Beschwerden im Bereich von Zahnapparat, Mundschleimhaut und Zunge
Akute Schmerzzustände im Bereich der Mundhöhle sind oftmals behandelbar.
Läsionen in der Mundhöhle können auch Manifestationen einer systemischen Erkrankung sein.1
Häufigkeit
Beschwerden der Mundhöhle sind ein häufiger Konsultationsgrund.
Diagnostische Überlegungen
Zahnschmerzen sind von akuten Schmerzzuständen der Mundschleimhaut zu unterscheiden.
Zahnschmerzen
Akute Schmerzen treten häufig im Zusammenhang mit Infektionen der Zahnpulpa oder des Parodonts – dem aus Knochengewebe und Schleimhaut bestehenden Zahnhalteapparat – auf.
Nozizeptive Schmerzen sind abzugrenzen von neuropathischen und idopathischen/somatoformen Schmerzsyndromen.1-3
Eine Infektion der Zahnpulpa kann recht schmerzhaft sein und mit halb- bis mehrstündigen Schmerzattacken einhergehen.
Schwellungen oder Palpationsempfindlichkeit der Zähne oder Schleimhaut liegen bei einer Pulpitis nicht vor.
Temperaturveränderungen können die Symptome verstärken, bei einigen PatientenPatient*innen führt kaltes Wasser allerdings zur Schmerzlinderung.
Eine Pulpitis erfordert eine zahnärztliche Behandlung. Die entzündete Pulpa ist zu entfernen.
Wurzelspitzenentzündung
Es handelt sich um eine Entzündung des Knochengewebes im Bereich rund um die Wurzelspitze eines Zahns, die infolge einer Nekrose und bakteriellen Wachstums in der Zahnpulpa auftritt.
Häufig geht der Nekrose eine langanhaltende symptomfreie Infektion der Pulpa voran, die ihrerseits auf einer tiefen Kariesinfektion oder Rissen in den Zähnen beruht.
Eine periapikale Entzündung kann dazu führen, dass der Zahn geringfügig aus seiner Alveole herausgedrängt wird; er fühlt sich dann zu hoch an, und das Zusammenbeißen der Zähne verursacht Schmerzen.
Der betroffene Zahn ist häufig berührungsempfindlich, eine Palpation der die Zahnwurzel umgebenden Schleimhaut kann schmerzhaft sein.
Bei einer Infektion der tiefen Zahnfleischtaschen infolge einer langwierigen marginalen Parodontitis können Symptome auftreten, die denen einer Wurzelentzündung stark ähneln.
Eine Kieferhöhlenentzündung kann sich in Form von Zahnschmerzen äußern.
Häufig klagen PatientenPatient*innen über Schmerzen in mehreren Zähnen.
Die Zähne sind nicht, wie etwa bei einer Wurzelentzündung, berührungsempfindlich und reagieren auch nicht auf eine Temperaturveränderung, wie es bei einer Pulpitis der Fall wäre.
Postoperative Beschwerden
Schmerzen und Schwellungen sind nach zahnchirurgischen Behandlungen nicht ungewöhnlich. Nach einer Weisheitszahnoperation können Patienten überdies zeitweilig Probleme haben, den Mund weit zu öffnen.
Zuweilen kommt es vor, dass PatientenPatient*innen einenärztliche ArztHilfe aufsuchensuchen, weil sie meinen, an einer postoperativen Wundinfektion zu leiden.
Infektionen sind nach zahnchirurgischen Eingriffen allerdings eher ungewöhnlich. Symptome, die auf eine Infektion hinweisen können, sind pochende Schmerzen und Fieber.
Schmerzzustände der Mundschleimhaut
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2,5
Es handelt sich um eine akute, schmerzhafte Zahnfleischentzündung, die sich durch typische, fibrinös belegte Ulzerationen äußert. Diese beschränken sich anfangs auf die Zahnzwischenräume, greifen aber später auch auf die faziale Gingiva über.
Die nekrotisierende Gingivitis geht mit starkem Mundgeruch einher.
Unbehandelt kann sie auf den Zahnhalteapparat übergreifen.
Eine zahnärztliche Behandlung mit gründlicher Reinigung und evtl. chirurgischer Korrektur der Gingiva ist zwingend erforderlich.
Durchbruch der Weisheitszähne
Jüngere PatientenPatient*innen neigen beim Durchbruch der Weisheitszähne zu akuten Infektionen des ZahnfleischsZahnfleisches rund um den Zahn.
Es kann zu Gesichts- und Schleimhautschwellungen kommen.
