Definition:ZNS-Tumoren beschreiben eine heterogene Gruppe von intrakraniellen und spinalen Neoplasien mit großer Variabilität von Dignität, Verlaufsform, biologischen Eigenschaften und Prognose.
Häufigkeit:Häufigster solider Tumor des Kindesalters und zweithäufigstes Malignom mit einem Anteil von 24 % an allen pädiatrischen malignen Erkrankungen. Inzidenz bei Kindern unter 15 Jahre von etwa 2–4/100 000/Jahr.
Symptome:In Abhängigkeit von der Lokalisation Zeichen einer intrakraniellen Drucksteigerung, Kopfschmerzen, fokal neurologische Ausfälle, Krampfanfälle, endokrinologische Störungen, Sehstörungen, Störungen des Vestibularapparats, Wesensveränderungen und Entwicklungsverzögerungen möglich.
Diagnostik:Anamnese, klinische Symptomatik und ZNS-Bildgebung sind Teil der Basisdiagnostik, ggf. weiterführende Diagnostik. Histologie und Tumorbiologie zur Diagnosesicherung.
Therapie:Interdisziplinäre Therapie an spezialisierten Zentren. Abhängig von der Tumorentität und Lokalisation operative Therapieverfahren oder multimodale Therapien mit Radio- und Chemotherapie. Begleitend symptomatische und supportive Behandlung.
Allgemeine Informationen
Definition
ZNS-Tumoren bei Kindern und Jugendlichen umfassen Neubildungen (Neoplasien), die intrakraniell (Hirntumoren) oder seltener intraspinal auftreten können.1
ZNS-Metastasen sind im Kindes- und Jugendalter wesentlich seltener als primäre ZNS-Tumoren, d. h. eigenständige Neubildungen des Nervengewebes.
Die Klassifikation der ZNS-Tumoren der hirneigenen Tumoren erfolgt nach WHO-Kriterien.1-2
Folgt der Lokalisation und Histologie der Tumoren.
Die klinischen Beschwerden werden durch Lokalisation der Raumforderung (supratentoriell, infratentoriell, hypophysär, spinal) und intrakranielle Drucksteigerung durch den ZNS-Tumor bedingt.1
Abhängig vom Wachstum der Neoplasie subakute oder langsam progrediente Symptome möglich
bei suprasellären Prozessen und anderen Tumoren der Sehbahn
AEHP (akustisch evozierte Hinstammpotenziale) und SEP (somatosensibel evozierte Potenziale)1
ggf. bei Prozessen im kaudalen Hirnstamm
Histopathologie und Tumorbiologie
Endgültige Diagnosestellung durch histopathologische Untersuchung1,3
Umfasst Histopathologie, Immunhistochemie und molekularbiologische Untersuchungen.
Optionen der Probengewinnung
grundsätzlich geplante Resektion
gezielte offene Probebiopsie
stereotaktische Biopsie
Beurteilung durch Neuropathologie anhand WHO-Klassifikation und -Gradierung
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
Bei Verdacht auf die Erkrankung
In der Regel sollten alle Kinder und Jugendliche mit ZNS-Tumoren an ausgewiesenen kinderonkologischen Zentren und im Rahmen von Studien behandelt werden.1,3,5
Checkliste zur Überweisung
Hirntumor, Verdachtsfall
Zweck der Überweisung
Bestätigende Diagnostik? Therapie? Sonstiges?
Anamnese
Wann sind die Beschwerden zuerst aufgetreten? Progression?
Welche Symptome? Fokal-neurologische Ausfälle? Epilepsie? Kopfschmerzen? Änderungen des Verhaltens oder der Persönlichkeit? Kognitive Beeinträchtigungen?
Andere relevante Erkrankungen? Regelmäßige Medikamente? Familiäre Disposition? Substanzmissbrauch?
Folgen in Bezug auf Beruf, Soziales, körperliche Aktivität oder Sonstiges?
Klinische Untersuchung
Allgemeinzustand? Anzeichen einer neurologischen Erkrankung?
oft unspezifische Symptome, Wesensveränderung und kognitive Defizite
Langsames und lokal verdrängendes Wachstum führt zu langsam progredienter Klinik (teilweise über Jahre).
Therapie
bei allen Therapien Funktionserhalt des ZNS als Priorität
grundsätzlich vollständige, neurochirurgische, operationsmikroskopische Tumorresektion als Therapie der Wahl3
Gelingt bei 50–90 % der niedriggradigen Gliome der Großhirnhemisphären oder des Kleinhirns.
nicht-chirurgische, wirksame Therapieoptionen: Chemo- und Radiotherapie3
Einsatz z. B. bei schweren neurologischen oder ophthalmologischen Symptomen, nur teilweise resezierbarem Tumor oder klinischer und/oder radiomorphologischer Progredienz nach Teilresektion
systemische Chemotherapie als Primärbehandlung
Prognose niedriggradiger Gliome exzellent für das Langzeitüberleben3
10-Jahresüberleben in einer Studie mit 1.031 Patient*innen von 94 %16
z. B. Verschlechterung schulischer Leistung aufgrund von Aufmerksamkeitsdefiziten, Wahrnehmungsstörungen, gestörter Feinmotorik, verlangsamter Psychomotorik
Die Prognose eines ZNS-Tumors ist stark abhängig von der Tumorentität, dem Stadium, der Lokalisation, der Klinik und Komplikationen, den Therapieoptionen sowie weiteren prognostischen Faktoren.3-7
Zwischen 2006 und 2015 wurden in Deutschland bei 4.317 Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahre ein ZNS-Tumor diagnostiziert.8
Die 5-Jahres- bzw. 10-Jahres-Überlebensraten lagen bei 78 % und 74 %.
