Primäre Amenorrhö

Allgemeine Informationen

Definition

  • Es liegen unterschiedliche Definitionen vor:
    • Mädchen im Alter von 14 Jahren, bei denen noch keine Menstruation aufgetreten ist und die sekundären Geschlechtsmerkmale fehlen: Brustwachstum, Schamhaare und Wachstumsschub.1-2
    • Mädchen im Alter von 16 Jahren, bei denen noch keine Menstruation aufgetreten ist, während die sekundären Geschlechtsmerkmale ausgebildet sind.3
    • Mädchen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, bei denen noch keine Menstruation aufgetreten ist.4

Pubertät

  • Während der Pubertät finden körperliche Veränderungen statt, die in Tanner-Stadien angegeben werden können.5
  • Der normale Menstruationszyklus ist ein komplexes Zusammenwirken von Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse und Uterus/Vagina.
  • Jede Störung dieses Zusammenwirkens kann eine Amenorrhö auslösen.

Tanner-Stadien5

  • Beginnender Wachstumsschub (8–10 Jahre)
    • Brustwarze hebt sich.
    • keine Behaarung im Schambereich
    • Tanner-Stadien für weibliche Brust (1) und Schamhaar (1)
  • Thelarche (9–11 Jahre)
    • Brust entwickelt sich.
    • keine Behaarung im Schambereich
    • Tanner-Stadien für weibliche Brust (2) und Schamhaar (1)
  • Adrenarche (9–11 Jahre)
    • Brust entwickelt sich.
    • Behaarung im Schambereich entwickelt sich.
    • Tanner-Stadien für weibliche Brust (2) und Schamhaar (2)
  • Maximaler Wachstumsschub (11–13 Jahre)
    • deutliche Brustentwicklung
    • deutliche, aber noch mäßige Behaarung im Schambereich
    • Tanner-Stadien für weibliche Brust (3) und Schamhaar (3)
  • Menarche (12–14 Jahre)
    • Brust deutlich sichtbar
    • Behaarung im Schambereich deutlich sichtbar
    • Physiologischer Fluor albus tritt rund 6–9 Monate vor der Menarche auf.6
    • Tanner-Stadien für weibliche Brust (4) und Schamhaar (4)
  • Erwachsene Merkmale (13–15 Jahre)
    • Brust und Behaarung im Schambereich deutlich entwickelt
    • Tanner-Stadien für weibliche Brust (5) und Schamhaar (5)

Häufigkeit

  • Für die Häufigkeit der primären Amenorrhö liegen keine gesicherten Zahlen vor.
  • Die Häufigkeit der Amenorrhö als Symptom (primäre und sekundäre Amenorrhö)  liegt bei 3–5 % der Frauen im fertilen Alter.3
  • Ursächlich für die primäre Amenorrhö sind in 65 % der Fälle genetische Störungen, die zur
    • Gonadendysgenesie
    • Androgeninsensitivität (partielle oder komplette Androgenresistenz) oder
    • zur Fehlbildung der Müller-Gänge mit anatomischen Anomalien führt.3
  • Weitere Ursachen3
    • Anomalien des Genitaltraktes
    • endokrinologische Ursachen mit Ovarialinsuffizienz durch Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse

Diagnostische Überlegungen

Einstufungsdiagnostik10

  • Hypergonadotroper Hypogonadismus (FSH erhöht, Estradiol erniedrigt)
    • Turner-Syndrom (45 X0)
    • Sweyer-Syndrom (vollständige 46,XY Gonadendysgenesie)
    • partielle Deletion des X-Chromosoms
    • Gonadendysgenesie
    • Enzymdefekte, z. B. 17-OH-Hydroxylase-Mangel
    • Gonadotropinresistenz (z. B. Autoantikörper gegen Ovargewebe)
    • Schädigung von Ovarialgewebe durch Chemo- oder Strahlentherapie im Kindesalter
    • Galaktosämie
  • Hypogonadotroper Hypogonadismus (FSH erniedrigt)
    • Pubertas tarda: verspätetes Einsetzen der Pubertät
    • Kallmann-Syndrom
    • Tumoren i. B. des Hypothalamus und Hypophyse, z. B. Kraniopharyngeom
    • Schädel-Hirn-Trauma
    • Anorexia nervosa u. a. Mangel- bzw. Fehlernährung
    • Leistungssport
    • psychischer Stress
  • Disorders of Sex Development (DSD)
    • komplette Androgenresistenz
    • ovotestikuläre 46,XX-DSD
  • Genitale Fehlbildungen
    • Uterus: Agenesie oder Anomalie z. B. Mayer-von-Rokitansky-Küster-Syndrom
    • Hymenalatresie
  • Endokrinopathien

