Palliative Therapie bei oralen Beschwerden

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Mundtrockenheit (Xerostomie) wird die subjektive Wahrnehmung einer Trockenheit im Mund bezeichnet. Die objektiv gemessen erniedrigte Speichelproduktion im Mund wird Hyposalivation genannt.
  • Eine Hypersalivation (Sialorrhö) ist bei Patient*innen mit malignen Erkrankungen nur selten zu beobachten, sie kann jedoch bei neurologischen Erkrankungen ein Problem darstellen.
  • Weitere mögliche Beschwerden im Mund sind Schmerzen in der Mundhöhle, Schmeckstörungen, Mundgeruch, Sprachstörungen, Schluckbeschwerden sowie verschiedene Infektionen.
  • Stomatitis ist eine Sammelbezeichnung für alle Arten von Entzündungen im Mund.

Palliativmedizin

  • Die Palliation1 ist die aktive Behandlung, Pflege und Betreuung unheilbar erkrankter Patient*innen mit geringer Lebenserwartung.
  • Dabei spielt die Linderung körperlicher Schmerzen und anderer belastender Symptome eine wichtige Rolle. Zudem kommen Maßnahmen zur Anwendung, die auf psychische, soziale und spirituelle/existenzielle Probleme ausgerichtet sind.
  • Das Ziel besteht darin, Patient*innen und ihren Angehörigen die bestmögliche Lebensqualität zu sichern.

Palliation von Mundtrockenheit

  • Viele Patient*innen mit einer malignen Erkrankung leiden unter Beschwerden des Magen-Darm-Trakts.
  • Diese Symptome können dabei für die Erkrankten ebenso belastend sein wie Schmerzen.
  • Mundtrockenheit (Xerostomie) kommt bei Patient*innen mit malignen Erkrankungen häufig vor, ist belastend und wird oft unterschätzt und vernachlässigt.

Häufigkeit

  • Bis zu 80 % der Palliativpatient*innen leiden an einer Xerostomie.
  • Sonstige Probleme der Mundgesundheit liegen bei 30–50 % der Erkrankten vor.

Ursachen

  • Bei malignen hämatologischen Erkrankungen treten bei nahezu 100 % der Patient*innen orale Nebenwirkungen auf.
  • Auch nach einer Strahlentherapie, bei der der Mund im Strahlenfeld liegt, sind bei allen Betroffenen orale Nebenwirkungen zu beobachten.
    • Akute Nebenwirkungen sind insbesondere die radiogene Mukositis.
    • Späte Nebenwirkungen sind gekennzeichnet von Teleangiektasien, Schleimhautatrophie und Xerostomie.2
  • Bei kurativen Chemotherapien sind etwa 40 % und bei adjuvanten Chemotherapien etwa 10 % der Patient*innen von oralen Nebenwirkungen betroffen.
  • Therapien, die sich ungünstig auf den Mundraum auswirken:
    • Strahlentherapie im Kopf- und Halsbereich
    • Chemotherapie
    • Arzneimittel mit anticholinergen und/oder sympathikomimetischen Haupt- oder Nebeneffekten
    • Opioide
    • Glukokortikoide
    • Bisphosphonate.
  • Sonstige Faktoren, die die Mundgesundheit beeinträchtigen können:

Diagnostik

Diagnostische Strategie

  • Die Diagnose ist vor dem Hintergrund der genannten möglichen Ursachen zu beurteilen.
  • Liegen andere krankhafte Veränderungen als eine Mundtrockenheit vor?
  • Bei Infektionen ist die Entnahme einer mikrobiologischen Probe (Schleimhautabstrich) in Betracht zu ziehen.

Leitlinie: Erfassung der radiogenen Mukositis2

  • Regelmäßige Untersuchungen der Mundhöhle sowie die Erfassung von Schmerzen, Schluckbeschwerden und Superinfektion sollen durchgeführt werden und ermöglichen die frühzeitige symptomorientierte und antiinfektive Therapie (IIb/A).

