Persönlichkeitsstörungen (PS)

Zusammenfassung

  • Definition:Tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen, mit deutlichen Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen.
  • Häufigkeit:Prävalenz: 10–15 %. Prävalenz der spezifischen Störungen: ängstlich-vermeidend und zwanghaft jeweils ca. 2,5 %; paranoid, Borderline, antisozial und passiv-aggressiv jeweils ca. 1,5 %; schizoid, dependent, schizotypisch und histrionisch jeweils ca. 1 %.
  • Symptome:Können sich auf vielfältige Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen beziehen. Unterschiedliches Ausmaß persönlichen Leidens. Meist gestörte soziale Funktionsfähigkeit.
  • Befunde:Cluster A: anhaltendes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen. Cluster B: grobe Missachtung der Bedürfnisse anderer, evtl. mit Rechtsverletzungen. Cluster C: soziale Hemmungen, Gefühle der Unzulänglichkeit und der Überempfindlichkeit gegenüber negativen Bewertungen.
  • Diagnostik:Anamnese und eingehende psychische Exploration, ggf. flankiert durch spezifische Testverfahren, fachärztliche und -psychologische Untersuchung.
  • Therapie:Psychotherapie, in der Regel ambulant. Der Nutzen medikamentöser Therapien ist ungewiss, ggf. kommen sie zur Behandlung depressiver, ängstlicher oder psychotischer Begleitsymptome oder komorbider psychischer Störungen infrage.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Es gibt in der Psychologie keine einheitliche Definition von „Persönlichkeit“, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Persönlichkeitstheorien.1
    • Es gibt bislang keinen allgemeinen Konsens zur Grenzziehung zwischen „normalen“ und „gestörten“ Persönlichkeitseigenschaften.
    • Besonders auch von den Betroffenen wird der Begriff „Persönlichkeitsstörung“ häufig als abwertend und stigmatisierend empfunden.2
    • Die Frage, ob den Patient*innen die Diagnose wörtlich mitgeteilt werden soll, ist kontrovers.3
  • Laut ICD-10 sind Persönlichkeitsstörungen (PS) tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die
    • sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen.
    • gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen verkörpern.
    • meistens stabil sind.
    • sich auf vielfältige Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen beziehen.
    • häufig mit einem unterschiedlichen Ausmaß persönlichen Leidens und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einhergehen.4

Spezifische Persönlichkeitsstörungen (ICD-10: F60.-)

  • Schwere Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens der betroffenen Person, die nicht direkt auf eine Hirnschädigung oder -krankheit oder auf eine andere psychische Störung zurückzuführen sind.
  • Sie erfassen verschiedene Persönlichkeitsbereiche und gehen beinahe immer mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher.
  • Persönlichkeitsstörungen treten meist in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und bestehen während des Erwachsenenalters weiter.4
  • Persönlichkeitsstörungen sind in ihren klinischen Merkmalen und ihrer Ätiologie heterogen.4-5

Paranoide PS – F60.0

  • Übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung
  • Nachtragen von Kränkungen
  • Misstrauen
  • Neigung, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden.
  • Wiederkehrende unberechtigte Verdächtigungen hinsichtlich der sexuellen Treue der Partner*innen
  • Streitsüchtiges und beharrliches Bestehen auf eigenen Rechten
  • Die Betroffenen können zu überhöhtem Selbstwertgefühl und häufiger, übertriebener Selbstbezogenheit neigen.
  • Persönlichkeit(sstörung)
    • expansiv-paranoid
    • fanatisch
    • paranoid
    • querulatorisch
    • sensitiv paranoid

Schizoide PS – F60.1

  • Rückzug von affektiven, sozialen und anderen Kontakten
  • Übermäßige Vorliebe für Phantasie
  • Einzelgängerisches Verhalten
  • In sich gekehrte Zurückhaltung
  • Nur ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben.

Dissoziale PS – F60.2 

  • Missachtung sozialer Verpflichtungen
  • Herzloses Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere
  • Erhebliche Diskrepanz zwischen dem Verhalten und den herrschenden sozialen Normen
  • Durch nachteilige Erlebnisse, einschließlich Bestrafung, nicht änderungsfähig
  • Geringe Frustrationstoleranz
  • Niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten
  • Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten, durch das der Betroffene in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist.
  • Persönlichkeit(sstörung)
    • amoralisch
    • antisozial
    • asozial
    • psychopathisch
    • soziopathisch

Emotional instabile PS – F60.3

  • Deutliche Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung.
  • Neigung zu emotionalen Ausbrüchen
  • Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren.
  • Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden.
  • Zwei Erscheinungsformen
    • impulsiver Typ – F60.30
      • emotionale Instabilität
      • mangelnde Impulskontrolle
    • Borderline-Typ6– F60.31, zusätzlich gekennzeichnet durch:
      • Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen
      • ein chronisches Gefühl von Leere
      • intensive, aber unbeständige Beziehungen
      • Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.

