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2020Erkältungswelle trotz der Corona-W42Schutzmaßnahmen?

Erkältungswelle trotz der Corona-Schutzmaßnahmen?

In den letzten Tagen und Wochen erleben wir eine Zunahme von Erkältungsfällen, nicht nur bei Patient*innen, sondern auch im privaten und beruflichen Umfeld. Fast allen Betroffenen gemeinsam ist, dass der SARS-CoV-2-Abstrich negativ ausfällt. Wie kann das sein? Es besteht Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Geschäften, in Praxen und sogar im Schulunterricht. Die meisten kennen und befolgen die sogenannten AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) und trotzdem haben sich offenbar sehr viele Menschen mit Erkältungsviren angesteckt. Helfen die „Corona-Maßnahmen“ also generell nicht gegen Erkältungsviren? Oder gibt es punktuelle Schwachstellen beim Infektionsschutz?

Möglicherweise nutzen Alltagsmasken ohne Einhaltung der Abstandsregeln nicht so viel wie allgemein angenommen. In den Schulen beispielsweise sitzen die Kinder sehr nah nebeneinander. Die Fenster in den Klassenzimmern sind geschlossen. Alle 20 Minuten erfolgt eine „Stoßlüftung“. Offiziell sind Kita- und Schulkinder dazu angehalten, bei Schnupfen und leichtem Husten nicht zu Hause zu bleiben. Erst bei schwereren Symptomen wie Fieber sollen die Kinder krankgemeldet werden. Meine beiden Töchter berichten, dass in ihren Klassen ein Großteil der Kinder stark verschnupft sei und einige auch kräftig husten. Viele seien negativ auf Corona getestet worden und kommen daher erkältet zum Unterricht. Obwohl sich in den Schulen so gut wie alle an die Hygieneregeln halten, kommt es zu einer ungehinderten Ausbreitung von Erkältungsviren. Der Verdacht liegt nahe, dass das daran liegt, dass zu große Gruppen ohne Abstand in geschlossenen Räumen zusammenkommen, so dass Masken allein auch nicht schützen können.

Zahlreiche Berufstätige haben sich ihre Erkältung wohl eher deswegen geholt, weil die AHA-Regeln an vielen Arbeitsplätzen nicht mehr ganz so ernst genommen werden. Viele Arbeitgeber*innen pochen wieder auf eine Anwesenheit der Mitarbeiter*innen im Büro. Das Homeoffice ist natürlich auch nicht für alle Berufe dauerhaft geeignet. Manche Betroffene erzählen von häufigen Meetings in geschlossenen Räumen, ohne Masken und mit vielen Teilnehmer*innen an einem Tisch. Oft wird extra nicht gelüftet, weil manche Meeting-Teilnehmer*innen befürchten, sich durch die Zugluft zu „erkälten“. Hier mangelt es offenbar an Aufklärung und Einsicht.

Inwieweit Abstandsregeln in Restaurants, Kinos oder Sportstätten umgesetzt werden ist sicher individuell sehr unterschiedlich. Aber auch mir ist es wiederholt passiert, dass Nachbarn im Restaurant Stuhl an Stuhl mit dem Rücken zu mir platziert wurden und natürlich am Restauranttisch keine Maske trugen.

Wir haben das Glück, dass nur gewöhnliche Erkältungsviren zu den Ergebnissen dieses bundesweiten Virentestlaufs führten. Dass sich hier offensichtlich nur relativ harmlose Erkältungen so gut wie ungehindert ausgebreitet haben und nicht COVID-19, liegt am Timing im Frühherbst und einer guten Portion Glück. Jetzt kommt es darauf an, etwas daraus zu lernen und an den Maßnahmen noch einmal gehörig nachzubessern. Denn niemand will einen erneuten Lockdown.

Wie auch Ergebnisse einer durch die WHO finanzierten Metaanalyse nahelegen, ist das Abstandhalten die wichtigste nicht-pharmazeutische Maßnahme gegen eine Übertragung von SARS-CoV-2. Masken bieten, abhängig vom Kontext, einen zusätzlichen Schutz, am besten in Kombination mit der Einhaltung von Abstandsregeln. So sind einige der derzeit gültigen Infektionsschutzempfehlungen noch einmal gründlich zu durchdenken. Sollen Schüler*innen wirklich ohne Abstand täglich eng beieinander in geschlossenen Klassenräumen sitzen, oder wäre hier nicht doch ein frühzeitiger wechselnder Schichtbetrieb angezeigt? Ist es ernsthaft sinnvoll, dass Kinder und Jugendliche vom Krippenalter bis zum Abitur mit Erkältungssymptomen in Kitas und Schulen gehen? Sollen Abstandsregeln nicht konsequenter umgesetzt werden, an Arbeitsplätzen, in Restaurants und in weiteren geschlossenen Räumen? Bleibt nur zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen umgehend reagieren und hier noch nachjustieren.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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