Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1
- Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz nach NKF
 
Allgemeine Informationen
Definition
- Als Niereninsuffizienz bezeichnet man die Unterfunktion einer oder beider Nieren.
 - Im Vordergrund stehen dabei die verminderte Ausscheidungsfunktion der Niere mit einer Retention harnpflichtiger Substanzen sowie Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basenhaushalts.
 - In den KDIGO-Leitlinien (KDIGO = Kidney Disease: Improving Global Outcomes) zum akuten Nierenversagen und zur chronischen Nierenkrankheit (CKD) wurden folgende spezifische Definitionen vorgenommen:2-3
 
Definition Akutes Nierenversagen
- Definiert durch Anstiege von Serumkreatinin und/oder Verminderung der Diurese:2
- Anstieg des Kreatinins i. S. ≥ 0,3 mg/dl (≥ 26,6 µmol/l) innerhalb von 48 Stunden – oder –
 - Anstieg des Kreatinins i. S. ≥ 1,5 x Ausgangswert in den letzten 7 Tagen – oder –
 - Urinvolumen < 0,5 ml/kg/h über mindestens 6 Stunden.
 
 
Definition Chronische Nierenkrankheit
- Definiert durch eine Verminderung der Ausscheidungsfunktion (verminderte GFR = glomeruläre Filtrationsrate) und/oder Vorliegen eines strukturellen Nierenschadens für > 3 Monate mit Auswirkungen auf den Gesundheitszustand3
 - Kriterien einer chronischen Nierenkrankheit (1 der folgenden Kriterien für > 3 Monate):3
- Marker eines Nierenschadens (1 oder mehrere)
- Albuminurie: ≥ 30 mg/24 h bzw. Albumin-Kreatinin-Quotient (ACR) ≥ 30 mg/g (≥ 3 mg/mmol)
 - pathologisches Urinsediment
 - Elektrolytstörungen und andere pathologische Veränderungen infolge von Tubulopathien
 - histologische Nierenschäden
 - Nachweis pathologischer Nierenveränderungen durch bildgebende Verfahren
 - Z. n. Nierentransplantation
 
 - Verminderung der GFR (< 60 ml/min/1,73 m2)
 
 - Marker eines Nierenschadens (1 oder mehrere)
 - Zur Terminologie
- Der häufig – fälschlicherweise – synonym verwendete Begriff der chronischen Niereninsuffizienz beschreibt nur einen Teilaspekt einer chronischen Nierenerkrankung, nämlich eine verminderte Reinigungsfunktion der Niere4
 - Eine Patient*in mit einer GFR ≥ 90 kann durchaus eine chronische Nierenkrankheit aufweisen (z. B. mit Albuminurie), hat aber noch keine Niereninsuffizienz.
 - Der Begriff der chronischen Nierenkrankheit wird inzwischen bevorzugt, da er umfassender ist und der Komplexität der Erkrankung besser gerecht wird.
 
 
Klassifikationen
Klassifikation des akuten Nierenversagens
- Der Schweregrad eines akuten Nierenversagens wird nach den folgenden Kriterien klassifiziert:2
 - Stadium 1
- Kreatininanstieg ≥ 0,3 mg/dl (≥ 26,6 µmol/l) oder 1,5–1,9 x Ausgangswert
 - Urinausscheidung < 0,5 ml/kg/h für 6–12 h
 
 - Stadium 2
- Kreatininanstieg 2,0–2,9 x Ausgangswert
 - Urinausscheidung < 0,5 ml/kg/h für ≥ 12 h
 
 - Stadium 3
- Kreatininanstieg ≥ 3 x Ausgangswert oder ≥ 4,0 mg/dl (≥ 354 µmol/l) oder Beginn einer Nierenersatztherapie
 - Urinausscheidung < 0,3 ml/kg/h für ≥ 24 h oder Anurie für ≥ 12 h
 
 
Klassifikation der chronischen Nierenkrankheit
- Die Klassifikation der chronischen Nierenkrankheit erfolgt anhand von 3 Kriterien (CGA-Klassifikation):3
 
- C = Grunderkrankung
- Angabe einer systemischen Erkrankung oder einer pathologisch-anatomischen Veränderung der Niere mit Lokalisation
 
