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Hypothyreose

Zusammenfassung

  • Definition:Unterfunktion der Schilddrüse, bei manifester Hypothyreose mit erniedrigten peripheren Schilddrüsenhormonen.
  • Häufigkeit:Prävalenz in Deutschland 0,9 %, Frauen deutlich häufiger betroffen.
  • Symptome:Die Symptome sind zu Beginn vage und diffus, werden im weiteren Verlauf jedoch charakteristischer und umfassen Müdigkeit, Kälteintoleranz, Trägheit, Obstipation und trockenes und dünnes Haar.
  • Befunde:Im frühen Stadium liegen kaum klinische Befunde vor. Später können eine psychomotorische Trägheit, trockene Haut, trockenes Haar, verlangsamte Reflexe und Bradykardie festgestellt werden.
  • Diagnostik:Laborchemische Diagnosestellung durch Bestimmung von TSH und FT4.
  • Therapie:Bei manifester Hypothyreose (FT4 erniedrigt) oder TSH-Wert > 10 mU/l Hormon-Substitution mit Levothyroxin empfohlen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Subklinische (latente) Hypothyreose: TSH-Wert-Erhöhung bei normwertigen peripheren Schilddrüsenhormonwerten1
  • Manifeste Hypothyreose: zudem periphere Schilddrüsenhormonwerte erniedrigt1
  • Das klinische Spektrum ist breit und reicht von asymptomatischen Patient*innen bis hin zu lebensbedrohlichen Fällen mit Myxödemkoma (sehr selten).
  • Kretinismus
    • Syndrom, das durch mentale Retardierung, Taubheit, MinderwuchsKleinwuchs und typische Gesichtsdeformierungen gekennzeichnet ist, und das bei Kindern mit unbehandelter angeborener Hypothyreose auftritt.2
    • In Deutschland kaum noch existent, da beim Neugeborenen-Screening eine TSH-Bestimmung erfolgt.

Einteilung

  • Primär (thyreogen)
    • Schädigung der Schilddrüse führt zu erniedrigter Hormonkonzentration.
    • Häufige Ursachen sind Autoimmunthyreoitiden (M. Hashimoto) oder iatrogen bedingt, z. B. operative Eingriffe an der Schilddrüse, Strahlentherapie oder Radiojodtherapie.3-4
    • Der primäre Typ macht etwa 99 % der Fälle aus.1
  • Sekundär (hypophysär)
    • Hierbei liegt aufgrund einer Erkrankung der Hypophyse (z. B. Tumor, Trauma) eine Hypophyseninsuffizienz vor: Mangel an TSH.
    • Die Patient*innen zeigen häufig eine Insuffizienz mehrerer Hypophysenachsen.
  • Tertiär (hypothalamisch)
    • Dabei liegt aufgrund einer Hirnerkrankung oder evtl. eines Strahlenschadens eine Insuffizienz des Hypothalamus vor: Mangel an TRH.
  • Zentral
    • Der sekundäre und der tertiäre Typ werden auch als zentrale Hypothyreose bezeichnet und machen < 1 % der Hypothyreosen aus.1

Häufigkeit

  • Medikamentös behandelte Hypothyreose
    • In Deutschland bei 0,9 % der Bevölkerung 5
      • Frauen etwa 4- bis 5-mal so häufig betroffen wie Männer.
  • Angeborene Hypothyreose
    • Inzidenz etwa 1:5.000 Neugeborene2
  • Subklinische (latente) Hypothyreose
    • Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung 3–10 %6
      • Frauen sind häufiger als Männer betroffen, Ältere häufiger als Jüngere.

Ätiologie und Pathogenese

Angeborene Hypothyreose

  • Es liegt eine Agenesie oder Dysgenesie der Schilddrüse und eine gestörte Biosynthese der Schilddrüsenhormone vor.7-8
  • Die häufigste Ursache ist ein Jodmangel während der Schwangerschaft.9
  • Temporäre (vorübergehende) primäre Hypothyreose10
    • Diese kann bei einer subakuten oder postpartalen Thyreoiditis beobachtet werden.
    • Die Hypothyreose tritt im Anschluss an eine vorübergehende Hyperthyreose auf und besteht meist 2–8 Wochen, kann in einigen Fällen jedoch auch Monate andauern oder dauerhaft bleiben.

