Eine Kopfverletzung kann als Folge von Gewalteinwirkungen jeglicher Art auf den Kopf entstehen und in seiner Ausprägung von leichten bis hin zu lebensbedrohlichen Verletzungen reichen.
Eine Kopfverletzung mit resultierender Funktionsstörung und/oder Verletzung des Gehirns wird als Schädel-Hirn-Trauma (SHT) bezeichnet.1-2
Bei schweren Kopfverletzungen können zudem Schädelfrakturen auftreten.
Bei Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein besteht abhängig vom Unfallhergang die Möglichkeit mehrfacher lebensbedrohlicher Verletzungen (Polytrauma).1
Die Behandlung eines SHT richtet sich nach den klinisch-neurologischen Befunden, die besonders in der Frühphase engmaschig überwacht werden sollten.1
Häufigkeit
Schädel-Hirn-Trauma vermutlich eine der häufigsten Todesursachen bis zum frühen Erwachsenenalter3
Häufigkeit in Deutschland
insgesamt Inzidenz von 332 Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr1
Davon werden 91 % als leicht, 4 % als mittel und 5 % als schwer eingestuft.
bei Kindern und Jugendlichen < 16 Jahren etwa 581 Patienten mit SHT pro 100.000 Einwohner pro Jahr2
28,1 % aller SHT betreffen Patienten unter 16 Jahren
Die Sterblichkeit liegt bei etwa 0,5 %.
Etwa die Hälfte aller SHT bei Kindern treten im Zusammenhang mit Sport auf.4
Ätiologie und Pathogenese
Ursache der Verletzung
Verschiedene Arten der Krafteinwirkung können zu Kopfverletzungen führen:
Schäden an der Zellmembran führen zur erhöhten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke (für etwa 7–10 Tage).
Kann in Verbindung mit einer Reduktion der Perfusion zur zellulären „Energiekrise" führen.
Kopfverletzungen bei Kindern
unkomplizierte Kopfverletzung (keine Amnesie, kein Bewusstseinsverlust > 1 min und normaler neurologischer Befund) mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit für intrakranielle Blutungen6
International geläufige Klassifikation in 3 Schweregrade anhand der Glasgow Coma Scale1
in der Akutphase stark fluktuierender Verlauf möglich (rasche Verschlechterung als auch Verbesserung)
daher regelmäßige, initial engmaschige Kontrolle und Dokumentation der Bewusstseinslage, Pupillenfunktion und Glasgow Coma Scale1,7
Schweregrad für die akute Versorgung von untergeordneter Bedeutung
Leichtes Schädel-Hirn-Trauma
GCS-Score 13–15
Mittelgradiges Schädel-Hirn-Trauma
GCS-Score 9–12
Schweres Schädel-Hirn-Trauma
GCS-Score 3–8
Zuvor erfolgte die Klassifikation zusätzlich anhand von Symptomen und Dauer der Bewusstlosigkeit.
Die in der Klinik noch immer geläufige Bezeichnung Gehirnerschütterung bzw. Commotio cerebri beschreibt ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma mit vorübergehenden Hirnfunktionsstörungen (z. B. kurze Bewusstlosigkeit, retrograde Amnesie), jedoch ohne anhaltende neurologische Symptome
Differenzialdiagnosen
Mögliche andere Ursachen einer Bewusstseinsstörung nach Trauma (z. B. Unfall):
Bewusstseinsstörung: Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit (Koma) als Zeichen einer schwerwiegenden Funktionsstörung des Gehirns
Zeichen einer lebensbedrohlichen Verschlechterung bei bewusstseinsgestörten Patienten: Pupillenerweiterung, gestörte Pupillenreaktion auf Licht, Hemiparese, Beuge- u. Strecksynergismen und Kreislaufstörungen1
Koma, Bewusstseinstrübung, Amnesie, andere neurologische Störungen, mehrfaches Erbrechen (zeitlicher Zusammenhang zum Trauma), Krampfanfall, Zeichen einer Schädelfraktur, V. a. Impressionsfraktur und/oder penetrierende Verletzungen, V. a. Liquorfistel, Hinweise auf eine Gerinnungsstörung
bei V. a. transtentorielle Herniation und Zeichen des Mittelhirnsyndroms (Pupillenerweiterung, Strecksynergismus, Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung):
Versuch der Senkung des intrakraniellen Druckes durch Gabe von Mannitol oder hypertoner Kochsalzlösung
Hyperventilation als Behandlungsoption in der Frühphase nach Trauma kann eingesetzt werden.
