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Kopfverletzungen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Kopfverletzung kann als Folge von Gewalteinwirkungen jeglicher Art auf den Kopf entstehen und in seiner Ausprägung von leichten bis hin zu lebensbedrohlichen Verletzungen reichen.
  • Eine Kopfverletzung mit resultierender Funktionsstörung und/oder Verletzung des Gehirns wird als Schädel-Hirn-Trauma (SHT) bezeichnet.1-2
    • Der Schweregrad eines Schädel-Hirn-Traumas wird initial anhand des Ausmaßes der Bewusstseinsstörung nach der Glasgow Coma Scale bemessen:
      • leichtes SHT: GCS 13–15
        • häufig auch noch als Gehirnerschütterung oder Commotio cerebri bezeichnet
      • mittelschweres SHT: GCS 9–12
      • schweres SHT: GCS ≤ 8.
    • Bei einem offenen SHT kann es durch Verletzung der Dura und des Schädelknochens zu Liquoraustritt (Liquorrhö) kommen.
    • Dagegen handelt es sich bei einer Kopfverletzung ohne Hirnfunktionsstörung um eine Schädelprellung.1
  • Im Rahmen einer traumatischen Kopfverletzung kann es zu verschiedenen intrakraniellen Blutungen kommen:
  • Bei schweren Kopfverletzungen können zudem Schädelfrakturen auftreten.
  • Bei Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein besteht abhängig vom Unfallhergang die Möglichkeit mehrfacher lebensbedrohlicher Verletzungen (Polytrauma).1
  • Die Behandlung eines SHT richtet sich nach den klinisch-neurologischen Befunden, die besonders in der Frühphase engmaschig überwacht werden sollten.1

Häufigkeit

  • Schädel-Hirn-Trauma vermutlich eine der häufigsten Todesursachen bis zum frühen Erwachsenenalter3
  • Häufigkeit in Deutschland
    • insgesamt Inzidenz von 332 Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr1
      • Davon werden 91 % als leicht, 4 % als mittel und 5 % als schwer eingestuft.
    • bei Kindern und Jugendlichen < 16 Jahren etwa 581 Patienten mit SHT pro 100.000 Einwohner pro Jahr2
      • 28,1 % aller SHT betreffen Patienten unter 16 Jahren
      • Die Sterblichkeit liegt bei etwa 0,5 %.
  • Etwa die Hälfte aller SHT bei Kindern treten im Zusammenhang mit Sport auf.4

Ätiologie und Pathogenese

Ursache der Verletzung

  • Verschiedene Arten der Krafteinwirkung können zu Kopfverletzungen führen:
    • direkte Gewalteinwirkung (stumpf oder spitz)
    • Akzelerations-Dezelerations-Mechanismen5
    • zusätzliche Rotationskräfte.

Oberflächliche Verletzungen des Kopfes

  • Häufig kommt es am Kopf zu Platzwunden, da schützendes Fettgewebe zwischen Knochen und Haut fehlt.
  • Die Kopfhaut ist straff und stark durchblutet, daher oft lange blutende Wunden.

Schädelfrakturen

  • Es gibt 3 wesentliche Arten der Schädelfraktur:
    1. lineare Fraktur der Schädelkalotte
    2. Impressionsfraktur
    3. Schädelbasisfraktur.
  • Eine Schädelfraktur erhöht das Risiko für intrakranielle Blutungen enorm.
    • Etwa 1/4 der Erwachsenen mit einer Schädelfraktur haben ein intrakranielles Hämatom.