Primäre Hypothyreose

  • Häufigste Ursachen
    • Autoimmunthyreoiditis (M. Hashimoto)
      • häufig bei Personen mit genetischer Prädisposition11-12
    • iatrogen
    • Jodmangel: häufige Ursache für eine Hypothyreose bei Erwachsenen und Kindern in Regionen mit einem zu geringen Jodgehalt in Nahrungsmitteln und Getränken
    • Thyreoiditis de Quervain: subakute Thyreoiditis
  • Medikamente
    • viele verschiedene Medikamente als mögliche Auslöser: Carbimazol, Propylthiouracil, Amiodaron, Lithium, Interferone, Thalidomid, Rifampicin, Tyrosinkinasehemmer
      • Amiodaron-Therapie: Dieses Antiarrhythmikum ruft aufgrund des sehr hohen Jodgehalts des Präparats bei 14–18 % der Patient*innen eine Hypothyreose oder Hyperthyreose hervor.14
      • Eine Langzeitbehandlung mit Lithium kann zu einer behandlungsbedürftigen Hypothyreose führen, die mit dem Absetzen des Mittels reversibel ist.
  • Speicherkrankheiten
  • Polyendokrine Autoimmunerkrankungen, z. B. bei Schmidt-Syndrom kombiniertes Auftreten der Hypothyreose mit Diabetes mellitus Typ 1 und M. Addison
  • Schwangerschaft oder vorherige durchgemachte postpartale Thyreoiditis
    • 2–6 Monate nach der Geburt kann es zu einer Autoimmunthyreoiditis bzw. einer postpartalen Hypothyreose kommen (6–8 % der Entbundenen).16
  • Down-Syndrom
    • erhöhtes Risiko für Fehlfunktion der Schilddrüse16
    • Inzidenz der kongenitalen Hypothyreose etwa 5 % 17

Zentrale Hypothyreose

Subklinische (latente) Hypothyreose

  • Ursachen wie bei primärer und zentraler Hypothyreose
  • Zusätzlich häufiges Auftreten bei inadäquater Substitutionsbehandlung mit Thyroxin bei bekannter Hypothyreose

ICD-10

  • E01 Jodmangelbedingte Schilddrüsenkrankheiten und verwandte Zustände
  • E02 Subklinische Jodmangel-Hypothyreose
  • E03 Sonstige Hypothyreose
    • E03.0 Angeborene Hypothyreose mit diffuser Struma
    • E03.1 Angeborene Hypothyreose ohne Struma
    • E03.2 Hypothyreose durch Arzneimittel oder andere exogene Substanzen
    • E03.3 Postinfektiöse Hypothyreose
    • E03.4 Atrophie der Schilddrüse (erworben)
    • E03.5 Myxödemkoma
    • E03.8 Sonstige näher bezeichnete Hypothyreose
    • E03.9 Hypothyreose, nicht näher bezeichnet
      • inkl. Myxödem
  • E89.0 Hypothyreose nach medizinischen Maßnahmen
    • Inkl.: Hypothyreose nach Bestrahlung, postoperative Hypothyreose

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

Differenzialdiagnosen

  • Low-T3-Syndrom
    • erniedrigtes FT3 bei normwertigem TSH
    • häufig bei intensivmedizinisch behandelten, schwerkranken Patient*innen
  • Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen einer Hypothyreose
  • Kortisolmangel (zentral/peripher)

Anamnese

Allgemeines

  • Die Hypothyreose kann im frühen Stadium nahezu asymptomatisch sein und entwickelt sich in der Regel nach und nach über lange Zeit.

