Allgemeine Informationen
Definition
- Pathologisch vergrößerte Milz
- Der Begriff Splenomegalie wird generell für eine palpabel vergrößerte Milz oder eine in einem bildgebenden Verfahren entdeckte Milzvergrößerung verwendet.1
- Die Milzgröße ist abhängig von Körpergröße und Geschlecht.2
Häufigkeit
- Häufiger sonografischer (Zufalls-)Befund in der Hausarztpraxis
- Aufgrund der vielen heterogenen Ursachen für eine Splenomegalie sind keine genauen Angaben zur Häufigkeit verfügbar.
- Bei 3 % der Normalbevölkerung ist eine Splenomegalie nachweisbar.1
Diagnostische Überlegungen
- Liegt eine echte Splenomegalie vor (entsprechend Körpergröße und Geschlecht)?
- Liegt eine bekannte vorübergehende Ursache (z. B. Mononukleose) für die Splenomegalie vor?
- Besteht der klinische Verdacht auf eine schwerwiegende Erkrankung?
- Sind Begleit- oder Grunderkrankungen (z. B. Leberzirrhose) bekannt?
- Die Organgröße kann differenzialdiagnostische Hinweise geben:1,4
- geringe bis mäßige Splenomegalie u. a. bei Infektionen, portaler Hypertension oder akuten Leukämien
- erhebliche Mizvergrößerung u. a. bei malignen Lymphomen, hämolytischen Anämien, Haarzelleukämie, Speicherkrankheiten (M. Gaucher), infektiöser Mononukleose, Leishmaniose, Malaria
- extreme Splenomegalie u. a. bei Osteomyelofibrose, im Spätstadium einer chronisch myeloischen Leukämie und im fortgeschrittenen Krankheitsstadium niedrig maligner Lymphome.
- Begleitsymptome können differenzialdiagnostische Hinweise geben.
- Zum Beispiel Fieber, das auf Lymphome, Malaria, Endokarditis oder Mononukleose hinweisen kann.1
- Akute Schmerzen im Zusammenhang mit einer Splenomegalie können Zeichen für eine Notfallsituation sein.1
- z. B. Sichelzellanämie mit akuter Milzkrise, Milzvenen- oder Pfortaderthrombose, akute Pankreatitis
Konsultationsgrund
- Kann von Zufallsbefund bei asymptomatischen
PatientenPatient*innen über unklaren Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit bis zu schwerer Krankheit mit stark eingeschränktem Allgemeinzustand variieren.
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Schwere Infektionen, z. B. Sepsis, Endokarditis, AIDS, Malaria
- Maligne Systemerkrankungen
- Hypersplenismus mit Leukopenie, Anämie, Thrombopenie als Folge einer Splenomegalie1
- Ösophagusvarizenblutung, akute Pankreatitis
ICPC-2
- B87 Splenomegalie
ICD-10
- R16.1 Splenomegalie andernorts nicht klassifiziert
- R16.2 Hepatomegalie verbunden mit Splenomegalie, anderenorts nicht klassifiziert
- Q89.00 Angeborene Splenomegalie
- D73.1 Hypersplenismus
- D73.2 Chronisch-kongestive Splenomegalie
Differenzialdiagnosen
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Akute und chronische systemische Infektionen
- Infektiöse Mononukleose
- Varizellen
- Hepatitis
- Chronische Hepatitis B oder C kann zu Leberzirrhose führen und damit zu Splenomegalie.1
- AIDS
- Sepsis
- Septische Streuung kann zu Milzabszessen führen.1
- Endokarditis
- Kann mit Milzabszessen einhergehen.1
- Typhus
- Tuberkulose
- Malaria
- Toxoplasmose
- Leishmaniose1
- Kandidiasis
Zirkulationsstörungen des Pfortaderkreislaufes
- Leberzirrhose
- Portaler Hypertonus führt zu Splenomegalie.1
- Pfortaderthrombose
- Milzvenenthrombose
- z. B. bei akuter Pankreatitis, myeloproliferativen Erkrankungen, paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie, Antiphospholipid-Antikörpersyndrom, bei Einnahme von oralen Kontrazeptiva1
- AV-Fistel der Milzgefäße
Maligne Systemerkrankungen
- Leukämien1
- Myelofibrose
- Extramedulläre Blutbildung in der Milz kann zu massiver Milzvergrößerung führen.1
- Gefahr der Milzruptur
- Myeloproliferative Syndrome1
- Myelodysplastische Syndrome
- Non-Hodgkin-Lymphome
- Morbus Hodgkin
- fokale und mulizentrische Milzbeteiligung1
- Maligne Histiozytose
- Systemische Mastozytose
- M. Waldenström
- Milzmetastasen
- besonders bei kolorektalem Karzinom und Mammakarzinom1
Hämolytische Bluterkrankungen
- Perniziöse Anämie
- Sphärozytose
- Thalassämie
- Sichelzellanämie
Immunologische Erkrankungen
- Kollagenosen
- rheumatoide Arthritis1
- Felty-Syndrom (Trias aus rheumatoider Arthritis, Splenomegalie, Neutropenie)
- systemischer Lupus erythematodes
- rheumatoide Arthritis1
- M. Werlhof
- Autoimmune hämolytische Anämie1
- Hämophagozytische Lymphohystiozytose (HLH)1
Weitere Differenzialdiagnosen
- Amyloidose
- Wegener-Granulomatose
- Sarkoidose
- Hämochromatose
- Gutartige Milztumoren, z. B. Harmartome, Angiome, Hämangiome, Zysten1
- Lysosomale Speicherkrankheiten1
- M. Gaucher
- Niemann-Pick-Krankheit
- Subkapsuläre Milzruptur1
- Medikamentennebenwirkung1
- Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor kann zu Splenomegalie führen.