Leitlinie: Xerostomie in der Sterbephase1

  • Mundtrockenheit soll regelmäßig evaluiert werden, inklusive der Ursachen (z. B. Medikamente), dem Grad der Belastung und ob die Mundtrockenheit behandlungsbedürftig ist.

Klinische Untersuchung

  • Anzeichen einer Infektion, Pilzinfektion?
  • Dehydratation?
  • Inspektion sämtlicher Teile der Mundschleimhaut: Wange, Zunge, Gaumen, Zahnfleisch und Zähne
  • Untersuchung im Hinblick auf Schmerzen, Rötungen, Wunden, Schluckbeschwerden

Symptomerfassung

  • Für Patient*innen in der Palliativmedizin validierte Fragebögen wie MIDOS2 (deutsche Fassung der ESAS-Skala)3 können für die Erfassung und Dokumentation oraler und anderer in der Palliativversorgung häufigen und relevanten Beschwerden nützlich sein.
  • Näheres zum palliativmedizinischen Basisassessment siehe die Dokumentationshilfen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Weitere Diagnostik

  • Mikrobiologische Probenahme (Schleimhautabstrich)?

Therapie

Therapieziele

  • Prävention, Begrenzung und Linderung von Beschwerden

Allgemeines zur Therapie

  • Nach Möglichkeit sollte die Behandlung – gleich ob präventiv oder therapeutisch – gegen die Ursache gerichtet sein.
  • Bei HNO-Malignomen kann durch eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) die Schädigung der Speicheldrüsen begrenzt werden.
  • Im Vorfeld einer Chemotherapie oder Strahlentherapie, die voraussichtlich die Mundgesundheit beeinträchtigen wird, sollten die Patient*innen von in diesem Bereich erfahrenen Zahnärzt*innen betreut und behandelt werden.
  • Um Mittel zur Speichelstimulation einsetzen zu können, muss eine gewisse Speichelsekretion noch gegeben sein. Wird kein Speichel mehr produziert, ist innerhalb weniger Monate mit der Entwicklung von Karies zu rechnen.

Leitlinie: Mundtrockenheit in der Sterbephase1

  • Bei belastender Mundtrockenheit sollten die Mundschleimhaut und die Lippen regelmäßig, dem Bedürfnis der sterbenden Person angepasst, befeuchtet werden.
  • Es sollten geeignete Substanzen verwendet werden, die den Gewohnheiten und Vorlieben der Patient*innen entsprechen und ihrem Wohlbefinden dienen.
  • Eine parenterale Rehydration verbessert nicht die subjektiv empfundene Mundtrockenheit und ist daher nicht indiziert.