 - G = glomeruläre Filtrationsrate (ml/min/1,73 m2)
- G1: ≥ 90
 - G2: 60–89
 - G3a: 45–59
 - G3b: 30–44
 - G4: 15–29
 - G5: < 15
 
 - A = Albuminurie
- A1: < 30 mg/24 h (ACR < 30 mg/g bzw. < 3 mg/mol)
 - A2: 30–300 mg/24 h (ACR 30–300 mg/g bzw. 3–30 mg/mmol)
 - A3: > 300 mg/24 h (ACR > 300 mg/g bzw. > 30 mg/mmol)
 
 
Häufigkeit
Akutes Nierenversagen
- Jährliche Inzidenz ambulanter Erkrankungen in Europa bei 200/100.000 Einwohnern5
 - Zunahme der Inzidenz in Deutschland in den letzten Jahren6
 - Bei der Aufnahme ins Krankenhaus leiden ca. 1 % der Patient*innen an einem akuten Nierenversagen.7
 - Ca. 10 % der stationär behandelten Patient*innen weisen im Verlauf eine akute Nierenschädigung auf.8
 - Höchste Inzidenz des nosokomialen akuten Nierenversagens auf Intensivstationen (35–60 %)5
 - Bei ca. 40 % der Patient*innen besteht eine vorbestehende chronische Nierenkrankheit (CKD).7
 - Umgekehrt entwickeln ca. 10–20 % der Patient*innen mit akuter Nierenschädigung im weiteren Verlauf eine CKD.8
 
Chronische Nierenkrankheit
- In Deutschland sind ca. 2 Mio. Menschen betroffen.9
 - Ca. 2,3 % der Menschen im Alter von 18–79 Jahren weisen eine GFR von < 60 ml/min/1,73 m2 auf.9
 - Steigende Prävalenz mit dem Alter10
 - Bei unter 50-Jährigen selten, in der Altersgruppe 70–79 Jahre ist ca. jede 8. Person betroffen.9
 - Nur 28 % der Betroffenen wissen von ihrer Nierenfunktionsstörung und nur 2/3 derjenigen, die davon wissen, sind diesbezüglich in ärztlicher Behandlung.11
 - Insbesondere Älteren ist die Erkrankung häufig nicht bekannt.12
 - In deutschen Hausarztpraxen wird die Prävalenz der CKD auf bis zu 28 % geschätzt, dabei handelt es sich zumeist um geriatrische Patient*innen mit altersbedingt eingeschränkter Nierenfunktion.13-14
 - Bei 48 % der Bewohner*innen einer Pflegeeinrichtung in Deutschland besteht eine moderate (eGFR 30–59 ml/min/1,73 m2) und bei 15 % eine hochgradige Niereninsuffizienz (eGRF < 30 ml/min).15
 
Akutes Nierenversagen – Ätiologie
- Siehe Artikel Akutes Nierenversagen.
 
Prärenal7
- Volumenmangel
- renaler Volumenverlust (Diuretika, Polyurie)
 - gastrointestinale Verluste (Erbrechen, Durchfall)
 - Blutungen
 - Verluste über die Haut (Schwitzen, Verbrennungen)
 - Pankreatitis
 
 - Medikamente in Verbindung mit Volumenmangel
- ACE-Hemmer
 - Angiotensin-Rezeptor-Blocker
 - Aminoglykoside
 - Amphotericin B
 - u. a.
 
 - Verminderter kardialer Auswurf
- Herzinfarkt
 - Kardiomyopathie
 - Klappenerkrankungen
 - Lungenembolie
 
 - Systemische Vasodilatation
 - Afferente arterioläre Konstriktion
- hepatorenales Syndrom
 - Medikamente (z. B. NSAR)
 - Hyperkalzämie
 
 
Renal5
- Präglomerulär
- mikroangiopathisch (maligne Hypertonie, Systemsklerose, HUS/TTP)
 - Cholesterinembolien
 
 - Glomerulär
- postinfektiöse Immunkomplexnephritis
 - Glomerulonephritis bei Systemerkrankungen (SLE, Vaskulitiden)
 - Goodpasture-Syndrom
 
 - Postglomerulär
- akute interstitielle Nephritis
 - Sarkoidose
 - Hantavirus-Infektion
 - akute Tubulusnekrose
 - Myelomniere
 
