Definition:Kritische Reduktion des kardialen Auswurfs mit Minderperfusion der Endorgane und Gewebshypoxie. Häufigste Ätiologie ist der akute Herzinfarkt, weitere wichtige Ursachen sind Myokarditiden, Lungenembolien, Rhythmusstörungen, Dekompensation von Vitien oder Kardiomyopathien.
Häufigkeit:Auftreten bei 5–8 % der Patient*innen mit STEMI und 3 % der Patient*innen mit NSTEMI.
Befunde:Hypotonie, feuchte und kühle Haut, Bewusstseinstrübung, Lungenstauung, Oligurie.
Diagnostik:Initiale Diagnosestellung auf Basis von Klinik, EKG und nach Hospitalisierung Echokardiografie. Im Einzelfall invasive Beurteilung der Hämodynamik zur Diagnosestellung und Abgrenzung des kardiogenen Schocks von anderen Schockformen.
Therapie:Bei akutem Herzinfarkt als Ursache des kardiogenen Schocks ist die frühe, heutzutage meist katheterinterventionelle Revaskularisation von entscheidender Bedeutung. Bei persistierendem Schock intensivmedizinische Kreislaufstabilisierung unter hämodynamischem Monitoring durch Flüssigkeitsmanagement, Inotropika, Vasopressoren und im Einzelfall mechanische Kreislaufunterstützung.
Allgemeine Informationen
Definition
Definition des kardiogenen Schocks: kritische Erniedrigung des kardialen Auswurfs mit Minderperfusion der Endorgane und Gewebshypoxie1-2
Allgemeine Definition des Kreislaufschocks durch die European Society of Intensive Care (ESICM) von 20143
lebensbedrohliche, generalisierte Form eines akuten Kreislaufversagens verbunden mit inadäquater Sauerstoffverwertung durch die Zellen
Unfähigkeit des Kreislaufs, für den Bedarf des Gewebes ausreichend Sauerstoff zur Verfügung zu stellen.
Es entsteht eine zelluläre Dysoxie (Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf) mit Anstieg des Laktatspiegels.
Häufigkeit
Ca. 5–10 % der Patient*innen mit akutem Herzinfarkt entwickeln einen kardiogenen Schock.4
Auftreten bei 5–8 % der Patient*innen mit STEMI5-6 und 3 % der Patient*innen mit NSTEMI6-7
Ein kardiogener Schock ist die wichtigste Todesursache bei Patient*innen mit akutem Koronarsyndrom.8-10
Die Diagnosestellung ist daher im Allgemeinen mit einfachen klinischen Untersuchungsmethoden ohne invasive Messungen möglich.1,9
Jede/r 4. Patient*in ohne initiale Hypotonie (!), hier stehen zur Diagnosestellung die anderen Kriterien im Vordergrund.9
In der Frühphase Aufrechterhaltung des Blutdrucks durch Vasokonstriktion möglich, während Perfusion und Gewebsoxygenierung bereits signifikant vermindert sind.3
Mittels Echokardiografie ist eine schnelle Beurteilung der kardialen Funktion möglich.
Nur im Einzelfall ist die invasive Bestimmung der Hämodynamik zur Diagnosestellung erforderlich, auch zur Abgrenzung von anderen Schockformen.3,15
Die verschiedenen Schockformen können auch kombiniert vorkommen: z. B. septischer Schock mit erhöhter Gefäßpermeabilität (dadurch hypovolämischer Schock) und septischer Kardiomyopathie (dadurch kardiogener Schock).
Anamnese
Bewusstseinsstörungen im Rahmen des Schockgeschehens können die Eigenanamnese erschweren oder unmöglich machen.
Evtl. Herzminutenvolumenbestimmung (Pulmonalarterienkatheter oder arterielle Pulskonturanalyse)
Bestimmung der Diurese
Diagnostik und Monitoring beim infarktbedingten kardiogenen Schock9
Diagnosestellung
Die Diagnose „infarktbedingter kardiogener Schock" soll bei Erstkontakt mit den Patient*innen auf der Basis von klinischen Symptomen und nichtinvasiven hämodynamischen Messungen gestellt werden.
Basismonitoring
Mindestens 1 x tgl. sowie bei Änderung des klinischen Befindens:
körperliche Untersuchung inkl. Auskultation
Mindestens zweistündlich:
Körpertemperatur
Kontinuierlich:
EKG-Monitoring der Herzfrequenz und des Herzrhythmus
Ein 12-Kanal-EKG soll spätestens innerhalb von 10 Minuten nach Krankenhausaufnahme geschrieben und von qualifizierten Ärzt*innen beurteilt werden.
Bei nichtkonklusiven Standardableitungen sollen zusätzlich die Ableitungen V4r (V. a. Rechtsherzinfarkt) und V7-V9 (V. a. Posterior-Infarkt) abgeleitet werden.
Rö-Thorax
Frühzeitig soll eine Röntgen-Thorax-Aufnahme durchgeführt werden, ohne die Herzkatheteruntersuchung zu verzögern.
