Zusammenfassung
- Definition:Maligne Proliferation lymphoider Zellen, die von den B-Zellen (85 %) oder T-Zellen (15 %) des lymphatischen Gewebes ausgehen.
- Häufigkeit:Die Inzidenz liegt bei ca. 10–15/100.000 und tritt selten vor dem 40. Lebensjahr auf. In den letzten Jahrzehnten kann eine stetige Zunahme verzeichnet werden. AIDS-Patient*innen sind etwa 1.000-fach häufiger betroffen.
- Symptome:Vergrößerte Lymphknoten, evtl. Nachtschweiß, Fieberepisoden, unfreiwilliger Gewichtsverlust. Die Symptome können jedoch auch fehlen.
- Befunde:Lymphknotentumor, evtl. Hepatosplenomegalie, Blässe und Rhagaden aufgrund von Anämie.
- Diagnostik:Biopsie und histologische Untersuchung.
- Therapie:Abhängig vom histologischen Ergebnis und der Lymphomausbreitung; Behandlungsoptionen sind Bestrahlung, Zytostatika, Antikörper, immunsupprimierende Behandlung oder Knochenmarktransplantation.
Allgemeine Informationen
- Siehe auch folgende Artikel:
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-13
Definition
- Maligne Proliferation von lymphoidem Gewebe. Die histologische Untersuchung unterscheidet zwischen Non-Hodgkin- und Hodgkin-Lymphom.
- Das Non-Hodgkin-Lymphom umfasst eine große und heterogene Gruppe von Krankheiten mit neuroplastischer Proliferation lymphoider Zellen in Lymphknoten und anderem lymphoidem Gewebe.
Klassifikation (WHO)
- Die einzelnen Krankheitsbilder werden auf Grundlage einer Kombination von Kriterien für Morphologie, Immunphänotyp, genetischen Veränderungen und Klinik definiert.
- Es wird Gewicht auf die Abgrenzung der klinischen Krankheitsentitäten gelegt, die sich im Hinblick auf ihr biologisches Verhalten und der Behandlungsoptionen stark unterscheiden.
- Das Non-Hodgkin-Lymphom wird in mehr als 50 unterschiedliche Unterdiagnosen mit folgenden Hauptgruppen unterteilt:
- B-Zell-Neoplasien (85 %)
- T-Zell/NK(natürliche Killerzellen)-Neoplasien (15 %).
- Vgl. die WHO-Klassifikation lymphoider Neoplasien.14
- Siehe auch den Abschnitt zur Klassifikation nach ICD-10.
Stadieneinteilung Lymphome (Ann-Arbor-Klassifikation)
- Stadium I
- Erkrankung in einer einzelnen Lymphknotenregion nachgewiesen
- Stadium II
- Erkrankung in mehreren Lymphknotenregionen auf derselben Seite des Zwerchfells
- Stadium III
- Erkrankungen auf beiden Seiten des Zwerchfells, aber auf Lymphknoten und Milz beschränkt
- Stadium IV
- Erkrankung außerhalb von Lymphknoten und Milz
- Zusatz E bei den Stadien I–III bei extranodalem Befall
- Innerhalb der Stadien wird das Lymphom als A klassifiziert, wenn keine Allgemeinsymptome auftreten, und als B, wenn Allgemeinsymptome vorkommen.
Häufigkeit
- Inzidenz: Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird auf 10–15 pro 100.000 Personen geschätzt. AIDS-Patient*innen haben eine bis zu 1.000-fach erhöhte Inzidenz.
- In Deutschland erkranken jährlich etwa 9.000–11.000 Menschen an einem NHL.
- Alter
- Lymphome können in allen Altersgruppen auftreten, kommen jedoch am häufigsten nach dem 40. Lebensjahr vor.
- Die Inzidenz der einzelnen NHL unterscheidet sich in den verschiedenen Altersgruppen erheblich.
- im Kindes- und Jugendalter1
- NHL machen etwa 6,6 % aller malignen Erkrankungen bei Kindern unter 15 Jahren aus. Bei den 15- bis 17-Jährigen nimmt der Anteil zu.
