Atembeschwerden bei Krebserkrankung

Linderung von Atembeschwerden bei weit fortgeschrittener Krebserkrankung

Palliativmedizin und Atembeschwerden

Bei Patient*innen mit nicht heilbaren Erkrankungen und geringer Lebenserwartung (i. d. R. weniger als 9–12 Monate) besteht das Behandlungsziel in einer Linderung der Beschwerden (Palliativtherapie). Dies gilt vor allem für an Krebs erkrankte Patient*innen, aber auch in anderen Fällen wie beispielsweise bei Vorliegen einer neurodegenerativen Erkrankung sowie schweren Herz- und Lungenkrankheiten.

Atemnot (Dyspnoe) ist eine subjektive Empfindung. Betroffene haben das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Andere Begriffe für „Atemnot" sind: Luftnot, erschwertes Atmen, Kurzatmigkeit. Atemnot kann in zwei Hauptkategorien unterteilt werden: kontinuierliche Atemnot und Atemnotattacken.

Häufigkeit

Mehr als die Hälfte aller Krebspatient*innen, die in Palliativ- und Hospizeinrichtungen stationär behandelt werden, leidet an Atembeschwerden. Am häufigsten kommt es bei Lungenkrebs oder bei Metastasen in der Lunge zu derartigen Symptomen, die sich unter Belastung oder psychischem Stress noch verschlimmern. Lungenkrebspatient*innen leiden überdies oftmals auch an chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und sind somit besonders anfällig für Atemprobleme. Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sind Atembeschwerden ein zentrales Problem, hier ist in jedem Fall eine Behandlung durch Fachärzt*innen (z. B. aus dem Bereich Neurologie und Pulmologie) vonnöten.

Ursachen

Atembeschwerden können verschiedene Ursachen haben. Sie können in direktem Zusammenhang mit der Krebserkrankung stehen und beispielsweise hervorgerufen werden durch:

  • Tumorgewebe in den Atemwegen
  • ein Karzinom in der Brustwand
  • eine Flüssigkeitsansammlung im Pleuraspalt (Pleuraerguss)
  • einen stark angeschwollenen Hals infolge einer oberen Einflussstauung (OES, Vena-cava-superior-Syndrom) sowie
  • eine Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel (Perikarderguss) oder in der Bauchhöhle (Aszites).

Darüber hinaus können diverse Therapiemaßnahmen zu Lungenschäden wie Strahlenpneumonitis, Lungenfibrose oder Pneumothorax führen. Auch z. B. Blutarmut (Anämie), Lungenentzündung (Pneumonie), Angst, Hyperventilation, Panikattacken, Herzversagen und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) können Atembeschwerden hervorrufen.

Diagnostik

Welche diagnostischen Maßnahmen durchgeführt werden, sollte sich an den praktischen Konsequenzen und dem Nutzen für die Patient*innen orientieren. Benötigt werden Informationen über die Intensität und den Charakter der Atembeschwerden, eventuelle Veränderungen im Laufe des Tages und bei Anstrengung sowie darüber, ob weitere Symptome wie Husten oder Schmerzen vorhanden sind. Neben einer Untersuchung von Lunge, Herz und Atemwegen wird geprüft, ob der Bauch gespannt ist (Aszites), eine Vergrößerung der Leber vorliegt oder die Atembeschwerden andere Ursachen haben. Die Blutwerte und die Sauerstoffsättigung im Blut werden bestimmt, oftmals wird überdies ein Lungenröntgen oder eine Computertomografie des Thorax (CT-Thorax) angeordnet. Andere gegebenenfalls relevante Untersuchungen sind die Spirometrie, lungenmedizinische Untersuchung mit Bronchoskopie, arterielle Blutgasanalyse und Elektrokardiografie (EKG).

In der Sterbephase eines Menschen, der seine Atembeschwerden nicht mehr selbst einschätzen und sich nicht mehr dazu äußern kann, sollten Angehörige und Personal auf körperliche Zeichen achten: Schwitzen, Blaufärbung der Lippen, schnelle und flache Atemzüge, mimische Ausdrucksformen von Unwohlsein und Anstrengung.

