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Intrakranielle Tumoren bei Erwachsenen

Zusammenfassung

  • Definition: Gut- und bösartige Tumoren oberhalb des Foramen magnum, die vom Hirngewebe, den Hirnhäuten, den Hirnnerven oder der Hypophyse ausgehen. Erbliche Disposition und ionisierende Strahlung sind Risikofaktoren.
  • Häufigkeit: Jährliche Inzidenz ca. 15–20/100.000.
  • Symptome: Abhängig von Lokalisation, Art, Größe und Wachstumsrate: häufige Anfangssymptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Bewusstseinsveränderungen und Krampfanfälle.
  • Befunde: Frühe Anzeichen können fokal-neurologische Ausfälle sein.
  • Diagnostik: MRT und CT als bildgebende Verfahren sowie Biopsie mit histologischer Untersuchung.
  • Therapie: Resektion, Strahlen- und Chemotherapie. Die Prognose hängt vor allem von histologischer und molekulargenetischer Charakterisierung, Tumorlokalisation und Alter ab. 

Allgemeine Informationen

Definition

  • Tumoren oberhalb des Foramen magnum, die vom Hirngewebe, den Hirnhäuten, den Hirnnerven oder der Hypophyse ausgehen.
  • Sowohl gut- als auch bösartige Tumoren
    • klare Unterscheidung nicht immer möglich, da z. T. auch maligne Transformation im Zeitverlauf (z. B. Gliome)
  • Die korrekte histologische und molekulargenetische Diagnose ist entscheidend für die Wahl der Therapie sowie die Prognose.

WHO-Klassifikation

  • ZNS-Tumoren wurden lange allein nach histopathologischen Kriterien klassifiziert, zuletzt in der WHO-Klassifikation von 2007.1
    • Erstes Kriterium der Klassifizierung ist dabei die zelluläre Abstammung des Tumors (z. B. Astrozytom aus Astrozyten).
    • Mit der Gradierung WHO I–IV wird zudem anhand histopathologischer Kriterien (nukleäre Pleomorphie, mitotische Aktivität, Nekrosen, Gefäßendothelproliferation) der Malignitätsgrad beschrieben:2
      • WHO I: geringe Proliferation, Heilung häufig alleine durch Resektion
      • WHO II: noch geringe proliferative Aktivität, aber infiltratives Wachstum
      • WHO III: maligner Tumor 
      • WHO IV: rasch wachsender maligner Tumor.
    • Der WHO-Grad korreliert grundsätzlich mit der Prognose, innerhalb eines WHO-Grades kann es aber zu deutlich unterschiedlichen Überlebenskurven kommen.
  • In der Revision der WHO-Klassifikation von 2016 werden erstmals zusätzlich zu den fortbestehenden histopathologischen Kriterien auch molekulargenetische Marker zur Klassifikation verwendet.3-5
    • Für die molekulargenetische Charakterisierung werden Genmutationen oder Chromosomendeletionen der Tumoren erfasst, u. a.:6
      • Mutation von IDH (IsozitratdehydrogenaseIsozitrat-Dehydrogenase)-1
      • LOH („Loss of Heterozygozity") von 1p/19q
      • Methylierung des Promotors der MGMT-(MethylguaninmethyltransferaseMethylguanin-Methyltransferase).
  • Die histopathologischen Parameter behalten dabei ihren Stellenwert, durch die zusätzliche Angabe molekularer Marker entstehen aber Tumorgruppen mit einheitlicherer Prognose und einheitlicherem Therapieansprechen.2
  • Die integrierte neuropathologische Diagnose basiert somit nun neu auf 3 statt auf 2 Diagnoseebenen:2
    1. histologische Artdiagnose (z. B. Astrozytom)
    2. histologische Gradierung (z. B. WHO Grad II)
    3. molekulargenetische Charakterisierung (z. B. IDH-mutiert).
  • Tumorgruppen der WHO-Klassifikation 2016 (die zahlreichen einzelnen Tumorarten jeder Gruppe sind nicht aufgeführt):3
    1. diffuse astrozytäre und oligodendrogliale Tumoren
    2. andere astrozytäre Tumoren
    3. ependymale Tumoren
    4. andere Gliome
    5. Choroid-Plexus-Tumoren
    6. neuronale und neuronal-glial gemischte Tumoren
    7. Tumoren der Pinealisregion
    8. embryonale Tumoren
    9. Tumoren der kranialen und paraspinalen Nerven
    10. Meningeome
    11. mesenchymale, nicht-meningeotheliale Tumoren
    12. melanozytische Tumoren
    13. Lymphome
    14. histiozytische Tumoren
    15. Keimzelltumoren
    16. Tumoren der Sellaregion
    17. Metastasen.

Häufigkeit

  • Inzidenz ca. 17/100.000 bei Männern und 20/100.000 bei Frauen7
  • Prävalenz in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren am höchsten8
  • Lebenszeitprävalenz ca. 0,6 %8
  • Ca. 60 % der primären intrakraniellen Tumoren sind bösartig.
  • Primäre intrakranielle Tumoren 3 % aller Malignome bei Erwachsenen, bei Kindern 30 %
  • Verteilung der Tumorarten7
    • Meningeome 35 %
    • Gliome 22 %
      • davon ca. 75 % Glioblastome
    • Tumoren der Sellaregion 14 %
      • überwiegend Hypophysenadenome9
    • Schwannome 6 %
    • primäre ZNS-Lymphome 3 %
    • embryonale Tumoren 1 %
      • v. a. Medulloblastome
  • Bei Erwachsenen sind Glioblastome und Meningeome am häufigsten.
  • Bei Kindern sind Astrozytome, Medulloblastome, Ependymome und Kraniopharyngeome am häufigsten.
  • Bei Erwachsenen sind die Tumoren meistens supratentoriell (im Großhirn).
  • Auch bei Kindern überwiegend supratentorielle Lokalisation, aber größerer Anteil infratentorieller Tumoren (im Kleinhirn und im Hirnstamm)
  • Intrakranielle Metastasen extrakranieller Malignome sind weitaus häufiger als primäre intrakranielle Tumoren.