 
Postrenal7
- Steinerkrankung
 - Strikturen
 - Tumoren (intra- oder extraluminal)
 - Fibrose
 
Akutes Nierenversagen – prädisponierende Faktoren
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.16
 - Siehe Artikel Akutes Nierenversagen.
 - Höheres Alter
 - Chronische Nierenkrankheit
 - Z. n. akutem Nierenversagen
 - Andere chronische Organerkrankungen (Herz, Lunge, Leber)
 - Weibliches Geschlecht
 - Volumenmangel
 - Diabetes mellitus
 - Anämie
 - Tumorerkrankung
 
Chronische Nierenkrankheit – Ätiologie
- Siehe Artikel Chronische Nierenkrankheit.
 - Die häufigsten Grunderkrankungen sind (Daten eines Kollektivs vor Beginn einer Nierenersatztherapie 2005 in Deutschland):17
- Diabetes mellitus (35 %)
 - Hypertonie (23 %)
 - chronische Glomerulonephritis (13 %)
 - interstitielle Nephropathie (8 %)
 - Zystennieren (4 %)
 - Systemerkrankungen: Amyloidose, Lupusnephritis, Goodpasture-Syndrom, monoklonale Gammopathien, Vaskulitiden, Anti-Phospholipid-Syndrom, hämolytisch-urämisches Syndrom, thrombotisch thrombozytopenische Purpura (4 %)
 - genetische Erkrankungen (1 %)
 - Verschiedenes/unbekannte Genese (12 %).
 
 
Chronische Nierenkrankheit – Prädisponierende Faktoren
- Siehe Artikel Chronische Nierenkrankheit.
 - Folgende Faktoren erhöhen das Risiko für die Entstehung einer chronischen Nierenerkrankung:18-20
- höheres Alter
 - Rauchen
 - Übergewicht
 - Herzerkrankung
 - Familiengeschichte einer Nierenerkrankung
 - asiatische oder afrikanische Herkunft.
 
 
Diagnostische Überlegungen
- Die GFR ist insgesamt der nützlichste Index der Nierenfunktion bei Kranken und Gesunden.2
 - Ein akutes Nierenversagen wird in der klinischen Praxis und entsprechend der KDIGO-Definition durch die Messung von Kreatinin i. S. und Quantifizierung der Urinausscheidung erfasst, dies sind Surrogatparameter einer abnehmenden GFR.2
 - Da die GFR nach dem akut schädigenden Ereignis erst verzögert abfällt, wären Marker zum frühzeitigen Nachweis morphologischer Schädigungen wünschenswert.11
 - Bei der chronischen Nierenkrankheit ist die GFR die Grundlage für die Erfassung der Funktion/Stadieneinteilung und die Risikostratifizierung.3,11
 - Ein Anstieg des Kreatinins erfolgt bei chronischer Nierenschädigung erst, wenn mehr als die Hälfte der Nephrone funktionsunfähig ist.11
 - Kreatinin ist zur Frühdiagnostik einer chronischen Nierenschädigung daher nicht geeignet.11
 - Gemäß der Initiative „Klug entscheiden“ sollte daher zur renalen (und kardiovaskulären) Risikoabschätzung bei Patient*innen mit CKD immer eine Bestimmung der GFR erfolgen.21
 - Abschätzung der GFR (eGFR = estimated GFR) durch Berechnung gemäß MDRD- oder CKD-EPI-Formel
 - Bei älteren Patient*innen (> 70 Jahre) sind möglicherweise speziell in dieser Altersgruppe validierte Formeln besser (BIS 1-Formel).
 
ICPC-2
- U28 Funktionseinschränkung/Behinderung (U)
 
ICD-10
- R79.8 Sonstige näher bezeichnete abnorme Befunde der Blutchemie
 - N18.1 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 1
 - N18.2 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 2
 - N18.3 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 3
 - N18.4 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 4, präterminale Niereninsuffizienz
 - N18.5 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 5, dialysepflichtige Niereninsuffizienz
 - N19 Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz
 
Diagnostik
Anamnese
Akutes Nierenversagen
- Entwicklung der Symptomatik im Verlauf nach der eigentlichen Schädigung durch die verminderte Exkretion
- verminderte Urinausscheidung
 - Ödeme, Luftnot (Volumenüberladung)
 - vertiefte „Kußmaul“-Atmung, evtl. auch Tachypnoe (Kompensation einer metabolischen Azidose)
 - Palpitationen (Hyperkaliämie)
 - Übelkeit, Müdigkeit, Juckreiz (Urämie)
 