Xerostomie: symptomatische Behandlung

  • Mundtrockenheit bedarf einer individualisierten Therapie.
  • Aus der Literatur konnte eine Überlegenheit einer Methode gegenüber einer anderen bisher nicht nachgewiesen werden.
  • Regelmäßige Mundbefeuchtung
    • In der Sterbephase sollte, wenn von den Patient*innen gewünscht, eine vorsichtige Befeuchtung der Mundschleimhaut mit Mundpflege-Applikator (Schaumstoff, Watteträger, pflaumenförmige Gazetupfer) vorgenommen werden.
    • Die Geschmacksrichtung ist relevant und sollte den Vorlieben der Betroffenen angepasst werden.1
      • Die klinische Erfahrung zeigt, dass gekühlte/gefrorene Getränke, Obststücke (Ananas) oder Speiseeis bevorzugt werden.
      • Alle von den Patient*innen gewünschten Flüssigkeiten sind geeignet, von reinem Wasser über säuerliche Tees, blauem Malvenblütentee bis zu Bier und Wein.
      • alternativ (nur bei bewusstseinsklaren Patient*innen): zuckerfreie Kaugummis, saure Bonbons
    • Signalisieren die Patient*innen, dass ihnen die Mundpflege unangenehm ist, darf sie nicht forciert werden.
  • Kaugummi und Speichelersatz4
    • zuckerfreies Kaugummi oder Speichelersatz als Spray
    • Kaugummi nur bei bewusstseinsklaren Patient*innen
  • Speichelersatzmittel
    • Sie enthalten benetzende oder viskositätssteigernde Stoffe wie Karboxymethylzellulose oder Muzin.
    • Die Wirkung ist von kurzer Dauer.
    • Dosierung Spray: mindestens 4 x tgl. und nach Bedarf
    • Häufige Spülungen mit lauwarmer physiologischer Kochsalzlösung oder Trinkwasser können gute Alternativen sein.
  • Pilocarpin oral5
    • Parasympathomimetikum zur Anregung der Speichelproduktion bei erhaltener Restfunktion der Speicheldrüsen
    • Empfehlung z. B. nach Strahlentherapie eines Mundhöhlenkarzinoms, sofern keine Kontraindikationen vorliegen (Ib/B).5
    • Dosierungsbeispiel: 3 x 5–10 mg/d
    • Die Wirkung hält nur über einige Stunden an, und es kann Wochen oder Monate dauern, bis die maximale Wirkung erreicht wird.6
    • Kontraindikationen
      • unkontrolliertes Asthma bronchiale
      • Dekompensierte Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, für die ein erhöhtes Risiko bei der Einnahme cholinerger Substanzen bekannt ist.
  • Zahnbürste
    • Bei empfindlichen und trockenen Schleimhäuten soll die Zahnbürste weich sein, um Verletzungen und Blutungen der Schleimhäute zu verhindern.
  • Zahnpasta
    • Bei Mundtrockenheit wird eine Zahnpasta ohne Tenside empfohlen.
    • Herkömmliche Zahncremes und verschiedene Mundspüllösungen enthalten Natriumlaurylsulfat und können die Muzinschicht der Schleimhaut schädigen.
  • Ernährungsempfehlungen
    • Es wird empfohlen, nach Möglichkeit reichlich zu trinken.
    • Die Nahrung sollte eine weiche Konsistenz haben.
    • Der häufige Verzehr zuckerreicher Mahlzeiten wird nicht empfohlen, stattdessen sind künstliche Süßungsmittel vorzuziehen.
    • Trockene und stark gewürzte Speisen, Alkohol und Tabak sollten eher gemieden werden.
    • Insgesamt stehen jedoch die Vorlieben der Betroffenen und die Bedeutung der gewünschten Nahrungs- und Genussmittel für die Qualität der begrenzten verbleibenden Lebenszeit im Vordergrund.

Hypersalivation

  • Eine Hypersalivation kann z. B. durch Medikamente, Intoxikationen, einen Tumor oder neurologische Erkrankungen hervorgerufen werden.
  • Kann der Speichel nicht heruntergeschluckt werden, können sich größere Speichelmengen im Mund ansammeln (siehe dazu den Artikel Chronische Dysphagie).

