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2019-W28Von der Selbstoptimierung zur Selbstdiagnose

Von der Selbstoptimierung zur Selbstdiagnose

Immer mehr Menschen nutzen sie: Fitness-Tracker, Fitness-Armbänder oder Wearables. Sie zählen ihre Schritte, ihren Puls, ihre Atemfrequenz und dokumentieren ihr Körpergewicht. Dies dient nicht nur der Optimierung eines Trainingsprogramms bei Sportlern, sondern allgemein der Selbstbestätigung, Selbstbeobachtung und Selbstoptimierung. So können Fragen geklärt werden wie: „Wie viele Kalorien habe ich an meinem heutigen Arbeitstag schon verbrannt? Muss ich abends noch ins Fitnessstudio?“. Viele gehen noch weiter, nutzen unterschiedliche Gesundheits-Apps und erstellen damit grafische Übersichten über ihren Blutdruck, ihren Blutzucker und ihren Taillenumfang der letzten Wochen. Doch was ist, wenn hier eine Abweichung auftritt? Ist man dann krank?

Immer häufiger werden solche Aufzeichnungen in der Hausarztpraxis präsentiert. Eine digitale Blutzuckerdokumentation bei Typ-1-Diabetes oder eine Blutdruckaufzeichnung bei bekannter schlecht eingestellter arterieller Hypertonie können durchaus sinnvoll sein. Zufällig erhobene Befunde ohne Symptomatik, beispielsweise eine sehr kurze Episode mit Vorhofflimmern, sind in ihrer Relevanz schwer einzuschätzen und können eine kostenintensive Abklärung nötig machen, die letztlich ohne Konsequenzen bleibt. Aber bei gesunden jungen Menschen werden mit diesen Hilfsmitteln selten relevante Diagnosen gestellt. Lediglich die Abwesenheit krankhafter Befunde kann häufig bestätigt werden. Bonusprogramme gesetzlicher und Preisnachlässe privater Krankenversicherungen fördern die digitale Selbstbeobachtung und Optimierung der Fitness ihrer Mitglieder aus eigennützigen Motiven: Fitte junge Versicherte können arbeiten sowie Beiträge zahlen und kosten kaum etwas.

Bedenklich ist hier der Wildwuchs an verschiedenen Angeboten und die Goldgräberstimmung bei den verschiedenen Herstellern von Devices und Anbietern der unterschiedlichen Programme. Dabei können digitale Hilfsmittel, wenn sie gezielt und strukturiert genutzt werden, beispielsweise beim metabolischen Syndrom, durchaus positive Effekte haben, wie eine aktuelle (von einer Krankenversicherung mitfinanzierte) Lancet-Studie zeigen konnte.

Laut Deutschem Ärzteblatt gibt es zu mobilen digitalen Gesundheitstechnologien, die der Untersuchung und Behandlung von Krankheiten dienen, noch keine verbindlichen Zulassungs- und Qualitätsstandards und nur wenige aussagekräftige randomisierte kontrollierte Studien. Es gibt Apps zur Behandlung von Angststörungen oder Tinnitus, zur Beurteilung von Nävi, für Symptomtagebücher oder zur Steuerung der Medikamentendosierung, die meist nicht ausreichend evaluiert sind. Auch Datenschutz und Datensicherheit müssen gewährleistet sein, sowohl bei einfachen Fitness- oder Selbstbeobachtungs-Technologien, als auch bei mobilen Anwendungen, die zu Diagnostik und Therapie eingesetzt werden können. Niemand möchte nach einem gemütlichen Fernsehabend Bonuspunkte bei der Krankenkasse verlieren oder aufgrund mangelnden Trainingseifers von einer Lebensversicherung abgelehnt werden.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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Immer mehr Menschen nutzen sie: Fitness-Tracker, Fitness-Armbänder oder Wearables. Sie zählen ihre Schritte, ihren Puls, ihre Atemfrequenz und dokumentieren ihr Körpergewicht. Dies dient nicht nur der Optimierung eines Trainingsprogramms bei Sportlern, sondern allgemein der Selbstbestätigung, Selbstbeobachtung und Selbstoptimierung. So können Fragen geklärt werden wie: „Wie viele Kalorien habe ich an meinem heutigen Arbeitstag schon verbrannt? Muss ich abends noch ins Fitnessstudio?“. Viele gehen noch weiter, nutzen unterschiedliche Gesundheits-Apps und erstellen damit grafische Übersichten über ihren Blutdruck, ihren Blutzucker und ihren Taillenumfang der letzten Wochen. Doch was ist, wenn hier eine Abweichung auftritt? Ist man dann krank?
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