Tiefere Kopfverletzungen (SHT, intrakranielle Blutung)

  • Schädigung des Hirngewebes durch direkte Krafteinwirkung, Blutungen oder Ischämie
  • Das Hirngewebe ist besonders empfindlich gegenüber Hypoxie.
    • Erhöhter Hirndruck (ICP) kann zur Unterbrechung der Gewebeperfusion führen.
  • Contrecoup-Mechanismus
    • Bei einem Schlag gegen den Kopf stößt das Gehirn an der Stelle, wo der Kopf getroffen wird, gegen den Schädel (Coup-Verletzung).
    • Danach wird das Gehirn in die entgegengesetzte Richtung gestoßen, sodass die gegenüberliegende Seite des Gehirns ebenfalls verletzt wird (Contrecoup).
  • Neurometabolische Kaskade5
    • Schäden an der Zellmembran führen zur erhöhten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke (für etwa 7–10 Tage).
    • Kann in Verbindung mit einer Reduktion der Perfusion zur zellulären „Energiekrise" führen.
  • Kopfverletzungen bei Kindern
    • unkomplizierte Kopfverletzung (keine Amnesie, kein Bewusstseinsverlust > 1 min und normaler neurologischer Befund) mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit für intrakranielle Blutungen6

Ursache der Bewusstlosigkeit bei Kopfverletzungen

  • Beteiligte Hirnstrukturen und Prozesse bei der Entstehung eines Komas sind umstritten.3
  • Ursache des posttraumatischen Komas ist am ehesten eine Hirnstammkompression (z. B. bei Epiduralhämatom).
    • klinische Zeichen einer Hirnstammschädigung: Koma, Pupillenstarre und Beuge-/Strecksynergismen
    • therapeutische Konsequenz (Minderung des intrakraniellen Drucks, z. B. durch Hämatomausräumung oder Entlastungskraniektomie)
    • hohe Letalität (> 90 %) bei beidseitiger pontiner Hirnstammschädigung3
  • Alternativhypothese des diffusen axonalen Schadens
    • Koma als Folge diffuser axonaler Schäden in der weißen Substanz der Hemisphären
    • keine Therapieoption bei zerrissenen Axonen5

Mögliche Begleitverletzungen bei Polytrauma

Prädisponierende Faktoren

  • Häufige Ursachen für Kopfverletzungen:
    • Verkehrsunfälle
    • Sportverletzungen
    • Arbeitsunfälle
    • Stürze (v. a. Stürze im Alter)
    • Gewaltverbrechen.

ICPC-2

  • L76 Fraktur, andere
  • N79 Gehirnerschütterung
  • N80 Kopfverletzung, andere

ICD-10

  • S00 Oberflächliche Verletzung des Kopfes
  • S01 Offene Wunde des Kopfes
  • S02 Fraktur des Schädels und der Gesichtsknochen
  • S03 Luxation, Verstauchung und Zerrung von Gelenken und Bändern des Kopfes
  • S04 Verletzung von Hirnnerven
  • S05 Verletzung des Auges und der Orbita
  • S06 Intrakranielle Verletzung
    • S06.0 Gehirnerschütterung (Commotio cerebri)
    • S06.1 Traumatisches Hirnödem
    • S06.2 Diffuse Hirnverletzung
    • S06.3 Umschriebene Hirnverletzung
    • S06.4 Epidurale Blutung
    • S06.5 Traumatische subdurale Blutung
    • S06.6 Traumatische subarachnoidale Blutung
    • S06.7 Bewusstlosigkeit bei Schädel-Hirn-Trauma
    • S06.8 Sonstige intrakranielle Verletzungen
    • S06.9 Intrakranielle Verletzung, nicht näher bezeichnet
  • S07 Zerquetschung des Kopfes
  • S08 Traumatische Amputation von Teilen des Kopfes
  • S09 Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des Kopfes
  • T90.5 Liquorfistel als Folge einer intrakraniellen Verletzung

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

Klassifikation der Schwere des Schädel-Hirn-Traumas

  • International geläufige Klassifikation in 3 Schweregrade anhand der Glasgow Coma Scale 1
    • in der Akutphase stark fluktuierender Verlauf möglich (rasche Verschlechterung als auch Verbesserung)
    • daher regelmäßige, initial engmaschige Kontrolle und Dokumentation der Bewusstseinslage, Pupillenfunktion und Glasgow Coma Scale1,7
    • Schweregrad für die akute Versorgung von untergeordneter Bedeutung
  • Leichtes Schädel-Hirn-Trauma
    • GCS-Score 13–15
  • Mittelgradiges Schädel-Hirn-Trauma
    • GCS-Score 9–12
  • Schweres Schädel-Hirn-Trauma
    • GCS-Score 3–8
  • Zuvor erfolgte die Klassifikation zusätzlich anhand von Symptomen und Dauer der Bewusstlosigkeit.
    • Die in der Klinik noch immer geläufige Bezeichnung Gehirnerschütterung bzw. Commotio cerebri beschreibt ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma mit vorübergehenden Hirnfunktionsstörungen (z. B. kurze Bewusstlosigkeit, retrograde Amnesie), jedoch ohne anhaltende neurologische Symptome