Medikamentöse Therapie7

  • Allgemeines
    • Die Indikation an den Verlauf und die zu erwartende Dauer der Hypersalivation orientieren sowie an der Versorgungssituation.
    • Begleitsymptome und Komorbidität beachten, die evtl. eine (Mit-)Behandlung mit Anticholinergika indizieren, z. B.:
    • Nebenwirkungsspektrum beachten, häufig sind bei anticholinergen Substanzen:
    • Kontraindikationen für anticholinerge Substanzen (Beispiele):
    • Dauertherapie nach Möglichkeit vermeiden.
  • Anticholinergika (Muskarinrezeptor-Antagonisten)
    • Scopolamin
      • Wirksamkeitsnachweise in kontrollierten Studien, aber nicht plazebokontrolliert doppelblind
      • Kann auch Übelkeit und Erbrechen lindern.
      • Applikation über transdermales Pflaster oder als wässrige Lösung – oral oder über PEG
      • Die orale Gabe oder Applikation über PEG ist sehr viel besser steuerbar als die transdermale, bei der es mehrere Tage dauern kann, bis die Wirkung vollständig abklingt.
      • Off-Label-Use für die Behandlung von Hypersalivation: Die Zulassung erstreckt sich nur auf die Vorbeugung von Reisekrankheit inkl. den Begleitsymptomen wie Schwindel, Übelkeit und Erbrechen.
    • Glycopyrroniumbromid
      • Wirksamkeitsnachweise bei Clozapin-induzierter Hypersalivation und neurologischen Erkrankungen wie ALS
      • Vorteil gegenüber anderen Anticholinergika: Es überschreitet nicht in nennenswertem Umfang die Blut-Hirn-Schranke und hat daher nur gering ausgeprägte zentralnervöse Nebenwirkungen.
      • als Injektion oder als Lösung zum Einnehmen
      • Zulassung von oralem Glycopyrroniumbromid bislang nur bei Kindern und Jugendlichen mit Sialorrhö aufgrund chronisch neurologischer Erkrankungen; bei Erwachsenen nur als Off-Label-Use (Stand Dezember 2020)
    • Atropin
      • wenig belastbare Studienlage
      • Applikation p. o., s. l., s. c. oder i. v.
      • Off-Label-Use
    • Ipratropiumbromid-Spray
      • widersprüchliche und insgesamt unzureichende Datenlage
      • Zulassung nur für COPD; Behandlung der Sialorrhö nur als Off-Label-Use
  • Psychopharmaka mit anticholinergen Nebeneffekten
    • keine Zulassung bei Hypersalivation (Off-Label-Use)
    • keine Wirksamkeitsnachweise aus kontrollierten Studien
    • Die pharmakodynamische Wirkung am Acetylcholinrezeptor ist deutlich geringer als bei den genannten Anticholinergika.
    • evtl. „Mitbehandlung“ der Hypersalivation bei indikationsgerecht behandelter psychischer Störung
    • Beispiele
      • trizyklische Antidepressiva, z. B. Amitriptylin
      • atypische Antipsychotika wie Amisulprid oder Sulpirid (Cave: Nebenwirkung Parkinsonoid mit Schluckstörungen!)

Weitere Therapieoptionen

  • Injektion von Botulinumtoxin in die Glandula parotis oder submandibularis
    • unter sonografischer Kontrolle, besonders zur Vermeidung von Dysphagien durch versehentliche Injektion in die Mundbodenmuskulatur
    • Wirksamkeit und Sicherheit sind gut belegt.
    • lang anhaltende Speichelreduktion
    • Bei Kopf-Hals-Tumoren und insbesondere bei Betroffenen mit Trachealkanüle ist eine Überdosierung zu vermeiden, da sonst die Gefahr eines zu zähen Speichels besteht.7-8 
  • Strahlentherapie der Speicheldrüsen
    • Nur bei Versagen der o. g. Therapieoptionen zu empfehlen.