Abwendbar gefährliche Verläufe

  • Zunächst immer prüfen, ob die Patientin schwanger ist, wenn die sekundären Geschlechtsmerkmale entwickelt sind.
  • Essstörungen, Leistungssport oder Stress müssen als mögliche Ursachen in Erwägung gezogen werden.
  • Die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung ist eine Ausschlussdiagnose.6

ICPC-2

  • Fehlende/spärliche Menstruation

ICD-10

  • N91.0 Primäre Amenorrhö
  • N91.2 Amenorrhö, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

Verspätetes Einsetzen der Pubertät

  • Keine auffälligen Symptome oder klinischen Befunde
  • Häufig positive Familienanamnese6
  • Fehlendes Brustwachstum und offene Wachstumsfugen
  • FSH niedrig, Prolaktin normal

Psychischer Stress

  • Kann zu verspäteter Menarche führen.
  • Es kommt zu einer ungenügenden pulsatilen Stimulation des Hypophysenvorderlappens durch GnRH, wodurch eine hypothalamischen Amenorrhö entsteht.3
    • Kann durch jegliche Form von physischem oder psychischem Stress entstehen (z. B. Essstörungen, Leistungssport, schwere Allgemeinerkrankungen)
    • Eine genetische Disposition liegt vor.

Körperliches Training

  • Bei mehr als 15 Stunden/Woche besteht Gefahr der Amenorrhö.

Anorexia nervosa

  • Siehe Artikel Anorexia nervosa (Magersucht).
  • Niedriges Körpergewicht
  • Verweigerung von kalorienreicher Nahrung, gestörte Körperwahrnehmung, Minderwertigkeitsgefühl, Hyperaktivität in Form von u. a. sehr hoher Trainingsintensität
  • Stimmungsschwankungen, Zwangsstörungen, Angstzustände
  • Amenorrhö meist bei einem Gewicht unter 50 kg
  • Androgenisierung: Niedriger Östrogenspiegel führt zu einem relativen Androgenüberschuss, Rückbildung von Fett und Muskeln.
  • FSH normal oder etwas zu niedrig, PRL normal, Östrogenspiegel ist niedrig.

Hypothyreose

  • Siehe Artikel Hypothyreose.
  • Charakteristisch sind Antriebslosigkeit, Kälteintoleranz, Muskelschmerzen, erhöhter Schlafbedarf, Gewichtszunahme (gewöhnlich mäßig), Verstopfung, Schwindel, Parästhesie, Haarausfall und undeutliche Stimme.
  • Klinische Befunde können trockene und kalte Haut, trockenes Haar und Spliss, spröde und dünne Nägel, periorbitale Ödeme, Bradykardie, langsame Sehnenreflexe und psychomotorische Trägheit sein.
  • Laboruntersuchungen zeigen erhöhte TSH- und niedrige FT4-Werte.

Prolaktinom

  • Siehe Artikel Hypophysenerkrankungen und Hypophysentumoren.
  • Ein Anstieg von Prolaktin (PRL) führt zu Störungen in der GnRH-Ausschüttung, was wiederum zu niedrigen FSH- und LH-Werten führt. Durch niedrige Gonadotropine verringert sich die Ovarialfunktion und damit auch die Produktion von Östradiol.
  • Bei vielen Frauen ist Amenorrhö das einzige Symptom, aber es treten auch Galaktorrhö (30 %), verringerte Libido, Scheidentrockenheit und Osteoporose (im späten Stadium) auf.
  • Bei Makroadenomen (>1 cm) können Störungen der anderen Hypophysenachsen, Beeinträchtigung benachbarter Strukturen (z. B. N. opticus) und damit neurologischen Symptome, wie Kopfschmerzen/Visusstörungen auftreten.11
  • Eine Schwangerschaft sollte ausgeschlossen werden. Bei einer Schwangerschaft vergrößert sich die Hypophyse um 100 %, und es können Symptome eines vorher asymptomatischen Tumors auftreten.
  • Hormonuntersuchungen zeigen hohes PRL (> 4- bis 6-Fache der Norm)3, normales/niedriges FSH, LH und Östradiol.
    • DD (milde) Hyperprolaktinämie: Hypothyreose, Medikamente (z. B. Neuroleptika), Stimulation der Brustwarzen
  • Medikamentöse Therapie mit Dopaminagonisten, vorzugsweise wird Cabergolin, alternativ Bromocriptin oder Quinagolid eingesetzt. Spricht der Tumor nicht auf die medikamentöse Behandlung an, ist ein chirurgischer Eingriff indiziert.11