Histrionische PS – F60.4

  • Oberflächliche und labile Affektivität
  • Dramatisierung, theatralisch übertriebener Ausdruck von Gefühlen
  • Suggestibilität
  • Egozentrik, Genusssucht
  • Mangel an Rücksichtnahme
  • Erhöhte Kränkbarkeit
  • Dauerndes Verlangen nach Anerkennung, äußeren Reizen und Aufmerksamkeit
  • Persönlichkeit(sstörung)
    • hysterisch
    • infantil

Anankastische (zwanghafte) PS – F60.5

  • Gefühle von Zweifel
  • Perfektionismus, übertriebene Gewissenhaftigkeit
  • Ständige Kontrollen
  • Halsstarrigkeit
  • Vorsicht
  • Starrheit
  • Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen. 

Ängstliche (vermeidende) PS – F60.6 

  • Gefühle von Anspannung und Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit
  • Andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden
  • Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik
  • Eingeschränkte Beziehungsfähigkeit
  • Überbetonung potenzieller Gefahren oder Risiken alltäglicher Situationen bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten

Abhängige (asthenische) PS – F60.7

  • Die Betroffenen verlassen sich bei kleineren oder größeren Lebensentscheidungen passiv auf andere Menschen.
  • Große Trennungsangst
  • Gefühle von Hilflosigkeit und Inkompetenz
  • Neigung, sich den Wünschen Älterer und anderer unterzuordnen.
  • Versagen gegenüber den Anforderungen des täglichen Lebens
  • Die Kraftlosigkeit kann sich im intellektuellen emotionalen Bereich zeigen.
  • Bei Schwierigkeiten besteht die Tendenz, die Verantwortung anderen zuzuschieben.
  • Persönlichkeit(sstörung)
    • asthenisch
    • inadäquat
    • passiv
    • selbstschädigend

Sonstige spezifische PS – F60.8

  • Persönlichkeit(sstörung)
    • exzentrisch
    • haltlos
    • narzisstisch
    • passiv-aggressiv
    • psychoneurotisch
    • unreif

Häufigkeit

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.7
  • Prävalenz
    • Es wird angenommen, dass 10–15 % der Gesamtbevölkerung die diagnostischen Kriterien für eine oder mehrere spezifische Persönlichkeitsstörungen erfüllen.
    • Prävalenz jeweils ca. 2,5 %
      • ängstlich-vermeidende PS
      • zwanghafte PS
    • Prävalenz jeweils ca. 1,5 %
      • paranoide PS
      • Borderline-PS (Frauenanteil 70 %8)
      • antisoziale und passiv-aggressive PS
    • Prävalenz jeweils ca. 1 %
      • schizoide PS
      • dependente PS
      • schizotypische PS
      • histrionische PS
    • Prävalenz 0–1 %
      • narzisstische PS
  • Ein relativ hoher Anteil „schwieriger“ Patient*innen hat eine Persönlichkeitsstörung.
    • Patient*innen mit Persönlichkeitsstörungen haben einen hohen Bedarf an medizinischer Grundversorgung und spezialisierten Angeboten.9-11

Ätiologie und Pathogenese

  • Persönlichkeitsstörungen sind gekennzeichnet durch Abweichungen bezüglich der Kognition, der Emotionen – häufig Wut – der Impulskontrolle, der Befriedigung von Bedürfnissen und der zwischenmenschlichen Beziehungen.
  • Die Merkmale sind über längere Zeiträume stabil.12
  • Definitionsgemäß sind die Symptome bei einer Persönlichkeitsstörung nicht direkt auf eine andere psychische Störung oder die Wirkung einer psychotropen Substanz zurückzuführen.13
  • Persönlichkeitsstörungen entstehen im Zusammenspiel von genetischer Belastung und Umweltfaktoren.14-15
    • Von besonderer Bedeutung sind psychosoziale Einflüsse in der Kindheit und Jugendzeit, vor allem die Qualität der Eltern-Kind-Bindung.
    • Ein großer Teil der Betroffenen hat in der Kindheit MissbrauchMisshandlung und Vernachlässigung erfahren.14
    • In welchem Verhältnis jeweils Vererbung und Milieu zur Erkrankung beitragen, ist bei jeder spezifischen Störung unterschiedlich.16
  • In der funktionellen Bildgebung wurden Korrelationen zwischen Abweichungen der serotonergen Transmission mit erhöhter Impulsivität und Aggression gefunden – siehe Abschnitt Dissoziale Persönlichkeitsstörung.13

Prädisponierende Faktoren

Komorbidität

ICPC-2

  • P80 Persönlichkeitsstörung

ICD-10

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.18
  • F60 Spezifische Persönlichkeitsstörungen
    • F60.0 Paranoide Persönlichkeitsstörung
    • F60.1 Schizoide Persönlichkeitsstörung
    • F60.2 Dissoziale Persönlichkeitsstörung
    • F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
    • F60.4 Histrionische Persönlichkeitsstörung
    • F60.5 Anankastische [zwanghafte] Persönlichkeitsstörung
    • F60.6 Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
    • F60.7 Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung
    • F60.8 Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen
    • F60.9 Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet
  • F61 Kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen
  • F62 Andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns
    • F62.0 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung
    • F62.1 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach psychischer Krankheit
    • F62.8 Sonstige andauernde Persönlichkeitsänderungen
    • F62.9 Andauernde Persönlichkeitsänderung, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diagnoseentscheidend ist das Verhalten der Betroffenen über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Situationen.5,13

Allgemeine Kriterien

  • Anhaltende Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster, die deutlich von den kulturell geprägten Normen der jeweiligen Gesellschaft abweichen.5
  • Diese anhaltenden Muster sind rigide, treten konsequent in allen sozialen Situationen auf und lassen sich bis zur Adoleszenz oder zum frühen Erwachsenenalter zurückverfolgen.
  • Die Muster führen zu subjektiven Unannehmlichkeiten und zu beeinträchtigter Anpassung an soziale, berufliche und andere Situationen des Lebens.
  • Die Muster sind keine Folgeerscheinungen anderer psychischer Störungen, physiologischer oder pharmakologischer Einflüsse.