Infektionen und Mukositis

Pilzinfektionen

  • Die orale Kandidose ist bei Patient*innen mit malignen Erkrankungen die häufigste Form der Infektion des Mundes.
    • Am häufigsten sind Infektionen mit Candida albicans.
    • Pilze der Gattung Candida liegen bei 1 von 3 gesunden Patient*innen in der Normalflora vor, ohne dass sich dies als klinische Infektion äußert.
  • Faktoren, die eine Kandidose begünstigen, sind eine Immunsuppression, die Anwendung von Antibiotika oder Steroiden, Mundtrockenheit, Diabetes oder ein beeinträchtigter Ernährungszustand.
  • Klinische Formen der Kandidose
    • akute pseudomembranöse Kandidose (Soor)
    • atrophische erythematöse Kandidose
    • Prothesenstomatitis
    • Cheilitis angularis (Mundwinkelrhagaden), evtl. Mischformen
  • Bei Pilzinfektionen der Mundhöhle sind zusätzlich oft auch der Rachen und die Speiseröhre betroffen.
  • Die Diagnose wird auf Grundlage der klinischen Untersuchung und der Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung gestellt.
  • Medikamentöse Behandlung9
    • bei unkomplizierter oropharyngealer Kandidose (OPC)
      • topisch (peroral) Polyene wie Amphotericin B oder Nystatin 
      • systemisch Azole wie Fluconazol (oral oder i. v.) oder Itraconazol (Lösung für die orale Einnahme) über 7–14 Tage
    • bei Fluconazol-refraktärer OPC oder Auftreten einer OPC unter Fluconazol-Prophylaxe, systemische Behandlung (oral oder i. v.) mit:
      • Itraconazol (Lösung für die orale Einnahme)
      • Posaconazol
      • Anidulafungin
      • Caspofungin
      • Micafungin
      • Voriconazol.
    • Amphotericin B Deoxycholat (i. v.) nur bei Therapieversagen auf die o. g. Optionen
  • Dosierungsbeispiele
    • Polyene
      • Amphotericin B-Susp. p. o., 0,5(–2,4) g/d
      • Nystatin-Susp. p. o., 6 x 100.000 IE/d
    • Triazolderivate
      • Fluconazol-Kapseln, 200–400 mg an Tag 1, danach 100–200 mg/d
      • Itraconazol-Kapseln, 100–200 mg/d
      • Posaconazol, Suspension oder Tabletten, 100 mg/d

Bakterielle und virale Infektionen

  • Chemotherapien und lokale Strahlentherapien können die Mukosabarriere schädigen und lokale oder systemische Infektionen hervorrufen.
  • Die Therapie und ein geschwächter Allgemeinzustand können zudem zu einer Verschiebung von einer grampositiven hin zu einer gramnegativen Mundflora beitragen.
  • Therapie
    • Eine gute Mundhygiene ist von großer Bedeutung.
    • Bei Infektionen kann 0,2-prozentige Chlorhexidin-Lösung 1:1 verdünnt mit Wasser eine sinnvolle Ergänzung sein.
      • nicht generell zur routinemäßigen Vorbeugung empfohlen
    • Eine etwaige Antibiotikatherapie erfolgt auf Grundlage der Ergebnisse der bakteriologischen Analyse.
    • Handelt es sich um den Herpes-simplex-Virus Typ 1, wird zur Therapie und evtl. auch zur Prävention Aciclovir oder Valaciclovir empfohlen.
      • meist Mittel zur lokalen Anwendung

Orale Mukositis

 Leitlinie: Tumortherapiebedingte orale Mukositis2

Akute radiogene Mukositis

  • Primär sollen topische Schmerzmittel zur Linderung von Schmerzen in der Mundhöhle eingesetzt werden (IIIb/A).
  • Mundspülung mit Morphin (0,2 %, Rezeptur) kann für die topische Behandlung von Schmerzen durch eine radiogene orale Mukositis eingesetzt werden.
    • Genaue Einnahmehinweise* sind erforderlich, um versehentliche systemische Nebenwirkungen zu vermeiden (IIb/C).
  • Mundspülung mit Doxepin (0,5 %, Rezeptur) kann zur Linderung von Schmerzen angewendet werden (Off-Label-Use) (IV/C).

Orale Mukositis bei Chemotherapie

  • Bei Bedarf sollten Opioide in der systemischen Schmerztherapie eingesetzt werden (Ib/B).**
  • Mundspülung mit Doxepin (0,5 %) kann zur Linderung von Schmerzen angewendet werden (Off-Label-Use) (Ib/C).