Gonadendysgenesie

  • Angeborene Fehlentwicklung oder fehlenden Anlage der Gonaden
  • Bei komplettem Funktionsausfall kommt es zu Stranggonaden
    und ein weiblicher Phänotyp mit Scheide und Uterus entwickelt sich. Allerdings bleibt die Brustentwicklung aus.
  • Dies geschieht auch bei männlichem Karyogramm, da Testosteron zur Ausbildung der männlichen Geschlechtsorgane fehlt und kein testikuläres Anti-Müller-Hormon die Uterusentwicklung verhindert.3
  • FSH ist hoch, PRL ist normal und der Östrogenspiegel ist niedrig.
  • Turner-Syndrom?

Uterusagenesie oder -anomalie

  • Eine Müller-Gang-Anomalie mit fehlender Vagina und fehlendem Uterus bei der Geburt oder ein rudimentär ausgebildeter Uterus sind die Ursache von 15 % der Fälle einer primären Amenorrhö.12
  • Synonym: Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom)
  • Vermutlich liegt die Ursache in der embryonalen Aktivierung des Anti-Müller-Hormons, das eine Fehlbildung des weiblichen Genitaltrakts verursacht.8,13
  • Die Patientin kann unter zyklischen Bauchschmerzen leiden, wenn Endometriumgewebe in einem rudimentären Uterus vorhanden ist, und es kann zu Mittelschmerz und Brustempfindlichkeit kommen.
  • Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind normal entwickelt.
  • Nierenfehlbildungen (40 %), skeletale Fehlbildungen (10–12 %) oder Störungen des Gehörs können mit dem MRKH-Syndrom assoziiert sein.6
  • Die Erkrankung kann bei einer gynäkologischen Untersuchung oder über Ultraschall/MRT entdeckt werden.
  • FSH und PRL sind normal.
  • Um eine komplette Androgenresistenz (Karyotyp: 46,XY) auszuschließen, muss eine Karyotypbestimmung durchgeführt werden.9

Hymenalatresie oder vertikales Vaginalseptum

  • Hymenalatresie: vollständiger Verschluss der Vaginalöffnung6
    • Ein vertikales Vaginalseptum kann auf verschiedenen Höhen in der Vagina liegen und kann im Rahmen eines Syndroms entdeckt werden.6
  • McKusick-Kaufmann-Syndrom (Herzfehler, Vaginalsepten, Polydaktylie)
  • Bardet-Biedel-Syndrom (Vaginalseptum, hypoplastischer Uterus, Retinitispigmentosa, Polydaktylie, mentale Retardierung, Nieren- und Herzfehlbildungen)
    • Beide Befunde führen zu monatlichen Bauchschmerzen, aber das Menstruationsblut kann nicht abfließen.14
    • Es kommt zu Hämatokolpos (Blut in der Vagina), Hämatometra (Blut im Uterus) und später Hämatosalpinx (Blut in den Eileitern) und Hämoperitoneum (Blut in der Bauchhöhle).
  • Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind normal entwickelt.
  • Die chirurgische Resektion des Septums bzw. Exzision des Hymens sind Therapie der Wahl.6