Therapie

Die Palliativtherapie zielt auf die Linderung, Beschränkung und Vorbeugung von Atembeschwerden ab. Wünschenswert ist die Behebung der zugrunde liegenden Ursachen; oftmals ist jedoch lediglich eine Linderung der Symptome möglich. Falls eine Hormon-, Chemo- oder Strahlentherapie grundsätzlich möglich ist, sollte eine entsprechende Behandlung frühzeitig erwogen werden.

Auch das Legen eines Stents bei Blockade der Luftröhre oder Bronchien sowie Laserbehandlungen können für einige Patient*innen infrage kommen. Bei vorhandenem Pleuraerguss kann das Absaugen der Flüssigkeit aus der Pleurahöhle (Pleurapunktion) gewisse Erleichterung verschaffen. Im Folgenden soll speziell auf die Behandlung der Symptome eingegangen werden, nicht auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursachen.

Medikamentöse Therapie

Beim Auftreten bestimmter Komplikationen oder Erkrankungen von Lunge und Atemwegen stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Morphin

Morphin oder andere starke Opioide gelten als Mittel der ersten Wahl, wenn es um die Behandlung schwerer Atemnot ohne zugrunde liegenden Verschluss der Atemwege geht. Patient*innen, die zuvor noch kein Morphin erhalten haben, werden oft mit einer Anfangsdosis  von 6 x tgl. 2,5–5 mg in Tablettenform behandelt; ältere Menschen und Patient*innen mit mildem bis moderatem Nierenversagen sollten beispielsweise eine niedrigere Dosis erhalten. Findet bereits eine Morphintherapie statt, kann die tägliche Dosis häufig um 25 % erhöht werden.

Benzodiazepine

Benzodiazepine wirken angstlösend und beruhigend. Sie gelten als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Angstzuständen infolge von Atemnot, die nicht auf Opioide anspricht. Die Verabreichung erfolgt bei Lorazepam z. B. in Tablettenform (0,5–1,0 mg alle 6–8 Stunden).

Medikamentöse Behandlung mit Spritzen und Infusionen

Im Endstadium der Erkrankung kann die Behandlung intravenös mit einer mittels Schmerzpumpe verabreichten Mischung aus Morphin und Midazolam erfolgen. Die Dosis wird an den jeweiligen Bedarf angepasst und soll keine tiefe Betäubung bewirken, sondern die Symptome lindern.

Sauerstofftherapie

Eine Sauerstofftherapie ist nur bei geringer Sauerstoffsättigung des Blutes (Hypoxie) in Ruhe oder bei Belastung sowie bei vorübergehenden, akuten Episoden indiziert. Voraussetzung für die Behandlung mit Sauerstoff ist, dass der partielle Sauerstoffdruck unter 55 mmHg liegt. Führt die Behandlung mit Sauerstoff zu einer erhöhten Sauerstoffsättigung, ist sie fortzusetzen. Bei ausbleibendem Effekt sollte die Behandlung abgebrochen werden. Auch frische Luft im Gesicht und ein offenes Fenster können helfen.

Weitere Informationen

Palliativtherapie bei fortgeschrittener Krebserkrankung

Quellen

Literatur

  1. Leitlinienprogramm Onkologie. Patientenleitlinie Palliativmedizin für Patientinnen und Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. Berlin 2015. www.awmf.org

Autor*innen

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien
  • Marie-Christine Fritzsche, Ärztin, Freiburg

 

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Dyspnoe, palliative Behandlung. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
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  7. Qaseem A, Snow V, Shekelle P, et al. Evidence-based interventions to improve the palliative care of pain, dyspnea, and depression at the end of life: a clinical practice from the American College of Physicians. Ann Intern Med 2008; 148: 141–6. www.ncbi.nlm.nih.gov