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2020-W23Nitrosamine in Medikamenten: Was läuft da schief?

Nitrosamine in Medikamenten: Was läuft da schief?

Ende 2019 wurden weltweit Präparate des H2-Antagonisten Ranitidin zurückgerufen. Grund dafür war eine Verunreinigung mit dem Nitrosamin Nitrosodimethylamin (NDMA). An der Produktion waren indische Firmen beteiligt. Inzwischen darf Ranitidin in der gesamten EU nicht mehr vertrieben werden (siehe arznei-telegramm). NDMA ist in mehreren Präparaten in „nicht akzeptablen“ Mengen gefunden worden. Die Herkunft des NDMA ist wohl nicht genau geklärt. Ranitidin war bei seinen Anwendungsgebieten nur noch ein Mittel der zweiten Wahl oder ein Reservemedikament. Dennoch war es als solches noch in einigen unserer Artikel genannt. Wir haben deswegen in allen betroffenen Artikeln die Informationen angepasst, so beispielsweise in Gastroösophageale Refluxkrankheit, Komplikationen bei Magengeschwür und Gastritis, aber auch in Anaphylaxie und Schwangerschaftsvorsorge.

Bereits 2018 lösten Kontaminationen mit dem kanzerogenen Nitrosamin NDMA einen massenhaften Rückruf Valsartan-haltiger Präparate aus. Die Wirkstoffe wurden von einer chinesischen Firma produziert. Bereits damals wurden eine mangelnde Qualitätskontrolle und fehlende behördliche Inspektionen beim Lohnhersteller in China kritisiert. Als Verunreinigungen bei weiteren Sartanen (Irbesartanen und Losartan) bekannt wurden, kam es wiederholt zu Lieferengpässen bei Sartanen. Europäische und deutsche Behörden informierten nicht namentlich über betroffene Präparate und deren NDMA-Gehalt, was zu erheblicher Verunsicherung bei der Verordnung führte.

Ebenfalls Ende 2019 wurde NDMA auch im Antidiabetikum Pioglitazon entdeckt, welches aber ohnehin eine untergeordnete Rolle spielt, da es nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden darf. Im Dezember 2019 wurde NDMA in Metformin-Präparaten in Singapur nachgewiesen. Bisher kam es aber noch nicht zu Chargenrückrufen in Deutschland.

Arzneimittelhersteller begründen die Verlagerung wichtiger Produktionsschritte in Billiglohnländer wie Indien und China mit dem hohen Preisdruck, der auf ihnen lastet. Dort ist die Produktion laut arznei-telegramm billig, weil Investitionskosten und Löhne niedrig sind und es nur minimale Umweltauflagen und weniger behördliche Vorschriften gibt. Weil weniger Qualitätskontrollen und Inspektionen erfolgen, konnten die Verunreinigungen mit NDMA lange Zeit unbemerkt bleiben, möglicherweise bereits seit 2012. Für Verbraucher sind Herkunft und Produktionsschritte aus der Produktinformation von Medikamenten nicht nachvollziehbar. Lediglich der Anbieter, also die Pharmafirma, nicht aber die Lohnhersteller müssen auf dem Produkt angegeben werden.

Produktion von Medikamenten und auch Medizinprodukten in Billiglohnländern führt nicht nur zu kaum kontrollierbaren Qualitätsmängeln. Abhängigkeit von Produktionsketten im Ausland kann auch zu Lieferengpässen von Medikamenten hierzulande führen, die das Beispiel der Sartane deutlich zeigt. Gerade während der COVID-19-Pandemie wird dies noch einmal besonders deutlich: Die Produktion von Schutzausrüstung im Ausland verursachte hier eine Unterversorgung und damit einhergehende Gefährdung von medizinischem Personal.

Eigentlich sind die Anbieter medizinischer Präparate, also westliche Pharmafirmen, für die Qualität der Produkte verantwortlich. Stärkere Kontrollen durch europäische Methoden und die Hersteller selbst sowie Offenlegung aller Produktionsschritte sollten vorgeschrieben werden. Was könnte zudem eine Arzneimittelproduktion in Europa für die Pharmahersteller attraktiv machen? Denkbar wäre eine Vergabe von Rabattverträgen oder anderen Förderinstrumenten ausschließlich an Firmen, die alle Produktionsschritte in Europa durchführen lassen. Die Umsetzung dürft aber an den üblichen Lobbyinterventionen scheitern.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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Ende 2019 wurden weltweit Präparate des H2-Antagonisten Ranitidin zurückgerufen. Grund dafür war eine Verunreinigung mit dem Nitrosamin Nitrosodimethylamin (NDMA). An der Produktion waren indische Firmen beteiligt. Inzwischen darf Ranitidin in der gesamten EU nicht mehr vertrieben werden (siehe arznei-telegramm). NDMA ist in mehreren Präparaten in „nicht akzeptablen“ Mengen gefunden worden. Die Herkunft des NDMA ist wohl nicht genau geklärt. Ranitidin war bei seinen Anwendungsgebieten nur noch ein Mittel der zweiten Wahl oder ein Reservemedikament. Dennoch war es als solches noch in einigen unserer Artikel genannt. Wir haben deswegen in allen betroffenen Artikeln die Informationen angepasst, so beispielsweise in Gastroösophageale Refluxkrankheit, Komplikationen bei Magengeschwür und Gastritis, aber auch in Anaphylaxie und Schwangerschaftsvorsorge.
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Nitrosamine in Medikamenten: Was läuft da schief?
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