Die transthorakale (in Abhängigkeit von der Fragestellung auch transösophageale Echokardiografie) soll baldmöglichst nach Aufnahme durchgeführt werden, ohne die Herzkatheteruntersuchung zu verzögern.
Kardiale Marker: Troponin (keine Verzögerung des weiteren Prozedere bei STEMI durch Warten auf Laborergebnis)
Erweitertes Monitoring
Bei allen Patient*innen mit persistierendem infarktbedingtem kardiogenem Schock soll baldmöglichst das Herzzeitvolumen (HZV) zur Therapiesteuerung im weiteren Verlauf gemessen werden.
Therapie
Die Angaben beziehen sich im Folgenden auf den infarktbedingten kardiogenen Schock als mit Abstand wichtigster Gruppe.
Sofortige Klinikeinweisung in notärztlicher Begleitung
Therapieziele
Behandlungsziele beim infarktbedingten kardiogenen Schock9
frühestmögliche koronare Revaskularisation (Öffnung des Gefäßverschlusses)
Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer adäquaten Organperfusion und -oxygenierung
Behandlung des schockbedingten Multiorgandysfunktionssyndroms
patientengerechte Nachsorge nach Ende der Intensivbehandlung
operative Revaskularisation heutzutage in weniger als 5 % der Fälle1
Fibrinolyse Option bei STEMI-Patient*innen ohne Möglichkeit zur frühen Revaskularisierung2
Monitoring und medikamentöse Kreislaufstabilisierung
Ziel bei anhaltendem Schock nach Revaskularisation ist:21
Stabilisierung des Blutdrucks
Erhaltung der Organperfusion.
Ein routinemäßiges invasives Monitoring der Hämodynamik ist nicht erforderlich, bei persistierendem Schockgeschehen sollte dieses aber durchgeführt werden.9
Neben dem klassischen Pulmonaliskatheter steht für das hämodynamische Monitoring heutzutage vor allem auch die weniger invasive Pulskonturanalyse zur Verfügung.9
Bei mittlerem Blutdruck < 65 mmHg sollte Noradrenalin als Vasopressor verabreicht werden.
Levosimendan (Ca-Sensitizer) ist eine Option als Inotropikum bei katecholaminrefraktärem kardiogenem Schock.
Derzeit gibt es keine eindeutige Evidenz für die Bevorzugung einer bestimmten therapeutischen Strategie mit Inotropika und Vasodilatatoren.27
Mechanische Kreislaufunterstützung
Ergänzend zur medikamentösen Kreislaufunterstützung stehen als mechanische Systeme die IABP28 (intraaortale Ballonpumpe) oder linksventrikuläre Unterstützungssysteme zur Verfügung.
IABP ist die am weitesten verbreitete mechanische Unterstützung.
Vorhandene Studiendaten liefern allerdings keine eindeutige Evidenz zum Nutzen der IABP.29
Aktuell wird die IABP bei PCI-behandelten Patient*innen mit myokardialem Pumpversagen daher nicht mehr empfohlen.9
Der Einsatz eines temporären linksventrikulären Unterstützungssystems (z. B. Impella-Pumpe) kann erwogen werden.9
Temperaturmanagement (Hypothermie) nach Reanimation
Hypothermie führt zu einer Besserung der Prognose nach Reanimation.30
Bei Patient*innen im kardiogenen Schock nach kardiopulmonaler Reanimation sollte für mindestens 24 Stunden eine milde Hypothermie (32–36 Grad) durchgeführt werden.9
Stationäre Behandlung nach Intensivstation
Ziele der postintensivmedizinischen Weiterbehandlung im Krankenhaus sind:9
Evaluation und Risikostratifizierung hinsichtlich der Grund- und Begleiterkrankung der Patient*innen
Vermeidung eines Dekompensationsrezidivs mit neuerlicher Intensivpflichtigkeit
zielgerichtete Therapieoptimierung von Grund- und Begleiterkrankungen.
Rehabilitation
Anschließend an den Aufenthalt in der Akutklinik sollte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit einer Dauer von 3–4 Wochen angestrebt werden.9
Besserung von Letalität und kardialer Morbidität durch Reduktion der Risikofaktoren und Verstärkung der protektiven Faktoren
Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit
Verbesserung der Lebensqualität
Ermöglichung der Teilhabe am Sozial- und Erwerbsleben
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
Multiorganversagen und Tod
Verlauf und Prognose
Der kardiogene Schock kann sich unmittelbar oder auch erst nach Aufnahme im Krankenhaus entwickeln.
