Allgemeine Informationen
Definition
- Von einem ungewollten Gewichtsverlust spricht man bei unbeabsichtigter Abnahme des Körpergewichts um ≥ 5 % innerhalb von 6–12 Monaten.1-7
- Kachexie6-8
- ausgeprägter Gewichtsverlust mit Abbau von Muskel- und Fettgewebe im Rahmen chronischer Erkrankungen (z. B. Tumorkachexie)
- Siehe auch den Artikel Kachexie und Dehydratation in der Palliativmedizin.
- Sarkopenie6,9-10
- progredienter Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft im fortgeschrittenen Lebensalter aufgrund physiologischer Veränderungen und/oder im Rahmen von Multimorbidität
B-Symptomatik8
- B-Symptome bezeichnen einen Symptomkomplex aus:
- Fieber (> 38 °C)
- Nachtschweiß
- Gewichtsverlust (≥ 10 % in 6 Monaten)
- Assoziation mit Malignomen (z. B. Hodgkin-Lymphom, Bronchialkarzinom) oder anderen konsumierenden Erkrankungen (z. B. Tuberkulose)
Häufigkeit
- Prävalenz eines ungewollten Gewichtsverlusts in den vergangenen 6 Monaten in der Allgemeinbevölkerung bei etwa 7 %5
- Höhere Prävalenz bei Menschen ≥ 65 Jahren: ca. 15–20 %1,5-6
- Prävalenz unter Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen: bis zu 50–60 %5
- Mangel- oder Unterernährung betrifft etwa 25 % der Patient*innen in deutschen Krankenhäusern.11-12
Diagnostische Überlegungen
Physiologische Grundlagen3,6
- Im Verlauf des Lebens kommt es zu physiologischen Gewichtsveränderungen.
- Üblicherweise steigt das Körpergewicht schrittweise vom frühen Erwachsenenalter bis zur 5.–6. Lebensdekade.
- dabei etwa ab der dritten Lebensdekade Abnahme der Muskelmasse und Zunahme des Körperfettanteils
- Ab etwa dem 70. Lebensjahr sinkt das Körpergewicht um etwa 0,1–0,2 kg/Jahr.
- Der Verlust von Skelettmuskulatur im Alter (Sarkopenie) ist ein wichtiger Faktor, der zu Gebrechlichkeit (Frailty) führen kann.
- Ein übermäßiger Gewichtsverlust ist keine normale Begleiterscheinung des Alterns.3
Pathophysiologie
- Ungewollter Gewichtsverlust beruht auf drei ursächlichen Mechanismen:2
- erhöhter Energieverbrauch
- reduzierte Nährstoffzufuhr mit oder ohne Appetitverlust
- veränderter Metabolismus (gesteigerter Energieumsatz)
- Einflussfaktoren auf den Gewichtserhalt5
- Verfügbarkeit von (adäquater) Ernährung
- körperliche Aktivität
- Umweltfaktoren
- hormonelle Kontrollmechanismen
- u. a. über Peptide wie Leptin, Cholecystokinin und Ghrelin
- (Tumor-)Kachexie wesentlich vermittelt durch Zytokine (z. B. TNF-α) mit verschiedenen Effekten:5
- Reduktion des Appetits
- Abbau Muskel- und Fettgewebes
- erhöhter Energieverbrauch
- Auch bei chronischen Organerkrankungen (z. B. Kachexie bei Herzinsuffizienz) wird proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, IL-6, TNF-α) mit Störung des katabol-anabolischen Gleichgewichts eine zentrale Bedeutung beigemessen.6
Ursachen
- Vielzahl möglicher Ursachen3,5-7
- Häufigste Ursachen1,3,6
- maligne Erkrankungen: 15–37 %
- gastrointestinale Erkrankungen: 10–20 %
- psychiatrische Erkrankungen: 10–23 %
- unbekannt trotz umfassender Diagnostik: 25 %
- in diesen Fällen relativ gute Prognose
- Eine Mangelernährung ist auch in Krankenhäusern eine häufige Ursache für Gewichtsverlust und stellt einen vermeidbaren Risikofaktor dar.11
Ungewollter Gewichtsverlustes bei älteren Patient*innen1-2,15-16