Klassifizierung in Cluster nach DSM5,19 

  • Cluster A
    • gekennzeichnet durch sonderbare oder exzentrische Persönlichkeiten
    • inklusive paranoide, schizoide und schizotype Persönlichkeitsstörungen
  • Cluster B
    • gekennzeichnet durch dramatische, emotionale und antisoziale Persönlichkeiten
    • inklusive dissoziale, Borderline-, histrionische und narzisstische Persönlichkeitsstörungen
  • Cluster C
    • Gekennzeichnet durch ängstliche und vermeidende Persönlichkeiten, diese bilden die größte Gruppe.
    • inklusive vermeidende, abhängige und anankastische Persönlichkeitsstörungen

Cluster A19

  • Diagnostische Kriterien
    • Die Betroffenen zeigen anhaltendes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen, in der Form, dass deren Motive als boshaft interpretiert werden. Dies beginnt im frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen in Form von mindestens 4 der folgenden Muster:
      • Es besteht ein nicht hinreichend begründbares Misstrauen, dass andere die Betroffenen ausnutzen, ihnen schaden oder sie betrügen wollen.
      • Die Betroffenen haben unangebrachten Zweifel an der Loyalität oder der Verlässlichkeit von Freunden oder Bekannten.
      • Die Betroffenen erleben einen Widerwillen, sich anderen anzuvertrauen, aufgrund der unbegründeten Angst, dass Informationen gegen sie verwendet werden könnten.
      • Aus wohlgemeinten Kommentaren oder Handlungen werden herablassende oder bedrohliche Absichten herausgelesen.
      • Die Betroffenen sind anhaltend nachtragend gegenüber anderen Personen.
      • Die Betroffenen erleben Angriffe auf ihre Persönlichkeit oder ihren Ruf. Ihre Mitmenschen können das nicht nachvollziehen. Das ruft bei den Betroffenen wiederum Ärger und Gegenangriffe hervor.
      • Die Betroffenen sind ständig grundlos misstrauisch und verdächtigen ihre Partner*innen der Untreue.
    • Die Muster treten nicht ausschließlich im Verlauf von Schizophrenie, affektiven Störungen mit psychotischen Symptomen oder anderen psychotischen Störungen auf und werden nicht durch direkten Einfluss einer somatischen Erkrankung verursacht.
  • Dazu werden folgende Störungsbilder gezählt (Näheres zu den ICD-Diagnosen siehe Abschnitt Spezifische Persönlichkeitsstörungen):
    • schizoide Persönlichkeitsstörung
    • paranoide Persönlichkeitsstörung
    • schizotype (Persönlichkeits-)Störung 
      • Die Betroffenen zeigen exzentrisches Verhalten, unangemessene Emotionen, bizarre Ideen, Rückzug aus sozialen Kontakten.
      • Sie können in sozialen Situationen mit fremden Menschen intensive Angst erleben.
      • Die Erkrankung kann eine Vorstufe zur Schizophrenie sein.20
      • nach ICD-10 als „schizotype Störung“ (F21) nicht unter Persönlichkeitsstörungen, sondern unter „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ (F20-F29) klassifiziert

Cluster B

  • Diagnostische Kriterien
    • Die Betroffenen zeigen ab einem Alter von 15 Jahren ein durchgängiges Muster der Missachtung oder Verletzung der Rechte anderer in Form von 3 oder mehr der folgenden Verhaltensweisen:
      • Soziale Normen, auch bezüglich dessen, was rechtlich zugelassen ist, werden nicht befolgt, und die Betroffenen begehen wiederholt Handlungen, die zu Strafverfolgung führen können.
      • Die Betroffenen verhalten sich betrügerisch, indem sie regelmäßig lügen, falsche Namen benutzen oder andere zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen ausnutzen.
      • Ihr Verhalten ist geprägt durch Impulsivität oder fehlende Fähigkeit zur Planung.
      • Die Betroffenen zeigen Reizbarkeit oder Aggressivität, was zu wiederholten körperlichen Auseinandersetzungen oder Übergriffen führen kann.
      • Sie ignorieren Sicherheitsanforderungen für sich selbst und für andere.
      • Sie verhalten sich anhaltend unverantwortlich, erkennbar daran, dass sie sich regelmäßig beruflichen oder finanziellen Verpflichtungen entziehen.
      • Die Betroffenen zeigen keine Reue. Dass sie andere verletzen, misshandeln oder bestehlen, ist ihnen gleichgültig, oder sie rationalisieren dieses Verhalten.
    • Die betroffene Person ist mindestens 18 Jahre alt.
    • Es gibt Anzeichen für Verhaltensstörungen vor Vollendung des 15. Lebensjahres.
    • Episoden mit dissozialem Verhalten sind nicht auf die symptomatischen Phasen einer Schizophrenie oder auf manische Episoden begrenzt.
  • Dazu werden folgende Störungsbilder gezählt (Näheres zu den ICD-Diagnosen siehe Abschnitt Spezifische Persönlichkeitsstörungen):
    • dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung
    • emotional instabile (Borderline-)Persönlichkeitsstörung
    • hysterische (histrionische) Persönlichkeitsstörung
    • narzisstische Persönlichkeitsstörung
      • ausbeuterisches und egozentrisches Verhalten
      • Größenwahn
      • fehlende Empathie
      • Abwertung anderer
      • nach ICD-10 ohne nähere Spezifikation unter „sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen“ klassifiziert