Allgemeinsymptome

  • Gefühl der Erschöpfung und Müdigkeit, Fatigue
  • Kälteintoleranz
  • Gewichtszunahme, meist nur leicht
  • Obstipation
  • Allgemeine Trägheit
  • Erhöhtes Schlafbedürfnis

Organbezogene Symptome

Zentrale Hypothyreose

  • Bei einer zentralen Hypothyreose liegen häufig weniger Symptome vor als bei der primären Hypothyreose.
    • Die Schilddrüse kann eine bis zu einem gewissen Grad autonome Funktion zeigen und produziert weiterhin eine gewisse Menge Hormone, auch wenn die TSH-Stimulation entfällt.
  • Andere Symptome und Beschwerdebilder, die mit der Grunderkrankung in Zusammenhang stehen, insbesondere Symptome eines Kortisolmangels, sind häufig dominierender.
  • Bei einem Hypophysentumor können z. B. folgende Symptome vorliegen:

Myxödemkoma

Klinische Untersuchung

Voll ausgeprägte primäre Hypothyreose

  • Die häufigsten Befunde sind:
    • trockene und kühle Haut
    • trockenes und sprödes Haar
    • spröde und dünne Nägel
    • periorbitale Ödeme
    • Bradykardie
    • Hyporeflexie
    • psychomotorische Trägheit
    • Struma 

Subklinische Hypothyreose

  • In der Regel asymptomatisch oder nur mild ausgeprägte Symptomatik
  • Evtl. Struma

Ergänzende Untersuchungen

  • Bei klinischem Verdacht auf Hypothyreose Bestimmung des TSH-Werts

DEGAM-Leitlinie: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis18

  • Ein TSH-Wert > 4,0 mU/l weist darauf hin, dass die Hypophyse vermehrt aktiv ist, um möglicherweise eine latente oder manifeste Hypothyreose auszugleichen.
  • In diesem Fall empfiehlt die DEGAM folgendes Vorgehen zur weiteren Abklärung.

1. Anamnese

  • Faktoren mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für Hypothyreose in der Anamnese?
    • Schilddrüsenerkrankung, Z. n. Schilddrüsenoperation
    • autoimmune Schilddrüsenerkrankung/Hypothyreose bei Verwandten 1. Grades
    • Z. n. Radiatio im Kopf-Hals-Bereich, Z. n. Radiojodtherapie bei Hyperthyreose
    • psychiatrische Erkrankungen
    • Autoimmunerkrankungen
    • andere somatische Erkrankungen, z. B. Nebennieren-/Herzinsuffizienz, perniziöse Anämie, KHK
    • Dauermedikation mit Amiodaron/Lithium
  • Falls ja: Bestimmung FT4
  • Falls nein: Ist der TSH-Wert < 10 mU/l?
    • nein: Bestimmung FT4
    • ja: Wiederholungsmessung TSH-Wert mit erneuter Blutentnahme unter denselben Bedingungen (Uhrzeit, Nahrungsaufnahme, Medikamenteneinnahme)
      • TSH-Wert > 4,0 mU/l in Wiederholungsmessung: Bestimmung FT4
      • TSH-Wert < 4,0 mU/l in Wiederholungsmessung: keine weitere Diagnostik

2. Ggf. Bestimmung FT4

  • FT4 erhöht: Sekundäre Ursachen, Überweisung zur weiterführenden Diagnostik durch Spezialist*in
  • FT4 erniedrigt: primär manifeste Hypothyreose
  • FT4 normwertig: primär subklinische (latente) Hypothyreose

3. Sonderfall

  • Bei Erstbefund eines TSH-Wertes > 10,0 mU/l oder eines TSH-Wertes > 4,0 mU/l und auffälligen anamnestischen Befunden sollte eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden.
  • Den Handlungsalgorithmus als Abbildung finden Sie in der DEGAM-Leitlinie.