Die meisten kardiogenen Schocks entwickeln sich innerhalb von 48 Stunden nach einem Infarkt.6
Vor dem Routinegebrauch der frühen PCI hatte der kardiogene Schock eine Krankenhausmortalität von bis zu 80 %.2,12
insbesondere Patient*innen ohne Revaskularisation und mit Entwicklung des Schocks > 48 h mit extrem hoher Mortalität (> 80 %)4
Die Mortalität bei kardiogenem Schock ist deutlich zurückgegangen, seit die Revaskularisation sehr frühzeitig durchgeführt wird.31
Derzeit liegt die Mortalität bei 27–51 %, ist somit trotz des Rückgangs weiterhin sehr hoch.2
Im Zusammenhang zwischen behandelter Fallzahl/Jahr und Mortalität, weisen die Hochvolumenzentren eine niedrigere Mortalität auf.2
Verlaufskontrollen
Bei Patient*innen nach kardiogenem Schock sollte zunächst 1- bis 2-mal jährlich eine eingehende kardiologische Untersuchung erfolgen.9
körperliche Untersuchung
Labor
EKG
Holter-EKG
Ergometrie
Echokardiografie, ggf. Spiroergometrie.
In diesem Rahmen auch Optimierung der medikamentösen Therapie und Evaluation weiterführender Maßnahmen wie z. B. ICD-/CRT-Implantation oder Listung zur Herztransplantation9
Therapie und Nachsorge beim infarktbedingten kardiogenen Schock9
Frühestmögliche Koronar-Reperfusion
Beim kardiogenen Schock soll eine möglichst frühzeitige Revaskularisation des verschlossenen/stenosierten Koronargefäßes – in der Regel mittels PCI – erfolgen, unabhängig vom Zeitpunkt des auslösenden Infarktes.
Bei initialem Schockgeschehen im Rahmen des Infarktes soll vom ersten Arztkontakt bis zur PCI ein Zeitintervall von 90 Minuten nicht überschritten werden.
Zur Revaskularisation bei infarktbedingtem kardiogenem Schock sollte das intrakoronare Stenting mittels medikamentenbeschichteter Stents (DES = Drug Eluting Stents) bevorzugt werden.
Bei Patient*innen mit koronarer Mehrgefäßerkrankung und mehreren relevanten Stenosen (> 70 %) soll im Rahmen der Akutrevaskularisation nur die infarktverursachende Läsion („Culprit Lesion") behandelt werden.
Bei komplexem Koronarbefund soll in Absprache von Kardiologie und Herzchirurgie eine unverzügliche Revaskularisation entweder als PCI oder als CABG und bei nicht erfolgreicher PCI als CABG angestrebt werden.
Die Fibrinolyse sollte innerhalb der 6-Stunden-Frist bei denjenigen Patient*innen mit initialem infarktbedingtem kardiogenem Schock durchgeführt werden, bei denen eine frühe invasive Diagnostik und Revaskularisation aus logistischen, organisatorischen, anatomischen oder sonstigen Gründen keine Therapieoption darstellt. Eine invasive Diagnostik sollte danach so schnell als möglich durchgeführt werden.
Herzkreislaufunterstützung
Bei Persistenz der Schocksymptomatik nach erfolgreicher Revaskularisation soll ein erweitertes hämodynamisches Monitoring etabliert und die kreislaufunterstützende Pharmakotherapie entsprechend der klinischen Evaluation und den erhobenen Parametern reevaluiert und angepasst werden.
Als Inotropikum sollte Dobutamin eingesetzt werden.
Als Vasopressor sollte Noradrenalin eingesetzt werden, da es im Vergleich zu Dopamin prognostische und im Vergleich zu Adrenalin klinische Vorteile bietet.
Bei infarktbedingtem kardiogenem Schock infolge Pumpversagens sollte bei primärer PCI die IABP nicht implantiert werden.
Bei Patient*innen im infarktbedingten kardiogenen Schock, die sich mittelbar nicht stabilisieren lassen, kann ein temporäres mechanisches Unterstützungssystem (TMU) implantiert werden, falls ein realistisches Therapieziel besteht.
Temperaturmanagement (Hypothermie) nach Reanimation
Bei komatösen Patient*innen nach erfolgreicher kardiopulmonaler Reanimation sollte für mindestens 24 Stunden ein zielgerichtetes Temperaturmanagement (TTM) mit Absenkung der Temperatur auf 32–36 °C durchgeführt werden.
Stationäre Nachsorge nach Intensivbehandlung
Die Evaluation und Risikostratifizierung der Patient*innen mit infarktbedingtem kardiogenem Schock in der stationären Postintensivphase sollten folgende Bereiche und Risikofaktoren umfassen:
Ausmaß der koronaren Herzkrankheit
kardiovaskuläre Risikofaktoren
Herzinsuffizienz mit Dokumentation der Auswurffraktion und der NYHA-Klasse
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses ArtikelArtikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Kritische Reduktion des kardialen Auswurfs mit Minderperfusion der Endorgane und Gewebshypoxie. Häufigste Ätiologie ist der akute Herzinfarkt, weitere wichtige Ursachen sind Myokarditiden, Lungenembolien, Rhythmusstörungen, Dekompensation von Vitien oder Kardiomyopathien.