- jährlich ca. 9 Neuerkrankungen pro 1 Mio. Kinder < 15 Jahre15
- bei Kindern < 2 Jahre selten
- Der Einsatz intensiver Leukämieregime hat die Überlebensrate bei Kindern erheblich verbessert.
- Die Verteilung zwischen indolenten (früher als niedriggradig maligne bezeichnet) und aggressiven NHL ist fast gleich.
- Das indolente maligne Lymphom tritt in den höheren Altersgruppen häufiger auf.
- Die Verbesserung der Diagnostik und Klassifizierung der Lymphome hat zu einer 10- bis 15-prozentigen Zunahme der Diagnose NHL (statt Hodgkin-Lymphom) geführt.
Ätiologie und Pathogenese bei B-Zell-Lymphom
- B-Zell-Neoplasien können als eine klonale Proliferation von B-Zellen beschrieben werden, die in einem bestimmten Stadium der Differenzierung von lymphoiden Stammzellen zu reifen B-Zellen (Plasmazellen) „einfrieren“.
- Die unterschiedlichen Lymphomerkrankungen spiegeln die Differenzierungsstadien der normalen B-Zellen wider und bilden eine wichtige Grundlage für die Klassifizierung (WHO 2016).14
Ätiologie
- Infektiöses Agens
- Scheint an der Entwicklung unterschiedlicher Formen von B-Zell-Lymphomen beteiligt zu sein.
- Das bekannteste Beispiel ist der Zusammenhang zwischen Epstein-Barr-Virus und endemischem Burkitt-Lymphom in Afrika.
- Das humane Herpesvirus 8, HIV und das Hepatitis-C-Virus werden alle mit der Entstehung von Lymphomen in Verbindung gebracht.
- Das MALT-Lymphom in der Magenschleimhaut wird vermutlich von einer Helicobacter-pylori-Infektion verursacht. Frühe Stadien (IE) können teilweise durch die Eradikation vollständig geheilt werden.
- Risikofaktoren
- Immundefizienz oder -suppression (z. B. HIV-Infektion, Immunsuppression nach Organtransplantation)
- Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis, Morbus Sjögren)
- Hinweise auf genetische Risikofaktoren
- Genexpressionsprofil bislang nur als Klassifikations- und Prognosehilfe bei bereits gestellter Diagnose NHL sinnvoll
Ätiologie und Pathogenese bei T-/NK-Zell-Lymphom
Ätiologie
- Das Virus HTLV-1 wird mit adultem T-Zell-Lymphom/Leukämie in Japan und auf den karibischen Inseln assoziiert und ist wahrscheinlich bei diesem T-Zell-Lymphom ein wesentlicher Faktor in der Pathogenese.
- Abgesehen von diesem gibt es keine bekannten Umweltfaktoren, die für die Entwicklung der T-Zell-Lymphome disponieren.
- Enteropathietypische T-Zell-Lymphome des Erwachsenenalters kommen bei Zöliakie vor.
Disponierende Faktoren
- Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und/oder alkylierenden Zytostatika u. a. nach Behandlung von Hodgkin-Lymphom.
- Non-Hodgkin-Lymphom wird assoziiert mit:
- Helicobacter-pylori-Infektion (MALT-Lymphom)
- AIDS
- immunsuppressiver Behandlung
- EBV-Infektion
- Zöliakie
- Dermatitis herpetiformis
- autoimmunen Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Morbus Sjögren.
ICPC-2
- B74 Maligner Tumor im Blut-/Lymphsystem IKA
ICD-10
- Neben den Hauptkategorien sind hier als einzelne Entitäten nur die häufigsten NHL-Formen sowie die in diesem Artikel erwähnten Entitäten aufgeführt. Für eine vollständige Übersicht siehe das ICD-10-Kapitel Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes, als primär festgestellt oder vermutet (C81-C96).