* Die behandelte Person ist ausführlich über die Technik der Anwendung zu informieren: Menge pro Applikation, Dauer des Spülens, Ausspucken der Lösung, Aufbewahrung:

  • Anwendungsbeispiel: 15 ml 0,2 % wässrige Morphinlösung (15 mg Morphinhydrochlorid) für 2 Minuten im Mund behalten. Nicht schlucken. Danach ausspucken. Anwendung bis zu 4-mal täglich. Stabilität der Lösungen: Nach 4 Wochen bei Raumtemperatur: 98–99 %. Es wird empfohlen, die Spüllösung innerhalb von 4 Wochen nach der Herstellung zu verbrauchen. pH der gebrauchsfertigen Lösung: 6,5–7,0; ggf. Überprüfung des pH-Wertes mit einem Indikatorpapier (pH 1–10).10(Ergänzung durch die Redaktion)

** Diese Empfehlung gilt auch für die Therapie der Mukositis infolge einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation.

  • Entzündliche Erkrankung der Schleimhäute infolge einer aggressiven Chemotherapie oder nach Strahlentherapie2
    • Bei Hochdosistherapien mit Stammzelltransplantation und ähnlichen intensiven Therapieformen kommt es bei nahezu allen Patient*innen zu einer Mukositis in der Mundhöhle und den übrigen Teilen des Magen-Darm-Trakts.
    • Die Beschwerden können so stark sein, dass eine perorale Behandlung und die Nahrungsaufnahme über mehrere Wochen nicht möglich sind.
  • Schmerztherapie erforderlich
    • z. B. lokal Lidocain viskös
    • Evtl. lokale Behandlung mit Morphin: Morphin-Lösung 0,2 %, 15 ml werden 3 Minuten lang im Mund behalten und dann ausgespuckt.
      • Die Behandlung kann bis zu 6-mal oder mehr täglich wiederholt werden.
    • Häufig ist eine parenterale Verabreichung von Opioiden erforderlich.
  • Weitere Therapieformen (mangels Daten keine generelle Empfehlung möglich)
    • Mundpflege nach speziellen Mundpflege-Protokollen
    • Kältetherapie („Ice Chips“) vor, während und nach der Bolusdosis 5-FU oder Melphalan
    • Keratinozyten-Wachstumsfaktor als Prophylaxe bei Hochdosis-Chemotherapien mit Stammzelltransplantation bei malignen hämatologischen Erkrankungen (sehr teure Behandlung)
    • evtl. Low-Level-Lasertherapie (LLLT)11
  • Lokale nichtmedikamentöse Maßnahmen: Lutschen von Eiswürfeln, häufige Spülungen mit lauwarmem Salzwasser, Mundpflege-Set
    • Chlorhexidinspülungen nicht zu empfehlen
  • Sucralfat soll nicht eingesetzt werden (Ia/A).2

Sonstige schmerzhafte Veränderungen

Osteonekrose

  • Eine Osteonekrose kann in Verbindung mit einer Strahlentherapie (Osteoradionekrose) oder einer Behandlung mit hochpotenten Bisphosphonaten auftreten.
  • Bei zahnchirurgischen Eingriffen wie etwa Zahnextraktionen besteht ein erhöhtes Risiko.
  • Begünstigende Faktoren sind ein schlechter Zahnstatus und eine schlechte Mundhygiene.
  • Weitere Faktoren, die das Risiko einer Osteonekrose erhöhen, sind ein Diabetes mellitus, eine rheumatoide Arthritis und die Anwendung von Kortikosteroiden.
  • Durch eine zahnärztliche Sanierung vor Therapiebeginn kann einer Osteonekrose vorgebeugt werden.

