Zusammenfassung
- Definition: Das postkommotionelle Syndrom ist eine Erkrankung mit anhaltenden Beschwerden, die nach einem meist milden Schädel-Hirn-Trauma auftritt. Die Ätiologie des Syndroms ist umstritten, vermutlich handelt es sich um eine multifaktorielle Genese mit neuropathologischen und psychologischen Faktoren.
- Häufigkeit: Die Angaben zur Häufigkeit sind aufgrund verschiedener Diagnosekriterien sehr uneinheitlich. Bei 30–80 % der Patienten treten nach einem leichten bis mittelschweren Schädel-Hirn-Trauma Symptome des postkommotionellen Syndroms auf.
- Symptome: Es handelt sich um einen Symptomkomplex aus somatischen, kognitiven und psychologischen Beschwerden. Typisch sind Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsstörungen.
- Befunde: Es gibt in der Regel keine klinischen Befunde, jedoch ist eine neurologische Beurteilung erforderlich.
- Diagnostik: Körperliche und neurologische Untersuchung. Weiterführende Diagnostik in den meisten Fällen zum Ausschluss anderer (hirn-)organischer Ursachen der Symptome: zerebrale Bildgebung, apparative neurologische Diagnostik, psychiatrische Diagnostik.
- Therapie: Es gibt keine spezifische Therapie zur Vorbeugung oder Behandlung des postkommotionellen Syndroms. Die Behandlung erfolgt daher symptomorientiert und meist mit einer Kombination aus medikamentöser und psychoedukativer Therapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Das postkommotionelle Syndrom bezeichnet fortbestehende Symptome nach einem leichten Schädel-Hirn-Trauma (Commotio cerebri).1-2
- Leichtgradige Schädel-Hirn-Traumata (Glasgow Coma Scale 15–13) werden auch als Gehirnerschütterung bezeichnet und machen in Deutschland 91 % aller Schädel-Hirn-Verletzungen aus.3
- Obwohl das Syndrom meist nach leichtem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) auftritt, kann es sich auch nach mittelgradigem oder schwerem SHT oder einem Schleudertrauma entwickeln.
- Das postkommotionelle Syndrom manifestiert sich in einer Kombination aus somatischen, kognitiven und affektiven Symptomen.1,4
- Typische Beschwerden sind Kopfschmerzen, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Leistungsminderung, Schwindel und Übelkeit, die nach dem Ereignis über Wochen bis Monate fortbestehen.
- Auch bei Kindern tritt das postkommotionelle Syndrom insbesondere nach milden Kopfverletzungen auf und kann Auswirkungen auf die Lebensqualität haben.5
- Die Häufigkeit und die Ursachen eines postkommotionellen Syndroms sind umstritten und noch nicht abschließend geklärt.1-2,6-7
- Sowohl somatische als auch psychische Faktoren bei der Entstehung werden diskutiert.
- Zu unterscheiden sind Verletzungsfolgen nach höhergradigem Schädel-Hirn-Trauma.
- Auch wenn die Ätiologie umstritten ist, handelt es sich gemäß der WHO-Definition um ein häufiges Krankheitsbild, das eine Belastung für die Betroffenen darstellt.4
- Die Erkrankung mit potenziell komplexen Mechanismen sollte nicht als hysterische Übertreibung alltäglicher Beschwerden abgetan werden.7
- Ziel der Behandlung ist die Besserung der Symptome.
Häufigkeit
- 30–80 % entwickeln nach leichten bis mittelgradigen Schädel-Hirn-Traumata Symptome eines postkommotionellen Syndroms.2,6
- große Variabilität in Angaben zur Häufigkeit durch unterschiedliche diagnostische Kriterien8
- Die Prävalenz von posttraumatischen, chronischen Kopfschmerzen liegt einer Metaanalyse zufolge bei 57,7 %.7
- nach milder Kopfverletzung in 75,3 % der Fälle, nach schwerer Kopfverletzung in 32,1 % der Fälle
- häufiger bei vorbestehenden chronischen Kopfschmerzen
- Frauen und ältere Menschen sind häufiger betroffen.9-10
- Ursachen von Schädel-Hirn-Traumata in den USA6
- Verkehrsunfälle (45 %)
- Stürze (30 %)
- Arbeitsunfälle (10 %)
- Unfälle in der Freizeit (10 %)
- Gewalttaten (5 %)
Ätiologie und Pathogenese
- Die betroffene Patientengruppe ist heterogen, mit unterschiedlichen Graden der Kopf- und Gehirnverletzungen.