Zu den typischen Symptomen zählen pochende Schmerzen sowie Probleme beim Öffnen des Mundes.
Orofaziale Schmerzen, die dem Erscheinungsbild primärer Kopfschmerzen ähneln.
Klinisches Bild ähnelt dem der jeweiligen primären Kopfschmerzform und spricht oft auf die jeweils spezifischen Therapien an, z. B. spricht die orofaziale Migräne oft auf Triptane an.
Bei 5–15 % der PatientenPatient*innen können orofasziale Manifestationen beobachtet werden.
Diese können aus diffusen Schwellung im Bereich der Lippen, des Zahnfleisch und der Wangenschleimhaut, Verdickungen der Wangenschleimhaut, rezidivierenden aphtösen Stomatitiden, mukosalen Hyperplasien in der Umschlagfalte der Wange, einer Gingivitis oder Mundwinkelrhagaden, auch Cheilitis angularis (Lippenentzündung der Mundwinkel), bestehen.
Bei 5–10 % der PatientenPatient*innen können aphtöse Stomatitiden, Erytheme, Ulzerationen und Gingivitiden (Pyostomatitis vegetans) sowie Mundwinkelrhagaden beobachtet werden.
Rund 40 % der Zöliakie-PatientenPatient*innen leiden unter rezidivierenden aphtösen Stomatitiden, erythematösen Mundschleimhäuten, Ulzerationen, Leukoplakien, lichenoiden Veränderungen und Mundtrockenheit.
Bei 50–89 % der PatientenPatient*innen können Zahnschmelzdefekte beobachtet werden.
Glossodynie und Stomatodynie können ebenfalls vorkommen und beruhen oftmals auf einer oralen Candidiasis und/oder Eisen- und Vitamin-B-Mangel.
Das Risiko für Zahnerosionen mit Substanzverlust, Exposition des darunterliegenden Dentins und einer dadurch entstehenden Dentin-Hyperästhesie ist erhöht.7-8
Zu den potenziellen oralen Manifestationen zählen eine Papillenatrophie, Erytheme und eine Lobulierung des Zungenrückens, rezidivierende aphtöse Stomatitiden, eine orale Candidiasis, Mundwinkelrhagaden, Schmeckstörungen, brennende Schmerzen in der Mundschleimhaut und Parästhesien in der Zunge, Mundtrockenheit und eine verminderte Speichelproduktion.9-10
Orale Manifestationen in Form von Ulzerationen, Petechien, Ekchymosen, Hämatomen, spontanen Blutungen, gingivalen Schwellungen (leukämische Infiltrate, insbesondere bei AML und CML), Lymphknotenschwellungen, Infektionen (Herpes simplex/Zoster, Candidiasis) und granulozytären Sarkomen sind möglich.
Lymphome der Mundschleimhaut äußern sich oftmals als erythematöse und ulzeröse Schwellungen im Bereich des Gaumens, der Zunge, der Gingiva oder der Lippen, können aber auch im Kieferknochen auftreten.7,11
Bei rund 5 % aller Speicheldrüsen-Tumoren handelt es sich um ein NHL.
In der Mundschleimhaut können zuweilen diskoide Läsionen – wie beim diskoiden Lupus erythematodes – mit weißen Noduli und peripheren pinselstrichähnlichen Strichzeichnungen oder Erythemen oder Ulzerationen, insbesondere im Bereich des Gaumens, der Wangen und des Zahnfleischs, beobachtet werden.
Auch Mundtrockenheit, verminderte Speichelproduktion und brennende Schmerzen in der Mundschleimhaut können vorkommen.13
Rund 70 % der PatientenPatient*innen klagen über Mundtrockenheit, bei ca. 50 % liegt eine verminderte Speichelproduktion vor.
Darüber hinaus können Teleangiektasien in der Mundschleimhaut, reduzierte Beweglichkeit von Lippen und Zunge, Mikrostomie (kleine, zusammengezogene Mundöffnung) mit radialem Faltenmuster perioral sowie Dysphagie vorkommen.14
Radiologisch ist eine Erweiterung des Parodontal-Ligaments (Verbindung zwischen Zahnwurzel und Alveolarknochen) erkennbar.