Cluster C

  • Diagnostische Kriterien
    • Kennzeichnend ist ein anhaltendes Muster, das von sozialen Hemmungen, Gefühlen der Unzulänglichkeit und der Überempfindlichkeit gegenüber negativen Bewertungen geprägt ist. Die Persönlichkeitsstörung beginnt im frühen Erwachsenenalter und tritt in unterschiedlichen Zusammenhängen auf, von denen mindestens 4 der folgenden vorliegen müssen:
      • Berufe, die erheblichen zwischenmenschlichen Kontakt erfordern, werden aus Angst vor Kritik, Missbilligung oder Zurückweisung vermieden.
      • Die Betroffenen sind nicht bereit, den Kontakt zu anderen Menschen zu suchen, wenn sie nicht sicher sind, gemocht zu werden.
      • Sie verweigern sich intimen Beziehungen aus Angst, beschämt oder verspottet zu werden.
      • Die Betroffenen sorgen sich davor, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden.
      • Die Betroffenen sind in neuen zwischenmenschlichen Situationen gehemmt, weil sie sich als unzulänglich empfinden.
      • Sie sehen sich selbst als unfähig, persönlich wenig ansprechend und unterlegen an.
      • Die Betroffenen sträuben sich in der Regel, persönliche Risiken einzugehen oder sich auf neue Aktivitäten einzulassen, da sich dies für sie als peinlich erweisen könnte.
  • Dazu werden folgende Störungsbilder gezählt (Näheres zu den ICD-Diagnosen siehe Abschnitt Spezifische Persönlichkeitsstörungen):
    • zwanghafte Persönlichkeitsstörung
    • abhängige Persönlichkeitsstörung
    • ausweichende Persönlichkeitsstörung
      • Entspricht der ICD-Diagnose „ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung“.

Differenzialdiagnosen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.21
  • Die häufigsten Differenzialdiagnosen sind andere Persönlichkeitsstörungen.
  • Die Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen ist oft nicht leicht, z. B.:
  • Hirnorganische Erkrankungen
  • Drogen- und alkoholbezogene Störungen

Anamnese

  • Die problematischen Persönlichkeitsmerkmale bestehen seit der frühen Jugend.
  • Die Patient*innen haben eine Vergangenheit mit erheblichen zwischenmenschlichen Problemen bezüglich enger Bindungen (z. B. häufige Trennungen, wenige Beziehungen, Unsicherheit, Einsamkeit), Arbeitsverhältnissen (Unzuverlässigkeit, Perfektionismus, Streit und Konflikte, Unselbständigkeit) und anderer sozialer Situationen.
  • Ärztliche Hilfe wird meist aufgrund von Problemen in zwischenmenschlichen Situationen aufgesucht, sehr häufig auch auf Druck nahestehender Personen, für die es schwierig ist, das Verhalten der Betroffenen zu ertragen.

Bei der ärztlichen Untersuchung22

  • Es ist möglich, dass sich die Patient*innen in dieser Situation unangemessen verhalten – z. B. abwesend, feindlich, übermäßig intim, verführerisch, ängstlich.
  • Das zwischenmenschliche Verhalten der Betroffenen kann starke emotionale Reaktionen bei den Ärzt*innen auslösen.
  • Es können unrealistische Erwartungen bestehen bezüglich der ärztlichen Verfügbarkeit, der Zeit und der Möglichkeit, den Patient*innen zu helfen.
  • Somatische Erkrankungen und psychische Störungen können sich auf atypische Weise präsentieren und möglicherweise anders auf die Behandlung reagieren, als dies erwartet wird.
  • Reaktionen der Mitmenschen auf die Störung können die dysfunktionalen Persönlichkeitseigenschaften der Betroffenen verstärken und es ihnen dadurch erheblich erschweren, angemessene Hilfe aufzusuchen und anzunehmen.
  • Meist eingeschränkte oder vollständig fehlende Krankheitseinsicht

Persönlichkeitsveränderung?

  • Eine Persönlichkeitsstörung ist definitionsgemäß eine chronische Erkrankung.
  • Tritt bei den Betroffenen eine Veränderung in der Persönlichkeit auf, ist es entscheidend, die Ursache zu ermitteln.
    • Die Ursache kann eine andere psychische Störung (z. B. Depression), drogen- oder alkoholbezogene Störungen, eine somatische Erkrankungen (z. B. Hyperthyreose) oder eine neurologische Erkrankung (z. B. Demenz) sein.