keine Empfehlung einer routinemäßigen antikonvulsiven Therapie sowie der Gabe von Gabe von 21-Aminosteroiden, Kalziumantagonisten, Glutamat-Rezeptor-Antagonisten und Tris-Puffer1-2,9
Schriftliche Dokumentation, sobald möglich:
Angaben zum Unfallmechanismus
initialer Befund
weiterer Verlauf
z. B. anhand DIVI-Notarzteinsatzprotokoll (siehe www.divi.de).
Operative Therapie
Leitlinie: Operative Therapie nach Schädel-Hirn-Trauma1-2,7
Verantwortliche Person, die den Patienten beobachten kann.
Geben Sie folgende Anweisung:
Der Patient sollte während der ersten 4 Stunden jede halbe Stunde, dann während der folgenden 3 Stunden stündlich geweckt werden, danach bis zu 20 Stunden nach dem Trauma alle 2 Stunden.
Dabei sollte der Patient erweckbar und ansprechbar sein.
sofortiges Kontaktieren eines Arztes bei eingeschränktem Bewusstsein, Übelkeit, Erbrechen oder Zweifeln über den Zustand des Patienten.
Nachbehandlung und Rehabilitation
Die Nachbehandlung hängt von den verbleibenden neurologischen Störungen und der Prognose ab.
Verbesserungen neurologischer Störungen v. a. in den ersten 2 Jahren nach Trauma
Rehabilitative Maßnahmen
Beginn bereits in der Akutphase (neurologisch-neurochirurgische [Früh-]Rehabilitationsmaßnahme)1
zur Vermeidung von Komplikationen (z. B. Kontrakturen) und Förderung des Erholungsprozesses durch gezielte Übungen
Eine Notwendigkeit ist bei schwerem SHT meist offensichtlich.2
Auch bei leichten SHT sind persistierende neuropsychologische Funktionsstörungen möglich, die die schulische oder berufliche Wiedereingliederung beeinträchtigen.
Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001. S2e, Stand 2015. www.awmf.org
Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Das Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2011. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 012-019. S3, Stand 2016. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001, Stand 2015. www.awmf.org
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Autoren
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
Ingard Løge, spesialist i allmennmedisin og universitetslektor, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Per Hellman, Professor och överläkare, Kirurgkliniken, Akademiska sjukhuset, Uppsala (Medibas)
Lars Poulsgaard, Overlæge, Neurochirurgie Klinik, Neurocentret, Rigshospitalet (Lægehåndbogen)
Zusammenfassung
Definition:Kopfverletzungen entstehen infolge eines Traumas, das gegen den Kopf gerichtet ist. Bei begleitender Hirnfunktionsstörung spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma, ansonsten handelt es sich um eine Schädelprellung, die mit oberflächlichen Verletzungsfolgen einhergeht.
Häufigkeit:Schädel-Hirn-Traumata gehören zu den häufigsten Todesursachen bis zum frühen Erwachsenenalter. Die Prävalenz liegt bei etwa 330/100.000 Einwohner/Jahr, meist handelt es sich jedoch um leichtgradige SHT.
Symptome:Typische Symptome eines SHT sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. In schwereren Fällen kann es zur Bewusstlosigkeit kommen.
Befunde:Klinische Befunde reichen von oberflächlichen Verletzungsfolgen bis zu neurologischen Defiziten und Bewusstseinsverlust.
Diagnostik:Die primär durchzuführende Untersuchung ist eine Bildgebung des Schädels mittels CT. Weitere Untersuchungen in Abhängigkeit von den Symptomen.
Therapie:Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Verletzung. Initial Sicherung der Vitalfunktion und intensivmedizinische Behandlung, anschließend Behandlung der Verletzungsfolgen und Verhinderung von Komplikationen und Spätfolgen.
Definition:Kopfverletzungen entstehen infolge eines Traumas, das gegen den Kopf gerichtet ist. Bei begleitender Hirnfunktionsstörung spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma, ansonsten handelt es sich um eine Schädelprellung, die mit oberflächlichen Verletzungsfolgen einhergeht.
Erste Hilfe/Notfallmedizin
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