FT3

  • Das FT3 ist selbst bei ausgeprägter Hypothyreose meist normal und liefert somit bei leichter oder mäßiger Hypothyreose keinerlei zusätzliche Informationen.3

Erniedrigtes/normales TSH und erniedrigtes FT4

  • In diesem Fall kann eine zentrale Hypothyreose vorliegen.
  • Die Werte können auch auf ein hoch dosiertes Thyreostatikum, Lithium, Amiodaron, Interferon-alpha, Interleukin-2, Glukokortikoide, Dopamin oder Dobutamin zurückzuführen sein.20

Blutentnahme 

  • Die Blutprobe zur Bestimmung von TSH und FT4 sollte am Morgen genommen werden.
  • Probe ohne Arzneimitteleinfluss: Die Patient*innen sollten erst nach der Entnahme der Blutprobe ihre tägliche Thyroxindosis einnehmen18, da das freie Thyroxin innerhalb der ersten 8–9 Stunden nach der Einnahme der Thyroxindosis um 15–20 % ansteigt.

Antikörper

  • Häufigste Ursache für Hypothyreose ist eine autoimmune Thyreoiditis (Hashimoto)21
  • Bei 90 % der Patient*innen mit Hashimoto-Thyreoiditis finden sich Antikörper gegen die Thyreoperoxidase (Anti-TPO) und bei 70 % gegen das Thyreoglobulin (Anti-TG).22
  • Bei latenter Hypothyreose kann einmalig eine Bestimmung der TPO-Antikörper durchgeführt werden, um den Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis zu klären.18
    • Bei der Hashimoto-Thyreoiditis besteht ein erhöhtes Risiko für einen Übergang in eine manifeste primäre Hypothyreose.
    • Risikoeinschätzung für das Vorliegen von anderen Autoimmunerkrankungen (Assoziation von Thyreoiditis z. B. mit Typ-1-Diabetes)
  • Bei manifester Hypothyreose bringt die TPO-AK-Bestimmung für die weiteren hausärztlichen Entscheidungen keinen Zugewinn.18
    • Patient*innen, die für ihr eigenes Krankheitsverständnis nach Ursachen ihrer Erkrankung suchen, könnten aber von dem Nachweis oder Ausschluss einer Hashimoto-Thyreoiditis profitieren.
    • Zu bedenken ist jedoch, dass dieses Wissen Patient*innen potenziell auch verunsichern kann und die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer somatoformen Störung begünstigen könnte.

Andere Tests

  • Bei schwerer Hypothyreose zeigen sich in vielen der üblichen Labortests reversible pathologische Veränderungen.
  • Häufig sind das Cholesterin im Serum, die Leberenzyme (Gamma-GT, AP, GOT, GPT), die Kreatinkinase, das Prolaktin und das Homocystein erhöht.
  • Das EKG kann eine Niedervoltage und eine Sinusbradykardie zeigen.

Schilddrüsensonografie

  • Die Durchführung einer Sonografie ist bei Patient*innen mit erhöhten TSH-Werten verzichtbar.18
  • Eine Sonografie kann bei unsicherer Diagnose (verändertes Echomuster) oder einem unsicheren palpatorischen Befund (Schilddrüsenknoten/-karzinom) nützliche Zusatzinformationen liefern.

Schilddrüsenszintigrafie

  • Im Rahmen der üblichen Untersuchungen bei Verdacht auf eine Hypothyreose muss nur selten eine Szintigrafie durchgeführt werden.23

Falsch positive Testergebnisse

  • Die FT4- und TSH-Werte sind bei schwerer somatischer Erkrankung und schwerer Depression sowie bei über lange Zeit bestehender Unterernährung (z. B. Anorexia nervosa) mit Vorsicht zu betrachten.24-26
  • Häufig liegt in diesen Fällen eine zentrale Herunterregulierung der Schilddrüsenfunktion vor.

Screening

  • Ein allgemeines Screening auf Hypothyreose wird nicht empfohlen. Es sollten jedoch zielgerichtete Schilddrüsenuntersuchungen bei ausgewählten Gruppen durchgeführt werden.27
    • Die ausgewählten Gruppen umfassen u. a. das Screening von Neugeborenen und schwangeren Frauen.
    • Bei schwangeren Frauen, die mit Thyroxin behandelt werden, sollte der TSH-Wert herangezogen werden, um zu beurteilen, ob die Substitutionsdosis adäquat ist.
    • Der TSH-Referenzbereich ändert sich im Laufe der Schwangerschaft.