Klinische Untersuchung

  • Die Betroffenen können im Gespräch zunächst unauffällig wirken.
  • Die eigenen emotionalen Reaktionen der Ärzt*innen im Kontakt mit den Betroffenen können diagnostische Hinweise geben (insbesondere Irritation, Ärger und ein allgemein unangenehmes Gefühl).
  • Komorbidität (s. o.) ist ein zentraler Aspekt.
    • Hinter den Symptomen von Depression, Essstörungen und Sucht verbergen sich nicht selten eine oder mehrere spezifische Persönlichkeitsstörungen.
  • Angst kann bei einigen Persönlichkeitsstörungen äußerst stark ausgeprägt sein, besonders bei Borderline-, ängstlicher, anankastischer und abhängiger Persönlichkeitsstörung.
  • Unzureichende Wirkung und/oder schnelle Symptomwiederkehr nach antidepressiver Pharmakotherapie

Fragebögen

  • Können der Ergänzung der Diagnostik und der Verlaufsbeobachtung dienen.
  • Gängige Instrumente

Apparative Diagnostik in der Hausarztpraxis

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Stationäre Einweisung bei akuter Suizidalität
  • Wenn die Betroffenen selbst die Notwendigkeit therapeutischer Gespräche andeuten.
  • Wenn die Funktionsfähigkeit am Arbeitsplatz so stark reduziert ist, dass sich Krankschreibungen häufen und Erwerbsunfähigkeit in Betracht gezogen wird.
  • Wenn Angehörige mit der Situation überfordert sind.
  • Wenn Kinder oder Jugendliche mit im Haushalt leben: Zur Klärung, ob deren psychische Entwicklung durch die Persönlichkeitsstörung der Indexpatient*in gefährdet ist und ggf. zur Vermittlung und Koordination psychosozialer Hilfsangebote.

Therapie

Therapieziele

  • Übergeordnetes Ziel
    • Eine Persönlichkeitsveränderung zur Stärkung von sozialer Kompetenz und Anpassungsfähigkeit anstreben.
  • Vorläufige Ziele
    • Akut auftretende Symptome reduzieren.
    • Krise überwinden.
    • Konflikte mit nahestehenden Personen lösen.
    • Die Patientin/den Patienten zu einer umfassenderen Therapie motivieren.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung dieser Patientengruppen ist herausfordernd.
  • Eine Grundstrategie der Intervention sollte auf aktivem Zuhören, Rücksichtnahme und der Stärkung der von den Betroffenen am meisten geschätzten Werte basieren.19
  • Die spezifischen Persönlichkeitsstörungen können in 2 Hauptgruppen unterteilt werden:
    1. leichte Persönlichkeitsstörungen wie ängstliches, anankastisches und asthenisches Verhalten
    2. schwere Persönlichkeitsstörungen (die übrigen).
  • Die Standardtherapie für leichte Persönlichkeitsstörungen ist eine ambulante Langzeit-Psychotherapie. Metaanalysen belegen deren Wirksamkeit (Ia).23-24
  • Das Gleiche gilt für schwere Persönlichkeitsstörungen, hier sind jedoch häufig weitere Interventionen erforderlich, wie
    • Krisenintervention
    • stationäre Psychotherapie
    • Milieutherapie, z. B. therapeutische Gemeinschaften10
    • ggf. Pharmakotherapie ängstlicher, depressiver oder psychotischer Symptome.

Psychotherapie

  • Intensität und Setting
    • In der Regel ist eine langfristige ambulante Psychotherapie erforderlich.
    • ggf. ergänzt durch stationär psychotherapeutische und/oder medikamentöse Behandlungen 
    • Kurzzeitpsychotherapien bei ausgewählten Patient*innen mit leichten Persönlichkeitsstörungen
  • Wirksamkeitsnachweis
    • Die bisherigen Studien sprechen für die Wirksamkeit von Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen.
      • Die meisten Studien wurden mit Borderline-Patient*innen durchgeführt.
      • Die Ergebnisse erfordern eine Replikation in weiteren Studien.
    • Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist bislang am besten untersucht.
      • Sie basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, ergänzt durch Elemente aus anderen Therapieverfahren, Mindfulness- und Entspannungstechniken.
    • Weitere Therapien, für die es vorläufige Wirksamkeitsnachweise gibt (in absteigender Reihenfolge nach Qualität der Wirksamkeitsdaten):
      • Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT): Enthält psychodynamische und kognitiv-behaviorale Elemente.
      • übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP): psychodynamisches Verfahren
      • Schematherapie: Basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, ergänzt durch Elemente aus anderen Therapieverfahren.
      • Systems Training for Emotional Predictability and Problem Solving (STEPPS): 20-wöchiges Trainingsprogramm speziell für Menschen mit Borderline-PS.