Ätiologie und Pathogenese

Erbliche Disposition und Risikofaktoren

  • Erbliche Disposition und ionisierende Strahlung sind Risikofaktoren.
  • Kein Nachweis eines Zusammenhangs primärer intrakranieller Tumoren mit:8
    • Konsum von Tabak oder Alkohol
    • Nutzung von Mobiltelefonen
    • Exposition gegenüber Hochspannungsleitungen
    • Infektionen
    • Verwendung von Haarfärbemitteln.
  • Zusammenhang mit genetischen Erkrankungen 
    • Neurofibromatose Typ 1: Assoziation mit niedriggradigen Gliomen (insbes. Astrozytomen im Opticus-Chiasma-Hypothalamus) 
    • Neurofibromatose Typ 2: Assoziation mit Vestibularisschwannomen, Meningeomen und Gliomen (insbesondere Ependymomen)
    • tuberöse Sklerose: Assoziation mit Astrozytomen (subependymales Riesenzellastrozytom)
    • Von-Hippel-Lindau-Syndrom: Assoziation mit kapillären Hämangioblastomen
    • Turcot-Syndrom: Assoziation mit Glioblastomen und Medulloblastomen 
    • Li-Fraumeni-Syndrom: Assoziation mit Medulloblastomen und Astrozytomen

Ausbreitung und Gewebearten

  • Ausbreitung von primären Hirntumoren
    • lokale Infiltration, z. B. entlang der Basalmembranen der Blutgefäße (Gliome)
    • mit dem Liquor (Medulloblastome)
    • Metastasen primärer Hirntumoren selten
  • Gewebearten: Primäre Tumoren können von allen Gewebearten ausgehen, die in der Schädelhöhle vorkommen.
    • größter Teil Gliome (Astrozytom, Oligodendrogliom, Oligoastrozytom, Ependymom)
    • Meningeome entspringen den Hirnhäuten.
    • Schwannome entstehen in den Hirnnerven (Akustikusneurinom).
    • Hypophysenadenome
    • in seltenen Fällen Entstehung in Neuronen (z. B. Gangliogliom) oder embryonalen Zellen (z. B. Medulloblastom)
      • häufiger bei Kindern als bei Erwachsenen 

