Herzbeuteltamponade

Zusammenfassung

  • Definition: Es handelt sich um eine akute und schwere Erkrankung, bei der das Herz und die großen intraperikardialen Gefäße zusammengedrückt werden und die Ventrikelfüllung durch eine Flüssigkeitsansammmlung im Herzbeutel behindert wird.
  • Häufigkeit: Die Inzidenz liegt bei ca. 20 auf 100.000 Einwohner pro Jahr (USA).
  • Symptome: Hängen von den zugrunde liegenden Ursachen und der Entwicklungsgeschwindigkeit der Erkrankung ab. In der Regel Atembeschwerden und Herzrasen.
  • Befunde: Bei einer akuten Herzbeuteltamponade kommt es häufig zu einer Halsvenenstauung (erhöhter Druck in der Vena jugularis), Hypotonie (kalte und feuchte Haut, Bewusstseinsstörungen und stark verringerte oder ausbleibende Diurese) und schwächeren Herzgeräuschen.
  • Diagnostik: EKG, Echokardiografie und Röntgenthorax.
  • Therapie: Bei einer akuten Herzbeuteltamponade ist eine sofortige Perikardiozentese, evtl. ultraschallgeführt (s. u.), mit Thoraxdrainage und evtl. Operation (Thorakotomie oder Sternotomie) notwendig.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Herzbeuteltamponade ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, bei der das Herz durch eine Ansammlung von Flüssigkeit, Eiter, Blut, Koageln oder Gas im Herzbeutel komprimiert wird.1
  • Dies kann akut oder langsam entstehen und durch Entzündung, Trauma, Herzruptur oder Aortendissektion verursacht sein.

Häufigkeit

  • Die Inzidenz liegt bei ca. 20 auf 100.000 Einwohner pro Jahr (USA).
  • Die häufigste Ursache ist eine maligne Erkrankung.2

Ätiologie und Pathogenese

Häufige Ursachen

  • Perikarditis mit erhöhter Flüssigkeitsproduktion, evtl. mit Narbenbildung im Perikard
  • Tuberkulose
  • Iatrogen
    • Herzchirurgie, Koronarangiografie/PCI
    • Implantation eines Herzschrittmachers, Anlegen eines zentralen Venenkatheters
  • Trauma
    • in der Regel penetrierende Thoraxverletzung, aber auch schwere stumpfe Traumata
  • Maligne Erkrankung

Seltene Ursachen

Pathophysiologie

  • Der Herzbeutel enthält normalerweise insgesamt ca. 20–50 ml Perikardflüssigkeit.
  • Steigt die Flüssigkeitsmenge, erhöht sich der Druck im Herzbeutel, und die diastolische Füllung des Herzens geht stark zurück.
  • Wann die Flüssigkeitsmenge kritisch wird, hängt von der Anpassungsfähigkeit des Perikards und der Anstiegsgeschwindigkeit ab.
    • Diese kann langsam über Monate oder akut innerhalb von einigen Minuten oder Stunden ansteigen.
  • In der Folge kommt es zu einem beeinträchtigten venösen Rückfluss und einem verminderten Schlagvolumen.
  • Die Entstehung einer Herzbeuteltamponade durchläuft 3 Phasen:3
    • Phase 1: Der Druck im Herzbeutel erhöht sich, aber in der linken und rechten Herzkammer herrscht ein höherer Druck, sodass das Schlagvolumen nicht beeinflusst wird.
    • Phase 2: Der Druck im Perikard gleicht den Fülldruck in der rechten Herzkammer aus, aber in der linken Herzkammer herrscht immer noch ein höherer Druck. Das Schlagvolumen wird vermindert.
    • Phase 3: Der Druck im Herzbeutel übersteigt den Fülldruck der linken Herzkammer und das Schlagvolumen fällt stark ab.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • K99 Herz-/Gefäßerkrankung, andere

ICD-10

  • I31 Sonstige Krankheiten des Perikards
    • I31.9 Krankheit des Perikards, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die klinische Diagnose wird aufgrund der typischen Symptome und Beschwerdebilder gestellt, die eine erhöhte Flüssigkeitsmenge im Herzbeutel vermuten lassen.
    • Dyspnoe bei Patienten mit bekanntem Risiko
    • Hypotension, Halsvenenstauung und Pulsus paradoxus

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Anamnese

  • Maligne Erkrankung?
  • Kürzlich erfolgte Herzchirurgie, Koronarangiografie, PCI?
  • Implantation eines Herzschrittmachers, Anlegen eines zentralen Venenkatheters?
  • Thoraxtrauma?
  • Welche Arzneimittel werden angewendet?
  • Bindegewebserkrankungen, rheumatoide Arthritis, SLE, Polymyositis
  • Nierenversagen?
  • Systemische Infektionen, TBC, HIV

Symptome

  • Die Symptome hängen von den zugrunde liegenden Ursachen und der Entwicklungsgeschwindigkeit der Erkrankung ab.
  • Bei einem schnellen Fortschreiten wird der Patient dyspnoisch und tachykard.
  • Oft schlechter Allgemeinzustand und gleichzeitig Angst und Unruhe.
  • Es kommt zu Symptomen einer verringerten Gewebeperfusion: kalte und feuchte Haut, Bewusstseinsstörungen und stark verringerte oder ausbleibende Diurese.
  • Eine Herzbeuteltamponade wird bei anhaltender Hypotonie und Azidose trotz adäquater Volumentherapie und ohne Blutungsherd vermutet.