Indikationen zur Überweisung an Endokrinolog*in

  • Bei Verdacht auf eine zentrale Hypothyreose 
  • Bei Verdacht auf sekundäre Ursachen (TSH erhöht, FT4 erhöht) 18
  • Evtl. bei Verdacht auf eine arzneimittelinduzierte Hypothyreose
    • z. B. bei einer Behandlung mit Lithium oder Amiodaron
  • Bei erfolgloser Behandlung18
    • keine Besserung bzw. Verschlechterung des Zustands während der Behandlung
    • TSH trotz einer adäquaten Dosis Levothyroxin weiterhin erhöht

Checkliste zur Überweisung

Hypothyreose

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Behandlung?
  • Anamnese
    • Beginn und Dauer
    • Symptomatik 
    • aktuelle Behandlung
    • Sonstige relevante Krankheiten? Regelmäßige Medikamente?
    • Folgen: beruflich, sozial?
  • Klinische Untersuchung
    • Anzeichen einer Hypothyreose?
    • Palpation der Schilddrüse
    • Allgemeinzustand?
  • Ergänzende Untersuchungen

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

Therapie

Therapieziele

  • Symptomfreiheit
  • Euthyreose
  • Komplikationen/Folgeerkrankungen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung der primären Hypothyreose wird normalerweise in der Hausarztpraxis mittels Hormonsubstitution durchgeführt.

Indikationen zur Hormonsubstitution

DEGAM-Leitlinie: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis18

Absolute Indikation

  • Bei manifester Hypothyreose sollte immer eine Hormonsubstitution erfolgen.

Relative Indikationen

  • Bei latenter Hypothyreose individuelle Entscheidung:
    • Asymptomatische Patient*innen mit leicht erhöhtem TSH (≤ 10 mU/l) sollten nicht substituiert werden.
    • Therapieeinleitung empfohlen bei:
      • TSH > 10 mU/l
      • Patientenwunsch nach Aufklärungsgespräch über Vor- und Nachteile der Hormonsubstitution.

Relative Kontraindikationen

  • Kardiale Vorerkrankungen wie koronare Herzkrankheit (KHK) oder tachykarde Herzrhythmusstörungen

Medikamentöse Therapie

Ziele

  • Bei der Thyroxin-Therapie werden 3 übergeordnete Ziele verfolgt:28-29
    1. Rückgang und Normalisierung der Symptome des herabgesetzten Stoffwechsels, einschließlich der biologischen und physiologischen Marker
    2. Normalisierung der Schilddrüsenfunktionswerte (TSH und FT4)
    3. Vermeidung einer Überbehandlung, insbesondere bei älteren Personen
      • Risiko kardialer Nebenwirkungen der Therapie, wie z. B. Tachykardien
      • erhöhtes Frakturrisiko bei Patient*innen > 70 Jahre, dosisabhängig vom L-Thyroxin.30

Präparate

  • Eine Therapie mit T3-, T3/T4-Kombinationen bzw. natürlichen Schilddrüsenhormonen sollte nicht verordnet werden.18
  • Bei Patient*innen mit behandlungsbedürftiger Hypothyreose sollte Levothyroxin substituiert werden.18

Dosierungsempfehlungen der DEGAM18

  • Initialdosis bei Patient*innen mit manifester Hypothyreose < 60 Jahre ohne Komorbiditäten
    • 1,6 μg/kg Körpergewicht pro Tag
  • Initialdosis bei Patient*innen mit manifester Hypothyreose > 60 Jahre und/oder mit kardiovaskulären Erkrankungen
    • 25 μg mit Dosisanpassung in Abhängigkeit vom TSH-Wert 
  • Initialdosis bei Substitution einer latenten Hypothyreose
    • 25–50 μg/d Levothyroxin 
    • Bei älteren (≥ 60 Jahre) und hochbetagten (≥ 85 Jahre) Patient*innen ist – nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Multimorbidität und der damit einhergehenden Polymedikation – zu prüfen, ob eine Levothyroxin-Therapie einen Benefit für die Patient*innen bringt.
  • Bei Z. n. vollständiger Schilddrüsenentfernung
    • Dosen von 100–150 μg bei Frauen und 125–200 μg bei Männern
  • Die Dosisanpassung sollte individuell orientiert an den laborchemisch ermittelten Schilddrüsenwerten und dem subjektiven Wohlbefinden der Patient*innen erfolgen.