Neuroepitheliale Tumoren

  • Häufigste primäre Hirntumoren
  • Entstehung aus Gliazellen oder Neuronen, d. h. aus Zellen, die von Neuroepithelien abstammen.
  • Tendenz zur diffusen Infiltration
    • eingeschränkte Möglichkeit zur radikalen chirurgischen Therapie
  • Seltene Metastasierung 
  • Gliom ist der Sammelbegriff für Tumoren, die histologisch bestimmten Gliazellen (Astrozyten, Oligodendrozyten, Ependymzellen) ähneln.
Astrozytom
  • Pilozytisches Astrozytom (WHO-Grad I): Astrozytom-Variante mit niedrigem Malignitätsgrad
    • gut abgegrenzte, langsam wachsende Tumoren
    • Auftreten am häufigsten im Kinder- und Jugendalter7
    • nur selten Tendenz zu maligner Transformation
    • Vorkommen vor allem im Kleinhirn, im Nervus opticus und im Hypothalamus
  • Astrozytome WHO-Grad II und anaplastische Astrozytome (WHO-Grad III) sind Untergruppen mit zunehmendem Malignitätsgrad.
  • Entartung zu Glioblastom (WHO-Grad IV) möglich
Oligodendrogliom
  • Auftreten am häufigsten im Alter zwischen 40 und 50 Jahren
  • Lokalisation in der Regel in der Großhirnhemisphäre
  • Auch hier Unterscheidung zwischen niedrigem (WHO-Grad II) und hohem (anaplastisch, WHO-Grad III) Malignitätsgrad
    • Zusammenhang zwischen histologischem Befund und Prognose nicht so klar wie bei Astrozytomen
  • Auch hier maligne Transformation zu Glioblastom möglich
Glioblastom
  • Bösartigster primärer Hirntumor (WHO-Grad IV)
  • Schnell und infiltrierend wachsend
  • Alter bei Erstdiagnose meist 55–65 Jahre7
  • Entstehung de novo (primäres Glioblastom, häufiger) oder aus niedriggradigen Gliomen (sekundäres Glioblastom)
Neuronale Tumoren
  • Neuronale und gemischte, neuronal-gliale Tumoren (dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor, Gangliogliom und zentrales Neurozytom)
  • Selten
  • Insgesamt gute Prognose
    • maligne Transformation bei Gangliogliomen möglich
  • Lokalisation von neuronalen und neuronal-glialen Tumoren oft in den Temporallappen
  • Zentrale Neurozytome in der Regel intraventrikuläre Tumoren
    • Lokalisation meistens in der Nähe der Foramina interventriculares
    • Auftreten am häufigsten bei jungen Erwachsenen
Meningeome10
  • Etwa 35 % der primären intrakraniellen Tumoren11
  • Entstehung aus den Deckzellen der Arachnoidea7
  • 95 % gutartig
  • Häufigkeitsgipfel um 45. Lebensjahr12
  • Frauen häufiger betroffen als Männer (ca. 2:1)
  • Häufigkeit des Mammakarzinoms bei Frauen mit Meningeom erhöht
    • beide Tumorarten z. T. mit Hormonrezeptoren
    • Beeinflussung durch weibliche Sexualhormone
  • Meistens gut abgegrenzt, von Kapsel umgeben
  • Langsames, verdrängendes Wachstum
    • Tumoren häufig relativ groß bei Symptombeginn
Tumoren der Hirnnerven
  • Vestibularis-Schwannom (früher Akustikusneurinom genannt)
  • Häufigste primäre infratentorielle Tumorart (6 % der primären intrakraniellen Tumoren)
  • Auftreten zwischen 45. und 70. Lebensjahr, bei Frauen etwas häufiger als bei Männern7
  • Gutartiges Neurinom, ausgehend von den Schwannzellen
  • Langsames Wachstum
  • Ausgang vom vestibulären Anteil des 8. Hirnnerven, Lage daher im Kleinhirnbrückenwinkel
  • 95 % unilateral, 5% bilateral
  • Sehr selten Neurinome des 5. Hirnnerv (Nervus trigeminus)
Lymphome
  • Primäre maligne Lymphome des ZNS sind i. d. R. B-Zell-Lymphome.7
  • Zunehmende Häufigkeit, u. a. bei HIV-Patienten und bei immunsupprimierten13, aber auch bei immunkompetenten Patienten
Hypophysentumoren
  • Gehen von der Adenohypophyse aus.
  • Ca. 10 % der intrakraniellen Tumoren9
  • Auftreten zwischen 30. und 60. Lebensjahr7
  • Erhebliche Unterschiede in der Größe, der Wachstumsrate, dem klinischen Erscheinungsbild und der Invasion in das umliegende Gewebe
  • Etwa 10 % lokal invasiv
    • Infiltration in 1. Linie in die Wände der Sella turcica
  • Metastasierende Hypophysenkarzinome extrem selten
  • Hormonaktive Tumoren eher bei jüngeren, hormoninaktive Tumoren eher bei älteren Patienten7
  • Einteilung nach der Hormonproduktion
    • 25–30 % Prolaktin
    • 20–25 % nichthormonproduzierend
    • 15–20 % Somatotropin
    • 10–15 % ACTH (Cushing-Syndrom)
    • 5 % sowohl Prolaktin als auch Somatotropin
    • 3–5 % Gonadotropine (LH und FSH)
    • TSH-produzierende Tumoren selten
  • Einteilung nach der Größe
    • Mikroadenom (< 10 mm)
    • Makroadenom (≥ 10 mm)
Metastasen
  • Häufigkeit
    • Ca. 25 % der Malignom-Patienten entwickeln Hirnmetastasen.7
  • Primärtumoren der Metastasen7
    • Bronchial-Ca (50 %)
    • Mamma-Ca (15–20 %)
    • gastrointestinale Tumoren, Melanom und urogenitale Tumoren jeweils 5–10 %
  • Risiko für zerebrale Metastasen sind abhängig vom Primärtumor.7
    • malignes Melanom und kleinzelliges Bronchial-Ca 40 %
    • nichtkleinzelliges Bronchial-Ca 30 %
    • Mamma- und Nierenzell-Ca 20 %
    • maligne Lymphome 2–5 % 

Prädisponierende Faktoren

  • Seltene Erbkrankheiten
  • Ionisierende Strahlen 
  • Immunsuppression (primäre ZNS-Lymphome)
  • Kein Nachweis eines Zusammenhangs mit Schädeltraumata 
  • Kein Nachweis eines Zusammenhangs mit dem Gebrauch von Mobiltelefonen14

ICPC-2

  • N74 Bösartige Neubildung Nervensystem
  • N75 Gutartige Neubildung Nervensystem
  • N76 Neubild. Nervensystem nicht spez.

ICD-10

  • C70 Bösartige Neubildung der Meningen
    • C70.0 Hirnhäute
    • C70.1 Rückenmarkhäute
    • C70.9 Meningen, nicht näher bezeichnet
  • C71 Bösartige Neubildung des Gehirns
    • C71.0 Zerebrum, ausgenommen Hirnlappen und Ventrikel
    • C71.1 Frontallappen
    • C71.2 Temporallappen
    • C71.3 Parietallappen
    • C71.4 Okzipitallappen
    • C71.5 Hirnventrikel
    • C71.6 Zerebellum
    • C71.7 Hirnstamm
    • C71.8 Gehirn, mehrere Teilbereiche überlappend
    • C71.9 Gehirn, nicht näher bezeichnet
  • C72 Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
    • C72.0 Rückenmark
    • C72.1 Cauda equina
    • C72.2 Nn. olfactorii [I. Hirnnerv]
    • C72.3 N. opticus [II. Hirnnerv]
    • C72.4 N. vestibulocochlearis [VIII. Hirnnerv]
    • C72.5 Sonstige und nicht näher bezeichnete Hirnnerven
    • C72.8 Gehirn und andere Teile des Zentralnervensystems, mehrere Teilbereiche überlappend
    • C72.9 Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet
  • D32 Gutartige Neubildung der Meningen
    • D32.0 Hirnhäute
    • D32.1 Rückenmarkhäute
    • D32.9 Meningen, nicht näher bezeichnet
  • D33 Gutartige Neubildung des Gehirns und anderer Teile des Zentralnervensystems
    • D33.0 Gehirn, supratentoriell
    • D33.1 Gehirn, infratentoriell
    • D33.2 Gehirn, nicht näher bezeichnet
    • D33.3 Hirnnerven
    • D33.4 Rückenmark
    • D33.7 Sonstige näher bezeichnete Teile des Zentralnervensystems
    • D33.9 Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