In der Mundschleimhaut, insbesondere im Bereich von Wangen, Zunge, Gaumen und Gingiva, können oftmals symmetrische,
Oraler Lichen ruber
netzartige Strichzeichnungen beobachtet werden. Der orale Lichen planus kann vom retikulären, erythematösen, ulzerösen, plaqueähnlichen oder papulösen Typ sein. Es können auch mehrere Arten gleichzeitig auftreten.15
Ob orale Manifestationen bei der Psoriasis existieren, ist bislang noch unklar.16 (Stand März 2020)
Lingua geographica
Allerdings konnten rötliche, weißliche, granuläre und ulzerierte Läsionen der Mundschleimhaut, oftmals als Stomatitis migrans bezeichnet, beobachtet werden.12
Lingua geographica und Lingua plicata scheinen im Zusammenhang mit einer Psoriasis-Erkrankung ebenfalls vermehrt aufzutreten.
In der Mundschleimhaut, wo sich oftmals die ersten Symptome der Erkrankung zeigen, entstehen Bullae, die bereits nach kurzer Zeit rupturieren und erosive Läsionen und Ulzerationen zurücklassen.15
Beim Pemphigus richten sich die Autoantikörper gegen die Antigene in den Desmosomen des Epithels, woraufhin die interzelluläre Adhäsion aufgehoben wird und sich intraepitheliale Bullae bilden.
Beim benignen bullösen Pemphigoid kommt es zur Ausbildung von Bullae und/oder einer Epitheldesquamation im Bereich der Mundschleimhaut.
Histopathologisch können subepitheliale Spalten beobachtet werden, die Autoantikörper richten sich gegen die Basalmembran.
Die charakteristischen oralen Manifestationen umfassen Maculae mit anschließenden Bullae, die rupturieren und konfluierende fibrinbelegte Ulzerationen hinterlassen; insbesondere Lippen, Wangen, Mundboden, weicher Gaumen und Gingiva sind betroffen.17
In der Mundhöhle können eine Makroglossie (20 %) und zuweilen auch tiefe, rötliche Tumoren mit Petechien und Ekchymosen, Ulzerationen und Schwellungen der Speicheldrüsen, Mundtrockenheit und reduzierte Speichelproduktion beobachtet werden.17
Die orofaszialen Manifestationen bei einer Sarkoidose umfassen multiple, noduläre, unempfindliche Ulzerationen im Bereich von Gingiva, Wangenschleimhaut, Lippen und Gaumen sowie ein Anschwellen der großen Speicheldrüsen. Im Speicheldrüsengewebe können Epitheloidzell-Granulome nachgewiesen werden.18
Zu den häufigen Beschwerden bei Diabetes mellitus, insbesondere bei nicht-diagnostizierter oder schlecht eingestellter Erkrankung, zählen eine reduzierte Speichelproduktion und Xerostomie.
Bei schlecht eingestelltem Diabetes kann zudem ein gehäuftes Auftreten von Gingivitis, marginaler Parodontitis, oraler Candidiasis, Schwellungen der Glandulae parotideae und Schmeckstörungen sowie ein erhöhtes Kariesrisiko aufgrund einer dauerhaft hohen Glukosekonzentration in Blut und Speichel beobachtet werden.19
Im Zusammenhang mit einer Hypothyreose können Schwellungen der großen Speicheldrüsen, reduzierte Speichelproduktion und Xerostomie sowie Schmeckstörungen vorkommen.20
Die weitere Diagnostik erfolgt beimbei SpezialistenSpezialist*innen: Je nach Fragestellung z. B. ZMK, HNO, Dermatologie, Rheumatologie und/oder Neurologie
Maßnahmen und Empfehlungen
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2
Indikationen zur Überweisung
Die meisten PatientenPatient*innen mit Zahn- oder Zahnfleischbeschwerden sollten umgehend eine einen ZahnarztZahnarztpraxis aufsuchen, PatientenPatient*innen mit Kiefergelenkbeschwerden eineneine Kieferorthopkieferorthopädendische Praxis.
Erkrankungen der Zunge und Mundschleimhaut fallen in das Gebiet der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.21
Erkrankungen der Lippen und Mundschleimhaut fallen in das Gebiet der Dermatologie.3
Schleimhautulzera bei oraler Herpes-simplex-Infektion
Candidainfektion (Abbildung zur Verfügung gestellt von James Heilman)
Mundwinkelrhagaden
Lingua geographica
Quellen
Literatur
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AutorenAutor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
TerjeDie Johannessenursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, professor i allmennmedisin, redaktør NELhttps://legehandboka.no/).
Beschwerden im Bereich von Zahnapparat, Mundschleimhaut und Zunge Akute Schmerzzustände im Bereich der Mundhöhle sind oftmals behandelbar. Läsionen in der Mundhöhle können auch Manifestationen einer systemischen Erkrankung sein.1
Hals/Nase/Ohren
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