Einnahme

  • Die Resorption von Levothyroxin ist durch Lebensmittel (z. B. Milch) und andere Medikamente (z. B. Östrogene, Salicylate, Phenytoin) beeinflusst.18
    • Einnahme mit Wasser
    • zeitlicher Abstand zu Mahlzeit oder anderer Medikamenteneinnahme mindestens 30 Minuten
    • regelmäßiger Einnahmezeitpunkt mindestens 30 min vor dem Frühstück oder abends vor dem Schlafengehen 

TSH-Verlaufskontrollen und Dosisanpassung laut DEGAM18

  • TSH-Verlaufskontrolle 8–12 Wochen nach Therapiebeginn
  • Die hierfür notwendige Blutentnahme sollte vor Einnahme der jeweiligen Tagesdosis des Thyroxins erfolgen, jedoch ohne Unterbrechung derselben in den Tagen und Wochen vor der Blutabnahme.
  • Dosisanpassung
    • TSH < 0,4 mU/l: Dosisreduktion, TSH-Kontrolle nach 8 Wochen
    • TSH 0,4–4 mU/l: Dosis beibehalten, TSH-Kontrolle nach 6 Monaten.
    • TSH > 4 mU/l: Dosiserhöhung, TSH-Kontrolle nach 8 Wochen
  • TSH-Verlaufskontrollen sollten nach etablierter Dosis halbjährlich und schließlich nur noch jährlich durchgeführt werden.
  • Bei Fehlen klinischer Symptome und Levothyroxin-Dosen < 125 μg/d ist bei Patient*innen ohne Amiodaron- oder Lithiumtherapie sowie ohne Schwangerschaft nach Stabilisierung eines normalen TSH ein 2-Jahres-Kontrollintervall ausreichend.
  • Wenn bei Vorliegen einer latenten Hypothyreose keine Therapie begonnen wurde, kann das TSH nach 6–12 Monaten nochmals kontrolliert werden, um vorübergehende Ursachen (akute Erkrankungen, Medikamente) für einen erhöhten TSH-Spiegel auszuschließen.

Hormonsubstitution währen der Schwangerschaft

  • Mitbetreuung durch Spezialist*in empfohlen
  • Eine angemessen behandelte Hypothyreose stellt in der Schwangerschaft kein erhöhtes Risiko für Mutter oder Kind dar.
  • Die Schwangerschaft sollte geplant werden, sodass für die Patientin bei Beginn der Schwangerschaft eine gute Kontrolle über die Hypothyreose gewährleistet ist.
  • Die Thyroxindosis muss im Laufe der Schwangerschaft häufig um mehr als 50 % angehoben werden, wobei die größte Dosiserhöhung in den ersten 24 Wochen notwendig ist.31
  • Das TSH sollte engmaschig kontrolliert und die Thyroxindosis rasch angepasst werden.
    • Um eine optimale Entwicklung des Kindes zu gewährleisten, sollte der TSH-Spiegel über die gesamte Schwangerschaft hinweg im Normbereich liegen.
  • Schwangeren wird in Deutschland eine Supplementation von 100–150 µg Jod/d empfohlen.32 
    • Bei Schilddrüsenerkrankungen sollten Betroffene vor der Supplementation Rücksprache mit den behandelnden spezialisierten Ärzt*innen halten.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Heute gibt es kaum noch Patient*innen, bei denen über mehrere Jahre eine unbehandelte Hypothyreose besteht. Die Diagnostik ist einfach, und die Schilddrüsenfunktion wird viel häufiger getestet als früher.
  • Eine unbehandelte Hypothyreose kann u. a. zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktion, Depressionen, Demenz, Gewichtszunahme, Obstipation, trockener Haut, Haarausfall, Kälteintoleranz, Heiserkeit, unregelmäßiger Menstruation, Infertilität, Muskelsteifheit und -schmerzen, Bradykardie und Hypercholesterinämie führen.