- Individuelle Merkmale und Vorerkrankungen der Patienten können die Manifestation des Syndroms beeinflussen.
- In einer Studie wurden Patienten nach mildem Schädel-Hirn-Trauma mit Patienten nach kleinerem orthopädischem Eingriff verglichen.7
- nach 3 Monaten Kopfschmerzen bei 15,3 % der Patienten mit Kopfverletzung und nur 2,2 % in der Kontrollgruppe
Pathophysiologie
- Es gibt verschiedene Theorien zur der Pathogenese des postkommotionellen Syndroms.
- Sowohl hirnorganische als auch psychologische Faktoren werden diskutiert.
- Inzwischen wird meist von einer multifaktoriellen Genese beider Mechanismen ausgegangen.1
- Vermutlich stehen in der akuten Phase hirnorganische Ursachen im Vordergrund während bei einem chronischen Verlauf psychosoziale Faktoren an Bedeutung zunehmen.
- Neuropathologische Mechanismen
- Nach Schädel-Hirn-Trauma verschiedener Intensität kann es vermutlich zu diffusen und fokalen Hirnschäden mit strukturellen und biochemischen Veränderungen kommen.7
- Sowohl nach schweren als auch nach milden Kopfverletzungen kann es zu einer diffusen axonalen Schädigung kommen.1,7,11-12
- Axone der weißen Substanz scheinen besonders vulnerabel zu sein.
- Eine axonale Schädigung kann verzögert auftreten.1
- Eine Studie zeigte eine Abnahme der grauen Substanz in bestimmten Hirnbereichen in der MRT nach Schleudertrauma.7
- Die Veränderungen bildeten sich meist nach etwa 1 Jahr, gleichzeitig mit den Kopfschmerzen, zurück.
- In der Bildgebung (SPECT, PET und funktionelle MRT) wurden Bereiche mit anomaler Hirnaktivität aufgezeigt.1,13
- oft kein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Veränderungen und dem Grad der Symptome
- In der fMRT konnten Veränderungen im Arbeitsgedächtnis nachgewiesen werden, die mit dem Ausmaß der Symptome korrelierte.
- Veränderungen in apparativen elektrophysiologischen Untersuchungen (visuelle evozierte Potenziale) bei einem protrahierten postkommotionellen Symdrom unterstützen eine neuropathologische Grundlage.1
- Ein erhöhter Wert des S‐100B Proteins, ein Marker von Hirnschädigung, wurde bei Patienten mit posttraumatischen Kopfschmerzen nachgewiesen.7
- Psychologische Faktoren
- Die Angst vor bleibenden Hirnschäden kann zur selektiven Wahrnehmung und Fokussierung auf die Symptome führen.4
- Viele Symptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen) sind die gleichen wie bei Somatisierungsstörungen.
- Angst und Depression können zu vergleichbaren kognitiven Symptomen führen wie ein postkommotionelles Syndrom.