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Allgemeine Untersuchung der Patienten nach Schwere der Verletzung
    • Ausschluss von Begleitverletzungen7
  • Untersuchung des Kopfes
    • vorsichtiges Vorgehen (Instabilität der HWS)
    • Inspektion auf Verletzungszeichen1-2
      • Schwellung
      • Blutung
      • Riss- oder Platzwunden
      • offensichtliche Frakturen
      • Schädeldeformitäten
      • Austritt von Blut, Liquor oder Hirngewebe
      • Blutung aus Mund, Nase oder Ohr
    • ggf. vorsichtige Palpation auf Weichteilverletzungen am Kopf (Impression, Hämatom)
    • V. a. Schädelbasisfraktur bei Brillenhämatom, Austritt von Blut aus der Nase, den Augen oder Ohren, Austritt von Liquor bei Duraverletzung (Liquorrhö)
  • Neurologische Untersuchung
    • Kontrolle und Dokumentation von:1-3
      • Bewusstsein (Bewusstseinsklarheit, Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit)
      • Pupillenfunktion (Größe, Symmetrie und Lichtreaktionen)
      • Motorik (motorische Funktionen der Extremitäten)
      • bei fehlender Willkürbewegung Reaktion auf Schmerzreiz (Vorliegen von Beuge- oder Strecksynergismen).
    • bei ansprechbaren Patienten1
      • Orientierung
      • Hirnnervenfunktion
      • Koordination
      • Sprachfunktion
    • Hinweise auf eine Schädigung des Gehirns1
    • Bewusstseinsstörung: Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit (Koma) als Zeichen einer schwerwiegenden Funktionsstörung des Gehirns
      • Zeichen einer lebensbedrohlichen Verschlechterung bei bewusstseinsgestörten Patienten: Pupillenerweiterung, gestörte Pupillenreaktion auf Licht, Hemiparese, Beuge- u. Strecksynergismen und Kreislaufstörungen1

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Keine indiziert

Diagnostik beim Spezialisten

Zerebrale Bildgebung

  • CT-Untersuchung des Schädels1-2,7
    • kraniale CT Goldstandard bei Schädel-Hirn-Trauma
      • Untersuchung auf intrakranielle Blutung, Schädelfraktur oder Hirnödem
      • Sollte bei stabilen Vitalfunktionen ohne Verzögerung durchgeführt werden.1
      • insbesondere bei (in den meisten Fällen nicht bewusstlosen) Kindern sorgfältige Indikationsstellung2
      • Durchführung einer Kontroll-CT bei fehlender Besserung einer Bewusstlosigkeit oder bei neurologischer Verschlechterung1,7
    • absolute Indikationen1
    • fakultative Indikationen1
      • unklare Angaben über die Unfallanamnese, schwerer Unfallmechanismus, starke Kopfschmerzen, Intoxikation mit Alkohol oder Drogen
      • alternativ zum CT engmaschige neurologische Überwachung
  • MRT-Untersuchung des Schädels
    • hoher Aufwand und längere Dauer, daher nicht als primäre Untersuchung in der Akutsituation1
    • höhere Sensitivität für umschriebene Gewebsläsionen
    • Einsatz ggf. nach Akutversorgung zur Abklärung von Patienten mit neurologischen Symptomen ohne auffälligen CT-Befund1-2
      • U. a. um diffuse axonale Scherverletzungen nachzuweisen.
  • Sonografie bei Kindern und Jugendlichen mit SHT2
    • transfontanellare Sonografie (bis etwa 18 Monate)
    • transkranielle Sonografie (bis 16 Jahre)