Turner-Syndrom

  • Siehe Artikel Turner-Syndrom.
  • Diese Gonadendysgenesie tritt bei 1 von 2.500 neugeborenen Mädchen auf.15
  • Das Syndrom kennzeichnet sich durch das Fehlen eines X-Chromosoms, der Karyotyp ist 45,X0; unvollständige Formen (Mosaik-Typus) können auftreten.
  • Typische klinische Erscheinungsformen sind Kleinwuchs, kurzer Hals, hoher Gaumen, weiter Mamillenabstand, Cubitus valgus (unvollständig streckbarer Ellenbogen) und kurze Mittelhand- und Mittelfußknochen.
  • Die Pubertät setzt spät ein, und sekundäre Geschlechtsmerkmale fehlen.
  • Die Intelligenz ist normal.
  • Die FSH- und LH-Werte sind hoch, der Östrogenspiegel ist niedrig.
  • Durch die Karyotypbestimmung wird die Diagnose bestätigt.

Komplette Androgenresistenz

  • Die Erkrankung tritt selten auf. Der Karyotyp ist 46,XY.
  • Der Zustand wird auch Morris-Syndrom genannt.
  • Es besteht eine komplette Androgenresistenz, da ein Androgenrezeptordefekt vorliegt.16
  • Die Brüste sind entwickelt, aber der Warzenhof ist blass.
  • Der Schambereich und die Achselhöhlen sind nicht behaart.
  • Die Vagina ist aufgrund einer Aplasie im oberen Bereich verkürzt. Der Uterus fehlt.
  • Die Hoden liegen intraabdominell oder in der Leiste.3

Kallmann-Syndrom

  • Ist kennzeichnet durch Anosmie, Hypogonadismus und Östrogenausfall.17
  • Es besteht ein hypogonadotroper Hypogonadismus aufgrund eines Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH)-Mangels durch Genmutation.

PCO-Syndrom

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Siehe Artikel Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS).
  • Häufigste gynäkologisch-endokrinologische Störung (Prävalenz ca. 5–10 %, bei Frauen mit Oligo-/Amenorrhö 40 %)
  • Patientinnen weisen einen Hirsutismus, Akne, biochemische Zeichen der Hyperandrogenämie (Testosteron erhöht, LH/FSH-Quotient > 2), eine Oligo-/Amenorrhö und sonografisch polyzystische Ovarien auf.
  • In ca. 50 % der Fälle besteht zudem eine Adipositas sowie eine Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie.
  • Die Therapie beinhaltet meist antiandrogene Ovulationshemmer, bei Insulinstoffwechselstörungen und/oder Adipositas ist eine Behandlung mit Metformin zu erwägen (Off Lable Use).

Nichtklassisches adrenogenitales Syndrom (AGS)

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Gekennzeichnet durch primäre oder (meist) sekundäre Amenorrhö verbunden mit Hirsutismus und Akne
  • Ursächlich sind milde Enzymdefekte der adrenalen Steroidbiosynthese.
  • Testosteron ist erhöht.
  • Beim klassische AGS kommt es zur Ausbildung intersexueller Genitale, diese Variante macht sich bereits bei der Geburt durch eine Nebennierenrindeninsuffizienz bemerkbar.

Anamnese

Besonders zu beachten

Menarche und Menstruationsverlauf

  • Liegt primäre oder sekundäre Amenorrhö vor?
  • Geschlechtsverkehr?

Sport und Ernährung

Geschlechtsreife

  • Wann haben sich die Brüste entwickelt?
  • Scham- und Achselbehaarung?

Bauchschmerzen?

  • Leidet die Patientin unter Bauchschmerzen?
  • Wenn ja, treten diese monatlich oder in unregelmäßigen Abständen auf?

Vererbung?

  • Wann trat die Menarche bei den weiblichen Familienmitgliedern 1. Grades ein?
  • Gendefekte in der Familie?

Frühere Zytostatika- oder Strahlentherapie

  • ZNS
    • Kann zu hypothalamischer Amenorrhö führen.
  • Becken
    • Kann zu prämaturer Ovarialinsuffizienz führen.