- Einige Studien zeigen, dass bei fast der Hälfte der Patienten eine bereits prämorbide Depression vorliegt.14
- bei Patienten mit lang anhaltenden Symptomen häufiger schlechte Bewältigungstechniken und weniger soziale Unterstützung15
- Die Erwartung, dass postkommotionelle Beschwerden nach einem Schädel-Hirn-Trauma eintreten werden, kann ein Faktor sein.16-17
Prädisponierende Faktoren
- Weibliches Geschlecht
- Höheres Lebensalter
- Begünstigende Faktoren7
- vorbestehende Kopfschmerzen
- psychiatrische Erkrankung (z. B. Depression)
- chronische Schmerzerkrankung
- Medikamentenübergebrauch
- sekundärer Krankheitsgewinn
ICPC-2
- N79 Gehirnerschütterung
- N80 Kopfverletzung, andere
ICD-10
- S06 Intrakranielle Verletzung
- S06.0 Gehirnerschütterung (inkl. Commotio cerebri; Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades)
- F07 Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
- F07.2 Organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma
- T90 Folgen von Verletzungen des Kopfes
- T90.0 Folgen einer oberflächlichen Verletzung des Kopfes
- T90.1 Folgen einer offenen Wunde des Kopfes
- T90.2 Folgen einer Fraktur des Schädels und der Gesichtsschädelknochen
- T90.3 Folgen einer Verletzung der Hirnnerven
- T90.4 Folgen einer Verletzung des Auges und der Orbita
- T90.5 Folgen einer intrakraniellen Verletzung
- T90.8 Folgen sonstiger näher bezeichneter Verletzungen des Kopfes
- T90.9 Folgen einer nicht näher bezeichneten Verletzung des Kopfes
- F45 Somatoforme Störungen
- F45.0 Somatisierungsstörung
- F45.1 Undifferenzierte Somatisierungsstörung
- F45.2 Hypochondrische Störung
- F45.3 Somatoforme autonome Funktionsstörung
- F45.4 Anhaltende Schmerzstörung
- F45.8 Sonstige somatoforme Störung
- F45.9 Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose basiert auf einer typischen Anamnese, dem zeitlichen Verlauf und den klinischen Befunden.
- In einigen Fällen besteht Bedarf für weiterführende Diagnostik (z. B. Bildgebung, EEG).
- Diagnostische Kriterien gemäß der ICD-10-Kriterien4,8,17
- Auftreten innerhalb von 4 Wochen nach einem Schädeltrauma (meist mit Bewusstlosigkeit)
- verschiedenartige Symptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol)
- Begleitend treten häufiger depressive Episoden oder Angstgefühle auf, die zu einer Verstärkung der Symptome und so einem Teufelskreis führen können.
- Für eine sichere Diagnose sollten drei der beschriebenen Symptome vorliegen.
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Trotz zeitlichem Zusammenhang mit einem Schädel-Hirn-Trauma kann die Symptomatik auch durch andere intrakranielle Pathologien verursacht sein.
- Wichtig ist es daher, auf Warnzeichen (Red Flags) für eine andere (hirn-)organische Erkrankung zu achten, z. B.:
- Fieber
- epileptische Anfälle
- Hemisymptomatik
- Sprach- und Sprechstörungen
- Vigilanzminderung (Bewusstlosigkeit/Bewusstseinsstörung)
- Amnesie
- ungewollte Gewichtsabnahme
- pathologische Befunde in der neurologischen Untersuchung
- pathologische Befunde in der apparativen Diagnostik (z. B. Bildgebung).
- Hinweise auf eine andere organische Erkrankung sind z. B. gastrointestinale oder urogenitale Beschwerden, motorische oder sensible Defizite oder epileptische Anfälle.17
Differenzialdiagnosen
- Direkte Hirnschädigung nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma
- Andere Ursachen für Kopfschmerzen und neuropsychiatrische Symptome:
- Kopfschmerzen
- Psychologische Symptome
- Kognitive Defizite im Rahmen einer Demenz
- Chronisches Erschöpfungssyndrom
Anamnese
- Auftreten in zeitlichem Zusammenhang mit einem milden Schädel-Hirn-Trauma
- auslösende Kopfverletzung mit oder ohne Bewusstlosigkeit
- Typische Symptome1-2,4
- Die Symptome sind oft unspezifisch und sind auch in der allgemeinen Bevölkerung verbreitet.4
- somatische Beschwerden
- Kopfschmerzen
- Schlafstörungen
- Schwindel und Übelkeit
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Licht- und Geräuschempfindlichkeit
- kognitive Symptome
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Gedächtnisstörungen
- affektive Symptome
- Reizbarkeit
- Angst
- Depression
- emotionale Labilität
- Eingeschränktes Selbstbewusstsein und Angst vor dauerhaftem Hirnschaden können die Symptome verschlimmern und so zu einem Teufelskreis führen.4
- Erhebung von Vorerkrankungen
- neurologische Erkrankungen (z. B. Kopfschmerzerkrankung oder Demenz)
- HNO-ärztliche Vorerkrankungen (z. B. Lagerungsschwindel)
- psychiatrische Vorerkrankungen (z. B. Depression oder posttraumatische Belastungsstörung)
- Medikamenteneinnahme (z. B. Schmerzmedikamente)
- vorhergehende Schädel-Hirn-Traumata
- Fremdanamnese kann bei der Einschätzung von kognitiven Defiziten und affektiven Symptomen hilfreich sein.