- Nach ICD-10-GM Version 202216
- C82 Follikuläres Lymphom
- C83 Nicht follikuläres Lymphom
- C83.1 Mantelzell-Lymphom
- C83.3 Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom
- C83.5 Lymphoblastisches Lymphom
- C83.7 Burkitt-Lymphom
- C84 Reifzellige T/NK-Zell-Lymphome
- C84.0 Mycosis fungoides
- C84.8 Kutanes T-Zell-Lymphom, nicht näher bezeichnet
- C85 Sonstige und nicht näher bezeichnete Typen des Non-Hodgkin-Lymphoms
- C86 Weitere spezifizierte T/NK-Zell-Lymphome
- C88 Bösartige immunproliferative Krankheiten
- C88.0 Makroglobulinämie Waldenström
- C88.4 Extranodales Marginalzonen-B-Zell-Lymphom des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes [MALT-Lymphom]
- C91 Lymphatische Leukämie
- C91.0 Akute lymphatische Leukämie [ALL]
- C91.1 Chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ [CLL]
- C91.4 Haarzellenleukämie
- C91.8 Reifzellige B-ALL vom Burkitt-Typ
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Anamnese und klinischer Befund ergeben die Verdachtsdiagnose.
- Befunde von vergrößerten, schmerzlosen Lymphknoten oder Verdacht auf pathologisches extranodales Lymphgewebe
- Fieber
- abdominaler Befall
- wiederkehrende Bauchschmerzen
- Invagination
- Ileus
- mediastinaler Befall
- chronischer Husten
- Stridor
- Halsvenenstauung
- intrakranieller Befall
- Hirnnervenausfälle
- Kopfschmerzen
- Störungen von Kognition und/oder Bewusstsein
- Schwindel, Ataxie
- sonstige neurologische Symptome
- epiduraler Befall
- Querschnittssymptome
- Die Histologie mit Spezialuntersuchungen bestätigt die Diagnose und unterscheidet zwischen Non-Hodgkin und Hodgkin und den verschiedenen Untergruppen.
Histologie
- Biopsie des Lymphknotens oder anderem lymphoidem Gewebe
- Die Diagnostik erfolgt in Kombination von Histologie/Zytologie, Immunphänotypisierung, Genetik und klinischen Befunden.
Differenzialdiagnosen
- Reaktive Lymphknotenschwellung
- Hodgkin-Lymphom
- Leukämie (wobei die chronische lymphatische Leukämie und die reifzellige B-ALL [akute lymphatische Leukämie] zu den NHL gezählt werden können)
- Multiples Myelom
- Sarkoidose; führt häufig zu mediastinal vergrößerten Lymphknoten.
- Metastasen
- Mononukleose
- Zytomegalie
- Hepatitis C
- Tuberkulose
- HIV-Infektion
- Syphilis
- Autoimmunerkrankung (z. B. rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes)
Anamnese
- Indolente (früher als niedriggradig bezeichnet) maligne Non-Hodgkin-Lymphome sind häufig auf viele Lymphknotenregionen und/oder Knochenmark verteilt und wachsen in der Regel langsam.
- Aggressive Lymphome (hochgradige) entwickeln sich in der Regel schnell.
- Meist schmerzlose Lymphknotenschwellungen sind ein häufiges – allerdings unspezifisches – Symptom. Die Lymphknotenschwellungen können zu Beschwerden im Mediastinum und der hinteren Bauchwand/Becken führen.
B-Symptome
- Nachtschweiß: wiederholt kräftiger Nachtschweiß im vergangenen Monat
- Fieber: persistierendes oder rezidivierendes Fieber > 38 °C im vergangenen Monat ohne bekannte Ursache
- Gewichtsverlust: mehr als 10 % in den letzten 6 Monaten
- B-Symptome treten bei ca. 20 % mit indolentem Lymphom und bei 40 % mit aggressiver Erkrankung auf.
Sonstige Symptome
- Fatigue/Gewichtsverlust (Anämie)
- Infektionsneigung (Leukopenie); nicht selten rezidivierende Infektionen ohne Besserung
- Viele Betroffene leiden bis zur Diagnosestellung an rezidivierenden Infektionen und erhalten häufig Antibiotika.
