Ist ein Arzt an Bord?

Wenn man an Bord des Flugzeuges, das einen eigentlich nur in den Urlaub oder vom Urlaub zurückbringen soll, diese Frage hört, ahnt man, dass es kompliziert werden könnte, und möchte vielleicht in einem ersten Impuls den Kopf einziehen. Manche Ärzte fürchten haftungsrechtliche Folgen bei der Hilfeleistung im Flugzeug. Die rechtlichen Risiken sind aber, außer bei grober Fahrlässigkeit, sehr gering und hilfeleistende Ärzte in der Regel über die Fluglinie haftpflichtversichert. Neben einer ethischen Verpflichtung besteht aber laut deutschem Recht eine gesetzliche Verpflichtung zur Hilfeleistung in Notfällen. Man muss also aufstehen und sich bei der Kabinenbesatzung melden. Unser neuer Artikel Notfälle bei Flugreisen informiert Sie darüber, welche medizinischen Versorgungsmöglichkeiten an Bord eines Flugzeuges bestehen, mit welchen Schwierigkeiten und Einschränkungen man rechnen muss und welche Krankheitsbilder und Notfälle am häufigsten sind.

Im Flugzeug herrschen besondere Umgebungsbedingungen: Der niedrige Luftdruck an Bord eines Flugzeuges führt dazu, dass sich gashaltige Hohlräume, wie Nebenhöhlen, Mittelohr und Darm um ca. 30 % ausdehnen, was beispielsweise bei vorbestehenden Tubenventilationsstörungen zu Ohrenschmerzen führen kann. Der niedrige Sauerstoffpartialdruck in der Kabine kann bei Patienten mit Lungenerkrankungen Symptome hervorrufen. Die trockene Kabinenluft trägt bei den Passagieren zu einer Dehydratation bei.

Medizinische Notfälle an Bord eines Flugzeuges kommen relativ selten vor, schätzungsweise einer pro ca. 600 Flügen. Am häufigsten handelt es sich um Synkopen oder Präsynkopen, gastrointestinale Erkrankungen (z. B. eine Gastroenteritis), respiratorische Erkrankungen (z. B. Atemnot bei COPD), kardiovaskuläre Erkrankungen und kleinere Unfälle, etwa Verletzungen durch aus der Ablage herabfallendes Gepäck oder Verbrühungen durch heiße Getränke. Lebensbedrohliche Notfälle sind sehr selten. Nur in Einzelfällen wird eine kardiopulmonale Reanimation mit Gebrauch eines AED notwendig.

Die medizinische Versorgung von Patienten an Bord eines Flugzeuges kann für Ärzte herausfordernd sein: Oft ist die sprachliche Verständigung mit den Betroffenen bei internationalen Flügen schwierig. Eine körperliche Untersuchung mit Auskultation von Herz und Lunge ist aufgrund der räumlichen Enge und der Geräuschkulisse stark erschwert. Die medizinische Ausrüstung an Bord ist aber bei großen Fluglinien relativ gut, so sind wichtige Notfallmedikamente und die Ausrüstung für Messung von Blutdruck und Blutzucker, aber auch für Infusionen und Beatmung vorhanden. Die Crew ist durch regelmäßiges Training in der kommunikativen Unterstützung bei Notfällen und in der CPR geübt. Meist steht ein ärztliches Beratungsteam der Fluglinie am Boden per Funk zur Verfügung. Die Entscheidung über eine eventuell indizierte Zwischenlandung wird gemeinsam mit dem Bodenteam getroffen und liegt letztendlich beim Captain. Indikationen für eine Zwischenlandung sind z. B. V. a. akutes Koronarsyndrom, V. a. Schlaganfall, wiederholte Krampfanfälle oder Schwangerschaftskomplikationen nach der 20. Woche. 

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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