Definition:Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische, in Schüben verlaufende Autoimmunerkrankung. Es können praktisch alle Organe in unterschiedlichem Schweregrad betroffen sein. Klinisches Bild, Verlauf und Prognose sind ausgesprochen variabel.
Prävalenz:Sie beträgt in Deutschland etwa 40/100.000, das Verhältnis Frauen zu Männer liegt etwa bei 9:1.
Symptome:Die Erkrankung kann alle Organsysteme betreffen. Neben Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber betrifft die Symptomatik vor allem Gelenke, Haut, Nieren und zentrales Nervensystem.
Befunde:Neben den Veränderungen im Bereich der betroffenen Organsysteme werden hämatologische (Anämie, Leukozytopenie, Thrombozytopenie) und immunologische (verschiedene Autoantikörper) Befunde erhoben.
Diagnostik:Anhand eines Klassifikationssystems, das klinische, hämatologische und immunologische Kriterien umfasst.
Therapie:Allgemeinmaßnahmen wie Sonnenschutz und Impfschutz. Medikamentös mit Antimalariamitteln, Glukokortikoiden, Immunsuppressiva und Biologika.
Allgemeine Informationen
Definition
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische, in Schüben verlaufende Autoimmunerkrankung.1
Es können praktisch alle Organe in unterschiedlichem Schweregrad betroffen sein.
Klinisches Bild, Verlauf und Prognose sind ausgesprochen variabel.
Problemstellung für Hausärzt*innen
Insbesondere in der Frühphase der Erkrankung ist die Einordnung der komplexen Symptomatik häufig schwierig.2
keine einzelnen pathognomonischen Befunde, Diagnosestellung daher durch eine Kombination aus klinischen und Laborkriterien3
Gefahr der Konsultation verschiedener Fachdisziplinen durch die Patient*innen aufgrund einzelner Symptome2
Prävalenz um eine Zehnerpotenz tiefer als bei Erwachsenen, vor dem 5.–8. Lebensjahr Rarität2,12
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
Die Ätiologie des SLE ist unbekannt.
Pathogenese
Die genauen pathogenetischen Mechanismen der Erkrankung sind immer noch unklar.13
Chronische Autoimmunerkrankung, die nahezu alle Organe und Gewebe betreffen kann.
Umweltfaktoren in Kombination mit genetischer Prädisposition führen zu einer Aufhebung der immunologischen Toleranz gegen körpereigene Antigene.13
Eine Immunreaktion gegen Antigene des Zellkerns ist charakteristisch für SLE.14
Produktion von Autoantikörpern durch autoreaktive Lymphozyten15
Zirkulierende Autoantikörper lösen gemeinsam mit Komplementfaktoren, autoreaktiven T-Zellen und Zytokinen über eine Immunkomplexreaktion eine lokale und/oder systemische Entzündung aus10
Autoantikörper können bereits Jahre vor Ausbruch der Erkrankung vorliegen, sodass wahrscheinlich eine multifaktorielle Pathogenese vorliegt.7,16
Prädisponierende Faktoren
Zahlreiche genetische Faktoren spielen bei der Krankheitsentstehung eine Rolle.17
gedämpfter Klopfschall, abgeschwächtes Atemgeräusch bei Pleuraerguss
Perikard
perikarditisches Reiben
Häufigkeit von Symptomen/Befunden zu Erkrankungsbeginn und im weiteren Verlauf
Erstvorstellung in der Hausarztpraxis häufig mit leichteren Beschwerden der Gelenke und der Haut4
Vom praktischen Standpunkt aus sollte vor allem bei jungen Frauen mit Arthritis/Arthralgie an einen SLE gedacht werden, da dies häufig die Erstmanifestation darstellt.4
Häufigkeit von Symptomen/Befunden bei Erkrankungsbeginn30
Fundoskopie/spezielle Untersuchungen unter Antimalariamitteln
zentrales und peripheres Nervensystem
Elektroenzephalografie (EEG)
MRT
CT
Liquordiagnostik
transkranieller Doppler
Angiografie
neuropsychiatrische Untersuchung
Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
Indikationen zur Überweisung
Bei klinischem und laborchemischem V. a. SLE: Überweisung an Rheumatologie für Bestätigung/Ausschluss der Diagnose
Derzeit ist allerdings kein verlässlicher und validierter Algorithmus zur Beurteilung der Dringlichkeit einer fachrheumatologischen Abklärung verfügbar.4
Sofern Anamnese und Untersuchung keinen eindeutigen Hinweis auf klinische Manifestation eines SLE ergeben und laborchemisch nur ein geringer ANA-Anstieg auffällig ist:4
Eine primäre Verlaufskontrolle in der Hausarztpraxis ist sinnvoll nach einer Aufklärung über die Warnsymptome.