- Vergrößerte Lymphknoten, häufig am Hals, in den Achselhöhlen und Leisten
- Maligne Lymphknoten sind im Verhältnis zu den reaktiven häufig fester und unempfindlicher.
- Vergrößerte Milz und/oder Leber kommen vor, sind aber selten.
- Bei nichtlymphoidem Tumor (extranodaler Organaffektion) dominieren von dort ausgehende Lokalsymptome. Am häufigsten sind GI-Trakt und HNO-Bereich.
- Hoden, ZNS und Skelett sind weitere mögliche Lokalisationen.
- Bei Befall der Medulla oblongata werden Schwäche und neurogene Ausfälle beobachtet.
- Dyspnoe kann vorkommen.
- Mögliche Hautsymptome
- Pruritus
- Blässe (Anämie)
- Petechien, Hämatome (Thrombozytopenie)
- Ikterus (Gallenabfluss- oder Leberfunktionsstörung)
Klinische Untersuchung
- Lymphadenopathie: Position, Konsistenz, Mobilität, Größe und Empfindlichkeit beurteilen.
- Gewichtsverlust
- Anämie: blasse Haut, Nagelveränderungen, Rhagaden
- Hepatosplenomegalie
Befunde aufgrund von Druck durch Lymphknoten oder extranodaler Krankheit
- Vena-cava-superior-Syndrom
- Abdomineller Tumor und Rückenschmerzen aufgrund von vergrößerten paraaortalen Lymphknoten
- Lymphaszites aufgrund gerissener Lymphgefäße
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Blutuntersuchung
- Blutbild, Differenzialblutbild, Retikulozytenzahl
- Blutausstrich: Häufig normal, kann aber leukämische Phase mit unreifen Lymphozyten im peripheren Blut anzeigen.
- Blutgruppe
- Infektionsparameter: BSG und CRP oft erhöht
- Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Elektrolyte (Na, K, Phosphat und ggf. Ca), Leberenzyme und -funktionsparameter (GOT, GPT, Gamma-GT, Cholinesterase, Bilirubin, AP), Albumin, Gesamteiweiß, Proteinelektrophorese, Blutgerinnung, Serumeisen, TIBC, Beta-2-Mikroglobulin, Laktat-Dehydrogenase (LDH)
- LDH kann ein Indikator für das Ausmaß und die Aggressivität der Erkrankung sein.
- serologische Untersuchungen: CMV, Hepatitis A, B und C, EBV, HSV, Impftiter, nach Einverständnis der Patientin/des Patienten oder der Erziehungsberechtigten: HIV
- Blutbild, Differenzialblutbild, Retikulozytenzahl
- Bei Patientinnen im reproduktionsfähigen Alter: Schwangerschaftstest
- Urinstix, evtl. Urin-Proteinelektrophorese
- EKG
- Sonografie
- Abdomen mit allen Lymphknotenstationen
- Hoden
- Thorax einschließlich vorderes Mediastinum
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Biopsie des Tumors, ergibt die histologische Diagnose.
- Die Diagnostik erfolgt kombiniert mithilfe von Histologie/Zytologie, Immunphänotypisierung, Genetik und klinischen Befunden.
Histopathologische Untersuchung
- Je nach Fragestellung:
- Lymphknotenentnahme zur Histologie/Immunhistologie, keine Biopsie
- Knochenmarkbiopsie und Aspirat für immunhistologische Untersuchungen
- Zytologie
- Feinnadelaspiration
- Flowzytometrische Untersuchungen von Blut und Knochenmark
- zytogenetische Untersuchungen
- molekulargenetische Methoden.
Bildgebende Diagnostik
- Röntgen-Thorax in 2 Ebenen
- Echokardiografie
- CT oder MRT
- Ggf. PET-CT oder -MRT
- Bei NHL-Kranken mit strahlensensibler immunologischer Grunderkrankung
- Strahlung vermeiden, Bildgebung nur mit Ultraschall und MRT.