Leitlinie: Gliome15

  • Neurologische Untersuchung zur Dokumentation der durch den Tumor bei Diagnosestellung verursachten Defizite
    • große Bedeutung auch zur Beurteilung späterer Folgen von Tumorprogression und Therapie
  • Gleiches gilt für neuropsychologische Untersuchungen.
  • Klinisch-internistische Untersuchung
    • unter besonderer Berücksichtigung der Differenzialdiagnose primär extrazerebraler, metastasierender Tumoren
    • auch zur Beurteilung der Operationsfähigkeit
  • Mögliche Befunde bei intrazerebralem Druckanstieg:
    • Stauungspapille
    • Anisokorie
    • Hypertonie
    • Bradykardie
    • verändertes Atemmuster.
  • Als ein Ergebnis der klinisch-neurologischen Untersuchung ist der Karnofsky-Index festzulegen.

Karnofsky-Index zur Bewertung des Behinderungsgrades der Patienten

  • Score – Beschreibung
  • 100 – Normalzustand, keine Beschwerden, keine manifeste Erkrankung
  • 90 – Normale Leistungsfähigkeit, minimale Krankheitssymptome
  • 80 – Normale Leistungsfähigkeit mit Anstrengung, geringe Krankheitssymptome
  • 70 – Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, arbeitsunfähig, kann sich selbst versorgen.
  • 60 – Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, benötigt gelegentlich fremde Hilfe
  • 50 – Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, braucht krankenpflegerische und ärztliche Betreuung, nicht dauernd bettlägerig.
  • 40 – Bettlägerig, spezielle Pflege erforderlich
  • 30 – Schwer krank, Krankenhauspflege notwendig
  • 20 – Schwer krank, Krankenhauspflege und supportive Maßnahmen erforderlich
  • 10 – Moribund, Krankheit schreitet schnell fort.
  • 0 – Tod

Diagnostik beim Spezialisten

  • MRT: ohne und mit Kontrastmittel Methode der Wahl bei klinischem Verdacht auf einen Hirntumor15
    • Vorteile: hohe Sensitivität, Festlegung der Tumorlokalisation und -grenzen in mehreren Ebenen7
    • Nachteil: Darstellung von Kalzifikationen problematisch7
  • CT
    • Vorteil: gute Darstellung von knöchernen Strukturen, Blutungen, Kalzifikationen7
      • Kalzifikationen insbesondere bei der Diagnostik von Oligodendrogliomen relevant15
    • Nachteil: schlechtere Auflösung von Weichteilgewebe als mit MRT7
  • Zerebrale Angiografie
    • nur selten indiziert, z. B. bei Verdacht auf gefäßreiche Tumoren oder differenzialdiagnostisch in Bezug auf Gefäßfehlbildungen
    • Häufig liefern MRT-Angiografie oder CT-Angiografie ausreichende Darstellung der Gefäßverhältnisse.
  • Positronenemissionstomografie (PET)
    • zur Differenzialdiagnose zwischen Veränderungen durch Tumor vs. Therapie7
      • höhere Spezifität für Tumorgewebe im Vgl. zum MRT7

Ergänzende Untersuchungen

  • Stereotaktische Biopsie
    • Neuroonkologisches Therapiekonzept erfordert histologische Beurteilung des Tumors.15
    • Biopsie führt bei mehr als 90 % der Patienten zu zuverlässiger Diagnose.15
    • bei Erwachsenen Biopsie zumeist in Lokalanästhesie7
      • Dadurch ist auch bei reduziertem Allgemeinzustand eine definitive Diagnose möglich.15
  • Liquoruntersuchung
    • Dient zur Differenzialdiagnose.7,15
      • Entzündung
      • Metastasen eines extrazerebralen Tumors
      • Meningealbeteiligung eines zerebralen Lymphoms
      • meningeale Aussaat eines Medulloblastoms
  • EEG
    • Beurteilung der Krampfbereitschaft15
  • Hormonbestimmung im peripheren Blut
    • wichtig bei Hypophysentumoren

Indikationen zur Überweisung

  • Bei V. a. primären Hirntumor

Checkliste zur Überweisung

Hirntumor, Verdacht

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Therapie? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Wann haben die Beschwerden begonnen? Progression?
    • Welche Symptome? Fokale neurologische Ausfälle? Epilepsie? Kopfschmerzen? Verhaltens- oder Persönlichkeitsveränderungen? Kognitive Beeinträchtigung?
    • Andere relevante Erkrankungen (bekannte Krebserkrankung)? Regelmäßige Medikamente? Familiäre Disposition? 
    • Hintergrund: beruflich, sozial, körperliche Aktivität, sonstiges?
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand? Anzeichen einer neurologischen Erkrankung?
    • somatische und orientierende neurologische Untersuchung
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziele

  • Heilung, wenn möglich
  • Ansonsten lebensverlängernde Therapie mit Erhaltung der neurologischen Funktion
  • In einigen Fällen symptomatische Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Tumorspezifische Therapiemaßnahmen sind Operation, Bestrahlung und Chemotherapie.
  • Ergänzende Behandlung von Krampfanfällen, peritumoralen Ödemen, Venenthrombosen, Müdigkeit und kognitiver Dysfunktion16
  • Zu primären intrakraniellen Tumoren bei Kindern siehe Artikel Hirntumoren bei Kindern.