- Hauptursachen übersichtlich als „9 D des ungewollten Gewichtsverlustes“:
- Dentition (Zahnstatus)
- Dysgeusia (Dysgeusie, Geschmacksstörungen)
- Dysphagia (Dysphagie)
- Diarrhea (Diarrhö)
- Disease (chronische Erkrankung)
- Dementia (Demenz)
- Dysfunction (Sozialstatus)
- Drugs (Medikamente)
- Depression
Komplikationen1-2,5,7
- Assoziation mit
- erhöhter Mortalität und Morbidität
- verringerter Lebensqualität
- Risiko für Knochenfrakturen (z. B. Schenkelhalsfraktur)
- vermehrter Pflegebedürftigkeit und Hospitalisierung
- erhöhtem perioperativem Risiko für Komplikationen
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.5,16
- Tumorerkrankungen
- Chronische Infektionserkrankungen
- Endokrinologische Erkrankungen
- Nebenwirkungen von Medikamenten
- Missbrauch von Substanzen
- Kachexiesyndrome bei Organerkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, COPD, chronische Nierenkrankheit)
ICPC-2
- T03 Appetitlosigkeit
- T08 Gewichtsabnahme
ICD-10
- R63 Symptome, die die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme betreffen
- R63.0 Anorexie
- R63.3 Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung
- R63.4 Abnorme Gewichtsabnahme
- R63.6 Ungenügende Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit infolge Vernachlässigung der eigenen Person
- R63.8 Sonstige Symptome, die die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme betreffen
- R64 Kachexie
- E40-E46 Mangelernährung
- E43 Nicht näher bezeichnete erhebliche Energie- und Eiweißmangelernährung
- E44 Energie- und Eiweißmangelernährung mäßigen und leichten Grades
Differenzialdiagnosen
Maligne Erkrankungen
- Der Abschnitt beruht auf diesen Referenzen.1,5-6,8
- Prinzipiell können alle Malignome zu unwillkürlichem Gewichtsverlust führen.
- Ursache in etwa 15–37 % bei signifikantem Gewichtsverlust
Malignome, die häufiger zu Gewichtsverlust führen
- Oropharyngeales Karzinom
- Larynxkarzinom
- Ösophaguskarzinom
- Magenkarzinom
- Kolonkarzinom
- Pankreaskarzinom
- Leberzellkarzinom
- Cholangiokarzinom
- Bronchialkarzinom
- Hodgkin-Lymphom
- Non-Hodgkin-Lymphom
- Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
- Chronische myeloische Leukämie (CML)
- Multiples Myelom und Plasmozytom
- Prostatakarzinom
- Mammakarzinom
- Ovarialkarzinom
Malignome, die seltener zu Gewichtsverlust führen
- Akute lymphoblastische Leukämie (ALL)
- Akute myeloische Leukämie (AML)
- Karzinoid-Syndrom
- Nierenzellkarzinom
- Blasenkarzinom
Gastroenterologische Erkrankungen
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,3,5-6
- Nichtmaligne gastroenterologische Erkrankungen sind die Ursache in etwa 10–20 % der Fälle bei signifikantem Gewichtsverlust.
Malabsorption
- Malabsorption bezeichnet die gestörte Resorption von Nahrungsbestandteilen in Folge einer gestörten Funktion der Darmschleimhaut.
- häufig mit Begleitsymptom chronische Diarrhö
- Das ist di häufigste nichtmaligne, gastroenterologische Ursache von ungewolltem Gewichtsverlust.6
- Ursachen
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Zöliakie
- Unverträglichkeiten (z. B. Laktoseintoleranz)
- chronische Darmischämie
- neuroendokrine Tumoren (z. B. Gastrinom oder VIPom)
- Darmresektionen
- Magen-Darm-Infektionen
Maldigestion
- Maldigestion bezeichnet die gestörte Spaltung von Nahrungsbestandteilen im Verdauungstrakt.
