Definition Syndrom der inadäquaten Sekretion von Antidiuretischem Hormon (SIADH): die vermehrte Sekretion von ADH führt zu einer gestörten Osmoregulation durch die verminderte Ausscheidung freien Wassers.
Prävalenz SIADH ist häufigste Ursache einer Hyponatriämie: Auslöser bei ca. 1/3 der Fälle, bis zu 60 % bei älteren Patient*innen.
Symptome Schwäche, Lethargie, Kopfschmerzen, Übelkeit, kognitive Beeinträchtigungen, Konzentrationsdefizite, Gang- und Standunsicherheit.
Befunde Klinisch euvolämischer Status.
Diagnostik Essentielle laborchemische Diagnosekriterien: Serumosmolalität < 275 mOsm/kg, Urinosmolalität > 100 mOsm/kg, Natriumausscheidung im Spontanurin > 30 mmol/l.
Therapie Behandlung einer auslösenden Grunderkrankung. Ein einfacher Algorithmus umfasst folgende Komponenten im Sinne einer Erst-, Zweit- und Drittlinientherapie: 1. Medikamente um- oder absetzen 2. Flüssigkeitsrestriktion 3. medikamentöse Therapie (Schleifendiuretika, Tolvaptan).
Allgemeine Informationen
Definition
- Syndrom der inadäquaten Sekretion von Antidiuretischem Hormon (SIADH): die vermehrte Sekretion von ADH führt zu einer gestörten Osmoregulation durch die verminderte Ausscheidung freien Wassers1
- Es resultiert eine2
- euvoläme Hyponatriämie mit
- verminderter Serumosmolalität und
- nicht ausreichend verdünntem Urin bei erhaltener Natriurese.
Häufigkeit
- Hyponatriämie ist die häufigste Störung des Wasserhaushaltes und die häufigste Elektrolytstörung.3
- Häufigste Ursache einer Hyponatriämie ist ein SIADH.7
Bedeutung für den hausärztlichen Bereich
- Im klinischen Alltag werden die Auswirkungen einer Hyponatriämie teilweise unterschätzt.2
- Dies ist auch durch das sehr variable und unspezifische klinische Bild bedingt.2
- Auch moderate und oligosymptomatische Hyponatriämien sind mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert.10
- Chronische Formen gehen häufig mit kognitiven und psychischen Störungen einher.11
- Weitere Folgen sind Gangunsicherheit mit Sturzneigung und Knochenbrüchen.12
- Andererseits wird die Diagnose SIADH zu häufig ohne entsprechende Abklärung gestellt, SIADH ist noch immer eine Ausschlussdiagnose.8
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Eine inadäquate ADH-Ausschüttung kann ausgelöst werden durch:
- Medikamente, insbesondere trizyklische Antidepressive, SSRI, Neuroleptika, (siehe auch prädisponierende Faktoren)
- SIADH-ähnliches Syndrom durch Thiazide häufige Ursache für Hyponatriämie13-14
- Lungenerkrankungen (Pneumonie, Asthma, COPD)15
- maligne Erkrankungen (z. B. Bronchialkarzinom)16
- zerebrale Erkrankungen (Schädel-Hirn-Trauma, nach Gehirn-Operation, Meningitis/Enzephalitis, Schlaganfall)4,17-18
- Stress, Schmerz, Übelkeit, Erbrechen (z. B. postoperativ)14
- genetische Mutation4
- idiopathisch (Einordnung als idiopathisch erst nach Ausschluss einer Tumorerkrankung)2,19
- Medikamente, insbesondere trizyklische Antidepressive, SSRI, Neuroleptika, (siehe auch prädisponierende Faktoren)
Pathogenese
- Normalerweise findet die Produktion von ADH (Vasopressin) osmotisch oder tonisch reguliert im Hypophysenhinterlappen statt.20
- Unter pathologischen Bedingungen ist die Produktion unabhängig von der Osmolalität und vom Volumenstatus in der Hypophyse oder anderen Zelltypen.20
- Es entsteht eine euvoläme Hyponatriämie durch relativen Wasserüberschuss bei normalem Gesamtkörpernatrium.17
- Entwicklung einer (euvolämen) Hyponatriämie nur, wenn die Flüssigkeitsaufnahme die Ausscheidung von freiem Wasser übersteigt, entscheidend für das Ausmaß der Hyponatriämie sind Zufuhr und Ausscheidung von Wasser.1
Prädisponierende Faktoren – Medikamente
- Mögliche medikamentöse Auslöser eines SIADH (Auswahl):13
- Antidepressiva
- Antipsychotika
- Antiepileptika
- Zytostatika
- antiretrovirale Medikation und Interferone
- NSAR und Opiate
- Protonenpumpeninhibitoren.
- Thiaziddiuretika erzeugen ein SIADH-ähnliches Syndrom, aber kein SIADH im engeren Sinn.13
- Thiazide reduzieren die – insbesondere im höheren Alter ohnehin verringerte – Clearance von freiem Wasser durch Blockade des Natrium-Chlorid-Kotransporters im distalen Tubulus, die Ausscheidung von Natrium wird gesteigert.21
ICPC-2
- N99 Neurologische Erkrankung, andere
ICD-10
- E22.- Überfunktion der Hypophyse
Diagnose
Diagnostische Kriterien
- SIADH ist letztlich eine Ausschlussdiagnose, d. h.:8
- Das Zutreffen der essenziellen Diagnosekriterien ist erforderlich, aber alleine unzureichend für die Diagnosestellung.
- Vor Diagnosestellung müssen alternative Ursachen einer Hyponatriämie ausgeschlossen sein (inklusive Glukokortikoidmangel, schwerer Hypothyreose, Diuretikaeinnahme und fortgeschrittener Niereninsuffizienz).