- Beispiele
- ATM-Syndrom
- Bloom-Syndrom
- Nijmegen-Breakage-Syndrom
- Ligasedefekte
Weitere Untersuchungen und Prozeduren
- Je nach Fragestellung:
- Endoskopien
- HNO-Untersuchung
- zahnärztliche Untersuchung
- Neurologie.
- Ggf. reproduktionserhaltende Maßnahmen vor geplanter Chemo- oder Radiotherapie
Indikationen zur Überweisung
- Zügige Überweisung zur Hämatologie/Hämatoonkologie bei Krankheitsverdacht
- Anhaltende Schwellung von Lymphknoten ohne bekannte Infektion sollten abgeklärt werden (Blutbild, ggf. Bildgebung).
Therapie
Therapieziele
- Heilung; wird bei mehr als 50 % erzielt.
- Palliativbehandlung17-18
Allgemeines zur Therapie
- Nach definierten Therapieprotokollen in spezialisierten Zentren (Kliniken und hämatoonkologische Praxen)
- Indolente (niedrig maligne) Lymphome sind häufig nicht heilbar. Nur in frühen Stadien, kann eine Heilung durch Bestrahlung erreicht werden.
- Das Behandlungsziel bei aggressiven (hoch malignen) Lymphomen ist die vollständige Heilung. Dazu erfolgt eine intensive Therapie mit verschiedenen Kombinationen von Zytostatika, immunmodulierenden Substanzen und Bestrahlung.
- Histologie
- Bei Non-Hodgkin-Lymphomen ist der histologische Typ (spezifische Diagnose) wichtiger für die Prognose und Wahl der Behandlung als das klinische Stadium (mit Ausnahme von Stadium I und II).
- Dies beruht teils darauf, dass bei 2 von 3 Betroffenen die Krankheit disseminiert ist (Stadium III oder IV), aber auch darauf, dass die Chemotherapie hier eine wichtigere Rolle spielt als die Bestrahlung.
- Indizierte Behandlung ist bei lokalisierter Erkrankung die Bestrahlung und bei ausgebreiteter Erkrankung eine Kombination aus Chemo- und Radiotherapie.
Medikamentöse Therapie
- Es liegen detaillierte Behandlungsprotokolle für die einzelnen Untergruppen des Non-Hodgkin-Lymphoms vor. Da die Tumorentitäten sehr unterschiedlich sind, sind auch die Therapieprotokolle sehr verschieden und lassen sich nicht verallgemeinern
- Siehe auch Kompetenznetz Maligne Lymphome: Therapieverfahren und die am Ende dieses Artikels aufgeführten Leitlinien zu verschiedenen Formen des Non-Hodgkin-Lymphoms.
- Es werden unterschiedliche Therapieprotokolle mit Zytostatika und monoklonalen Antikörpern verwendet, die sich aufgrund aktueller Studienergebnisse laufend ändern.
Chirurgische Therapie
- Primäre Tumorresektion
- Kann bei kleinen lokalisierten nicht-lymphoblastischen Lymphomen eine sehr gute Prognose ermöglichen.
- Bei hohem Operationsrisiko kommt eine Vollresektion nicht infrage.
- Teilresektionen sind ohne therapeutischen Wert.
- Second-Look-Operation
- therapeutischer Wert bei unvollständiger Tumorrückbildung unter Chemotherapie nicht belegt
- Kann bei B-Zell-Lymphomen zur Entscheidungsfindung über eine Intensivierung der Chemotherapie beitragen.
Therapie des Zentralnervensystems
- Lymphoblastisches Lymphom oder reifes B-Zell-Lymphom
- ZNS-Protektion mit systemischer Hochdosis MTX-Therapie und intrathekaler Chemotherapie
- Bei ZNS-Befall evtl. zusätzlich Schädelbestrahlung
Sekundärbehandlung
- Eine Hochdosis-Behandlung mit autologer Stammzellentransplantation wird bei Rezidiv und bei einigen Tumortypen nach der ersten Remission durchgeführt.