Operative Therapie

  • Wenn möglich, vollständige Exstirpation des Tumors
  • Ansonsten möglichst umfassende Resektion des Tumors, vereinbar mit gutem funktionellen Ergebnis
  • Zur Funktionserhaltung ist ein günstiger operativer Zugangsweg wichtig.15
  • Mikrochirurgische Operationstechniken erforderlich15
  • Meistens neuronavigationsgestützte Operation
    • Navigationssysteme können in 2 Hauptgruppen unterteilt werden:
      1. Systeme, die sich auf präoperative Bilder stützen (MRT, CT).
      2. Systeme, die sich auf intraoperative Bilder stützen (MRT, Ultraschall).
      • Vorteil der intraoperativen Bildregistrierung: Anpassung an „Brain Shift“ während der Operation.
  • Postoperative MRT innerhalb von 72 h zur Beurteilung des Ergebnisses und Erfassung von Frühkomplikationen15
  • Evtl. Zweitoperation bei chirurgisch angehbarem Resttumor
  • Hohes operatives Risiko bei Tumoren nahe der Schädelbasis
  • Verbesserte Prognose bei einigen Tumoren durch vollständige Resektion, z. B. Glioblastom und niedriggradige Gliome7
  • Aufgrund eines diffusen Wachstums und schwieriger makro- und mikroskopischer Abgrenzung ist häufig eine Ergänzung durch Bestrahlung und Chemotherapie notwendig.

Stereotaktische Bestrahlung („Strahlenchirurgie“)

  • Präzise Zerstörung von Tumoren durch externe Bestrahlung17
  • Punktgenaue Applikation hoher Energiedosen
    • Fixation der Patienten für die Behandlung notwendig
    • alternativ Ausgleich von Spontan- und Atembewegungen durch neuere Systeme
  • Nur geringe Belastung des umgebenden Gewebes
  • Durchführung mit Gamma-Knife (Kobaltquellen) oder Linearbeschleuniger
    • für Tumoren mit einem Durchmesser über 4 cm nur selten geeignet
  • Anwendung vor allem bei Vestibularis-Schwannomen und Metastasen
  • Neben Einzeitbestrahlung auch fraktionierte Anwendung möglich
    • bei größeren Tumoren und/oder in der Nähe strahlungsempfindlicher Strukturen

Strahlentherapie

  • Ziele
    • postoperative Zerstörung von Resttumorgewebe (vollständige operative Tumorresektion häufig nicht sicher beurteilbar bzw. primär nicht möglich)
    • bei einigen Tumorarten Behandlung von Tumoraussaat über die Liquorräume
  • Mögliche Zielvolumina7,17
    • erweiterte Tumorregion (z. B. Gliome, Kraniopharyngeome)
    • Ganzhirnbestrahlung (z. B. primäre ZNS-Lymphome, Leukämien, Metastasen)
    • gesamter kraniospinaler Liquorraum (Neuroachse): z. B. Medulloblastom 
  • Individuelle, computergestützte Therapieplanung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bildgebung (MRT, CT, PET)
  • Strahlendosis17
    • abhängig von der Strahlenempfindlichkeit des Tumors, z. B.:
      • hochmaligne Gliome 60 Gy
      • niedrigmaligne Gliome 45–54 Gy
      • Medulloblastom 54–55 Gy
      • Ependymome mindestens 54 Gy
      • Ganzhirnbestrahlung bei Hirmetastasen bis 30 Gy.
    • üblicherweise fraktionierte Therapie in Einzeldosen von 1,8–2,0 Gy15
  • Die Strahlentoleranz des normalen Hirngewebes hängt von der Fraktionierung und Gesamtdosis ab.15
  • Beginn einer postoperativen Strahlentherapie 2–4 Wochen nach der Operation, Dauer ca. 2–7 Wochen
  • Nebenwirkungen

Chemotherapie

  • Im Vergleich zu früher zunehmende Bedeutung
  • Temozolomid (Alkylanz)
    • wichtiges Medikament bei der Behandlung von Glioblastomen15 
    • eingesetzt auch bei Astrozytomen Grad II und III, bei Oligoastrozytomen und Oligodendrogliomen
    • Nebenwirkungen: Myelosuppression, gastrointestinale Nebenwirkungen
  • Bevacizumab (monoklonaler Antikörper mit Bindung an VEGF)
  • Nitrosoharnstoffe (Alkylantien)
    • ACNU (Nimustin), BCNU (Carmustin) und CCNU (Lomustin)
    • häufig verwendete Zytostatika, vor allem bei Gliomen19
    • Nebenwirkungen: protrahierte Leuko- und Thrombopenie nach 4–6 Wochen, gastrointestinale Nebenwirkungen, Leberschäden15
  • Procarbazin (Alkylanz)
    • Verwendung in Kombination mit CCNU und Vincristin (PCV-Schema) bei Patienten mit Gliomen, v. a. Oligodendrogliom20
    • Nebenwirkungen: Myelosuppression, bei 5 % der Patienten allergische Reaktionen15
  • Vincristin (Vincaalkaloid)
    • Verwendung im Rahmen des PCV-Schemas bei Gliomen
    • Nebenwirkungen: hohes Risiko peripherer Neuropathien
  • Cytarabin (Antimetabolit)
    • vor allem zur Behandlung von Lymphomen
    • Nebenwirkungen: Myelosuppression, Meningitis, Mukositis, Leberschädigung
  • Methotrexat (Antimetabolit)
    • wichtig bei der Therapie primärer zerebraler Lymphome21
    • Verwendung auch zur intrathekalen Tumortherapie
    • Nebenwirkungen: gastrointestinale Nebenwirkungen, nephrotoxisch, hepatotoxisch, Myelosupression