Labordiagnostik

  • Ggf. S-100
    • Marker für Hirnschädigung
    • Hinweise, dass bei S-100 < 0,14 μg/l auf ein Schädel-CT verzichtet werden kann.1

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

Leitlinie: Indikationen zur Krankenhauseinweisung1-2

  • Bei folgenden Symptome soll unbedingt eine stationäre Einweisung zur Abklärung bzw. Überwachung erfolgen:
  • Bei folgenden Symptomen im Zusammenhang mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel sollte die Krankenhauseinweisung erfolgen:
    • Erbrechen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zur Gewalteinwirkung besteht.
    • Bei Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung (Fremdanamnese, „Pass zur Antikoagulanzienbehandlung“, nicht sistierende Blutung aus oberflächlichen Verletzungen usw.)
    • im Zweifel
    • bei Kindern zusätzlich2
      • bei starken andauernden Kopfschmerzen
      • bei Verdacht auf Kindesmisshandlung mit Wiederholungsgefahr
      • im Zweifel, z. B. bei kindlicher Verhaltensänderung aus elterlicher Sicht (insbesondere bei Kindern < 24 Monate).
  • Wahl der Klinik
    • Bestmögliche Erreichbarkeit hinsichtlich Entfernung bzw. Transportzeit
    • Klinik mit Möglichkeit einer neurochirurgischen Versorgung intrakranieller Verletzungen (und ggf. intensivmedizinischer
      Betreuung von Kindern) bei:

Therapie

Therapieziel

  • Abhängig vom Schweregrad der Verletzung
  • Sicherung der Vitalfunktionen 
  • Ausmaß der Hirnschädigung begrenzen
  • Funktionelle Regeneration ermöglichen
  • Verhinderung von Komplikationen (z. B. SepsisPneumonie und Thromboembolien)

Allgemeines zur Therapie

  • Bei oberflächlichen Haut- und Weichteilverletzungen ohne Bewusstseinsstörung und neurologische Symptomatik
  • Bei schweren Verletzungen zeitkritische Behandlung
  • Behandlung abhängig vom klinisch-neurologischen Befund1-2,7
    • kontinuierliche Überwachung
    • wiederholte Untersuchungen mit neurologischer Befunderhebung, ggf. ergänzt durch Schnittbildgebung
  • Im Krankenhaus interdisziplinäre Akutversorgung bewusstloser Patienten (z. B. interdisziplinärer Schockraum)
    • Möglichkeit von akut lebensbedrohlichen intrakraniellen Blutungen als auch lebensbedrohlichen Mehrfachverletzungen
    • Unmittelbar lebensbedrohliche Verletzungsfolgen (z. B. Blutungen in die Körperhöhlen Schädel, Thorax,
    • Abdomen) müssen vorrangig behandelt werden.
    • Operationspflichtige Verletzungsfolgen rechtzeitig behandeln.
    • Siehe Artikel Akutmedizinische Behandlung schwerer Traumata im Krankenhaus.
  • Die Notwendigkeit einer anschließenden Rehabilitationsbehandlung überprüfen.1-2