- Die Behandlung besteht aus einer Hochdosis-Chemotherapie, evtl. in Kombination mit Hochvolt-Bestrahlung mit nachfolgender Infusion von autologen, blutbildenden Stammzellen.
Supportiv- und Palliativbehandlung
- Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.17-18
- Symptomlindernde Behandlung, z. B.:
- Wiederherstellung physischer und psychischer Vitalität, z. B. Behandlung von:
- Ggf. Wiederbefähigung zur Teilhabe am normalen gesellschaftlichen Leben
- Soweit die betroffene Person noch im Berufsleben steht: Erhalt oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (Rehabilitation).
- Auch in der nichtkurativen Situation sollten rehabilitative Maßnahmen symptomorientiert empfohlen werden.
- Behandlung am Lebensende
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei 70 % liegt zum Zeitpunkt der Diagnose eine extranodale Ausbreitung vor, meist im Knochenmark.
- Am häufigsten tritt eine extranodale Ausbreitung bei indolentem Lymphom auf.
- Der Verlauf kann von äußerst aggressiven bis zu gutartigen Formen sehr unterschiedlich sein.
- Die Behandlungserfolge sind besser geworden, vor allem bei aggressiven Lymphomen.
- Dies beruht auf einer besseren Diagnostik und einer intensiveren Induktionsbehandlung mit Kombinationstherapien.
- Die Behandlung der aggressivsten Lymphome (lymphoblastisches Lymphom und Burkitt-Lymphom) hat sich in den letzten Jahren am stärksten verändert.
- Heute werden ca. 50 % aller an aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen Erkrankten geheilt.
- Für die langsamer wachsenden, indolenten Non-Hodgkin-Lymphome liegen ebenfalls neue Behandlungsprinzipien vor, die teilweise noch in Studien untersucht werden und die zu einer Verlängerung des Langzeitüberlebens dieser Patientengruppe führen können.
Komplikationen
- Bei mediastinalem Befall
- Tracheakompression
- Pleuraergüsse
- obere Einflussstauung
- Perikarderguss mit Herzbeuteltamponade
- Bei Niereninfiltration und/oder Verlegung der ableitenden Harnwege
- Oligo-Anurie
- Hyperkaliämie
- Bei epiduralem Befall
- Zytokin-Release-Syndrom
- Querschnittslähmung
- Sekundäre hämatologische Tumoren und Dysplasien
- Andere Tumoren
- Mammakarzinom bei Patientinnen, deren Thorax bestrahlt wurde.
- Schäden als Folge von Bestrahlung und Chemotherapie
- Sterilität
- Darmschäden
- kardiale und pulmonale Schäden
- Thromboembolische Erkrankung (siehe Abschnitt Thromboembolische Komplikationen)
- Fatigue
Prognose
- Die Prognose der NHL-Patient*innen hängt maßgeblich vom Typ – hoch oder niedrig maligne – ab.
- Die 5-Jahres-Überlebensrate ist, je nach Typ, sehr unterschiedlich.
- Etwa 6.000 Menschen versterben in Deutschland jährlich an dieser Erkrankung.
- Die Prognose ist in den letzten Jahren besser geworden.
Abhängig vom Stadium
- Die Lymphom-Stadieneinteilung ist bei Non-Hodgkin-Lymphom weniger gut anwendbar als bei Hodgkin-Lymphomen, da bei 70 % zum Diagnosezeitpunkt eine extranodale Ausbreitung vorliegt.
- Negative prognostische Faktoren:
- Alter > 60 Jahre
- LDH erhöht
- > 1 extranodaler Befall
- WHO-Status ≥ 2
- Stadium III/IV.
- Prognose zudem schlechter bei:
- B-Symptomen
- reduziertem Allgemeinzustand.
Indolente (niedrig maligne) Non-Hodgkin-Lymphome
- Mediane Überlebenszeit nahe 10 Jahre
- Nur im frühen Stadium können Betroffene durch Bestrahlung komplett geheilt werden.