Bei manifestem SLE: Behandlung und Nachsorge in enger Zusammenarbeit mit Rheumatolog*innen, Internist*innen, Neurolog*innen und Dermatolog*innen. Bei Schwangeren sollten zudem Gynäkolog*innen eingebunden sein.
Optimierung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
Treat-to-Target-Strategie (T2T)
Ähnlich wie bei der rheumatoiden Arthritis geht auch beim SLE die Entwicklung in Richtung einer „Treat-to-target (T2T)"-Strategie, aufgrund der Komplexität der Erkrankung ist der T2T-Ansatz beim SLE aber schwieriger umzusetzen.36-38
Um die übergeordneten Therapieziele zu verwirklichen, sollten folgende unmittelbaren Therapieziele angestrebt werden:36-38
Remission
Zustand niedriger Krankheitsaktivität, falls Remission nicht erzielbar
Aktivitätsbeurteilung anhand eines validierten Lupus-Aktivitätsindex (z. B. SLEDAI) und/oder organspezifischer Marker
Gleichzeitig aber Ziel einer möglichst niedrigen Glukokortikoiddosis, um Nebenwirkungen/Komplikationen der Kortikoidtherapie zu vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
In den vergangenen Jahren Veröffentlichung diverser Leitlinien zur Behandlung des SLE35-36,39-42
allerdings nur relativ wenig wissenschaftliche Evidenz durch randomisierte Studien2
Cyclosporin (v. a. bei hämatologischer Beteiligung).
Cyclophosphamid soll eingesetzt werden bei schwerem, organ- oder lebensbedrohendem SLE sowie als „Rescue-Therapie" bei Versagen anderer Immunsuppressiva.35
Biologika
Belimumab
Belimumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das B-Lymphozyten-Stimulator-Protein BLyS.48-49
Derzeit einziges zugelassenes Biologikum für die Behandlung des SLE23
Einsatz empfohlen als Zusatztherapie bei Patient*innen mit klinisch und serologisch aktivem SLE trotz einer individuell angepassten Standardtherapie (Hydroxychloroquin und Glukokortikoide ohne oder mit Immunsuppressiva)35,50
Indikation zur immunsuppressiven Therapie sollte auf der Basis des Ergebnisses einer Nierenbiopsie erfolgen.56
histologische Klassifikation der Lupus-Nephritis in Klasse I–VI, immunsuppressive Therapie bei Lupus-Nephritis-Klasse III–V5658
Zur Induktionstherapie können Mycophenolat, Cyclophosphamid und Tacrolimus (in Kombination mit Glukokortikoiden) verwendet werden, zur Erhaltungstherapie auch Azathioprin.5657,59-60
Die diagnostischen Maßnahmen sind abhängig von der klinischen Manifestation: EEG, elektrophysiologische Untersuchung, Lumbalpunktion, neuropsychologische Tests, MRT.40
Therapie
Kortikosteroide und Immunsuppressiva zur Behandlung des entzündlichen Prozesses
Thromboyztenaggregationshemmung/Antikoagulation bei zerebrovaskulären Thrombosen
symptomatische Therapie mit z. B. antiepileptischen Medikamenten, Antidepressiva
Alle Frauen mit SLE sollten über die Chancen für eine gut verlaufende Schwangerschaft und Möglichkeiten der Krankheitskontrolle, aber auch über Risiken und Komplikationen beraten werden.42
Da der SLE keine eigentliche Erbkrankheit ist, sind Kinder von SLE-Patientinnen in der Regel gesund.
Allerdings kann ein (reversibler) neonataler Lupus auftreten.
Fertilität
Die Fertilität per se ist vermutlich durch den SLE nicht vermindert.42
Einschränkungen der Fertilität können sich ergeben durch Einnahme von Immunsuppressiva, insbesondere Cyclophosphamid.42
Risikobeurteilung
Schwangerschaften bei SLE sind Risikoschwangerschaften und bedürfen einer sorgfältigen Planung und Überwachung, verlaufen unter diesen Voraussetzungen dann aber häufig normal.
Komplikationen nur in geringem Umfang bei Frauen mit stabiler leichter Erkrankung62
Vor einer Schwangerschaft sollte die Erkrankung mindestens 6 Monate in Remission sein.44,63
bei Remission gute Prognose für die Schwangerschaft, wenn auch immer noch etwas schlechter als bei gesunden Frauen7,62
Risikofaktoren für Komplikationen in der Schwangerschaft42
Die Therapie mit Hydroxychloroquin sollte fortgeführt werden.2
niedrigere Krankheitsaktivität und weniger Schübe
Auch in der Stillzeit kann Hydroxychloroquin gegeben werden.