Behandlung von Schmerzen im Mund

  • Siehe Abschnitt Orale Mukositis.
  • Lidocain-Mundspüllösung, bei lokalen Läsionen (Aphthen) Lidocain-Mundgel
  • Triamcinolon-Mundsalbe bei schmerzhaften Aphthen
  • Bei schmerzhaften Veränderungen infolge einer Entzündung evtl. NSAR als systemische Behandlung, z. B. Ibuprofen oder Diclofenac

Prävention

  • Mundpflege-Set wird empfohlen. Dieses enthält Produkte, die zu einer guten Mundgesundheit beitragen.
    • weiche Zahnbürste
    • Zahnpasta mit mildem Tensid
    • Lutschtabletten mit Xylit und Fluorid
    • Speichelersatzgel für die Mundschleimhaut
    • zuckerfreier Kaugummi
    • Lippenbalsam
  • Viel trinken hilft, Schleimhautbeschwerden vorzubeugen.
    • Wasser ist die 1. Wahl. Besonders mineralstoffreiche Getränke sind zu empfehlen.
    • Zurückhaltung mit zuckerhaltigen Getränken 
    • Das Lutschen von Eiswürfeln lindert die Beschwerden und regt die Speichelproduktion an. Alternativ anbieten:1
      • Crushed Ice
      • gefrorene Fruchtstückchen
      • saure Bonbons
      • Kaugummi.
    • Empfohlen werden Mundspülungen mit lauwarmem Salzwasser (9 g Speisesalz bzw. 1 Esslöffel auf 1 Liter Wasser).

Weitere palliative Therapien

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Palliative Behandlung bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Krebsgesellschaft. Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen – interdisziplinäre Querschnittsleitlinie. AWMF-Leitlinie Nr. 032-054. S3, Stand 2016. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Hypersalivation. AWMF-Leitlinie Nr. 017-075. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Mundhöhlenkarzinom, Diagnostik und Therapie. AWMF- Leitlinie Nr. 007-100OL. S3, Stand 2012 (abgelaufen). www.awmf.org
  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG), Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft (DMykG). Diagnostik und Therapien von Candida-Infektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 082-005. S1, Stand 2020. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  2. Deutsche Krebsgesellschaft. Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - interdisziplinäre Querschnittsleitlinie. AWMF-Leitlinie Nr. 032-054. S3, Stand 2016. www.awmf.org
  3. Stiel S, Matthes ME, Bertram L et al. Validierung der neuen Fassung des Minimalen Dokumentations-systems (MIDOS2) für Patienten in der Palliativmedizin. Deutsche Version der Edmonton Symptom Assessment Scale (ESAS). Schmerz. 2010 Dec;24(6):596-604. PMID: 20882300 PubMed
  4. Davies, A.N., A comparison of artificial saliva and chewing gum in the management of xerostomia in patients with advanced cancer. Palliat Med 2000; 14(3): 197-203. PMID: 10858827 PubMed
  5. Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Mundhöhlenkarzinom, Diagnostik und Therapie. AWMF- Leitlinie Nr. 007-100OL, Klasse S3, Stand 2012 (abgelaufen) www.awmf.org
  6. Amerongen AVN, Veerman EC. Current therapies for xerostomia and salivary gland hypofunction associated with cancer therapies. Support Care Cancer 2003; 11: 226-31. PubMed
  7. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Hypersalivation. AWMF-Leitlinie Nr. 017-075, S2k, Stand 2018. www.awmf.org
  8. Steffen A, Hasselbacher K, Heinrichs S, Wollenberg B. Botulinum toxin for salivary disorders in the treatment of head and neck cancer. Anticancer Res 2014; 34(11): 6627-32. PMID: 25368267 PubMed
  9. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG), Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft (DMykG). Diagnostik und Therapien von Candida-Infektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 082-005. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  10. Bannert C. Morphin HCl 0,2% bei sehr starken Schmerzen. Mucositis.de. Download am 01.07.2020. www.mucositis.de
  11. Clarkson JE, Worthington HV, Furness S, McCabe M, Khalid T, Meyer S. Interventions for treating oral mucositis for patients with cancer receiving treatment. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 8. Art. No.: CD001973. DOI: 10.1002/14651858.CD001973.pub4 DOI

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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