Aggressive (hoch maligne) Non-Hodgkin-Lymphome
- Unbehandelt liegt die mediane Überlebenszeit bei 6 Monaten.
- Heutzutage werden 40–50 % vollkommen geheilt.
Verlaufskontrolle
- Nachsorgeschema (hämatoonkologisches Zentrum)
- Blutbild und Differenzialblutbild zwischen den Zytostatikazyklen
- Ggf. fortlaufende Überwachung zur Früherkennung eines Tumorlyse-Syndroms (vor allem beim Burkitt-Lymphom):
- Infektionsüberwachung
- Bei Fieber und Leukozyten unter 1, evtl. Neutrophilen unter 0,5: notfallmäßige stationäre Aufnahme (Sepsis-Therapie)!
- 7–14 Tage nach einem Zyklus ist die Leukozytenzahl typischerweise niedrig.
- Schmerzbehandlung
- Behandlung der Übelkeit
- Evtl. Kontrolle und Behandlung der strahlungsgeschädigten Haut
Thromboembolische Komplikationen
- Bei Krebspatient*innen ist das Risiko für thromboembolische Erkrankungen deutlich erhöht.
- Eine bestehende Behandlung mit Antikoagulanzien ist in den meisten Fällen nach der Lymphom-Diagnose fortzusetzen.
- Während der Zytostatikabehandlung wird aufgrund des verminderten Blutungsrisikos in der Regel niedrigmolekulares Heparin anstelle von Warfarin verabreicht.
- Bei Thrombozyten < 50.000 ist die Dosierung durch die Hämatolog*in anzupassen.
- Zusatzfaktoren, die das Risiko erhöhen:
- Fremdkörper (ZVK?)
- Komorbidität
- Alter (> 40 Jahre)
- Adipositas (BMI > 30 kg/m2)
- Immobilisierung (bettlägerig > 3 Tage)
- frühere TVT
- Thrombophilie
- Varizen
- Hormonbehandlung.
Fatigue, chronische Müdigkeit
- Eine häufige Komplikation einer Krebsbehandlung mit Zytostatika oder Bestrahlung. Lymphomkranke scheinen besonders häufig betroffen zu sein.
- Typische Zeichen sind:
- subjektives Gefühl des Unwohlseins und reduziertes Leistungsvermögen aufgrund von verringerter Energie
- Die Beschwerden äußern sich in Form von Müdigkeit oder Schwäche, die nicht durch Ausruhen oder Schlaf kompensiert werden kann.
- Viele Betroffene beschreiben dies als einen der am meisten belastenden Faktoren in Zusammenhang mit der Behandlung der Krebserkrankung.
- Behandlung der Fatigue mit einem persönlich angepassten Trainingsprogramm
Nach abgeschlossener Behandlung
- Nach hochdosierten Zytostatika und Stammzellentransplantation (HMAS) sind Auffrischungsimpfungen angezeigt.
- nach 12 Monaten: Tetanus, Diphtherie und Polio
- nach 24 Monaten: Pneumokokken-Impfung; Follow-up jedes 5. Jahr, vom Antikörperniveau abhängig
- Influenza-Impfung; je nach Ermessen und den Empfehlungen entsprechend
Rehabilitation
- Viele Beschwerden erreichen erst einige Zeit nach Abschluss der kurativen Lymphom-Behandlung ihr volles Ausmaß.
- Hierzu gehören physische und psychische Beschwerden (Angst und/oder Depression) sowie soziale und finanzielle Probleme.
Physische Rehabilitation
- Unterschiedliche körperliche Beschwerden, z. B.:
- reduzierte Muskelfunktion und Schmerzen in Muskeln und Skelett
- Lymphödem
- periphere Polyneuropathie und Nervenschmerzen
- reduzierte Herz- und Lungenkapazität
- Fatigue, chronische Müdigkeit.
- Mögliche Interventionen
- angepasstes Trainingsprogramm (Physiotherapie und/oder Sportmedizin)
- Ziele sind die Verbesserung der Kondition, Verminderung der chronischen Muskelschmerzen und des chronischen Erschöpfungszustandes.
