Zusammenfassung
- Definition:Erworbene Thrombozytopenie, die durch eine Autoimmunreaktion gegen Thrombozyten und Megakaryozyten verursacht wird.
- Häufigkeit:Prävalenz bei Erwachsenen 9–26/100.000.
- Symptome:Blutungen vor allem im Bereich von Haut und Schleimhäuten von Mund/Nase, aber auch urogenital. Selten innere Blutungen. Häufig Fatigue als Allgemeinsymptom. Kann auch asymptomatisch sein mit laborchemischem Zufallsbefund.
- Befunde:Blutungszeichen, v. a. Petechien und Schleimhautblutungen.
- Diagnostik:Ausschlussdiagnose, isolierte Thrombozytopenie (wiederholt < 100 x 109/l) bei normalen Leukozyten-, Erythrozyten- und Gerinnungsparametern.
- Therapie:Individuelle Entscheidung für „Watch and Wait“ bzw. medikamentöse Therapie (vor allem mit Glukokortikoiden, Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten), evtl. Splenektomie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine erworbene Thrombozytopenie, sie wird verursacht durch eine Autoimmunreaktion gegen Thrombozyten und Megakaryozyten.
- Die Diagnose einer ITP setzt nach internationaler Übereinkunft wiederholte Thrombozytenzahlen < 100 x 109/l voraus.
- Terminologie: auch als M. Werlhof bezeichnet nach Paul Gottlieb Werlhof (1699–1767), Arzt in Hannover
Häufigkeit
- Prävalenz und Inzidenz2
- Prävalenz bei Erwachsenen 9–26/100.000
- Inzidenz 2–4/100.000 pro Jahr
- Alter
- mittleres Alter erwachsener Patient*innen um 60 Jahre1
- Geschlecht
- Im mittleren Alter sind Frauen häufiger betroffen, ab dem 60. LJ Männer.1
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Primäre ITP (80 %): keine auslösende Ursache erkennbar
- Sekundäre ITP (20 %): ausgelöst z. B. durch Infektionen, Autoimmunerkrankungen, Lymphome, Medikamente
Pathogenese
- Erworbene Thrombozytopenie, die ITP ist nicht erblich.1
- Mehrere Mechanismen führen zu den erniedrigten Thrombozytenzahlen:3
- Autoantikörper gegen verschiedene Thrombozytenoberflächenproteine führen zu vorzeitiger Phagozytose von Thrombozyten durch das monozytär-phagozytäre System (besonders in der Milz).
- direkte T-Zell vermittelte Zytotoxizität gegen Thrombozyten
- verminderte Thrombozytenproduktion durch direkte Schädigung der Megakaryozyten sowie durch relativen Mangel an Thrombopoetin (TPO).
- Nach dem zeitlichen Verlauf können unterschieden werden:3
- neu diagnostiziert
- persistierend (3–12 Monate)
- chronisch (> 12 Monate).
Klinisches Bild1
- Blutungssymptome
- Petechien im Bereich der Beine (seltener an Rumpf und Armen)
- Blutungen der Mund- und Nasenschleimhaut
- urogenitale Blutungen, verstärkte Menstruationsblutungen, verstärkte Blutungen schon bei kleinen Traumata
- flächenhafte Hämatome/Gelenkblutungen eher untypisch für ITP
- Innere Blutungen sind selten, z. B. intrazerebrale Blutung (< 1 %).
- Häufigkeit und Stärke von Blutungen
- 20–30 % der Patient*innen mit neu diagnostizierter und 30–40 % der Patient*innen mit chronischer ITP weisen keine Blutungssymptome auf.
- nicht selten nur asymptomatische, okkulte Blutungen (Mikrohämaturie, positiver Stuhltest)
- Bei ITP besteht eine geringere Blutungsneigung als bei Thrombozytopenien anderer Ursache.
- Neben den Blutungen sind die Patient*innen vor allem gefährdet durch:4
- Thrombembolien
- Infektionen nach Splenektomie.
- Daneben berichten ITP-Patient*innen häufig über Erschöpfung, Müdigkeit und depressive Störungen (Fatigue).1
Prädisponierende Faktoren
- Folgende Erkrankungen und Umstände können eine sekundäre ITP auslösen:1,5
- Virusinfektionen
- Hepatitis B/C
- HIV
- andere virale Infektionen
- bakterielle Infektionen
- Autoimmunerkrankungen, u. a.:
- Immundefizienz-Syndrome
- lymphoproliferative Erkrankungen
- medikamenteninduzierte Immunreaktion
- nach Impfungen (z. B. MMR).