- häufig mit Begleitsymptom chronische Diarrhö
- Ursachen
- Magenresektion oder -bypass
- exokrine Pankreasinsuffizienz (z. B. bei chronischer Pankreatitis)
- Mangel an Gallensäure
- Cholestase
- Gallensäuren-Malabsorption (Ileumresektion, Leberzirrhose, Colestyramin-Therapie)
Dysphagie
- Dysphagie bezeichnet Störungen der Funktion und Koordination des Schluckaktes, die zu einer unzureichenden Nahrungszufuhr führen können.
- Nichtmaligne Ursachen einer chronischen Dysphagie
- Ösophagusdivertikel
- Strikturen
- Achalasie
- Ösophagusspasmen
- neurogene Dysphagien (z. B. Parkinson-Syndrom)
Infektionskrankheiten
Gastrointestinale Infektionen
- Morbus Whipple
- Giardiasis
- Amöbiasis
- Kryptosporidiose
- Helmintheninfektionen (z. B. Bandwurminfektion)
Chronische Infektionen
- HIV-Infektion
- Tuberkulose
- Nicht-tuberkulöse Mykobakterien
- Chronische Hepatitis C
Seltene Infektionen
Psychische Erkrankungen
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,3,5-6,8
- Psychische Erkrankungen sind die Ursache in etwa 10–23 % der Fälle bei signifikantem Gewichtsverlust.
- Depression
- häufigste psychiatrische Ursache von ungewolltem Gewichtsverlust
- Siehe auch die Artikel Depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen und Depression im Alter.
- Generalisierte Angststörung
- Zwangsstörung
- Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
- Psychogenes Erbrechen
Geriatrische Erkrankungen
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2,6,8-10,13
- Ungewollter Gewichtsverlust betrifft etwa 15–20 % aller geriatrischen Patient*innen.
- Siehe auch die Artikel:
Alterskachexie
- Ursachen ungenügender Nahrungsaufnahme im höheren Alter
- Zahn-/Gebissprobleme
- Geruchs-/Geschmacksstörung (Dysgeusie)
- kognitive Einschränkungen (Demenzsymptome)
- körperliche Einschränkungen (Muskelschwäche, Sarkopenie, Frailty)
- soziale Isolation
- Armut
- Prävalenz von bis zu 50 %
- Ein signifikanter Gewichtsverlust ist kein natürlicher Teil des Alterungsprozesses.
- prädisponierender Faktor für Gebrechlichkeit (Frailty) und mit erhöhter Mortalität assoziiert
Gebrechlichkeit (Frailty)
- Definition und Ursache
- „Frailty“ beschreibt den Zustand erhöhter Vulnerabilität mit gesteigertem Risiko für ein ungünstiges gesundheitliches Outcome.
- Führt zu unverhältnismäßig gravierenden Auswirkungen nach relativ geringfügigen Erkrankungen oder medizinischen Interventionen.
- Ist assoziiert mit Multimorbidität und Behinderung.
- Klinische Kriterien des Frailty-Syndroms
- muskuläre Schwäche
- körperliche Inaktivität
- reduzierte Ganggeschwindigkeit
- körperliche und/oder geistige Erschöpfung
- ungewollter Gewichtsverlust
- Weitere klinische Merkmale
Neurologische Ursachen
Neurogene Dysphagie
- Zahlreiche neurologische Erkrankungen gehen mit einer neurogenen Schluckstörung (Dysphagie) und daraus resultierender Mangelernährung einher, z. B.:
Demenzerkrankungen
- Demenzerkrankungen können zu Mangelernährung und Gewichtsverlust führen.
Muskelerkrankungen
- Ösophagusspasmen (krikopharyngeale Dysfunktion)
- Myositissyndrome
- Botulismus
- Muskeldystrophie
- Spinale Muskelatrophie
Endokrinologische Erkrankungen
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2,5-6,8
- Hyperthyreose
- Phäochromozytom
- Diabetes mellitus, insbesondere Diabetes mellitus Typ 1
- Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison)
Weitere Ursachen
Mangelernährung
- Siehe Artikel Mangelernährung.