- Lymphdrainage
- Ergotherapie
- Funktionsbewertung
- Anpassung der häuslichen Umgebung
- Anschaffung technischer Hilfsmittel
- angepasstes Trainingsprogramm (Physiotherapie und/oder Sportmedizin)
Psychosoziale Rehabilitation
- Psychische Reaktionen können frühzeitig auftreten, aber auch lange Zeit nach Abschluss der Behandlung.
- Der Bedarf an Hilfe und Behandlung kann in der Rehabilitationsphase genauso groß sein wie während der Behandlung.
- unterstützende Gespräche (ärztliches, psychologisches und pflegerisches Personal)
- therapeutische Behandlung bei Angst und/oder Depression
- Familientherapie
- Begleitung minderjähriger Angehöriger
- Maßnahmen zur Wiedereingliederung, wie z. B. stufenweise Eingliederung (Hamburger Modell), Umschulungsmaßnahmen oder Arbeitsmarktmaßnahmen
- Es sollte ein individueller Plan ausgearbeitet werden, der die langfristige Versorgung, z. B. mit häuslicher Krankenpflege oder Haushaltshilfe sicherstellt.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Non-Hodgkin-Lymphom
- Lymphom
- Krebstherapien, Medikamente
- Schmerzen und Schmerztherapie
- Essen bei Appetitlosigkeit
Lindernde Behandlung bei fortgeschrittener Krebserkrankung
- Palliativmedizin
- Angst
- Übelkeit und Erbrechen
- Verstopfung
- Mundbeschwerden
- Atembeschwerden
- Gewichtsverlust
- Depression
- Delir
Weitere Informationen
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Schmerzen bei Krebs
Patientenorganisationen
Quellen
Leitlinien
Non-Hodgkin-Lymphome allgemein
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Non-Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-013. S1, Stand 2017. www.awmf.org
- National Institute for Health and Care Excellence. Non-Hodgkin’s lymphoma: diagnosis and management, Stand 2016. www.nice.org
Follikuläres Lymphom
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einem follikulären Lymphom. AWMF-Leitlinie Nr. 018-033OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Nicht follikuläres Lymphom
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom. Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.oncopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Nodales Marginalzonen Lymphom. Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.oncopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Mantelzell-Lymphom. Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.oncopedia.com
Peripheres T-Zell-Lymphom
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Periphere T-Zell Lymphome. Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.oncopedia.com
Andere Non-Hodgkin-Lymphome
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. HIV-assoziierte Lymphome. Onkopedia Leitlinie, Stand 2019. www.oncopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Extranodales Marginalzonen-Lymphom (MALT LYMPHOM). Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.oncopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom). Onkopedia Leitlinie, Stand 2018. www.oncopedia.com
Supportive und palliative Therapie
- Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Non-Hodgkin-Lymphome. AWMF-Leitlinie Nr. 025–013, Stand 2017. www.awmf.org
- European Society for Medical Oncology. Peripheral T-cell lymphomas: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up, Stand 2015. www.esmo.org
- National Institute for Health and Care Excellence. Non-Hodgkin’s lymphoma: diagnosis and management, Stand 2016. www.nice.org.uk
- European Society for Medical Oncology. Diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL): ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up, Stand 2015 www.esmo.org
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einem follikulären Lymphom. AWMF-Leitlinie Nr. 018-033OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom. Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.onkopedia.com
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- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom). Onkopedia Leitlinie, Stand 2018. www.onkopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Nodales Marginalzonen Lymphom. Onkopedia Leitlinie, Stand 2021. www.onkopedia.com
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- Chan E, Ng CH, Ooi M, Poon M. Non-Hodgkin's lymphoma. BMJ Best Practice. Last reviewed: 11 Dec 2021; last updated: 09 Nov 2021 bestpractice.bmj.com
- Swerdlow SH, Campo E, Pileri SA, et al. The 2016 revision of the World Health Organization classification of lymphoid neoplasms. Blood 2016; 127:2375-90. PMID: 26980727 PubMed
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Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).