Glukokortikoide

  • Häufig erhebliches Ödem um den Tumor 
  • Gutes Ansprechen des Ödems auf Glukokortikoide mit deutlicher Linderung der Symptome
  • Gabe von Glukokortikoiden auch im Rahmen der präoperativen Vorbereitung 
  • Aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen Gabe über möglichst kurzen Zeitraum

Sonstige Medikamente

  • Mannitol-Infusion
    • zur Akutbehandlung (Osmotherapie) eines schweren Hirnödems
  • Antiepileptika
  • Prä- und perioperative antikonvulsive Behandlung bei Patienten, die mit Krampfanfällen symptomatisch wurden.15
      • bevorzugt intravenös applizierbare Substanzen wie Levetiracetam oder Valproinsäure sowie Benzodiazepine15
    • keine Indikation zur Primärprophylaxe15

Neuroepitheliale Tumoren

  • Für die verschiedenen Subgruppen von Gliomen bestehen komplexe Therapiealgorithmen abhängig von:22
    • histopathologischer und molekulargenetischer Klassifikation
    • Vorliegen von Risikofaktoren
      • Alter > 40 Jahre
      • neurologische Ausfälle
      • unkontrollierbare Anfälle
      • Tumorgröße > 6 cm oder Überschreiten der Mittellinie
      • subtotale Resektion.
  • Grundprinzipien der Therapie22
    • größtmögliche, jedoch funktionell nicht einschränkende Resektion
      • im Falle von WHO-Grad I möglicherweise kurativ23
      • bei diffusen WHO-Grad-II- bis -IV-Gliomen primär makroskopisch vollständige Resektion oft möglich, in der Regel aber nicht kurativ (da diffus infiltrierend)
      • Das Ausmaß der Resektion hat Auswirkungen auf die Prognose.
    • Postoperative Strahlentherapie verbessert die Überlebenszeit.
      • Zeitpunkt variabel je nach WHO-Grad und Risikofaktoren
    • Medikamentöse Tumortherapie ist der 3. Pfeiler der Behandlung.
  • Bei allen Therapieentscheidungen sollten Nutzen und Risiko abgewogen werden vor dem Hintergrund von:22
    • Alter
    • Allgemeinzustand
    • neurologischem Zustand.

Neuronale und gemischte neuronal-gliale Tumoren

  • Gangliogliome
    • Prädilektionsstelle im Temporallappen, häufig medikamentös intraktable Epilepsie 
    • vollständige Exstirpation im Allgemeinen kurativ
      • selten Rezidive 
  • Zentrale Neurozytome treten definitionsgemäß innerhalb des Ventrikelsystems auf.
    • gutartiger Tumor, maligne Transformation äußerst selten
    • Ziel ist vollständige Resektion.
    • Rezidive sind selten, ggf. Strahlentherapie.

Meningeome

  • In der Regel gutartige, gut abgegrenzte Tumoren mit langsamem Wachstum
  • Bei kleinen Tumoren ohne Progress und relevante Symptomatik primär nur Verlaufsbeobachtung
  • Indikation für Operation
    • symptomatische Meningeome
    • asymptomatische Tumoren bei progredientem Wachstum
  • Ziel der Operation
    • komplette Resektion
      • bei Meningeomen im Bereich von Sinus sagittalis, Kleinhirnbrückenwinkel, Sinus cavernosus oder Clivus komplette Resektion schwierig oder unmöglich
  • Rezidiv
    • nach „kompletter“ Resektion 10-Jahres-Rezidivrate 20 %7
    • bei subtotaler Resektion 10-Jahres-Rezidivrate über 50 %
  • Strahlentherapie
    • keine Strahlentherapie nach kompletter Resektion von Meningeomen Grad I und II
    • nach subtotaler Resektion Verlaufsbeobachtung oder Evaluation einer stereotaktischen Bestrahlung des Resttumors24 
    • bei anaplastischen/malignen Meningeomen postoperative Strahlentherapie

Vestibularis-Schwannome (früher als Akustikusneurinome bezeichnet)

  • Bei jüngeren Patienten Behandlung
  • Bei älteren oder gebrechlichen Patienten Abwägung von Risiko und Nutzen
  • Therapiealternativen
    • chirurgische Resektion und/oder stereotaktische Bestrahlung
    • Die Wahl ist abhängig von Tumorgröße, Alter, Gehör (ipsilateral und kontralateral) und Beruf der Patienten.
    • im Allgemeinen chirurgische Therapie bei Vestibularis-Schwannomen > 3 cm
      • stereotaktische Bestrahlung bei Resttumor
  • Risiko chirurgischer Komplikationen
    • Gefahr der Schädigung des Nervus facialis
    • Mikrochirurgische Technik und präoperative neurophysiologische Untersuchungen sind hilfreich für die Erhaltung des Nervus facialis.25
    • häufig Hörverlust auf der operierten Seite, bei kleinen Tumoren teilweiser Erhalt möglich26
  • Stereotaktische Bestrahlung
    • Alternative zur Operation bei Tumoren < 3 cm

Primäre maligne Lymphome

  • Beginn häufig mit multifokalen periventrikulären Läsionen
    • systemische Ausbreitung bei ca. 10 % der Patienten
  • Initiale Behandlung mit Kortikosteroiden
    • rascher Rückgang der Läsionen
  • Therapie der Wahl: bei Patienten < 65 Jahre Chemotherapie auf der Basis von hochdosiertem Methotrexat und hochdosiertem Cytarabin7
    • 5-Jahres-Überlebensrate 30–40 %
  • Bei Patienten > 65 Jahre Methotrexat oder Strahlentherapie
    • Strahlentherapie mit hohem Risiko für Spätneurotoxizität7