Leitlinie: Sofortmaßnahmen am Unfallort1-2,7

  • Sicherung der Vitalfunktionen
    • Bei Erwachsenen einen systolischen Blutdruck unter 90 mmHg vermeiden.
    • Für ausreichende (Be-)Atmung sorgen.
      • Arterielle Sauerstoffsättigung unter 90 % vermeiden.
    • Bewusstlose Patienten (Anhaltsgröße GCS ≤ 8) sollen intubiert werden.
  • Transport
    • keine eindeutige Empfehlung zu Analgosedierung und Relaxierung
      • Vorteil der besseren kardiopulmonalen Versorgung
      • Nachteil der eingeschränkten neurologischen Beurteilbarkeit
    • Bis zum radiologischen Beweis des Gegenteils von einer instabilen Wirbelsäulenverletzung ausgehen.
      • Immobilisierung mit fester Halskrawatte („Stiff Neck"), Lagerung en bloc, Vakuummatratze
    • Bei perforierenden Verletzungen sollte der perforierende Gegenstand belassen werden.
    • Herausgeschlagene Zähne und Zahnfragmente aufnehmen, feucht lagern und zur Replantation mitbringen.
  • Hirnprotektive Therapie
    • Auf die Gabe von Glukokortikoiden soll verzichtet werden.
      • signifikant erhöhte 14-Tage-Letalität1-2,8
    • bei V. a. transtentorielle Herniation und Zeichen des Mittelhirnsyndroms (Pupillenerweiterung, Strecksynergismus, Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung):
      • Versuch der Senkung des intrakraniellen Druckes durch Gabe von Mannitol oder hypertoner Kochsalzlösung
      • Hyperventilation als Behandlungsoption in der Frühphase nach Trauma kann eingesetzt werden.
    • keine Empfehlung einer routinemäßigen antikonvulsiven Therapie sowie der Gabe von Gabe von 21-Aminosteroiden, Kalziumantagonisten, Glutamat-Rezeptor-Antagonisten und Tris-Puffer1-2,9
  • Schriftliche Dokumentation, sobald möglich:
    • Angaben zum Unfallmechanismus
    • initialer Befund
    • weiterer Verlauf
    • z. B. anhand DIVI-Notarzteinsatzprotokoll (siehe www.divi.de).

Operative Therapie

Leitlinie: Operative Therapie nach Schädel-Hirn-Trauma1-2,7

  • Indikationen
      • Definition der Raumforderung anhand der Verlagerung zerebraler Strukturen (v. a. 3. Ventrikel in Bezug zur Mittellinie)
    • operative Versorgung mit aufgeschobener Dringlichkeit
      • Zeitpunkt des Eingriffes individuell vom Neurochirurgen zu entscheiden.
      • offene oder geschlossene Impressionsfrakturen ohne Verlagerung der Mittellinienstrukturen
      • penetrierende Verletzungen
      • basale Frakturen mit Liquorrhö
    • nicht vital erforderliche Operationen von Begleitverletzungen nur bei Notwendigkeit für eine adäquate Intensivtherapie
    • In Einzelfällen kann bei nicht raumfordernden Blutungen und stabilem neurologischem Befund ein nicht-operatives Vorgehen
      gerechtfertigt sein.
  • Entlastungskraniektomie
    • operative Dekompression durch Kraniektomie und Duraerweiterungsplastik
    • wirksamste Möglichkeit zur Senkung eines erhöhten intrakraniellen Drucks (ICP)
    • meist bei Entwicklung eines ausgeprägten Hirnödems notwendig
      • sekundär auch nach mehrtägiger Latenz
    • operative Deckung des Kalottendefektes aus kosmetischen und funktionellen Gründen
      • optimaler Zeitpunkt und operatives Verfahren uneindeutig

Weitere Therapien

Akutversorgung im Krankenhaus bei Schädel-Hirn-Trauma1-2,7

  • Intensivmedizinische Behandlung in Abhängigkeit vom Schweregrad
    • Anzustreben sind Normoxie, Normokapnie, Normotonie und Vermeiden einer Hyperthermie.
    • Bei bewusstlosen Patienten (Anhaltsgröße GCS ≤ 8) soll eine Intubation erfolgen.
    • ggf. Messung des intrakraniellen Druckes (ICP) bei bewusstlosen Patienten
      • Überwachung und Therapiesteuerung (z. B. bei drohender Mittelhirneinklemmung)
  • Senkung eines erhöhten intrakraniellen Drucks (ICP)
    • kurzzeitige Senkung durch:1
      • Osmodiuretika (z. B. Mannitol)
      • hypertone Kochsalzlösung
      • Hyperventilation.
    • Oberkörperhochlagerung auf 30 Grad (bei extrem hohen ICP-Werten)
    • Barbiturate bei anderweitig nicht beherrschbaren Krisen intrakranieller Hypertension
  • Thromboseprophylaxe 
    • Prophylaxe mittels physikalischer Maßnahmen empfohlen
    • Gabe von Heparin bzw. Heparinderivaten als umstrittene Option1
      • Gefahr einer Größenzunahme intrakranieller Blutungen
  • Ggf. weitere Maßnahmen erwägen:1
    • (Analgo-)Sedierung bei Unruhezuständen und Ermöglichung einer Beatmung
    • Antibiotikagabe zur Prophylaxe bei Liquorrhö
    • antikonvulsive Therapie zur Vermeidung eines Anfalls in der ersten Woche
    • hyperbare Sauerstofftherapie (Nutzen nicht geklärt)1,10
    • Hypothermie als Behandlungsoption bei SHT
      • Reduziert Sauerstoffbedarf und intrakraniellen Druck.11
      • keine klare Evidenz für Wirksamkeit1,12
        • Ausmaß, Zeitpunkt und Dauer der Hypothermie unklar1,12-13