Kopfschmerzen
- Kopfschmerzen sind ein Kardinalsymptom des postkommotionellen Syndroms und treten nach einer leichten Gehirnverletzung bei 30–90 % der Patienten auf.7
- Der Kopfschmerz manifestiert sich meist ähnlich wie Spannungskopfschmerzen (75 %), seltener wie bei der Migräne (21 %) oder anderen Kopfschmerzen.7,18
- Kopfschmerzen sind häufiger und länger andauernd nach leichter Gehirnverletzung als bei Patienten mit schweren Verletzungen.7,18
- Einige Patienten litten schon vor der Verletzung (prämorbide) unter Kopfschmerzen.19
- Kopfschmerzen können sich nach einer leichten Kopfverletzung aggravieren.
Schwindel
- Ungefähr die Hälfte der Patienten klagt nach einer leichten Kopfverletzung über Schwindel.19
- Der Schwindel ist häufig unspezifisch.
- Denken Sie bei starkem Schwindel an eine zentrale oder peripher-vestibuläre Schädigung.
Kognitive und psychische Symptome
- Patienten berichten über Aufmerksamkeitsstörungen, schnelle Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Angst und Depression.
- Die Angaben über neurokognitive Defizite im Rahmen der Erkrankung schwanken.
- Etwa 65 % der Patienten berichten über Störungen des Gedächtnis, des Denkens und der Konzentration.7
- Psychologische Symptome treten insbesondere bei protrahiertem Verlauf auf.
- 15–20 % der Patienten entwickeln Symptome einer psychischen Erkrankungen (posttraumatische Belastungsstörung, Angststörung, Panikstörung, Depression).8,20
Klinische Untersuchung
- Wesentliches Ziel der Untersuchung ist es, schwerwiegende und behandlungsbedürftige Erkrankungen auszuschließen.
- Körperliche Untersuchung
- Fieber als Begleitsymptom kann auf Meningitis oder Enzephalitis hinweisen.
- Neurologische Untersuchung
- Besonderes Augenmerk auf objektive neurologische Defizite, die auf eine andere intrakranielle Pathologie hinweisen können.
- Kopfschmerzen
- „Vernichtungskopfschmerz" bei Subarachnoidalblutung
- Vigilanz
- anhaltende Bewusstseinsstörung (Glasgow Coma Scale)
- Schwindel
- unspezifisch, zentral oder vestibulär
- Nystagmus
- Vertikaler Nystagmus weist auf vestibuläre oder zerebelläre Läsion hin (Sensitivität 80 %).21
- Spontaner horizontaler Nystagmus ist z. B. mit einer Neuritis vestibularis vereinbar.