- Mangelernährung kann bedingt sein durch:
- physische oder kognitive Einschränkungen
- psychosoziale Umstände
- Pflegebedürftigkeit
- soziale Isolation
- Armut
Zahnstatus
- Zahnschmerzen
- Karies
- Zahnverlust
- Schlecht sitzende Prothesen
- Zahnfleischverletzungen
Medikamente
- Zahlreiche Medikamentennebenwirkungen können über verschiedene Mechanismen zu Gewichtsabnahme führen:
- Diarrhö
- z. B. durch Laxanzien, Antidiabetika (Metformin, GLP-1-Rezeptor-Agonisten)
- Übelkeit und Erbrechen
- z. B. durch Antibiotika, L-Dopa, SSRI, trizyklische Antidepressiva
- Dysphagie
- z. B. durch NSAR, Bisphosphonate, Antibiotika
- Appetitlosigkeit
- z. B. durch Opiate, Antiepileptika, Metformin, Benzodiazepine
- Geschmacksstörungen (Dysgeusie)
- z. B. durch Digitalis, Spironolacton, Theophyllin und ACE-Hemmer
- Mundtrockenheit (Xerostomie)
- z. B. durch Anticholinergika, Schleifendiuretika, Antihistaminika
- Diarrhö
Alkohol und andere Substanzen
- Alkoholkrankheit
- häufig reduzierte Nahrungszufuhr (Deckung des Kalorienbedarfs über Alkohol) und Vitaminmangelzustände
- Rauchen
- Tabak vermindert den natürlichen Appetit.
- Risikofaktor für Lungenkarzinome
- Missbrauch anderer Substanzen (z. B. Kokain, Heroin, Amphetamine)
Chronische Organerkrankungen
- Chronische Erkrankungen mit reduzierter Nahrungsaufnahme und erhöhtem Energieverbrauch
- Chronisch obstruktive Lungenkrankheit
- Kachexie bei etwa 25 % der Betroffenen im Krankheitsverlauf
- Chronische Herzinsuffizienz
- Chronische Nierenkrankheit
Rheumatologische Erkrankungen
- Rheumatoide Arthritis
- Systemische Vaskulitiden (z. B. Polymyalgia rheumatica)
- Kollagenosen (z. B. Sklerodermie)
Diagnostik
Anamnese
Gewichtsverlust
- An erster Stelle gilt es festzustellen, ob ein signifikanter Gewichtsverlust vorliegt.
- in der Hälfte der Vorstellungen kein objektiver Gewichtsverlust
- ältere Fotoaufnahmen oder Wechsel der Kleidergröße als indirekte Hinweise
- Aktuelles Körpergewicht und Ausgangsgewicht sowie Zeitraum des Gewichtsverlustes
- Dokumentation des Gewichtsverlaufes durch Patient*innen (regelmäßiges Wiegen und Protokollieren)
Begleitsymptome
- Fieber und Nachtschweiß (B-Symptomatik)
- Gastrointestinale Beschwerden
- Bauchschmerzen
- Diarrhö
- Steatorrhö
- Obstipation
- frühes Sättigungsgefühl
- Übelkeit und Erbrechen
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Infektanfälligkeit
- Luftnot (Dyspnoe)
- Periphere Ödeme
- Kognitive Beeinträchtigung (bei Demenz)
- Palpitationen und vermehrtes Schwitzen (# (bei Hyperthyreose oder Phäochromozytom)
- Polyurie und Polydipsie (bei Diabetes mellitus Typ 1)
- Amenorrhö (bei Anorexia nervosa)
Ursachen
- Ernährungsanamnese
- Frequenz und Umfang regelmäßiger Mahlzeiten
- Appetitlosigkeit
- Geschmacksstörungen
- Probleme bei der Essenszubereitung
- Sozialstatus und Lebensbedingungen
- Versorgungsmöglichkeiten und Mobilität (u. a. Einkaufen, Kochen)
- soziale Isolation oder Unterstützung durch Angehörige und Bekannte
- Chronische Erkrankungen (z. B. Parkinson-Krankheit, HIV oder Typ-2-Diabetes)
- Abdominelle Voroperationen (z. B. Kolonresektion, bariatrische Operationen)
- Psychische Vorerkrankungen (z. B. Depression, Essstörungen)
- Zahnstatus und -beschwerden
- Reiseanamnese
- Noxen
- Medikamentenanamnese
- Nebenwirkungen einzelner Medikamente oder einer Polypharmazie
- Überdosierungen (insbesondere bei älteren Frauen mit niedrigem Gewicht)17
Klinische Untersuchung
Bestimmung des Körpergewichts
- Bestimmung des Körpergewichts und des Body-Mass-Index (BMI)
- Vergleich mit dem Ausgangsgewicht der Patient*innen
- Variation des Gewichts im Tagesverlauf von bis zu 2 kg ist möglich, daher Bestimmung zum gleichen Zeitpunkt anstreben.