Essenzielle Diagnosekriterien8
- Serumosmolalität < 275 mOsm/kg
- Urinosmolalität > 100 mOsm/kg
- Natriumausscheidung im Spontanurin > 30 mmol/l
- Klinische Euvolämie
- Ausschluss von höhergradiger Niereninsuffizienz (eGFR < 30 ml/min) und endokrinen Störungen (vor allem Nebennieren-, Hypophyseninsuffizienz und Hypothyreose)
Ergänzende Kriterien8
- Serumharnsäure < 0,24 mmol/l (< 4 mg/dl)
- Serumharnstoff < 3,6 mmol/l (< 21,6 mg/dl)
- Fraktionelle Natriumexkretion > 0,5 %
- Fraktionelle Harnstoffexkretion > 55 %
- Fraktionelle Harnsäureexkretion > 12 %
- Korrektur der Hyponatriämie durch Flüssigkeitsrestriktion
- Kein Serum-Na+-Anstieg nach Infusion von 0,9-prozentiger NaCl-Lösung
Differenzialdiagnosen
- Differenzialdiagnose bei euvolämischer Hyponatriämie:5
- Hypothyreose
- Glukokortikoidmangel
- Diuretika.
- Weitere Differenzialdiagnosen bei hypovolämischer oder hypervolämischer Hyponatriämie siehe Artikel Hyponatriämie.
Anamnese
- Häufig subtile Symptome und Befunde, die gerade bei Älteren nicht selten dem Alterungsprozess zugeschrieben werden:8
- Schwäche, Lethargie
- Kopfschmerzen
- Übelkeit
- kognitive Beeinträchtigungen
- Konzentrationsdefizite
- Gang- und Standunsicherheit.
Klinische Untersuchung
- Einschätzung des Volumenstatus als euvolämisch
- Die klinische Bestimmung ist allerdings häufig wenig akkurat (insbesondere Unterscheidung zwischen Euvolämie und Hypovolämie).8
- Ausschluss Hypervolämie (Ödeme/Anasarka, Halsvenenstau, Gewichtszunahme, Pleuraergüsse, sonografisch erweiterte Vena cava inferior)22
- Ausschluss Hypovolämie (erniedrigter Hautturgor, trockene Schleimhäute, verringerte Urinausscheidung, Hypotonie, sonografisch kollabierte V. cava inferior)22
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Labor
- Blut
- Natrium
- Serumosmolalität
- eGFR, Kreatinin
- TSH (Ausschluss Hypothyreose)
- Kortisol (Ausschluss Nebenniereninsuffizienz)22
- Bestimmung von ADH nicht empfohlen (technisch schwierig, nicht spezifisch für SIADH)1,17,23
- Urin (Spontanurin)
- Natrium
- Osmolalität
Sonografie
- Ergänzende Beurteilung des Volumenstatus (V. cava inferior)
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Symptome einer schweren Hyponatriämie (Vigilanzstörung, Krampfanfälle, Synkope)
Therapie
Therapieziel
- Ausgleich des Wasser- und Elektrolythaushalts
Allgemeines zur Therapie
- Nach Diagnosestellung SIADH ist auch die Wahl einer adäquaten Therapie eine Herausforderung.24
- Neben der Behandlung einer auslösenden Grunderkrankung umfasst ein einfacher Algorithmus folgende Komponenten im Sinne einer Erst-, Zweit- und Drittlinientherapie:14
- Medikamente um- oder absetzen.
- Flüssigkeitsrestriktion
- medikamentöse Therapie.
Spezielle Therapie
Absetzen von Medikamenten
- Nach möglicherweise auslösenden Medikamenten sollte gezielt gefahndet werden.
- Mögliche Änderungen bestehen in Absetzen, Reduzieren, Pausieren oder Umsetzen.14
Flüssigkeitsrestriktion
- Bei einem kausal nicht behandelbaren Prozess ist das Ziel eine Reduktion des vorliegenden relativen Wasserüberschusses.8
- Flüssigkeitsrestriktion gilt (trotz fehlender eindeutiger Evidenz) als Therapie der Wahl.8
- Am häufigsten wird ein Regime mit einer Reduktion der Trinkmenge auf 0,8–1,5 l/ d angewendet.14
- In der Praxis allerdings nicht selten Adhärenzprobleme8
Medikamentöse Behandlung
- Schleifendiuretika
- Die initialen Maßnahmen können durch Therapie mit Schleifendiuretika unterstützt werden, da diese die Wasserausscheidung weiter forcieren.10
- Tolvaptan
- Tolvaptan ist ein Vasopressin-Rezeptorantagonist mit dosisabhängiger, reversibler Auslösung einer Aquarese ohne Ausscheidung von Elektrolyten.1
- Der Einsatz von Tolvaptan ist therapierefraktären Fällen vorbehalten.20
- Es kann zu Überkorrekturen des Natriumspiegels i. S. kommen, die orale Therapie muss daher stationär eingeleitet werden.14
- Unter Tolvaptan kann und soll auf begleitende Flüssigkeitsrestriktion verzichtet werden (günstig für Lebensqualität und Adhärenz).
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Komplikationen einer schweren Hyponatriämie
- Osmotische Demyelinisierung bei zu rascher Korrektur einer Hyponatriämie25
Verlauf und Prognose
- Die Prognose wird vor allem durch eine Grunderkrankung bestimmt.26
- Bei medikamenteninduziertem SIADH kann nach Absetzen meist eine rasche Erholung erzielt werden.26
- Eine Korrektur eine Hyponatriämie geht vermutlich einher mit:14
- einer Reduktion der Mortalität
- einer Verbesserung der kognitiven und motorischen Fähigkeiten
- einem Rückgang der Anzahl von Fragilitätsfrakturen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
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Literatur
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Autor
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.