ICPC-2
- B83 Purpura/Gerinnungsstörung
ICD-10
- D69.3 Idiopathische thrombozytopenische Purpura
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- ITP ist eine Ausschlussdiagnose, es gibt keinen beweisenden Test.1
- Für die Erstdiagnose ist in der Regel ausreichend:2
- Anamnese
- klinische Untersuchung
- Labor: isolierte Thrombozytopenie (wiederholt < 100 x 109/l) bei normalen Leukozyten-, Erythrozyten- und Gerinnungsparametern.
Differenzialdiagnose der Thrombozytopenien
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
Verminderte Thrombozytenbildung
- Schädigung des Knochenmarks (Medikamente, Alkohol, Zytostatika u. a.)
- Infiltration und Verdrängung des Knochenmarks (hämatologische Neoplasien, seltener solide Tumoren)
- Myelofibrose
- Myelodysplastische Syndrome
- Knochenmarkshypo-/aplasie, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
- Wiskott-Aldrich-Syndrom (auch vermehrter Verbrauch)
- Schwerer Vitaminmangel
- Seltene genetische Defekte: Bernard-Soulier-Syndrom, Glanzmann-Thrombasthenia u. a.
- Auch bei der ITP kann die Thrombozytenbildung im Knochenmark gestört sein.
Vermehrter Thrombozytenverbrauch
- Primäre/sekundäre Immunthrombozytopenie
- Weitere immunologische Thrombozytopenien (nicht ITP)
- heparininduzierte Thrombozytopenie
- Thrombozytopenie nach GP IIb/IIIa-Inhibitor-Gabe
- posttransfusionelle Purpura
- schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie
- neonatale Alloimmunthrombozytopenie
- Weitere Verbrauchsthrombozytopenien (nicht immunologisch)
- mikroangiopathische hämolytische Anämien (TTP, HUS)
- Verbrauchskoagulopathie
- Von-Willebrand-Syndrom Typ 2b
- massive Lungenembolie
- große Hämangioendotheliome (z. B. Kasabach-Merritt-Syndrom)
Andere Thrombozytopenie
- Thrombozytopenie bei Milzvergrößerung
- Thrombozytenverlust bei massiver Blutung
- Thrombozytopenie bei schweren Infektionen inkl. COVID-19
- Pseudothrombozytopenie (Problem der Laboranalytik)
Stufendiagnostik bei V. a. ITP bzw. persistierender/chronischer ITP
- ITP ist die häufigste Ursache einer isolierten Thrombozytopenie.6
- Eine symptomatische Thrombozytopenie muss abgeklärt werden.7
- Bei asymptomatischen Patient*innen muss nur zwingend abgeklärt werden, wenn die Thrombozytenzahl wiederholt < 100 x 109/l liegt oder eine B-/Trizytopenie vorliegt.7
Basisdiagnostik bei V. a. ITP in der Hausarztpraxis1,8
- Anamnese
- aktuelle und frühere Blutungen
- Infektionen
- Symptome, die auf eine Autoimmunerkrankung hinweisen können (z. B. Gelenkbeschwerden, Augensymptome, Exantheme, Muskelschmerzen, Vaskulitissymptome etc.).
- B-Symptomatik
- Medikamente (z. B. Heparin)
- Schwangerschaft
- Thrombembolien (2-fach erhöhtes Risiko bei ITP-Patient*innen)
- Impfungen
- Familien-/Berufsanamnese
- Klinische Untersuchung
- Blutungszeichen, auch der Schleimhäute
- Zeichen der Anämie (bei schon länger bestehenden Blutungen)
- Lymphknoten
- Leber‑, Milzgröße
- Geringgradige Splenomegalie ist bei jüngeren Patient*innen nicht selten, deutliche Splenomegalie weist auf andere Ursache hin.
- Exantheme
- Temperatur
- Labor
- Blutbild (EDTA und Citrat zum Ausschluss einer Pseudothrombozytopenie)
- Blutausstrich (Befundung durch hämatologisch erfahrenen Arzt)
- Gerinnung
- INR, Thromboplastinzeit (Quick-Wert), aPTT, Fibrinogen
- Glukose
- Ausschluss eines Diabetes vor evtl. Kortikoidtherapie
- Urin
- Untersuchung auf Mikrohämaturie
- Stuhl
- Untersuchung auf okkultes Blut
- Blutbild (EDTA und Citrat zum Ausschluss einer Pseudothrombozytopenie)
Basisdiagnostik bei V. a. ITP bei Hämatolog*in
- Knochenmarkspunktion
- Optional im Rahmen der Basisdiagnostik: wenn nach Anamnese, Klinik und Labor eine ITP wahrscheinlich ist, ist eine KM-Punktion nicht zwingend erforderlich.6
- Empfohlen wird sie bei älteren Patient*innen ≥ 60 Jahre (zunehmende Häufigkeit von Differenzialdiagnosen wie Lymphome, Myelodysplasie u. a.).