Künstlerische Therapien

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10
  • Inkonsistente Ergebnisse der bisher verfügbaren randomisiert kontrollierten Studien bei Patient*innen mit schweren psychischen Störungen, u. a. Persönlichkeitsstörungen (Stand Februar 2020)
  • Musiktherapie
    • relativ konsistente Hinweise auf Wirksamkeit im Sinne der Reduktion psychopathologischer Symptome
    • möglicherweise auch Verbesserung des sozialen Funktionsniveaus, der Lebensqualität und des Selbstwertgefühls
  • Kunsttherapie und Tanztherapie
    • inkonsistente Ergebnisse
  • Dramatherapie
    • schwache Datenlage

Medikamentöse Therapie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.25-26
  • Bislang gibt es kaum verlässliche Wirksamkeitsnachweise aus randomisiert kontrollierten Studien (RCT).
  • Liegt ausschließlich eine Persönlichkeitsstörung vor, kann eine medikamentöse Behandlung nur im Rahmen von Studien oder als Off-Label-Use erfolgen.
  • Immer sollte eine störungsspezifische psychotherapeutische Behandlung bevorzugt und zeitnah eingeleitet werden.
  • Nicht empfehlenswert:
    • trizyklische Antidepressiva (Cave: Toxizität bei krankheitsbedingtem Suizidrisiko, Näheres siehe Artikel Depression!)
    • konventionelle Antipsychotika (Cave: extrapyramidalmotorische und kardiale Nebenwirkungen!)
    • Benzodiazepine (Cave: hohes Abhängigkeitspotenzial bei hohem krankheitsbedingten Risiko für Suchterkrankungen!).
  • Bedingt empfehlenswert:
    • atypische Antipsychotika
      • Olanzapin: In mehreren RCT nachweisbare, aber gering ausgeprägte Effekte auf affektive Instabilität, Ärger, Angst und psychotische Symptome, aber auch Hinweise auf Zunahme suizidalen Verhaltens unter der Behandlung. U. a. metabolische Nebenwirkungen mit Gewichtszunahme. Insgesamt ist von einem Einsatz eher abzuraten.
      • Aripiprazol: Einer einzelnen Studie zufolge scheint Aripiprazol bei Impulsivität, Ärger, interpersonellen Problemen und psychotischen Symptomen wirksam zu sein. Das bedarf jedoch der Überprüfung in weiteren Studien.
      • Ziprasidon zeigte bei Patient*innen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung keine Überlegenheit gegenüber Placebo.
      • bislang keine RCT zu anderen Antipsychotika (Stand Februar 2020)
    • Stimmungsstabilisierer vom Antikonvulsiva-Typ, z. B.:
      • Valproinsäure
      • Topiramat
      • Lamotrigin (laut einer RCT nicht wirksamer als Placebo27).
    • selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
      • Die Behauptung, SSRI seien in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen besonders bei emotional-dysregulativer und impulsiver Symptomatik wirksam, konnte in den bisherigen RCT nicht gestützt werden.
      • SSRI können aber bei Begleiterkrankungen indiziert sein, z. B. AngststörungenDepression oder Essstörungen.
  • Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren
    • Hinweise aus zwei kleinen RCT auf eine Wirksamkeit bei Borderline-Persönlichkeitsstörung bedürfen der Überprüfung in geeigneten Studien.26

Therapiestrategien

Sonderbare oder exzentrische Persönlichkeiten (Cluster A): paranoide, schizoide und schizotype Persönlichkeitsstörungen22

  • Typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
    • Diese Betroffenen sind unbequem in zwischenmenschlichen Situationen, emotional distanziert, schwer einzubinden und isolieren sich.28
    • bei paranoider Persönlichkeitsstörung: Misstrauen und Verdächtigungen
    • bei schizotyper Persönlichkeitsstörung: irrationale, verzerrte Auffassungen und Gedankenmuster
    • Emotionale Zuwendung und wohlmeinende Kontaktaufnahme der Behandelnden werden leicht als aufdringlich oder bedrohlich erlebt.
      • Im Umgang mit diesen Patient*innen sind viele der Strategien, die üblicherweise zur Bildung einer therapeutischen Allianz angewendet werden, ineffektiv oder kontraproduktiv.
    • Die Patient*innen sträuben sich, Hilfe aufzusuchen, weil dies einen persönlichen Kontakt erfordert. Sie reagieren daher auf eine abwesende und seltsame Art und Weise und können bizarre Vorstellungen bezüglich ihrer eigenen Erkrankung haben.
  • Therapeutische Grundhaltung
    • Im Gespräch sollten die Behandelnden das Bedürfnis der Patient*innen nach zwischenmenschlichem Abstand respektieren und eine respektvolle professionelle Distanz einhalten.
    • Medizinische Informationen sollten auf eine klare und geradlinige Weise vermittelt werden.
    • Bei Patient*innen mit paranoider oder schizotyper Persönlichkeitsstörung, die Misstrauen und seltsame Ideen ausdrücken, sollten die Behandelnden nicht direkt auf diese Ideen eingehen oder von ihnen abgelenkt werden.

