Substitutionstherapie – Wer traut sich das zu?

Zur Substitutionstherapie bei Opioidsüchtigen in der Hausarztpraxis gibt es sehr unterschiedliche Standpunkte und auch manches Vorurteil. Viele Kollegen sagen, dass sie sich darauf nicht einlassen wollen, weil ihnen „die Süchtigen die normalen Patienten aus dem Wartezimmer vertreiben“ würden. Sie fürchten auch, dass die Arbeit mit Suchtpatienten zu aufwändig und frustrierend ist. Von Kollegen, die selbst Substitutionstherapie durchführen, wurde mir erzählt, dass dieser Teilaspekt der Hausarztmedizin sehr erfüllend sein kann, weil die Patienten, die ohnehin an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, oft auch sehr dankbar jede Hilfe sind. Ich selbst habe noch nie in einer Substitutionspraxis gearbeitet, kann mir aber vorstellen, dass man dafür sehr viel Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz braucht, weil Beikonsum, Rückfälle und schwere psychische Begleiterkrankungen sehr häufig sind.

Für diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, Substitutionstherapie in ihrer Praxis anzubieten und sich allgemein darüber informieren wollen, gibt es unseren neuen Artikel Substitutionstherapie bei Opioidabhängigkeit. Hier finden Sie Informationen zu den rechtlichen Hintergründen und der erforderlichen ärztlichen Qualifikation. Für die Verordnung von Substitutionsmitteln an Opioidabhängige ist eine Meldung an die Bundesopiumstelle erforderlich. Zusammen mit den Patienten ist eine Behandlungsvereinbarung inklusive Aufklärung, Einwilligung und Festlegung von Therapiezielen zu erarbeiten und zu dokumentieren. Die Substitution mithilfe von Methadon und Buprenorphin ist am besten untersucht und wird am häufigsten eingesetzt.

Hintergrundwissen zur Opioidabhängigkeit generell bietet unser Artikel Opioid-Entzugssyndrom. Hier werden die Wirkungsweise der Opioide und die Symptome bei Opioidkonsum und -entzug beschrieben. Eine wichtige Patientengruppe wird, im Gegensatz zu den Konsumenten illegaler Drogen, in der Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen: Personen, die von verschreibungspflichtigen Opiaten abhängig sind. Aber auch diese Patienten können eine substitutionsgestützte Entzugsbehandlung benötigen. Hier ist in der Regel auch die Erfolgsrate höher als bei Heroinabhängigkeit.

Beikonsum kann aufgrund von gefährlichen Interaktionen von anderen illegalen Drogen oder Alkohol mit dem Substitutionsmedikament potenziell lebensbedrohlich sein. Deshalb können unangekündigte Urinkontrollen bei der Einschätzung und ggf. der Dosisanpassung des Substitutionsmittels hilfreich sein. Unser Artikel Drogenscreening bietet Informationen zu den Indikationen, Nachweisgrenzen und der Durchführung von Drogenscreenings, die im Rahmen der Substitutionstherapie verpflichtend sind. Standardmäßig werden Drogenscreenings in der suchtmedizinischen Routine aus Urin durchgeführt. Das Gewinnen der Urinprobe unter direkter Sicht von Praxismitarbeitern ist Goldstandard. Um eine Abkühlung des Urins durch Lagerung nicht zu übersehen, soll direkt nach Abgabe die Temperatur der Probe gemessen werden. Um eine Beimischung von manipulativen Substanzen auszuschließen, sollen immer pH-Wert und spezifisches Gewicht kontrolliert werden.

Substitutionstherapie ist sicher nicht für alle Hausärzte und alle Hausarztpraxen das Richtige. Generell sollte man eine hohe Motivation mitbringen, um Substitutionstherapie in der Praxis anzubieten. Hier geht es nicht um ein kleines Zubrot, für das man nur eine Zusatzqualifikation braucht. Um den betroffenen Patienten mit ihrer schwierigen gesundheitlichen und sozialen Situation gerecht zu werden, ist ein hohes Maß an Belastbarkeit und Toleranz erforderlich.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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