- Sie wird außerdem empfohlen bei atypischen Befunden:
- Veränderungen auch von Erythrozyten und Leukozyten
- für ITP untypische Anamnese (z. B. B-Symptome) oder klinische Befunde (z. B. vergrößerte Lymphknoten, Hepatosplenomegalie)
Weiterführende Diagnostik bei persistierender/chronischer ITP1
- Blutgruppentestung
- für Notfall-Pass, vor OPs
- Serum-Elektrophorese und/oder Serum-Immunglobuline
- Ausschluss von multiplem Myelom, Immundefekt-Syndromen
- Autoimmundiagnostik (CCP-Antikörper, ANA, ANCA, anti-DS-DNA, Antiphospholipid-AK, Lupus-Antikoagulans)
- Diagnostik auf Autoimmunerkrankungen als Ursache für sekundäre ITP
- Thrombozytenglykoprotein-spezifische Autoantikörper
- bei persistierender Thrombozytopenie und Zweifel an der Diagnose ITP
- Von-Willebrand-Faktor
- bei Von-Willebrand-Syndrom Typ 2b evtl. mäßige bis schwere Thrombozytopenien
- Schilddrüsenwerte
- bis 10 % der ITP-Patient*innen mit autoimmuner Schilddrüsenerkrankung
- Test auf Helicobacter pylori
- bei Nachweis Indikation zur Eradikation
- Serologie auf Hepatitis B/C, HIV
- vor immunsuppresiver Therapie oder Splenektomie
- Bildgebung (Sonografie, Röntgen, CT)
- Ausschluss von soliden Tumoren, Lymphomen
- Knochenmarkspunktion
- vor Splenektomie: Ausschluss von Differenzialdiagnosen mit größtmöglicher Sicherheit vor irreversiblem Eingriff
Indikation zur Überweisung/Klinikeinweisung
- Überweisung an Hämatolog*innen bei persistierender/chronischer ITP zur weiteren Abklärung
- Krankenhauseinweisung bei starken Blutungen
Therapie
Therapieziele
- Grundsätzlich Blutungen vermeiden und Lebensqualität erhalten.
- Die Therapieziele können nach Erkrankungsstadium differenziert werden:2
- neu diagnostiziert (häufig Spontanremission)
- Blutungsstillung und Heilung, bei kurzer Therapiedauer unter Inkaufnahme von Nebenwirkungen
- persistierend (Spontanremission seltener)
- Blutungsstillung und Heilung; da Therapie häufiger längerfristig, sind Nutzen und Nebenwirkungen stärker gegeneinander abzuwägen.
- chronisch
- Lebensqualität, ggf. unter Inkaufnahme einer chronischen Thrombozytopenie
- Therapie nur bei schwereren Blutungen zwingend, bei oligo- oder asymptomatischen Patient*innen auch „Watch and Wait“ möglich, Beachtung der Präferenz der Betroffenen
- neu diagnostiziert (häufig Spontanremission)
Allgemeines zur Therapie
- Die Indikationsstellung allein nach der Thrombozytenzahl ist obsolet.1
- Belastung durch die Krankheitssymptome muss individuell gegen die Nebenwirkungen der Therapie abgewogen werden.2
- Je länger die ITP andauert, desto weniger relevant werden die Thrombozytenzahlen bei der Indikationsstellung.1
- Bei niedrigen Thrombozytenwerten und fehlender oder minimaler Blutungsneigung gibt es keine verbindliche Therapieempfehlung.2
- Alle Behandlungsoptionen, inklusive „Watch and Wait“, sollten erörtert werden.
- Die Patient*innen sollten nicht zu einer Therapie gedrängt werden.
- Andererseits sollte eine nach ausführlicher Information gewünschte Behandlung nicht verwehrt werden.
- Kriterien, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollten:1
- die klinische Blutungsneigung
- Thrombozytenzahl
- Krankheitsstadium (neu diagnostizierte/persistierende/chronische ITP)
- bisheriger Krankheitsverlauf und Blutungsanamnese
- Therapienebenwirkungen
- Konsequenzen für Ausbildung und Beruf (Berufsunfähigkeit vermeiden)
- Patientenalter, Nebenerkrankungen, Begleitmedikation (insbes. Antikoagulanzien)
- Zugang zu ambulanter und stationärer fachärztlicher Versorgung
- Erfahrung der betreuenden Ärzt*innen/der Klinik
- Patientenpräferenz, Gesundheitskompetenz, psychosoziale Situation
- Verletzungsrisiko bei Freizeitaktivitäten.