Andere Ursachen

  • Fehlender Geruchssinn: Verdacht auf Kallmann-Syndrom
  • Zyklische Bauchschmerzen und Spannungen in der Brust: Verdacht auf Obstruktion

Klinische Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

  • Keine unnötigen klinischen Untersuchungen bei jungen Mädchen bei der ersten Konsultation
    • Größe und Gewicht, BMI, Beurteilung der Größe über Wachstumskurven
    • Brustentwicklung und Schambehaarung beurteilen: Liegt eine konstitutionelle Entwicklungsverzögerung vor?
    • Evtl. einen Schwangerschaftstest durchführen.
  • Auffällige Befunde
  • Gynäkologische Untersuchung
    • Bei regelmäßigen, monatlichen Bauchschmerzen sollte gynäkologisch untersucht werden.
    • Hymenalatresie oder vaginale Aplasie sind seltene Erkrankungen und werden in einer gynäkologischen Untersuchung festgestellt.
  • Entwickelte Brust, aber keine Scham- und Achselbehaarung
    • Es könnte sich um eine Androgenresistenz handeln, d. h. die Patientin hat einen weiblichen Phänotyp, aber einen männlichen Karyotyp mit fehlendem Hodendeszensus.
    • Sind Hoden ausgebildet, sollen diese aufgrund des hohen Risikos einer malignen Transformation nach der Pubertät entfernt werden.14

Diagnostik bei Spezialist*innen

Gynäkologische Untersuchung

  • Bei regelmäßigen, monatlichen Bauchschmerzen sollte gynäkologisch untersucht werden.
  • Hymenalatresie oder vaginale Aplasie sind seltene Erkrankungen und werden in einer gynäkologischen Untersuchung festgestellt.

Labor

  • Östradiol, FSH, LH, TSH, FT4, PRL, Testosteron
    • Hohe FSH-Werte sind Anzeichen einer fehlenden negativen Rückkopplung aufgrund einer Ovarialinsuffizienz.
    • Niedrige FSH-Werte sind Anzeichen einer Hypophysen- oder Hypothalamusinsuffizienz.
  • Speziallabor: z. B. GnRH-Test zur Differenzierung von hypothalamischen und hypophysären Störungen bei hypogonadotropen Hypogonadismus3

Bildgebung

  • Ultraschall
    • Sind die sekundären Geschlechtsmerkmale normal ausgebildet, soll eine Ultraschalluntersuchung des Uterus durchgeführt werden.
  • Ggf. MRT
    • kleines Becken, Hypophyse
  • Ggf. Röntgenaufnahmen der Knochen zur Knochenalterbestimmung
  • Ggf. Urografie
  • Operative Diagnostik
  • Ggf. diagnostische Laparoskopie

Genetische Diagnostik

  • Karyotypbestimmung (obligat bei hypergonadotroper primärer Amenorrhö)3

Diagnostik bei Fehlen von sekundären Geschlechtsmerkmalen

  • Die Diagnose stützt sich auf Laboruntersuchungen und die Karyotypbestimmung.
  • Hypogonadotroper Hypogonadismus (FSH und LH niedrig)
    • Die häufigste Ursache ist eine konstitutionelle Entwicklungsverzögerung.12-13
      • Eine positive Familienanamnese stützt die Diagnose.
    • Eine konstitutionelle Ursache unterscheidet sich nicht von Ursachen im Zusammenhang mit einer Hypophysen- oder Hypothalamusinsuffizienz.18
    • Kallmann-Syndrom: gekennzeichnet durch Anosmie, Hypogonadismus und Östrogenausfall17
  • Hypergonadotroper Hypogonadismus (FSH und LH erhöht)
    • Wird durch eine Gonadendysgenesie hervorgerufen.
    • Das Turner-Syndrom (Karyotyp 45,X0) ist die häufigste Form der Gonadendysgenesie bei Frauen.
      • Typische physische Befunde sind kurzer Hals, weiter Mamillenabstand und Kleinwuchs.
      • Der Mosaik-Typus tritt bei ca. 25 % der Patientinnen mit Turner-Syndrom auf.19
    • Andere seltene Ursachen für eine reine Gonadendysgenesie treten bei einem Karyotyp von 46,XY oder XX auf.8

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Mädchen im Alter von 16 Jahren, die noch keine Menstruation haben, sollen an eine gynäkologische Praxis überwiesen werden.
  • Eine Überweisung ist auch bei Verdacht auf Hymenalatresie oder vaginale Aplasie notwendig.