Der positive Effekt von Hydroxychloroquin auf Schubrate, Verlauf der Schwangerschaft und das Risiko eines kongenitalen AV-Blocks sollte den Patientinnen bekannt sein.64
Glukokortikoide, Azathioprin, Ciclosporin A und Tacrolimus können zur Vermeidung oder Behandlung von Schüben verabreicht werden.42
Blutverdünnung bei Schwangerschaft mit Antiphospholipid-AK53
Mit AK-Hochrisikoprofil, ohne anamnestische Schwangerschaftskomplikationen oder Thrombosen (venös/arteriell): Prophylaxe mit ASS empfohlen
Nach Schwangerschaftskomplikationen, anamnestisch ohne Thrombosen (venös/arteriell): ASS plus Heparin in prophylaktischer Dosis
Thrombosen (venös/arteriell) in der Anamnese: ASS plus Heparin in therapeutischer Dosierung
Kontrazeption
Frauen mit SLE sollten über Möglichkeiten zur Kontrazeption beraten werden unter Berücksichtigung von Krankheitsaktivität und Thromboserisiko.42
IUP können bei allen SLE-Patientinnen (ohne oder mit Antiphospholipid-AK) angewendet werden.42
Bei stabiler/inaktiver Erkrankung und negativen Antiphospholipid-AK können Östrogen-/Gestagenpräparate erwogen werden.42,65
Bei Frauen mit Antiphospholipid-AK muss das Risiko sorgfältig abgewogen werden, ggf. Verwendung von Gestagenpräparaten.42,66
Kardiovaskuläres Risiko
Patient*innen mit SLE haben ein höheres Risiko für eine vorzeitige Atherosklerose.
endothelialer und vaskulärer Schaden durch langdauernde entzündliche Aktivität7
Junge Frauen haben das höchste relative Risiko im Vergleich zur Allgemeinpopulation.4,67
Während sich hochdosierte Glukokortikoide ungünstig auf das kardiovaskuläre Risikoprofil auswirken, wirken niedrigdosierte Glukokortikoide möglicherweise günstig auf die Atheroskleroseentwicklung.7,68
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
Erhöhtes Risiko für Komorbiditäten durch die Erkrankung selbst und/oder die Behandlung39
Infektionen (Harnwegsinfektionen, andere Infektionen)
Verteilung von Komplikationen im zeitlichen Verlauf2
in den ersten Jahren vor allem bakterielle Infektionen als Folge von Krankheitsaktivität und hohen Glukokortikoiddosen
nach über 5-jähriger Krankheitsdauer überwiegend kardiovaskuläre Komplikationen2
Verlauf und Prognose
Verlauf meist in Schüben
zwischen den Schüben Phasen von Monaten bis Jahren mit geringer Aktivität44
Interindividuell große Unterschiede im Krankheitsverlauf
Spannbreite von nur leichten Symptomen mit schneller Remission bis hin zu fatalen Verläufen mit Organversagen und Tod
Kein signifikanter Unterschied im klinischen Erscheinungsbild bei Frauen und Männern13
bei Männern stärkere Krankheitsaktivität zum Zeitpunkt der Diagnose13
Mit zunehmendem Alter im Allgemeinen milderer Krankheitsverlauf44
Schübe seltener und schwächer
Häufigkeit von Schäden in Follow-up-Studie nach 7 Jahren69
61 % klinisch nachweisbare Organschäden
21 % neuropsychiatrische Schäden
19 % Schäden des Bewegungsapparates
16 % Nierenschäden
Durch die heutige Medikation haben sich die Kurz- und Langzeitprognose des SLE verbessert.2
SLE-Patient*innen haben immer noch eine höhere Mortalität im Vergleich zur Normalpopulation, aber mit optimaler Behandlung heute liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei über 95 %.70
Anti-dsDNA-AK: Der intraindividuelle Verlauf gibt den Hinweis auf die Aktivität.
Anstieg der Anti-dsDNA-Antikörper häufig schon mehrere Monate vor einem Schub, parallel zum Abfall von Komplement
Höhe des ANA-Titers korreliert hingegen nicht mit der Aktivität des SLE!
Augenkonsil bei Hydroxychloroquin und Chloroquin: sofern keine Risikofaktoren vorliegen, Untersuchung vor Therapiebeginn, nach 5 Jahren und dann jährlich35
ggf. ergänzend apparative Diagnostik
Eine regelmäßige Kommunikation des Verlaufs zwischen Hausärzt*innen und Rheumatolog*innen ist wünschenswert.73
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
M32; M320; M321; M328; M329
Systemisk lupus erytematosus; l99 annan muskuloskeletal sjukdom
Definition:Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische, in Schüben verlaufende Autoimmunerkrankung. Es können praktisch alle Organe in unterschiedlichem Schweregrad betroffen sein. Klinisches Bild, Verlauf und Prognose sind ausgesprochen variabel.
Rheumatologie
Lupus erythematodes (SLE)
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Lupus erythematodes (SLE)
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