Dramatisierende, emotionale, antisoziale Persönlichkeiten (Cluster B)

  • Allgemeines
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Die Patient*innen können extrem anspruchsvoll, manipulativ und emotional instabil sein und zeigen häufig unangemessene zwischenmenschliche Reaktionsmuster.
      • Es kommt vor, dass sie versuchen, Beziehungen zu schaffen, die die professionellen Grenzen überschreiten, und Ärzt*innen in schwierige oder kompromittierende Situationen bringen können.
      • Ärzt*innen reagieren oft stark emotional auf diese Patient*innen.
    • therapeutische Grundhaltung
      • In Gesprächen sollten Ärzt*innen dem manipulativen Verhalten der Patient*innen gegenüber sehr aufmerksam sein, die professionellen Grenzen beachten, Grenzen setzen und ihren eigenen emotionalen Zustand erkennen.
  • Dissoziale Persönlichkeitsstörung
    • Wirksamkeitsnachweise Psychotherapie29
      • bislang kaum Qualitätsstudien
      • Hinweise auf die Wirksamkeit der psychosozialen Interventionen Kontingenzmanagement, kognitive Verhaltenstherapie und „Driving Whilst Intoxicated Program“ für Gefängnisinsassen
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Diese Patient*innen erscheinen betrügerisch, impulsiv und ignorieren häufig die Rechte anderer.
      • Sie können Krankheiten simulieren und versuchen häufig Ärzt*innen zu täuschen, damit diese ihnen psychotrope Medikamente verschreiben.
      • Sie können aggressiv und gewaltsam auftreten.
      • Oft gibt es Ungereimtheiten zwischen Verhalten der Patient*innen, Anamnese und körperlicher Untersuchung.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Wenn das klinische Bild auf antisoziales Verhalten hindeutet, sollte eine gründliche Überprüfung der Vorgeschichte der Patient*innen vorgenommen werden. Befunde sollten durch geeignete Tests objektiviert werden.
      • Befunde, Einschätzungen, Empfehlungen und Grenzsetzungen sollten klar und deutlich kommuniziert werden.
      • In einigen Fällen kann psychiatrische oder juristische Hilfe notwendig sein.
  • Instabile (Borderline-)Persönlichkeitsstörung
    • Dies ist die am besten untersuchte Form mit den detailliertesten Behandlungsempfehlungen (s. o.).30
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Der Umgang mit diesen Patient*innen kann schwierig und frustrierend sein.
      • Wegen ihrer Instabilität in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen, Selbstbild, Affekte und Impulsivität können die Patient*innen ein weites Spektrum an Symptomen zeigen, wie Depression, Wut, Paranoia, extreme Abhängigkeit, Selbstverletzung und abwechselnde Idealisierung und Abwertung der Ärzte.
      • Ihr Leben scheint ein Chaos zu sein.
      • Sie übertragen viele ihrer Gefühle, Konflikte und dysfunktionalen Gedankenmuster auf die Behandelnden.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Professionelle Haltung einnehmen.
      • Klare Grenzen setzen in Bezug auf Verfügbarkeit, Häufigkeit der Gespräche, Verhalten der Patient*innen und Medikamenteneinsatz.
      • Es ist wichtig, dass Ärzt*innen aufmerksam gegenüber ihren eigenen Gefühlen sind und nicht unbedacht auf verbale Angriffe und Manipulation reagieren.
      • Es ist erforderlich, einen formellen Behandlungsplan zu erstellen, um eine effektive Arbeitsorganisation zu etablieren.
  • Histrionische Persönlichkeitsstörung
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Diese Patient*innen fühlen sich unwohl, wenn sie nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.
      • Sie verhalten sich emotional demonstrativ und verführerisch und nutzen ihre Erscheinung, um die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen.
      • Dementsprechend haben die Auswirkungen von Erkrankungen und der Alterungsprozess erheblichen Einfluss auf ihr Integritätsempfinden.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Ärzt*innen sollten aufmerksam gegenüber dem zwischenmenschlichen Stil der Patient*innen sein und empathisch zuhören, es aber gleichzeitig vermeiden, unangemessen auf manipulatives oder verführerisches Verhalten zu reagieren.
      • Darauf achten, dass die kognitiven Prozesse bei diesen Patient*innen sehr unter dem Einfluss von Emotionen und egozentrischen Bewertungsmustern stehen. Dies erschwert es ihnen, Fakten und Details realistisch einzuordnen und pragmatische Entscheidungen zu treffen.
      • Daher sollten die Behandelnden die betroffenen Personen über wichtige Sachverhalte besonders sorgfältig und ggf. wiederholt aufklären.   
  • Narzisstische Persönlichkeitsstörung
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Diese Patient*innen sind mit ihrer Selbstüberschätzung und ihrer Selbstbezogenheit oft anspruchsvoll und bestehen auf einem Sonderstatus und einer Sonderbehandlung.
      • Sie können arrogant und egozentrisch erscheinen, verleugnen ihre Erkrankung und sind schnell verärgert über angebliche Beleidigungen.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Behandelnde sollten es vermeiden, die „Überlegenheit“ der Betroffenen herausfordernd infrage zu stellen und damit Ärger oder Abwehr zu provozieren. 
      • Für ihre Anliegen sollte gesorgt werden, und es sollte ihnen versichert werden, dass sie die bestmögliche Hilfe bekommen.
      • Die Betroffenen sollten darin unterstützt werden, eine aktive Rolle bei der Bewältigung ihrer Probleme einzunehmen.
      • Es können taktvolle Verhandlungen und Grenzsetzungen bezüglich der Forderungen der Patient*innen nach Tests, Therapien und Überweisungen erforderlich sein.