Empfehlungen

  • Die Therapie einer primären Amenorrhö erfolgt in der gynäkologischen Praxis.
  • Wenn möglich kausale Therapie durchführen.
  • Ansonsten Therapie mittels hormoneller Therapie mit Östrogen und Gestagen wie bei der hormonellen Kontrazeption, nachdem andersweitig therapiebare Störungen und organische Ursachen ausgeschlossen wurden.10
  • Im Falle der Hymenalatresie oder bei vaginalen Septen erfolgt die chirurgische Sanierung.

Komplikationen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Infertilität
  • Ausbleibende Pubertät
  • Bei Amenorrhö mit Estrogenmangel: Osteopenie/Osteoporose, klimakterische Symptome und Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen.
  • Bei Amenorrhö mit erhaltener Östrogensekretion und jahrelangem Bestehen: Risiko der Endometriumhyperplasie

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Seitenansicht der inneren Genitalien
Seitenansicht der inneren Genitalien
Palpation des Uterus
Palpation des Uterus

Quellen

Literatur

  1. Master-Hunter T, Heiman DL. Amennorrhea: Evaluation and treatment. Am Fam Physician 2006; 73: 1374-82. PubMed
  2. Klein DA, Poth MA. Amenorrhea: an approach to diagnosis and management. Am Fam Physician 2013; 87: 781-8 American Family Physician
  3. Frank-Herrmann P, Strowitzki T. Amenorrhö: Woran denken?. Journal für klinische Endokrinologie und Stoffwechsel 2013; 6: 12-18. www.kup.at
  4. Desirée Dunstheimer, Kirsten Salzgeber. Primäre Amenorrhö. Korasion, Fachzeitschrift für Kinder- und Jugendgynäkologie – Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie e. V. 2017. www.kindergynaekologie.de
  5. Marshall WA, Tanner JM. Variations in patterns of pubertal changes in girls. Arch Dis Child 1969; 44: 291-303. PubMed
  6. Dingeldein I, Hürlimann R. Die primäre Amenorrhö Das Symptom mit und ohne Störungen der Pubertätsentwicklung. Gynäkologie- Schweizer Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Praxis 2009. www.rosenfluh.ch
  7. Kiningham RB, Apgar BS, Schwenk TL. Evaluation of amenorrhea. Am Fam Physician 1996; 53: 1185-94. American Family Physician
  8. Pletcher JR, Slap GB. Menstrual disorders. Pediatr Clin North Am 1999; 46: 505-18. PubMed
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  10. Uhl B. Gynäkologie und Geburtshilfe Compact. Stuttgart: Thieme, 2006.
  11. Rieben C, Christ E. Prolaktin – was gibt’s Neues? Hyperprolaktinämie – Ätiologie, Diagnostik, Therapie. GynäkologieSchweizer Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Praxis, 2019. www.rosenfluh.ch
  12. Folch M, Pigem I, Konje JC. Müllerian agenesis: etiology, diagnosis, and management. Obstet Gynecol Surv 2000; 55: 644-9. PubMed
  13. Seldmeyer IL, Palmert MR. Delayed puberty: analysis of a large case series from an academic center. J Clin Endo Metab 2002; 87: 1613-20. PubMed
  14. The Practice Committee of the American Society for Reproductive Medicine. Current evaluation of amenorrhea. Fertil Steril 2004; 82(suppl 1): 33-9. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Bedei I. Ullrich-Turner-Syndrom – pränatale Diagnostik, Korasion, Fachzeitschrift für Kinder- und Jugendgynäkologie, 03/2018. www.kindergynaekologie.de
  16. Hiort, Olaf; Holterhus, Paul-Martin; Sinnecker, Gernot H. G.; Kruse, Klaus. Androgenresistenzsyndrome - Klinische und molekulare Grundlagen. Deutsches ärzteblatt 1999; 11: 686-692. www.aerzteblatt.de
  17. Traggiai C, Stanhope R. Delayed puberty. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2002; 16: 139-51. PubMed
  18. Albanese A, Stanhope R. Investigation of delayed puberty. Clin Endocrinol (Oxf) 1995; 43: 105-10. PubMed
  19. Simpson J, Rajkovic A. Ovarian differentiation and gonadal failure. Am J Med Genet 1999; 89: 186-200. PubMed

Autor*innen

  • Kristine Scheibel, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norderney
  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Erika Baum, Prof. Dr. med., Professorin für Allgemeinmedizin, Biebertal (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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