Klinische Untersuchung

  • Bei einer akuten Herzbeuteltamponade kommt es oft zur Beck-Trias:
    1. Halsvenenstauung (erhöhter Druck in der Vena jugularis)
    2. Hypotonie (kalte und feuchte Haut, Bewusstseinsstörungen und stark verringerte oder ausbleibende Diurese)
    3. abgeschwächte Herztöne.
  • Pulsus paradoxus ist typisch: Abfall des systolischen Blutdruckes von > 10 mmHg während der Einatmung.
  • Kussmaul-Zeichen: Spontane Einatmung führt zu erhöhtem zentralen Venendruck.
  • Andere mögliche Befunde: Lungenödem, Hepatomegalie und perikardiales Reibegeräusch
  • Anzeichen eines Traumas, evtl. Penetration der Thoraxwand?

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Evtl. EKG
    • In der Regel Sinustachykardie, niedriger QRS-Komplex (Niedervoltage) und elektrische Alternans (schwankender QRS-Ausschlag aufgrund der Bewegung des Herzens im Herzbeutel)

Diagnostik beim Spezialisten

Indikationen zur Überweisung

  • Sofortige Einweisung in ein Krankenhaus bei Verdacht auf die Erkrankung

Therapie

Therapieziele

  • Die Erkrankung ist schwerwiegend, kann aber bei einer schnellen Therapie gut behandelt werden.
  • Auch bei einer unheilbaren Erkrankung führt die Drainage der Perikardflüssigkeit zu einer Linderung der Symptome.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei einer akuten Herzbeuteltamponade ist eine sofortige Perikardiozentese, evtl. ultraschallgeführt (s. u.), mit Thoraxdrainage und evtl. Operation (Thorakotomie oder Sternotomie) notwendig.
  • Kommt es zu einem Schock, wird der Patient in die Rückenlage gelegt, zur Verbesserung des venösen Rückflusses können die Beine hochgelegt werden.
  • Evtl. inotrope Medikamente
  • Nach Stabilisation der Situation müssen die auslösenden Faktoren festgestellt und behandelt werden.

Medikamentöse Therapie

  • Evtl. inotrope Medikamente, z. B. Dobutamin
    • Das Schlagvolumen wird erhöht, ohne den systemischen vaskulären Widerstand zu erhöhen.
    • Vasodilatierende Medikamente oder Diuretika werden bei Tamponade nicht empfohlen.

Weitere Therapien

Perikardiozentese

  • Eine ultraschallgeführte Perikardiozentese ist schnell und wirksam und damit die beste Ersttherapie bei einer Herzbeuteltamponade.1,4
  • Die Perikardiozentese wird mit einer 20–30 ml fassenden Spritze und einer 10 cm langen Kanüle (16–18 Gauge) durchgeführt.
  • Sie wird direkt unter dem Processus xiphoideus in Richtung der linken Schulter und in einem Winkel von 45 Grad zur Haut eingeführt, Aspiration alle 1–2 mm. Fortsetzen bis zur Aspiration von Blut, Wahrnehmung von Pulsationen oder Auftreten von plötzlichen EKG-Änderungen.
  • In der Regel werden nur kleine Mengen (5–10 ml) aspiriert, größere Mengen weisen auf einen Einstich in die rechte Herzkammer hin.
  • In Notfällen kann die Perikardiozentese auch ohne Ultraschallführung durchgeführt werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Wird die Erkrankung nicht behandelt, verläuft sie tödlich.

Komplikationen

  • Eine unbehandelte Herzbeuteltamponade kann ein Lungenödem oder einen Schock verursachen und tödlich verlaufen.
  • Eine Notfall-Perikardiozentese ohne Ultraschallführung kann zu einer Kammerruptur oder einem Pneumothorax führen und hat eine Mortalitätsrate von 4 %.

Prognose

  • Die Prognose hängt von den zugrunde liegenden Ursachen und davon ab, wie schnell die Therapie begonnen wird.

Quellen

Literatur

  1. Adler HY, Charron P, Imazio M, et al. 2015 ESC Guidelines for the diagnosis and management of pericardial diseases: The Task Force for the Diagnosis and Management of Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2015 Nov 7;36(42):2921-2964. www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Beauchamp KA: Pericardial tamponade: an oncologic emergency. Clin J Oncol Nurs 1998; 2: 85-95 PubMed
  3. Reddy PS, Curtiss EI: Cardiac tamponade. Cardiol Clin 1990; 8: 627-37 PubMed
  4. Tsang TS, Freeman WK, Sinak LJ, Seward JB: Echocardiographically guided pericardiocentesis: evolution and state-of-the-art technique. Mayo Clin Proc 1998; 73: 647-52 PubMed

Autoren

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
  • Erik Fosse, avdelingsöverläkare och professor, Intervensjonssenteret, Rikshospitalet och universitetet i Oslo

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