Allgemeine körperliche Untersuchung
- Eine sorgfältige körperliche Untersuchung ist zunächst wichtiger als apparative Diagnostik.
- Zeichen eines ausgeprägten Gewichtsverlustes
- unpassende Kleidung
- tief liegende Augen
- prominente Wangenknochen
- Abbau von Muskel- und Fettgewebe
- Untersuchung des Abdomens
- abdominelle Raumforderung, z. B. Tumor
- Untersuchung der Lymphknoten
- Lymphadenopathie, z. B. bei Infektionen oder malignen Erkrankungen
- Untersuchung der Mundhöhle und Beurteilung des Zahnstatus
- Klinische Zeichen einer Organerkrankung (COPD, Herzinsuffizienz, chronische Nierenkrankheit)
- Klinische Zeichen einer Endokrinopathie (Hyperthyreose)
- Ggf. digital-rektale Untersuchung (Blut im Stuhl)
- Screening auf kognitive Beeinträchtigungen und/oder Depression
- Siehe auch Artikel Geriatrische Untersuchung bei älteren Patient*innen.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Empfohlenes Basisprogramm zur Abklärung eines ungewollten Gewichtsverlustes1-2,7
- Anamnese und klinische Untersuchung
- Standardlaboruntersuchungen (inkl. Schilddrüsenparameter und Test auf okkultes Blut im Stuhl)
- Abdomen-Sonografie
- Röntgen des Thorax
Labordiagnostik1-2,4-7
- Laboruntersuchungen
- großes Blutbild (Anämie, Leukozytose)
- Elektrolyte (Natrium, Kalium)
- Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff)
- Transaminasen (GOT, GPT), Gamma-GT
- Blutzucker, HbA1c
- Ferritin
- (Serum-)Albumin
- Serumelektrophorese
- Schilddrüsenfunktionsparameter (TSH)
- CRP, LDH und BSG als Hinweis auf maligne und chronische Infektionserkrankungen
- Test auf okkultes Blut im Stuhl
- Etwa 1/3 der Fälle sind auf gastrointestinale Ursachen zurückzuführen.
- nicht invasive Diagnostik, jedoch begrenzte Sensitivität und Spezifität
- weitergehende Diagnostik bei positivem Ergebnis (Endoskopie)
- Urinstatus (z. B. Proteinurie)
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebende Basisdiagnostik1-2,6
- Untersuchung auf maligne und nichtmaligne Organerkrankungen
- Röntgen des Thorax
- z. B. Tuberkulose, Bronchialkarzinom
- Abdomen-Sonografie
- z. B. Hepatitis, Cholestase, Raumforderungen
Weiterführende Diagnostik
- Weiterführende Diagnostik entsprechend spezifischer Hinweise in der Anamnese (z. B. Begleitsymptome) oder zur weiteren Abklärung auffälliger Untersuchungsbefunde mittels
- weiterer Laboruntersuchungen
- weiterer bildgebender Untersuchungen (z. B. Computertomografie)
- Endoskopie (z. B. Koloskopie)
- Biopsie und Histologie
- Malabsorptionsdiagnostik
- Pankreasfunktionstest
- neurologischer oder psychiatrischer Beurteilung.