Leichtes SHT und kurzzeitiger Bewusstseinsverlust

  • Überwachung auf Entwicklung eines erhöhten intrakraniellen Drucks (ICP)
  • U. U. kann die Beobachtung zu Hause stattfinden.
    • keine neurologischen Symptome
    • keine Übelkeit oder Erbrechen
    • Trauma mit geringgradiger Krafteinwirkung
    • Verantwortliche Person, die den Patienten beobachten kann.
  • Geben Sie folgende Anweisung:
    • Der Patient sollte während der ersten 4 Stunden jede halbe Stunde, dann während der folgenden 3 Stunden stündlich geweckt werden, danach bis zu 20 Stunden nach dem Trauma alle 2 Stunden.
      • Dabei sollte der Patient erweckbar und ansprechbar sein.
    • sofortiges Kontaktieren eines Arztes bei eingeschränktem Bewusstsein, Übelkeit, Erbrechen oder Zweifeln über den Zustand des Patienten.

Nachbehandlung und Rehabilitation

  • Die Nachbehandlung hängt von den verbleibenden neurologischen Störungen und der Prognose ab.
    • Verbesserungen neurologischer Störungen v. a. in den ersten 2 Jahren nach Trauma
  • Rehabilitative Maßnahmen
    • Beginn bereits in der Akutphase (neurologisch-neurochirurgische [Früh-]Rehabilitationsmaßnahme)1
    • zur Vermeidung von Komplikationen (z. B. Kontrakturen) und Förderung des Erholungsprozesses durch gezielte Übungen
    • Eine Notwendigkeit ist bei schwerem SHT meist offensichtlich.2
      • Auch bei leichten SHT sind persistierende neuropsychologische Funktionsstörungen möglich, die die schulische oder berufliche Wiedereingliederung beeinträchtigen.
    • Siehe auch Empfehlungen zur multiprofessionellen neurologischen Rehabilitation im Artikel Rehabilitation nach einem Schlaganfall.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In den meisten Fällen mit leichten Kopfverletzungen kommt es innerhalb weniger Tage zur vollständigen Besserung der Symptome.
    • nach einem Sportunfall mit Schädel-Hirn-Trauma in 85 % der Fälle Symptomfreiheit nach 1 Woche und in 97 % nach 1 Monat3
    • Bei Kindern und Jugendlichen ist die Erholungsphase meist etwas länger.
  • Verbesserungen neurologischer Störungen v. a. in den ersten 2 Jahren nach dem Trauma1

Komplikationen

Prognose

  • In der Frühphase lässt sich die Prognose eines SHT meist noch nicht abschätzen.1
  • Die Prognose für leichte und mittelgradige SHT ist gut.
    • bei Verletzungen mit GCS > 9 sehr geringe Sterblichkeit
    • nur selten Spätstörungen nach leichtem SHT2
  • Die Prognose ist abhängig von:1,3
    • dem Alter der Patienten
    • der Dauer einer Bewusstlosigkeit
    • neurologischen Begleitsymptome
    • der Lokalisation der Hirnschädigung.
  • Einteilung der SHT nach der Dauer der posttraumatischen Störungen (nach Tönnis u. Loew):1,3
    • Grad I: Rückbildung der Symptome innerhalb von 4 Tagen
    • Grad II: bis zu 3 Wochen anhaltende neurologische Störungen
    • Grad III: länger als 3 Wochen anhaltende Symptome.
  • Zusatzuntersuchungen mit prognostischer Bedeutung1,3
    • evozierte Potenziale
    • Lokalisation von Hirnschädigungen (v. a. Hirnstammläsion) im MRT
  • Prognose bei Koma nach schwerem SHT3
    • Mortalität von etwa 5–10 %
      • bei einseitiger Pupillenstarre 30–50 %
      • bei Strecksynergismen 50–60 %
      • bei beidseitiger Pupillenstarre > 90 %