Klassifikation von Blutungen
- Für die Therapieentscheidungen ist die Stärke von Blutungen von Bedeutung, zur Klassifizierung wird das WHO-Schema verwendet.8
- WHO 0:
- keine Blutungen
- WHO I:
- Petechien, kleine Hämatome, Ekchymosen (< 10 cm), Schleimhautblutung (Mund, Nase), Epistaxis (< 1 h Dauer), subkonjunktivale Blutungen, vaginale Blutungen (unabhängig von Menstruation, < 2 Binden/d)
- WHO II: nicht transfusionspflichtig
- Hämatome, Ekchymosen (> 10 cm), Epistaxis (> 1 h Dauer oder Tamponade), retinale Blutungen ohne Visusminderung, vaginale Blutungen (unabhängig von Menstruation, > 2 Binden/d), Meläna, Hämatemesis, Hämoptysen, Hämaturie, Hämatochezie, Blutungen in Muskel und Gelenke
- WHO III: transfusionspflichtige Blutungen
- WHO IV: Gefahr von Dauerschäden, lebensbedrohlich
- Retinale Blutungen mit Visusverminderung, ZNS-Blutungen, andere Organblutungen, die die Funktion der betroffenen Organe gefährden, letale Blutungen.
Spezielle Therapie
Erstlinientherapie1
Keine oder leichte Blutungen (WHO 0–II)
- Individuelle Entscheidung zwischen „Watch and Wait“ bzw. Therapie mit Kortikosteroiden
- Bei Thrombozyten > 20–30 x 109/l eher abwartendes Vorgehen, bei niedrigeren Thrombozytenzahlen eher medikamentöse Behandlung
- Glukokortikoide: Die Wahl des Glukokortikoids und des Therapieschemas sollte sich primär nach der Expertise der Ärzt*innen richten, mögliche Schemata sind z. B.:2
- Prednison 1–2 mg/kg KG tgl. p. o. für 1–2 Wochen, dann allmähliche Reduktion
- Während früher sehr langsam „ausgeschlichen“ wurde, sollte gemäß aktueller Leitlinien die Behandlungsdauer max. 6 Wochen betragen (weniger Nebenwirkungen, keine schlechteren Remissionsraten).1
- Dexamethason: 40 mg/d für 4 Tage, Wiederholung alle 2–4 Wochen, häufig 3 Zyklen
- Prednison 1–2 mg/kg KG tgl. p. o. für 1–2 Wochen, dann allmähliche Reduktion
- Bei gutem Ansprechen der Erstlinientherapie und Rezidiv nach mehr als 6 Monaten kann diese nochmal angewandt werden.
Schwere oder lebensbedrohliche Blutungen (WHO III–IV)
- Behandlung besteht primär aus Glukokortikoiden + i. v. Immunglobulinen.
- Immunglobuline bewirken einen relativ raschen (allerdings nicht anhaltenden) Thrombozytenanstieg und sollen daher im Notfall eingesetzt werden.9
- Im Einzelfall können erwogen werden: Thrombozytenkonzentrate, Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten, Rituximab, Notfallsplenektomie.
Zweitlinientherapie1
- Nach Versagen der Erstlinientherapie kann Patient*innen mit Blutungen WHO 0–II eine Zweitlinientherapie angeboten werden (auch „Watch and Wait“ ist möglich).
- Bei Blutungen WHO III–IV besteht auf jeden Fall eine Therapieindikation.
- Als Zweitlinientherapie kommen infrage:
- Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TRA): Romiplostim, Eltrombopag
- Beide Substanzen heben bei vielen Patient*innen die Thrombozytenzahl in einen sicheren Bereich an.
- bei > 90 % der Patient*innen zumindest kurzfristiges Ansprechen, langfristiger Therapieerfolg bei 30–90 %
- Bei Absetzen sinken die Thrombozytenzahlen häufig wieder, aber nicht immer.
- Fostamatinib (SYK-Inhibitoren, seit 2020 zugelassen)
- Vergleichsdaten mit anderen Wirkstoffen, insbesondere TRA, liegen bislang nicht vor.
- Splenektomie
- höchste Rate an dauerhaften Remissionen in dem Sinne, dass keine weitere Behandlung notwendig ist.