In einem Zeitraum von 30 Jahren nach Diagnosestellung traten bei 18,1 % der Patient*innen Zweitmalignome auf.
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Leitsymptome und Diagnostik der ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-022. S1, Stand 2016. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Kraniopharyngiom im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-026. S1, Stand 2019. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Gliome niedrigen Malignitätsgrades im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-024. S1, Stand 2018. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Medulloblastom im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-009. A1, Stand 2018. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Ependymome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-025. S1, Stand 2018. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Neuroblastom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-008. S1, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter: Leitsymptome und Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 025-022, Stand 2016. www.awmf.org
Louis DN, Perry A, Reifenberger G, von Deimling A, Figarella-Branger D, Cavenee WK, Ohgaki H, Wiestler OD, Kleihues P, Ellison DW. The 2016 World Health Organization Classification of Tumors of the Central Nervous System: a summary. Acta Neuropathol. 2016 Jun;131(6):803-20. doi: 10.1007/s00401-016-1545-1. Epub 2016 May 9. PMID: 27157931 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Gliome niedrigen Malignitätsgrades im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-024, Stand 2018. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Medulloblastom im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-009. Stand 2018. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Ependymome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-025. Stand 2018. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Neuroblastom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-008. Stand 2019. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Kraniopharyngeom im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-026. Stand 2019. www.awmf.org
Kaatsch P, Grabow D, Spix C. German Childhood Cancer Registry – Annual Report 2016 (1980-2015). Institute of Medical Biostatistics, Epidemiology and Informatics (IMBEI) at the University Medical Center of the Johannes Gutenberg University Mainz, 2016. www.kinderkrebsregister.de
Surawicz TS, McCarthy BJ, Kupelian V, Jukich PJ, Bruner JM, Davis FG. Descriptive epidemiology of primary brain and CNS tumors: results from the Central Brain Tumor Registry of the United States, 1990-1994. Neuro-oncol 1999;1:14-25. www.ncbi.nlm.nih.gov
Sora S, Ueki K, Saito N, Kawahara N, Shitara N, Kirino T. Incidence of von Hippell-Lindau disease in hemangioblastoma patients: The university of Tokyo hospital experience from 1954-1998. Acta Neurochir 2001; 143: 893-6. PubMed
Gadner H, Gaedicke G, Niemeyer C, et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2006.
Herrlinger U, Zentner J, Grosu A et al. 2.9 Tumoren. In: Hufschmidt A, Lücking C, Rauer S et al., ed. Neurologie compact. 7. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017.
Rickert CH, Paulus W. Epidemiology of central nervous system tumors in childhood and adolescence based on the new WHO classification. Childs Nerv Syst 2001; 17: 503 - 11. PubMed
Grill J, Laithier V, Rodriguez D, Raquin MA, Pierre-Kahn A, Kalifa C. When do children with optic pathway tumours need treatment? An oncological perspective in 106 patients trated in a single center. Eur J Pediatr 2000; 159: 692 - 6. PubMed
Gnekow AK, Falkenstein F, Hornstein S, Zwiener I, Berkefeld S, Bison B, Warmuth-Metz M, Hernáiz Driever P, Soerensen N, Kortmann RD, Pietsch T, Faldum A (2012) Long-term follow-up of the multicenter, multidisciplinary treatment study HIT-LGG 1996 for low-grade glioma in children and adolescents of the German speaking Society of Pediatric Oncology and Hematology Neuro-Oncol 14: 1265-1284 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Helseth E, Due-Tønnessen B, Wesenberg F, Lote K, Lundar T. Posterior fossa medulloblastoma in children and young adults (0 - 19 years): survival and performance. Childs Nerv Syst 1999; 15: 451 - 6. PubMed
Michiels EM, Schouten-Van Meeteren AY, Doz F, Janssens GO, van Dalen EC.Chemotherapy for children with medulloblastoma.Cochrane Database Syst. Rev. 2015. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Schütz J, Kaatsch P. Epidemiology of pediatric tumors of the central nervous system. Expert Review of Neurotherapeutics 2002; 2:4: 469-479. doi:10.1586/14737175.2.4.469 www.tandfonline.com
Autor*innen
Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Freiburg im Breisgau
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 03.03.2021 umfassend überarbeitet und umgeschrieben, mehrere neue LL berücksichtigt.
Revision at 29.10.2013 13:50:57:
Revidert i henhold til Medibas. Ingen endringer. chck go 13.9.
DDD MK 26.01.18, revidiert, LL eingebaut
Definition:ZNS-Tumoren beschreiben eine heterogene Gruppe von intrakraniellen und spinalen Neoplasien mit großer Variabilität von Dignität, Verlaufsform, biologischen Eigenschaften und Prognose.
Neurologie
ZNS-Tumoren bei Kindern
/link/ff065d4e75fd456f958825618bca7af4.aspx
/link/ff065d4e75fd456f958825618bca7af4.aspx
zns-tumoren-bei-kindern
SiteDisease
ZNS-Tumoren bei Kindern
anders.skjeggestad@nhi.no
uanders.boos@gesinformskjeggestad@nhi.deno (patched by system)