- Hochdosies-Chemotherapie kann ein Budd-Chiari-Syndrom verursachen.
- Orale Kontrazeptiva erhöhen das Risiko für eine Pfortaderthrombose.
Anamnese
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Bauchschmerzen?
- akute linksseitige Oberbauchschmerzen: Hinweis auf Notfallsituation, Sichelzellanämie mit akuter Milzkrise, Milzvenen- oder Pfortaderthrombose, akute Pankreatitis
- Begleitsymptome: Fieber, Nachtschweiß, ungewollte Gewichtsabnahme? Müdigkeit, Fatigue?
- Blutungsneigung? Hämatomneigung? Petechien?
- Alkoholkonsum?
- Bekannte Lebererkrankung? Gelbsucht?
- Hinweis auf akute Pankreatitis?
- Bekannte Autoimmunerkrankung?
- Gelenkschmerzen?
- Vorangegangene Tropenreise?
- Bauchtrauma?
- Familienanamnese bezüglich hämatologischer Erkrankungen oder lysosomaler Speichererkrankungen
- Werden Medikamente (orale Kontrazeptiva) eingenommen?
Klinische Untersuchung
- Eine vergrößerte Milz kann schwer zu palpieren sein, besonders bei Adipositas, starken Bauchmuskeln oder, wenn
PatientenPatient*innen die Bauchmuskeln nicht entspannen können.1 - Hinweise auf Begleiterkrankungen?1
- Zum Beispiel Gelenkschwellung, klinische Leberzirrhosezeichen, Ikterus, Lymphknotenschwellung, Blässe, Purpura, Petechien, Blutungen der Mund- und Rachenschleimhaut?
- Herzauskultation: neu aufgetretenes Herzgeräusch?
- Periphere Thrombosezeichen?
- Akutes Abdomen? Akute Pankreatitis?
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Labor1
- Blutbild mit Differenzialblutbild, ggf. manuelle Auszählung des Differenzialblutbildes
- CRP, Blutsenkung
- Transaminasen, Lipase, indirektes Bilirubin
- INR, PTT
- LDH
- ggf. Serum-Ferritin, Serum-Eisen, Transferrinsättigung
- ggf. EBV-Serologie
- ggf. Erythropoetin
- ggf. Eiweißelektrophorese
- ggf. Rheumafaktor, anti-CCP
- ggf. Serum ACE
- Abdomensonografie
- Standarduntersuchung zur Feststellung und Beurteilung einer Splenomegalie
- Immer vollständige Oberbauchsonografie durchführen, um Begleiterkrankungen, z. B. Leberzirrhose, Pfortaderthrombose etc. mit zu erfassen.
BeimBei SpezialistenSpezialist*innen
- CT und / oder PET (Leber-Milz-Scan)1
- ergänzend zur Sonografie
- zur Bestätigung der Diagnose und weiterer Abklärung, z. B. Festellung einer portalen Hypertension
- MRT1
- z. B. zur Darstellung einer Pfortader- oder Milzvenenthrombose
- Duplex-Sonografie1
- bei V. a. Milzvenen- oder Pfortaderthrombose
- Feinnadelpunktion von Milzläsionen1
- evtl. Gefahr einer Milzruptur
- Knochenmarkszytologie
- bei V. a. myeloproliferative, immunologische, oder myelodysplastische Erkrankungen, V. a. Lymphome1
- Labor je nach Verdachtsdiagnose (Auswahl)1
- „dicker Tropfen“ bei V. a. Malaria
- Hämoglobin-Elektrophorese
- Coombs-Test
- osmotische Resistenz der Erythrozyten
- Durchflusszytometrie, Lymphozyten
- Immunfixation (Serum und Urin)
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Niederschwellige Überweisung an Hämatologie bei unklarer Diagnose oder bei V. a. maligne/hämatologische Erkrankung1
- Bei V. a. Malaria Überweisung an Infektiologie, Tropenmedizin
Indikationen zur KrankenhauseinweisungKlinikeinweisung
- Bei V. a. Endokarditis, Sepsis, Malaria tropica, akute Leukämie, akuter Pankreatitis, schlechtem Allgemeinzustand der
Patientin/des PatientenPatient*innen - Bei V. a. Sichelzellanämie mit akuter Milzkrise, Milzvenen- oder Pfortaderthrombose
- Bei Z. n. Bauchtrauma und V. a. Milzruptur
Video
Illustrationen
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- BMJ Best Practice. Assessment of Splenomegaly. Last updated 19. 03.2019. Letzter Zugriff 14.08.2019. newbp.bmj.com
- Chow KU, Luxembourg B, Seifried E, Bonig H.. Spleen Size Is Significantly Influenced by Body Height and Sex: Establishment of Normal Values for Spleen Size at US with a Cohort of 1200 Healthy Individuals.. Radiology 2016; 279: 306.13. doi:10.1148/radiol.2015150887. DOI
- Krüger-Brand, HE.. App: Berechnung der individuellen Milzgröße. Dtsch Arztebl 2016; 113: A-143. www.aerzteblatt.de
- Seitz K, et al.. Klinische Sonografie und sonographische Differenzialdiagnose. Band I - Milz und Lymphknoten: 9 Splenomegalie, diffuse Milzveränderungen.. Stuttgart: Thieme, 2008. www.thieme-connect.de
AutorenAutorin
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München