- Ggf. Überweisung zur ergänzenden Koloskopie im Rahmen der Darmkrebsfrüherkennung, falls nicht erfolgt.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Bei unklarem Gewichtsverlust und unauffälligen Befunden in der Basisdiagnostik wird eine Beobachtung über einen Zeitraum von 3–6 Monaten empfohlen.1,4,6-7
- Ein beobachtendes Abwarten ist günstiger als eine ungerichtete, invasive Diagnostik.14
- Bei auffälligen Befunden, die auf eine organische Ursache hinweisen, ist eine Überweisung zur weiteren Abklärung sinnvoll.7
- Im Falle von Kachexie oder starker Mangelernährung kann eine Krankenhauseinweisung erwogen werden.18-19
- Trotz ausführlicher Diagnostik und Verlaufskontrolle bleibt die Ursache des ungewollten Gewichtsverlusts in 5–36 % der Fälle ungeklärt.1,3,6-7
Maßnahmen
- Die Behandlungsmaßnahmen richten sich nach der zugrunde liegenden Ursache, falls bekannt.
- Bei unbekannter Ursache Verlaufskontrolle des Gewichts über 3–6 Monaten empfohlen1-2,6-7
- Bei fortbestehender unklarer Gewichtsabnahme weiterführende Diagnostik anstreben.
- Bei multifaktoriellem Gewichtsverlust ist u. U. eine interdisziplinäre Behandlung (Zahnärzt*in, Ernährungsberater*in, Physio- und Ergotherapeut*in, Logopäd*in, Sozialarbeiter*in, ambulanter Pflegedienst), ggf. unter Einbeziehung der Angehörigen sinnvoll.16
- Die frühzeitige Behandlung von Mangelernährung hat einen positiven Einfluss auf die Mortalität, Morbidität sowie Therapietoleranz und Komplikationsrate medizinischer Behandlungen.11
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
- Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind bei älteren Patient*innen mit unbeabsichtigtem Gewichtsverlust empfohlen.1
- Anpassung der Ernährungsgewohnheiten
- häufigere und kleinere Mahlzeiten
- Veränderung/Verbesserung des Geschmacks oder der Konsistenz der Mahlzeiten
- Beschränkungen der Ernährung minimieren.
- Essen in Gesellschaft oder mit Unterstützung
- Körperliche Aktivität
- Ernährungsberatung
- Für viele Erkrankungen, z. B. Diabetes oder Tumorerkrankungen, existieren speziell angepasste Ernährungsberatungen.18-19
- Für viele Erkrankungen, z. B. Diabetes oder Tumorerkrankungen, existieren speziell angepasste Ernährungsberatungen.18-19
- Überprüfung der Medikation, insbesondere bei Polypharmazie10,17
- Ein niedriges Körpergewicht gehört zu den wichtigsten Risikofaktoren für unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen (UAW) im Alter.
- Eine Gewichtsabnahme stellt bei unverändertem Weiterführen der Medikation – vor allem bei Multimedikation – ein Risiko dar.
Medikamentöse Maßnahmen
- Medikamentöse Behandlungen sind bei unbekannter Ursache von untergeordneter Bedeutung.
- Nahrungsergänzungsmittel
- Appetitanregende Mittel7,16
- Die Wirkung ist nicht ausreichend belegt.
- Sie können zu einer Gewichtszunahme führen, senken jedoch nicht die Mortalität.
- Künstliche Ernährung
- kann z. B. bei Tumorerkrankungen oder Multimorbidität notwendig sein.18-19
- Die Indikation für enterale oder parenterale Ernährung ist abhängig vom Ausmaß des Gewichtsverlustes und der Grunderkrankung.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
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- Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie, Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin. Diagnostik und Therapie der Essstörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 051-026. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Literatur
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- Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin: Klinische Ernährung in der Onkologie. AWMF-Leitlinie Nr. 073-006. Stand 2015 (abgelaufen). www.dgem.de
Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).