 - Vorgeschichte
- Hinweise für Volumenmangel?
- niedrige Flüssigkeitszufuhr
 - Flüssigkeitsverluste (Blutungen, Durchfälle, fieberhafte Infektionen)
 
 - früheres akutes Nierenversagen, chronische Nierenkrankheit
 - schwere Grunderkrankungen (Diabetes mellitus, kardiale Erkrankungen, Lebererkrankungen, hämatoonkologische Erkrankungen, chronische Infektionen, Autoimmunerkrankungen)
 - nephrotoxische Medikamente
 - Röntgenkontrastmittel
 
 - Hinweise für Volumenmangel?
 
Chronische Nierenkrankheit
- In frühen Stadien ist die CKD häufig asymptomatisch.
 - Die Symptomatik ist unspezifisch und tritt z. T. erst bei fortgeschrittener Nierenerkrankung auf:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
 - Kopfschmerzen
 - Übelkeit
 - Ödeme
 - Dyspnoe
 - Palpitationen
 - Juckreiz
 - Restless legs
 - Krämpfe
 - Knochenschmerzen.
 
 - Vorgeschichte (auch im Hinblick auf kardiovaskuläre Risikofaktoren)
- Diabetes mellitus
 - arterielle Hypertonie
 - Fettstoffwechselstörung
 - Rauchen
 - kardiovaskuläre Erkrankung
 - Medikation: nephrotoxische Substanzen
 - bekannte Nierenerkrankung, zurückliegendes akutes Nierenversagen
 - Autoimmunerkrankungen, Systemerkrankungen
 - Nierenerkrankungen in der Familie
 
 
Klinische Untersuchung
- Größe/Gewicht (BMI = Body-Mass-Index)
 - Blutdruck/Puls (Hypertonie/Hypotonie, Herzrhythmusstörungen)
 - Temperatur (Infektion, Sepsis)
 - Haut
 - Herz
- Reibegeräusch (Perikarditis)
 
 - Lunge
- pulmonale Stauung (Überwässerung, evtl. Herzinsuffizienz)
 - Reibegeräusch (Pleuritis)
 - Hyperventilation, Kußmaul-Atmung (Azidose)
 
 - Magen
- Foetor uraemicus (Urämie)
 
 - Niere
- Flankenklopfschmerz (Nephritis)
 
 - Blase
- Überlaufblase (postrenale Obstruktion)
 
 - Nervensystem
- Sensibilitätsstörungen (Polyneuropathie)
 
 
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
EKG
- Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie (siehe auch Artikel EKG, Checkliste)
 
Rö-Thorax
- 
Bei klinischem V. a. pulmonale Stauung, Pleuraerguss
 
Labor
- Allgemeines
- Bei V. a. ein akutes Nierenversagen ist definitionsgemäß neben der Erfassung einer Oligurie die Bestimmung von Kreatinin i. S. entscheidend.
- ergänzende Informationen durch die Urindiagnostik mit Teststreifen/Mikroskopie (z. B. Hämaturie bei Glomerulonephritiden/Vaskulitiden)5
 
 - Bei V. a. chronische Nierenkrankheit ist die Labordiagnostik mitentscheidend zum Nachweis der Erkrankung und zur Risikostratifizierung.
 
 - Bei V. a. ein akutes Nierenversagen ist definitionsgemäß neben der Erfassung einer Oligurie die Bestimmung von Kreatinin i. S. entscheidend.
 - 
- Beurteilung der Nierenfunktion durch Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR)
 - Urindiagnostik auf Hinweise für morphologische Nierenschädigungen (vor allem auch Erfassung und Quantifizierung einer Albuminurie)
 
 - Blutuntersuchungen
- Blutbild
 - eGFR (ml/min/1,73 m2), Kreatinin
 - Na, K
 - Glukose
 - Lipidprofil (Cholesterin, HDL, LDL, Triglyzeride)
 - Blutgasanalyse
 - Ca, Phospat, Vitamin-D-Spiegel, Parathormon sollten ab CKD-Stadium 4 regelmäßig bestimmt werden.14
 
 - Die basale Urindiagnostik besteht aus:11
- Urinteststreifen
 - ggf. mikroskopische Untersuchung des Urinsediments (bei auffälligem Streifentest)
 - Diagnostik einer Proteinurie.
 
