Allgemeinmedizin attraktiver machen – wie geht das?

Für viele Fachgebietsärzte arbeiten wir Allgemeinärzte nur mit einer Mischung aus oberflächlichen Kenntnissen von Innerer Medizin, HNO, Orthopädie usw. und überweisen sowieso die meisten ernsthaft kranken Patienten an sie, die „Spezialisten“. Dafür werden wir natürlich auch schlechter bezahlt. Dass wir durch Überweisungen oft nur diagnostische Auftragsleistungen, wie Herzecho, Stressecho oder Herzkatheter anfordern, dann aber den Patienten mit der Kenntnis der Befunde selbst kompetent weiterbehandeln, ist vielen nicht klar.

Eine bisher meist unstrukturierte Weiterbildung in der Allgemeinmedizin, mit ungezielt wirkenden Wechseln von Abschnitten in Klinikabteilungen und Praxen, bestärkt womöglich den Eindruck einer fehlenden Identität und Entität unseres Faches. Selbst vielen Allgemeinärzten ist nicht klar, dass Allgemeinmedizin eine eigene wissenschaftliche Basis und Herangehensweise sowie eigene Leitlinien braucht. Auf unser generalistisches Arbeiten im Niedrigprävalenzbereich, mit anderen Krankheitsbildern als im Klinikkontext, sind Forschung und Leitlinien anderer spezialisierter Fachgebiete oft nicht übertragbar. Die Arbeit der mittlerweile zahlreichen allgemeinmedizinischen Lehrstühle dient keinesfalls nur den akademischen Karrieren Einzelner. Sie stärkt unser Fach durch die Schaffung eines wissenschaftlichen Fundaments für unsere Arbeit und die Präsenz allgemeinmedizinischer Themen in Forschung und Lehre. 

Es ist essenziell, dass die DEGAM durch eigene Leitlinien oder Leitlinienbeteiligungen die fachliche Hoheit über allgemeinmedizinische Themen ergreift, wie z.B. bei Multimedikation, Nackenschmerzen, Ohrenschmerzen, Gicht oder Typ 2 Diabetes. Wenn sich die Allgemeinmedizin, wie es in Skandinavien längst der Fall ist, erfolgreich als eigenes anspruchsvolles Fachgebiet präsentieren kann, wird sie nach und nach auch vom Nachwuchs mit anderen Augen gesehen werden. Aber ohne eine mit den anderen Fachgebieten vergleichbare Bezahlung und gute, familienfreundliche Arbeitsbedingungen hilft die gesteigerte inhaltlichen Attraktivität auch nicht gegen den Nachwuchsmangel.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

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