Komplikationen

Myxödemkoma

  • Dabei handelt es sich um eine sehr seltene, lebensbedrohliche Komplikation bei dekompensierter Hypothyreose.
  • Typischerweise neurologische oder psychiatrische Auffälligkeiten plus Myxödem und Hypothermie bei bekannter Hypothyreose33
  • Intensivmedizinische Therapie notwendig

Kardiovaskuläre Erkrankungen

  • Es besteht unter der Substitution mit Schilddrüsenhormonen ein erhöhtes Risiko für kardiale Komplikationen, z. B. Tachykardien.
  • Deshalb ist zu Beginn einer Levothyroxin-Behandlung bei Patient*innen mit KHK oder Herzinsuffizienz besondere Vorsicht geboten und die Dosis langsam hochzutitrieren.
  • Das Risiko, an einer KHK zu erkranken oder zu versterben, steigt mit zunehmenden TSH-Werten, auch nach Adjustierung für typische KHK-Risiken.18
    • Entsprechend kann auch für diese Patientengruppe eine Substitutionstherapie von Nutzen sein.

Myxödem

  • Interstitielle Einlagerung von Glykosaminglykanen, vor allem prätibial und periorbital
  • Nicht eindrückbare Ödeme

Arzneimittelinteraktionen

  • Solange sich Patient*innen in einem hypothyreoten Zustand befinden, zeigen viele Medikamente, z. B. Digitalis, Betablocker, Morphin, Sedativa und andere Psychopharmaka, aufgrund der verlangsamten Metabolisierung in der Leber eine stärkere Wirkung.
  • Auch dies kann zur Entstehung eines Myxödemkomas beitragen.

Prognose

  • Bei einer behandelten Hypothyreose günstig
  • Häufig ist eine lebenslange Substitution notwendig.
  • Die Hypothyreose kann jedoch auch nur vorübergehend vorliegen, z. B. bei postpartaler oder subakuter Thyreoiditis.

Angeborene Hypothyreose

  • Wird durch das gesetzlich vorgeschriebene Hypothyreose-Screening bei Neugeborenen am 3. Lebenstag aufgedeckt.2
  • Wird die Erkrankung nicht erkannt, führt sie zu schwerwiegenden Schädigungen des Zentralnervensystems (Kretinismus).

Verlaufskontrolle

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Patienteninformationen der DEGAM

Patientenorganisationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis. AWMF-Leitlinie Nr. 053-046. S2k, Stand 2016. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Down-Syndrom im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 027-051. S2k, Stand 2016. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Angeborene primäre Hypothyreose: Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle. AWMF-leitlinie Nr. 027–017. S2k, Stand 2011. www.awmf.org 

Literatur

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Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
E01; E02; E03; E030; E031; E032; E033; E034; E035; E038; E039; E890 Hypothyreose
Hypotyreose; subklinisk hypotyreose; stoffskifte ; kretinisme; Hypotyreose
Hypotyreose; Schilddrüsenunterfunktion; Autoimmunthyreoiditis; Hashimoto-Thyreoiditis; Mangel an Schilddrüsenhormonen; Radiojodtherapie; Morbus Basedow; Jodmangel; Struma; Kropf; Angeborenes Jodmangelsyndrom; Erhöhtes TSH
Hypothyreose
CCC MK 08.09.2020 stärkere Anpassung an DEGAM-LL nach Leseranregung.
BBB MK 30.11.2020 umfassend revidiert und gekürzt, Abschnitte ohne Quellenangabe entfernt. chck go 1.7., MK 22.02.17 (DEGAM-LL)
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Definition:Unterfunktion der Schilddrüse, bei manifester Hypothyreose mit erniedrigten peripheren Schilddrüsenhormonen. Häufigkeit:Prävalenz in Deutschland 0,9 %, Frauen deutlich häufiger betroffen.
Endokrinologie/Stoffwechsel
Hypothyreose
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