 - Urinteststreifen – gibt evtl. erste Hinweise auf einen strukturellen Nierenschaden durch Erfassung von:
- Hämaturie
 - Proteinurie: Geringe Albuminausscheidung < 100 mg/l wird durch Routineteststreifen nicht erfasst.
 - Harnwegsinfektion
 
 - Mikroskopie
- Gibt z. B. Hinweise auf Glomerulonephritiden, Stoffwechselerkrankungen oder die Pathogenese von Nierensteinen.
 
 - Proteinuriediagnostik
- Untersuchung des Spontanurins, vorzugsweise wird der 2. Morgenurin untersucht.
 - Bestimmung des Albumin-Kreatinin/Quotienten (ACR) zur initialen Diagnostik (und für Verlaufskontrollen)
 - 24-Stunden-Urin nicht routinemäßig erforderlich
 - Bei einer ACR > 30 mg/g (bzw. > 30 mg/24 h) liegt eine Nierenschädigung vor.
 
 
Sonografie
- Ausschluss eines Harnaufstaus
 
Diagnostik bei Spezialist*innen
Labor
- Bei entsprechender Klinik evtl. ergänzend weitere Parameter wie:5
- Komplement (C3, C4)
 - ANA
 - ANCA
 - Anti-Basalmembran-Antikörper
 - Anti-ds-DNA-AK
 - Proteinelektrophorese
 - Immunfixation auf freie Leichtketten.
 
 
Bildgebende Verfahren
- Sonografie, Duplex-Sonografie
 - MRT, CT
 - I. v. Urogramm
 - Szintigrafie
 - Angiografie
 
Nierenbiopsie
- Zur Sicherung der Diagnose, sofern sich eine Behandlungskonsequenz ergibt.22
 - Ist insbesondere bei V. a. immunologische Systemerkrankungen sinnvoll.23
 
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikation zur Krankenhauseinweisung
- Patient*innen mit Verdacht auf oder nachgewiesenem akutem Nierenversagen sollten stationär eingewiesen werden.
 - Eine frühzeitige Abklärung ist vor allem hinsichtlich reversibler Ursachen erforderlich.24
 - Patient*innen mit akutem Nierenversagen sollten durch Messungen des Serumkreatinins und der Urinausscheidung überwacht werden.24
 
Indikation zur Überweisung
- Patient*innen mit leichter – mäßiger Funktionseinschränkung der Niere und/oder leichter – mäßiger Albuminurie können hausärztlich kontrolliert werden.
 - Bei höhergradiger Funktionseinschränkung und/oder schwergradiger Albuminurie sollte eine Überweisung zum Nephrologen erfolgen.3,25
- Überweisungsempfehlungen siehe DEGAM-Leitlinie.14
 
 - Werden Patient*innen erst im Spätstadium der Erkrankung überwiesen, ist dies mit einer schlechteren Prognose verbunden.21
 
Leitlinie: Überweisung zu Spezialist*innen14
- Eine Überweisung zur Nephrologie sollte angeboten werden:
- bei jeder erstmals festgestellten CKD mit eGFR < 30 ml/min
 - bei jeder erstmals festgestellten CKD (eGFR zwischen 30 ml/min und 60 ml/min) und
- persistierender nicht urologisch erklärbarer Hämaturie 2+ oder
 - Albuminurie Stadium ≥ A2 oder
 - refraktärer Hypertonie mit ≥ 3 Blutdruckmedikamenten.
 