- klare Indikation bei Blutung WHO III–IV
- Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TRA): Romiplostim, Eltrombopag
Drittlinientherapie1
- Zur Drittlinientherapie bei fehlender Remission oder Rezidiv stehen zur Verfügung:
- Azathioprin
- Ciclosporin
- Cyclophosphamid
- Danazol
- Dapson
- Hydroxychloroquin
- Mycophenolat-Mofetil
- Rituximab (vor und nach Splenektomie wirksam).
Komplementärmedizin
- Über die Hälfte der Patient*innen mit chronischer ITP benutzt komplementäre oder alternative Therapieformen, dies sollte erfragt werden, auch wegen möglicher Wechselwirkungen.1
Impfungen1
- ITP-Patient*innen können alle empfohlenen Standardimpfungen erhalten, nur bei immunsuppressiver Therapie sind Lebendimpfungen kontraindiziert.
- Impfungen scheinen bei ITP-Patient*innen keinen Rückfall oder eine Verschlimmerung der Thrombozytopenie zu induzieren.
- Viele Impfungen können bei ITP-Patient*innen mit niedrigen Thrombozytenzahlen s. c. statt i. m. verabreicht werden (siehe RKI-Tabelle).
- Patient*innen vor geplanter Splenektomie oder Therapie mit Rituximab sollten frühzeitig gegen Pneumo- und Meningokokken sowie Haemophilus influenzae B geimpft werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Schwere Blutungen
- Venöse und arterielle Thrombembolien (Risiko bei ITP 2-fach erhöht)1
- Komplikationen im Rahmen einer Splenektomie, erhöhtes Infektionsrisiko nach Splenektomie
- Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie
Verlauf und Prognose
- Häufig gutartiger und selbstlimitierender Verlauf
- Bei Anwendung der aktuell verfügbaren Therapien kann bei den meisten Patient*innen eine Kontrolle oder sogar anhaltende Remission erzielt werden.2
- 1/3 bis 2/3 der Patient*innen mit chronischer ITP erreichen eine partielle oder komplette Remission, teilweise noch nach Jahren.1
- Es existiert keine Marker für eine zuverlässige Vorhersage eines chronischen Verlaufs, Risikofaktoren hierfür sind:1
- Alter > 60. LJ
- keine vorausgehende Erkrankung in der Anamnese
- schleichender Beginn
- geringe Blutungsneigung oder Zufallsbefund bei asymptomatischen Patient*innen
- keine oder nur geringe Ansprache auf Erstlinientherapie.
- Vor allem auch durch die neuen Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten hat sich die Prognose in den letzten Jahren verbessert, die Mortalität bei Erwachsenen hat sich halbiert auf 0–7 %.1
Verlaufskontrolle
- Regelmäßige Kontrollen des klinischen Zustands und der Thrombozytenzahlen
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Immunthrombozytopenie. Stand 2021. www.onkopedia.com
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Onkopedia Leitlinien. Immunthrombozytopenie. Stand 2019. www.onkopedia.com
- Matzdorff A. Diagnostik und Therapie der Immunthrombozytopenie. InFo Hämatologie und Onkologie 2019; 22: 47-53. doi:10.1007/s15004-019-6364-9 DOI
- Keller P, Angelillo-Scherrer A, Bargetzi M, et al. Diagnose und Behandlung der primären Immun-Thrombozytopenie. Swiss Med Forum 2010; 10: 875-883. doi:10.4414/smf.2010.07365 DOI
- Einecke D. Wie behandelt man 2018 eine Immunthrombozytopenie? MMW - Fortschritte der Medizin 2018; 7: 17. doi:10.1007/s15006-018-0406-3 DOI
- Gkreziosa T, Schmiedel Y, Egli R. Thrombozytopenie. Swiss Med Forum 2019; 19: 592-594. doi:10.4414/smf.2019.08249 DOI
- Fuchs R. Das sollte der Hausarzt über Thrombozyten wissen. MMW - Fortschritte der Medizin 2018; 12: 52-56. doi:10.1007/s15006-018-0020-4 DOI
- Stiefelhagen P. Thrombozytopenie - Ab wann wird es gefährlich? MMW - Fortschritte der Medizin 2018; 11: 12-14. doi:10.1007/s15006-018-0600-3 DOI
- Pabinger I, Gastl G, Steurer M, et al. Primäre Immunthrombozytopenie des Erwachsenen – Diagnostik und Therapie, Konsensus-Statement der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (ÖGHO). Wien Klin Wochenschr 2012; 124: 111-123. doi:10.1007/s00508-012-0123-3 DOI
- Meyer B, Graf L, Endermann S, et al. Management des blutenden Patienten mit Immunthrombozytopenie. Anaesthesist 2021; 70: 598-602. doi:10.1007/s00101-021-00939-2 DOI
Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).