Hypophysentumoren

  • Therapiemöglichkeiten: Operation, stereotaktische Bestrahlung, medikamentöse Therapie 
  • Operation in der Regel über transsphenoidalen Zugang durch die Nase (endoskopisch oder mikrochirurgisch) 
  • In folgenden Fällen Operation als Erstlinientherapie:
    • Tumoren (außer Prolaktinome), die eine Kompression neuraler Strukturen verursachen, insbesondere der Sehnerven.
    • somatotropinproduzierende Tumoren
    • ACTH- und TSH-produzierende Tumoren
    • Prolaktinome, die sich bei einer medikamentösen Therapie nicht zurückbilden oder bei denen eine medikamentöse Therapie aufgrund von Nebenwirkungen beendet werden muss.
  • In folgenden Fällen medikamentöse Behandlung:
    • Erstlinientherapie bei allen Mikroprolaktinomen und den meisten Makroprolaktinomen mit Bromocriptin (Dopaminagonist)
      • Supprimierung von Prolaktin und Größenabnahme des Tumors7
    • bei somatotropinproduzierenden Tumoren Gabe von Somatostatinanaloga (Octreotid), sofern Operation und/oder stereotaktische Bestrahlung ohne zufriedenstellendes Ergebnis 
    • Ersatztherapie bei Hypopituitarismus
  • Strahlentherapie
    • Hypophysentumoren sind gegenüber Strahlung relativ empfindlich.
    • Stereotaktische Bestrahlung und konventionelle Strahlentherapie sind nützliche Adjuvantien bei unvollständig entfernten oder infiltrierenden Tumoren.
    • Rezidive häufig (10–20 %) – lebenslange Verlaufskontrolle

Metastasen

  • Entscheidende Faktoren für die Wahl der Therapie
    • Anzahl der Metastasen (durch zerebrale MRT beurteilt)
    • Lokalisation und Größe
    • Art und Ausbreitung des zugrunde liegenden Tumors
    • Allgemeinzustand der Patienten
  • Bei fortgeschrittener Krebserkrankung und schlechtem Allgemeinzustand sollte von einer spezifischen Behandlung von Hirnmetastasen abgesehen werden.
    • Bei wenigen Metastasen kann eine stereotaktische Strahlentherapie in Betracht gezogen werden.
  • Glukokortikoide zur Ödembehandlung
  • Indikation zur Operation solitärer Hirnmetastasen
    • bei ansonsten kontrollierter Tumorerkrankung und relativ gutem Allgemeinzustand 
    • unbekannter Primärtumor
  • Operation der Metastasen
    • Verlängert bei den genannten Indikationen die Lebensdauer und verbessert die Lebensqualität.27
    • Bei unbekanntem Primärtumor ermöglicht die chirurgische Entfernung eine histologische Untersuchung.
  • Stereotaktische Bestrahlung
  • Gleichwertig zur Operation bei Metastasen < 3 cm
    • Bei Patienten mit bis zu 3 Hirnmetastasen ist eine stereotaktische Bestrahlung in einer oder mehreren Sitzungen möglich.
  • Postoperative Strahlentherapie
    • in der Regel nach Exstirpation der Metastase
      • bei regelmäßiger Kontrolle auch abwartendes Prozedere möglich28
  • Ganzhirnbestrahlung
    • bei multiplen Hirnmetastasen
  • Chemotherapie
    • insgesamt nur von begrenzter Bedeutung
    • Option z. B. bei kleinzelligem Bronchial-Ca, Mamma-Ca, Lymphom
    • kurativer Ansatz bei Keimzelltumor des Hodens7

Palliative Therapie

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Große Variationsbreite
  • Progression kann zwischen Dekaden bei niedriggradigen Tumoren und Tagen bei hochgradig malignen Tumoren variieren.

Anerkennung als Berufskrankheit

  • Tritt ein intrakranieller Tumor durch ionisierenden Strahlen im Zusammenhang mit der beruflichen Exposition auf, kann diese Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden.29
  • Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
  • Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen30).
  • Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.

Komplikationen

Prognose

  • Histologische und molekulargenetische Diagnose ist der wichtigste prognostische Faktor.
  • Prognose ansonsten von Alter und klinischem Zustand der Patienten und von der Lokalisation des Tumors abhängig
  • Prognoseschätzungen beziehen sich üblicherweise auf den Zeitpunkt der Diagnosestellung.
    • Günstigere Zahlen ergeben sich bei Berücksichtigung der Zeit, die ein Patient bereits überlebt hat.31

Allgemeine Lebenserwartung

  • Relative 5-Jahres-Überlebensraten für Fälle, die in der Zeit von 2007–2011 diagnostiziert wurden.
    • nichtmaligne
      • Männer: 93,4 %
      • Frauen: 95,6 %
    • maligne
      • Männer: 30,3 %
      • Frauen: 33,1 %
  • Bei bösartigen Tumoren liegt das mediane Sterbealter bei 67 Jahren (Männer) bzw. 70 Jahren (Frauen).22

Gliome

  • Die Prognose ist neben dem WHO-Grad vor allem von molekularen Markern abhängig:22
    • Mutation der IDH (IsozitratdehydrogenaseIsozitrat-Dehydrogenase)
    • LOH („Loss of Heterozygozity") von 1p/19q
    • Methylierung des Promotors von MGMT-(MethylguaninmethyltransferaseMethylguanin-Methyltransferase).
  • Prognose für verschiedene Tumorentitäten/Varianten:22 
    • WHO Grad II
      • IDH mut und LOH 1p/19q, Oligodendrogliome: > 10 Jahre
      • IDH mut, diffuse Astrozytome: 10 Jahre
      • IDH wt, diffuse Astrozytome: bis 3 Jahre
    • WHO Grad III
      • IDH mut und LOH 1p/19q, Oligodendrogliome: 10 Jahre 
      • IDH mut, diffuse Astrozytome: 6–8 Jahre
      • IDH wt, diffuse Astrozytome: 1–4 Jahre
    • WHO Grad IV
      • MGMT methyliert: 23 Monate
      • MGMT nicht methyliert: 14 Monate.