- Gangstörung
- insbesondere bei zentralem Schwindel meist schwere Gleichgewichtsstörungen und eingeschränkte Gehfähigkeit mit Sturzgefahr22
- Störungen der Sensibilität oder Motorik
- Hirnnervenstatus
- Koordinationsstörungen (Ataxie)
- Gedächtnisstörungen und Amnesie
- bei schwerer kognitiven Einschränkung Abklärung einer Demenz
- Sprach- oder Sprechstörungen
- Bei schweren psychologischen Symptomen
- Exploration bzgl. Depression und Suizidalität
- ggf. Screening mittels Fragebogen
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Nicht in allen Fällen notwendig
- abhängig von dem klinischen Befund und möglichen Begleiterkrankungen
Diagnostik beim Spezialisten
- Weiterführende Diagnostik sollte individuell durchgeführt werden.23
- Bildgebende Untersuchungen
- nach milden Kopfverletzungen häufig keine Veränderungen in der zerebralen Bildgebung nachweisbar1
- bei anhaltenden Beschwerden nach Kopfverletzung oder pathologischen Befunden in der neurologischen Untersuchung
- initial meist MRT oder CT des Schädels
- bei leichten Gehirnverletzungen in etwa 10 % Befunde in der CT, wie z. B. leichte Subarachnoidalblutungen oder Kontusionen24
- MRT ist sensitiver und zeigt bei ca. 30 % der Patienten mit unauffälligem CT-Befund weitere Veränderungen.25
- funktionelle zerebrale Bildgebung eher mit experimentellem Charakter17
- Neurologische Diagnostik
- Durchführung abhängig von der neurologischen Untersuchung und der zerebralen Bildgebung
- z. B. EEG, Lumbalpunktion oder Messung evozierter Potenziale
- Bei chronischem Verlauf eines postkommotionellen Syndroms wurden auffällige visuell evozierte Potenziale nachgewiesen.1
- Kognitive Tests
- Können bei Patienten mit kognitiven Beschwerden nützlich sein.
- subjektive und objektive Einschränkungen oft nicht konsistent17
- neurokognitive Testung (z. B. Mini-Mental-Status)
- Die spezifischen Tests nach Schädel-Hirn-Trauma sind nicht standardisiert.23
- Können bei Patienten mit kognitiven Beschwerden nützlich sein.
- Psychiatrische Beurteilung
- Stehen psychologische Symptome (z. B. Depression) im Vordergrund, sollte eine psychiatrische Diagnostik erfolgen.
- HNO-ärztliche Beurteilung
- bei starkem Schwindel oder Hörstörungen weitere Abklärung, z. B. mittels Audiogramm
- Laboruntersuchungen
- ggf. S‐100B Protein als Marker einer Hirnschädigung7
Indikationen zur Überweisung
- Eine Überweisung sollte bei langwierigen Fällen, starker Beeinträchtigung im Alltag oder V. a. andere (hirn-)organische Ursachen erfolgen.
Therapie
Therapieziel
- Symptome lindern.
- Chronifizierung der Beschwerden verhindern, insbesondere (Kopf-)Schmerzen.1,7
- Einschränkungen der Lebensqualität und des alltäglichen Lebens vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
- Die Therapie wird individuell an die Patienten und ihre Beschwerden angepasst.
- In den meisten Fällen spontane Besserung innerhalb von 1–3 Monaten4,10,19,26-27
- Es existiert keine spezifische Therapie zur Behandlung eines postkommotionellen Syndroms.1,10
- Die Behandlung erfolgt daher symptomorientiert.
- In den meisten Fällen wird auf eine medikamentöse Behandlung zurückgegriffen.1
- Es fehlen ausreichend große Studien zur Therapieeffektivität.
- Langwierige Fälle erfordern oft eine multidisziplinäre Behandlung.28
Medikamentöse Therapie
- Nichtsteroidale Antirheumatika
- Behandlung von Kopfschmerzen
- am häufigsten in der Behandlung eingesetzt1
- Antidepressiva
- Häufig eingesetzt, z. B. bei Depression im Rahmen des postkommotionellen Syndroms.1
- Der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) Sertralin ist möglicherweise in der Behandlung des postkommotionellen Syndroms wirksam.14
- Medikamentöse Behandlung der Kopfschmerzen entsprechend dem Manifestationstyp (z. B. Spannungskopfschmerz, Migräne)29-30
- Bei chronischen Schmerzen siehe auch den Artikel Grundsätze der Schmerzbehandlung.
