor allem bei gleichzeitiger Depression.17
    • Möglicherweise sind etwas höhere Dosierungen notwendig als zur Behandlung einer Depression.18-19
    • Nicht bei allen tritt eine positive Wirkung ein.
    • Die Wirkung tritt erst nach vielen Wochen ein. Daher ist es wichtig, die Therapie bei ausbleibender Wirkung nicht zu früh abzubrechen, d. h. frühestens nach 2 Monaten. Viele erleben kurz bevor die Wirkung eintritt eine vorübergehende Zunahme der Angst.
    • Die optimale Behandlungsdauer ist nicht festgelegt, aber viele empfehlen, dass bei einer wirksamen Behandlung diese über mindestens 1‒2 Jahre fortgesetzt wird, bevor eine Absetzung versucht wird. 20
  • Trizyklische Antidepressiva (TCA)?
    • Obwohl eine Metaanalyse ergeben hat, dass Clomipramin besser wirkt als alle SSRI (Ia) , sind Kinderpsychiater im Hinblick auf die Nebenwirkungen zurückhaltend mit der Verschreibung solcher Präparate.
  • Die Kombination von SSRI und Antipsychotikum
    • Kann in einigen Fällen bei einer Zwangsstörung in Kombination mit Tourette-Syndrom versucht werden.
    • Scheint manchmal die Wirkung bei Patienten zu optimieren, die nicht ausreichend auf ein SSRI-Präparat ansprechen.21
    • Ist Aufgabe für einen Facharzt.
  • Gleichzeitig OKS und ADHS
    • Hier wird zunächst eine Behandlung mit zentralen Stimulanzien oder Atomoxetin empfohlen, anschließend bei Bedarf eine Kombination mit einem SSRI-Präparat.
    • Bei einigen Patienten können zentrale Stimulanzien die OKS-Symptome verschlechtern.
    • Bei gleichzeitiger Anwendung von Atomoxetin und Fluoxetin (CYP2D6-Inhibitor) sollte man erwägen, die Atomoxetin-Dosis zu reduzieren und wegen der Interaktion den Serumspiegel zu messen.

Weitere Therapien

  • Psychopharmakologische Therapie in Kombination mit kognitiver Psychotherapie führt zu besseren Ergebnissen als eine reine psychopharmakologische Therapie.
  • stationäre Aufnahme in einer jugendpsychiatrischen Abteilung bei schweren und invalidisierenden Zwangsstörungen

Prävention

  • frühzeitige Intervention bei Entwicklung von Zwangssymptomen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Es gibt relativ wenige Follow-up-Studien.
  • Eine dänische Studie mit einer Follow-up-Dauer über 6‒22 Jahre kommt zu dem Schluss, dass etwa 50 % der Patienten auch im Erwachsenenalter unter OKS litten, entweder als chronische Erkrankung oder episodisch.22 Eine englische Studie ergab, dass ca. 40 % eine anhaltende OKS aufwiesen. 23
  • In einigen Follow-up-Studien hat man herausgefunden, dass das Vorliegen einer Tic-Störung oder eines Tourette-Syndroms, schlechte Wirksamkeit der medikamentösen Therapie und das Vorliegen psychischer Erkrankungen bei einem oder beiden Elternteilen Prädiktoren für einen negativen Verlauf darstellten. Das gleiche gilt für eine lange Dauer.23
  • Es ist nicht belegt, dass das Alter bei Beginn der Erkrankung im Zusammenhang mit einer bestimmten Ausprägung steht.

Soziale Funktion

  • Menschen mit chronischer OKS weisen erheblich eingeschränkte soziale Fähigkeiten auf.
  • Sie vermeiden Situationen und isolieren sich.
  • Die Lebensqualität und die Fähigkeit, normal zu funktionieren, sind infolge der Zwangssymptome beeinträchtigt.24
  • Die Erkrankung wirkt sich erheblich auf die Fähigkeit des Patienten aus, ein zufriedenstellendes privates und soziales Leben einzurichten und eine Karriere aufzubauen.

Komplikationen

  • anhaltende schwankende oder chronische Zwangsstörungen, die eine normale Entwicklung und wichtige soziale Erfahrungen verhindern23

Prognose

  • Grob betrachtet wird etwa ein Viertel der Patienten gesund.
  • Etwa ein Viertel entwickelt eine anhaltende subklinische Erkrankung.
  • Etwa ein Viertel entwickelt eine Zwangsstörung mit schwankendem Verlauf.
  • Etwa ein Viertel entwickelt eine chronische Zwangsstörung.

Follow-up

Was man kontrollieren sollte

  • Die medikamentöse Therapie erfordert regelmäßige Kontrollen, bei der Wirkung und Nebenwirkungen bewertet werden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Zwangsstörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 038-017, Stand 2013. awmf.org

Referenzen

  1. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Zwangsstörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 038-017, Stand 2013. awmf.org
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Autoren

  • Marit S. Indredavik, spesialist i barnepsykiatri, overlege, Barne- og ungdomspsykiatrisk klinikk, St.Olavs hospital, Universitetssykehuset i Trondheim, Helse Midt-Norge
  • Tord Ivarsson, docent och överläkare, OCD-/Ångestmottagningen, Drottning Silvias barn- och ungdomssjukhus, Göteborg (Medibas)

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