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Über das Ausmaß der Traumafolgen
  • Über die Prognose in Abhängigkeit des Schweregrads
  • Über mögliche Komplikationen und Folgen
  • Körperliche Schonung und Ruhe nach leichten Kopfverletzungen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001. S2e, Stand 2015. www.awmf.org
  • Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Das Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2011. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 012-019. S3, Stand 2016. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001, Stand 2015. www.awmf.org
  2. Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Das Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018, Stand 2011. www.awmf.org
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Autoren

  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
  • Ingard Løge, spesialist i allmennmedisin og universitetslektor, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Per Hellman, Professor och överläkare, Kirurgkliniken, Akademiska sjukhuset, Uppsala (Medibas)
  • Lars Poulsgaard, Overlæge, Neurochirurgie Klinik, Neurocentret, Rigshospitalet (Lægehåndbogen)

Zusammenfassung

  • Definition:Kopfverletzungen entstehen infolge eines Traumas, das gegen den Kopf gerichtet ist. Bei begleitender Hirnfunktionsstörung spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma, ansonsten handelt es sich um eine Schädelprellung, die mit oberflächlichen Verletzungsfolgen einhergeht.
  • Häufigkeit:Schädel-Hirn-Traumata gehören zu den häufigsten Todesursachen bis zum frühen Erwachsenenalter. Die Prävalenz liegt bei etwa 330/100.000 Einwohner/Jahr, meist handelt es sich jedoch um leichtgradige SHT.
  • Symptome:Typische Symptome eines SHT sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. In schwereren Fällen kann es zur Bewusstlosigkeit kommen.
  • Befunde:Klinische Befunde reichen von oberflächlichen Verletzungsfolgen bis zu neurologischen Defiziten und Bewusstseinsverlust.
  • Diagnostik:Die primär durchzuführende Untersuchung ist eine Bildgebung des Schädels mittels CT. Weitere Untersuchungen in Abhängigkeit von den Symptomen.
  • Therapie:Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Verletzung. Initial Sicherung der Vitalfunktion und intensivmedizinische Behandlung, anschließend Behandlung der Verletzungsfolgen und Verhinderung von Komplikationen und Spätfolgen.
S00; S01; S02; S03; S04; S05; S06 Intrakranielle; S060; S061; S062; S063; S064; S065; S066; S067; S068; S069; S07; S08; S09; T905
Hodeskader; hjernerystelse; hodeskade; hodetraumer; traume mot hodet; hiss
L76; N79; N80
Kopfverletzung; Intrakranielle Verletzung; Schädel-Hirn-Verletzungen; Schädel-Hirn-Traumata; SHT; Schädelprellung; offenes SHT; Gehirnerschütterung; Commotio cerebri; Epidurale Blutung; Traumatische subdurale Blutung; Traumatische subarachnoidale Blutung; Bewusstlosigkeit; Glasgow-Coma-Scale; GCS; Liquorfistel; Liquorrhoe; ICP; Intrakranieller Druck; Schädelfraktur; Impressionsfraktur; Schädelbasisbruch; Bewusstlosigkeit; Bewusstseinsstörung; Koma; Intrakranielle Hypertension; Intrakranieller Druck; Hirndruck; ICP; Mannitol
Kopfverletzungen
CCC MK 22.10.2018, komplett überarbeitet und an D angepasst
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Definition:Kopfverletzungen entstehen infolge eines Traumas, das gegen den Kopf gerichtet ist. Bei begleitender Hirnfunktionsstörung spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma, ansonsten handelt es sich um eine Schädelprellung, die mit oberflächlichen Verletzungsfolgen einhergeht.
Erste Hilfe/Notfallmedizin
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