Meningeome

  • Vollständige OP bei gutartigen Meningeomen meist gleichbedeutend mit Heilung32
  • Auftreten von Rezidiven abhängig vom WHO-Grad32

Hypophysentumoren

  • Sowohl hormoninaktive als auch hormonaktive Tumoren in der Regel mit guter Prognose33

Vestibularis-Schwannom (Akustikusneurinom)

  • Normale Lebenserwartung nach kompletter Tumorentfernung34

ZNS-Lymphome

  • Bei jüngeren immunkompetenten Patienten Heilung durch Chemotherapie möglich, bei älteren Patienten ungünstigere Prognose35

Metastasen

  • Unbehandelt medianes Überleben von wenigen Wochen36
  • Auch unter Therapie sehr schlechte Prognose36
    • Günstige Faktoren sind Alter, kontrollierter Primärtumor und Abwesenheit extrakranieller Metastasen.36

Verlaufskontrolle

  • Verlaufskontrolle in der Regel durch Neurologen/Neurochirurgen
  • Tumorstatus kontrollieren.
  • Allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten?
  • Hormonstatus bei allen Patienten, die eine Strahlentherapie durchlaufen haben und bei allen Patienten mit Hypophysentumoren.

Weitere Informationen

  • Auf Coliquio gibt es eine Kasuistik einer ungewöhnlichen Symptomatik mit Diskussionsmöglichkeit.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Allgemeines zur Therapie

Lindernde Maßnahmen bei fortgeschrittener Krebserkrankung

Weitere Informationen

Illustrationen

 

Großhirnrinde Querschnitt (mediale Übersicht)
Großhirnrinde Querschnitt (mediale Übersicht)

 

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Gliome. AWMF-Leitlinie Nr. 030-099. S2k, Stand 2014. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Gliome im Erwachsenenalter. Stand 2019. onkopedia.com

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  3. Louis D, Perry A, Reifenberger G, et al. The 2016 World Health Organization Classification of Tumors of the Central Nervous System: a summary. Acta Neuropathol 2016; 131: 803-820. doi:10.1007/s00401-016-1545-1 DOI
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  36. Deutsche Tumorhilfe. Hirnmetastasen. Zugriff 15.04.20. www.hirntumorhilfe.de

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Eirik Helseth, professor i nevrokirurgi, Oslo universitetssykehus
  • Petter Brandal, overlege i nevrooonkologi, Oslo universitetssykehus
  • Espen Dietrichs, professor og avdelingsoverlege, Universitetet i Oslo og Nevrologisk avdeling, Rikshospitalet, Oslo
  • Harald Kamps, spesialist i allmennmedisin; universitetslektor II, enhet for anvendt klinisk forskning, Regionsykehuset i Trondheim, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
hjernetumorC70; hjernekreftC700; tumor cerebriC701; Hjernesvulster hos voksneC709; kreft i hjerneC71; svulst i hjerneC710; karnofskys indeksC711; IntrakranialeC712; svulsterC713; hosC714; voksneC715; C716; C717; C718; C719; C72; C720; C721; C722; C723; C724; C725; C728; C729; D32; D320; D321; D329; D33; D330; D331; D332; D333; D334; D337; D339
hjernetumor; hjernekreft; tumor cerebri; Hjernesvulster hos voksne; kreft i hjerne; svulst i hjerne; karnofskys indeks; Intrakraniale svulster hos voksne
hjernetumorN74; hjernekreftN75; tumor cerebri; Hjernesvulster hos voksne; kreft i hjerne; svulst i hjerne; karnofskys indeks; Intrakraniale svulster hos voksneN76
Hirntumor; Gehirntumor; Intrakranieller Tumor; Gliom; Meningeom; Neuroepithelialer Tumor; Vestibularisschwannom; Glioblastom; Hypophysentumor; Intrakranielle Raumforderung; Kopfschmerzen; Vigilanzminderung; Übelkeit; Epileptische Anfälle; Persönlichkeitsveränderungen; Karnofsky-Index
Intrakranielle Tumoren bei Erwachsenen
BBB MK 16.04.2020, komplett überarbeitet, aktuelle LL. Revision at 14.01.2014 12:17:48: Gjennomgått av både onkolog og nevrokirurg (Brandal og Helseth). Omfattende endringer. Revision at 29.10.2013 14:52:14: Revidert i henhold til Medibas. Små endringer. chck go 18.8. MK 24.11.16
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Definition: Gut- und bösartige Tumoren oberhalb des Foramen magnum, die vom Hirngewebe, den Hirnhäuten, den Hirnnerven oder der Hypophyse ausgehen. Erbliche Disposition und ionisierende Strahlung sind Risikofaktoren.
Neurologie
Intrakranielle Tumoren bei Erwachsenen
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Intrakranielle Tumoren bei Erwachsenen
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