Ängstliche und nervöse Persönlichkeiten (Cluster C)

  • Allgemeines
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Alle diese Patient*innen haben erhöhte Angstlevel.
      • Die Patient*innen mühen sich mit Vorstellungen ab, die zu Beschwerden führen und die Arzt-Patient-Beziehung stören, ob dies nun aus Angst vor der Meinung anderer, aus Angst vor Ablehnung oder vor Kontrollverlust geschieht.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Ängste mildern und weitergehende psychotherapeutische Interventionen ermöglichen.
  • Patient*innen mit ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • schüchternes, gehemmtes Verhalten
      • vermeidendes Verhalten, sozialer Rückzug
      • geringes Selbstwertgefühl 
      • Die Betroffenen fühlen sich leicht kritisiert und empfinden jede Kritik als persönliche Abwertung.
      • Es ist möglich, dass sie Informationen zurückhalten, die sie als aufschlussreich empfinden, dass sie es ablehnen, auf Fragen zu antworten, und dass sie mit der Ärztin/dem Arzt nicht einverstanden sind.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Da die meisten Betroffenen grundsätzlich in der Lage sind, geeignete Beziehungen zu entwickeln, wenn sie sich sicher und akzeptiert fühlen, sollten die Behandelnden akzeptierend und aufmerksam auftreten, mit Unterstützung großzügig sein und die Patient*innen ermutigen, über ihre Symptome und Sorgen zu sprechen und zu diskutieren.
  • Patient*innen mit asthenischer (abhängiger) Persönlichkeitsstörung
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Diese Patient*innen kämpfen mit der Vorstellung, dass sie ohne die Hilfe anderer nicht in der Lage sind, zufriedenstellend zu funktionieren.
      • Dies erschwert es ihnen, Entscheidungen zu treffen, motiviert zu bleiben und Verantwortung zu übernehmen; und es entsteht die Angst, von Menschen abgelehnt zu werden, die für sie wichtig sind.
      • Abhängige Patient*innen unternehmen große Anstrengungen, um Beziehungen mit anderen aufrechtzuerhalten und das Gefühl von Sicherheit zu bewahren.
      • Wenn sie sich wegen einer Erkrankung in Behandlung begeben, wollen sie am liebsten alle Entscheidungen den Behandelnden überlassen.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Ärzt*inn können Hilfestellung leisten, sollten aber ihre Grenzen kennen und der Versuchung widerstehen, wichtige Entscheidungen zu übernehmen, die die Patient*innen selbst treffen können.
      • Beschränken Sie den Zeit- und Ressourcenbedarf und kommunizieren Sie das offen und ehrlich.
      • Ggf. Angehörige einbinden.
  • Patient*innen mit anankastischer (zwanghafter) Persönlichkeitsstörung
    • typische Hindernisse für einen therapeutischen Zugang
      • Die Patient*innen sind von Ordnung und Kontrolle besessen.
      • In ihrer Beschäftigung mit Details, Regeln und Organisation sehen die Betroffenen oft „den Wald vor lauter Bäumen nicht“.
      • Sie erwarten die gleiche Haltung von den Ärzt*innen.
      • Sie brauchen das Gefühl, Kontrolle aufrechtzuerhalten.
      • Sie reagieren besonders beängstigt, wenn sie mit Unsicherheiten und „Grauzonen“ umgehen sollen.
    • therapeutische Grundhaltung
      • Behandelnde sollten das Bedürfnis der Betroffenen nach Ordnung respektieren und fachliche Informationen in einer gut strukturierten Form übermitteln.
      • Emotional aufgeladene Diskussionen mit Abwertungen des Zwangsverhaltens können die Zwangsvorstellungen verstärken und sollten vermieden werden.
      • Eine effektive Taktik ist es, den Patient*innen die Aufgabe zu geben, die Symptome und ihr Befinden zu überwachen in einem Tagebuch zu dokumentieren. Das kommt ihrem Bedürfnis nach Kontrolle entgegen und ermöglicht die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.
      • Es kann erforderlich sein, den Patient*innen bei der Beanspruchung des ärztlichen Zeitaufwandes Grenzen zu setzen.

Prävention

  • Bei Verdacht auf schwere Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter kann die rechtzeitige Überweisung an Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen sinnvoll sein.
  • Frühzeitiges Erkennen und Behandeln von psychischen Störungen einschließlich Suchterkrankungen bei den Eltern
  • Erziehungsberatung, Prävention von frühen Bindungsstörungen
  • Prävention von sexuellem MissbrauchKindesmisshandlung und Vernachlässigung

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Neuere Studien deuten darauf hin, dass Persönlichkeitsstörungen keineswegs so stabil und unveränderlich sind, wie bislang angenommen.
  • Bestimmte Merkmale wie die Impulsivität bei Borderline- und dissozialer Persönlichkeitsstörung neigen dazu, sich nach 30–40 Jahren abzuschwächen.
    • Zunächst nimmt die Impulsivität ab und danach die kognitiven Dysfunktionen, während die affektiven Symptome eine höhere Behandlungsresistenz aufweisen.

Komplikationen

Prognose

  • Eine unbehandelte Persönlichkeitsstörung ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für zerbrochene Partnerschaften, Einsamkeit, psychische und soziale Komplikationen (s. o.) und Suizid verbunden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie: S2-Leitlinie für Persönlichkeitsstörungen, Stand 2009 (abgelaufen). www.dgppn.de
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 038-020. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie. Posttraumatische Belastungsstörung. AWMF-Leitlinie Nr. 55-001. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV) im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 028-029, Stand 2015. www.awmf.org

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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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