 
 
Therapie
Akutes Nierenversagen
- Prinzipien der Behandlung
- kausale Therapie der entsprechenden Auslöser5
- intravasaler Volumenmangel
 - akute Glomerulonephritis und Vaskulitis
 - Nierenarterienstenose und -embolie
 - postrenales Nierenversagen
 
 - Absetzen nephrotoxischer Substanzen5
 - Vermeidung einer Hypotonie5
 
 - kausale Therapie der entsprechenden Auslöser5
 - Behandlung von Folgeekrankungen und Komplikationen5
- Volumenexpansion
 - Elektrolytentgleisungen
 - Urämie
 - metabolische Azidose
 - Medikamentenüberdosierung
 
 - „Spülen“ der Niere mit großen Infusionsmengen und Gabe von Schleifendiuretika ist obsolet.5
 - Patientenindividuelle Entscheidung zum Nierenersatzverfahren, dies betrifft sowohl den Zeitpunkt des Behandlungsbeginns als auch die Art des Nierenersatzverfahrens.26
 
Chronische Nierenkrankheit
- Hausärztliche Maßnahmen können das Fortschreiten einer CKD verlangsamen.27
 - Die Behandlung einer CKD umfasst ein Bündel von allgemeinen und medikamentösen Maßnahmen.
- Ausführliche Informationen zur Therapie von chronischen Nierenerkrankungen sowie ihrer Begleit- und Folgeerkrankungen finden Sie im Artikel Chronische Nierenkrankheit.
 
 - Maßnahmen zur Behandlung einer Grunderkrankung, Verzögerung der Progression und zur Vermeidung von kardiovaskulären Komplikationen gehen dabei häufig Hand in Hand.
 - Desweiteren empfiehlt sich die Beachtung einiger Grundprinzipien, wie sie z. B. die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) im Rahmen ihrer Initiative Klug Entscheiden  publiziert hat:21
- keine massive orale Flüssigkeitszufuhr zur Verbesserung der Nierenfunktion
 - keine regelmäßige NSAR-Gabe bei chronischer Nierenkrankheit.
 
 - Lässt sich eine Progression zur terminalen Niereninsuffizienz nicht vermeiden, sollten Nierenersatzverfahren frühzeitig mit den Betroffenen diskutiert und der günstigste Zeitpunkt patientenindividuell festgelegt werden.27-28
 
Verlaufskontrolle
Verlaufskontrolle nach akutem Nierenversagen
- Empfehlungen gemäß KDIGO2,16
- Patient*innen sollen 3 Monate nach einem akuten Nierenversagen kontrolliert werden hinsichtlich:
- Erholung vom akuten Nierenversagen
 - Neuauftreten einer CKD
 - Progression einer vorbestehenden CKD.
 
 - Hierfür wird die Bestimmung von Serumkreatinin und der Albuminausscheidung empfohlen.
 
 - Patient*innen sollen 3 Monate nach einem akuten Nierenversagen kontrolliert werden hinsichtlich:
 
Verlaufskontrolle bei chronischer Nierenkrankheit
- Empfehlungen gemäß KDIGO3
- GFR und Albuminausscheidung sollten bei allen CKD-Patient*innen mindestens 1-mal pro Jahr gemessen werden.
 - Inwieweit Verlaufskontrollen häufiger durchgeführt werden sollen, hängt neben der klinischen Entwicklung vom Progressionsrisiko ab.
 - Bei steigendem Progressionsrisiko werden von KDIGO Verlaufskontrollen 2- bis 4-mal jährlich empfohlen.
 
 - Siehe Tabelle Chronische Nierenerkrankung, Progressionsrisiko und Häufigkeit von Verlaufskontrollen.3
 
Weitere Informationen
- Siehe Artikel Beurteilung der Fahreignung.
 
Illustrationen
Urografie der Nieren
Urografie-Übersicht
Urografie der Harnblase
Zeichnung der Niere, Querschnitt
Nieren und Harnwege
Niere − Nebenniere − Harnblase − Harnwege
Quellen
Leitlinien
- Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). Clinical Practice Guideline for Acute Kidney Injury. Stand 2012. www.kdigo.org
 - Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Stand 2012. www.kdigo.org
 - Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Versorgung von Patienten mit nicht-dialysepflichtiger Niereninsuffizienz in der Hausarztpraxis. AWMF-Nr. 053-048. S3, angemeldetes Leitlinienvorhaben. www.awmf.org
 - Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter, Langfassung 6. Aufl. 2015. www.leitlinien.de
 
Literatur
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 - Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). 2012 Clinical Practice Guideline for Acute Kidney Injury. Kidney International Supplements (2012) 2:1-138. kdigo.org
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
 - Guido Schmiemann, PD Dr. med. MPH, Facharzt für Allgemeinmedizin, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen (Review)
 - Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).