Weitere Therapien
- Psychotherapie
- Bestärkung, kognitives Training und Verhaltenstherapie können die Beschwerden bei langwierigen Verläufen lindern und das Outcome verbessern.1,31
- Etwa 16 % der Patiennten mit unbehandeltem postkommotionellem Syndrom könnten durch kurze psychiatrische Behandlung Symptomfreiheit erlangen.1
- Die Vermittlung von Stressbewältigungs- und Entspannungstechniken kann in manchen Fällen hilfreich sein.10
- Psychoedukative Interventionen
- Ein Wissen über das Syndrom, die Häufigkeit und den Verlauf kann den Betroffenen im Umgang mit ihren Beschwerden helfen.10,32
- Eine Aufklärungsmaßnahme mit Informationsbroschüre innerhalb von 5–7 Tagen nach der ursächlichen Kopfverletzung konnte die Rate von Symptomen und Belastung 3 Monate nach dem Ereignis senken.33
- Aktive Rehabilitation
- Aerobe körperliche Aktivität in niedriger Intensität, Gleichgewichtsübungen und andere Maßnahmen können den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen.31
Empfehlungen für Patienten
- Nach einer Kopfverletzung ausreichend Erholung bis zur Besserung der Symptome34
- Dabei ist es wichtig, nach einem gewissen Zeitraum wieder einen aktiven Lebensstil zu führen, da dies die Beschwerden günstig beeinflusst.31
- Patienten sollten sich über die Erkrankung, ihre Häufigkeit und meist gutartigen Verlauf informieren.
- Diese Erkenntnis scheint den Verlauf des Syndroms günstig zu beeinflussen.32
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Symptome und Beschwerden in Zusammenhang mit einem postkommotionellen Syndrom treten bei den meisten Patienten innerhalb von 7–10 Tagen auf.
- Eine Studie zeigt, dass kognitive und emotionale Symptome während der ersten Woche schrittweise zunehmen und danach wieder abnehmen, während die somatischen Symptome stetig zurückgehen.19
- Nach einem Monat bessern sich die Symptome in den meisten Fällen, häufig persistieren jedoch Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsstörungen.19,26
- Drei Monate nach der ursächlichen Kopfverletzung bestand in den meisten Fällen Symptomfreiheit.4,19,27
- Kopfschmerzen als häufigstes, persistierendes Symptom (etwa 5 %)
- Nach einem Jahr beschreiben noch etwa 10–15 % der Patienten weiterhin Symptome, und in manchen Fällen kann das postkommotionelle Syndrom zu bleibenden Einschränkungen führen.2,35
- Gründe können eine unzureichende Therapie, übermäßiger Gebrauch von Analgetika oder Komorbidität sein.36
Komplikationen
- Einschränkung des alltäglichen Lebens und der Arbeitsfähigkeit
- Chronische Kopfschmerzen
- Chronisches Erschöpfungssyndrom
Prognose
- Die Prognose ist in den meisten Fällen gut und die Symptome spontan reversibel.
- Die meisten Patienten sind nach 3 Monaten symptomfrei.4,10,19,26-27
- Risiko eines persistierenden postkommotionellen Syndroms:
- prämorbide Prädisposition und Komorbidität
- wiederholte Gehirnerschütterungen.
Verlaufskontrolle
- Abhängig von der Art und Schwere der Symptomatik
- Nach auffälligen Befunden in der neurologischen Untersuchung oder zerebralen Bildgebung ist eine erneute Kontrolle empfohlen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Folgen einer Gehirnerschütterung – postkommotionelles Syndrom
- Gehirnerschütterung
- Ratschläge bei Gehirnerschütterung
- Gehirnerschütterung, Erste Hilfe
- Schleudertrauma, Nackenverletzung
- Kopfschmerzen
- Spannungskopfschmerz
- Migräne
- Schwindel, Ursachen
Quellen
Leitlinien
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- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Kopfschmerz, episodische und chronische vom Spannungstyp und andere chronische tägliche Kopfschmerzen, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-077. S1, Stand 2014. www.awmf.org
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Autoren
- Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
- Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
- Magnus Olivecrona, överläkare, Neurokirurgiska kliniken, Norrlands universitetssjukhus, Umeå (Medibas)