Zusammenfassung
- Definition:Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die infektiös oder nichtinfektös ausgelöst werden kann.
- Häufigkeit:Die Inzidenz ist nicht genau bekannt, da die Erkrankung häufig subklinisch verläuft. Wahrscheinlich unterdiagnostiziert.
- Symptome:Dyspnoe, thorakaler Druck, Ödeme, Leistungsminderung, Abgeschlagenheit, Palpitationen; evtl. anamnestisch Symptome zurückliegender respiratorischer oder gastrointestinaler Infekte.
- Befunde:Klinische Zeichen der Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen.
- Diagnostik:Die Diagnose beruht auf Klinik und technischen Untersuchungen (EKG, Labor, Echokardiografie, MRT, Myokardbiopsie).
- Therapie:Körperliche Schonung, allgemeine Herzinsuffizienztherapie, bei autoimmuner Myokarditis immunsuppressive Behandlung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die infektiös oder nichtinfektiös ausgelöst werden kann.1
- Eine Myokarditis kann zu unterschiedlich ausgeprägten Ventrikelfunktionsstörungen führen:
- von subklinischem Verlauf bis hin zu akutem Herzversagen
- unterdiagnostizierte Ursache von akutem Herzversagen, plötzlichem Herztod und chronischer dilatativer Kardiomyopathie2
Häufigkeit
- Prävalenz und Inzidenz nicht genau bekannt wegen:3
- Heterogenität der klinischen Symptome
- schwieriger Diagnostik.
- Es gibt keine großen, populationsbasierten epidemiologischen Studien.4
- In der Global Burden of Disease Study 2013 wurde eine Inzidenz von 22/100.000 Patient*innen (auf ICD-Codierung beruhend) berichtet.5-6
- Vermutlich signifikante Unterschätzung der tatsächlichen Prävalenz5
- In den meisten Studien zur akuten Myokarditis sind Männer häufiger als Frauen betroffen.5
- Bei jungen Sportler*innen ist die Myokarditis nach der hypertrophen Kardiomyopathie und Koronaranomalien und noch vor der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomypathie die dritthäufigste Ursache für plötzlichen Herztod.7
- Der Anteil von Myokarditiden als Ursache einer Herzinsuffizienz wird auf 0,5–4,0 % geschätzt.8
Ätiologie
Allgemeines
- Es gibt verschiedene Auslöser für Myokarditis:
- Infektionen
- Autoimmunerkrankungen
- Hypersensitivitätsreaktionen
- toxische Wirkungen.
- Viruserkrankungen sind die häufigste Ursache in Industrieländern.
- früher vorwiegend Adenoviren und Enteroviren, heute Verschiebung zu insbesondere Parvovirus B19 und Herpesviren (HHV-6, EBV, CMV)3
- geografisch unterschiedliche Verteilung10
- früher vorwiegend Adenoviren und Enteroviren, heute Verschiebung zu insbesondere Parvovirus B19 und Herpesviren (HHV-6, EBV, CMV)3
Infektiöse Myokarditis
- Viren
- Adenoviren, Coxsackie A und B, Echoviren, Parvovirus B19, HHV-6, EBV, CMV, Influenza A und B, VZV, Herpes simplex, Polio, RS Virus, Mumps, Masern, Röteln, Hepatitis C, Dengue-Fieber, Gelbfieber, Chikungunya, Junin-Virus, Lassa-Fieber, Tollwut, HIV
- Myokarditiden können auch im Rahmen von SARS-CoV-2-Infektionen auftreten.11
- Bakterien
- Borrelien, Staphylo-, Strepto-, Pneumo-, Meningo-, Gonokokken, Salmonellen, Corynebacterium diphtheriae, Haemophilus influenzae, Legionellen, Chlamydien, Leptospiren, Mykobakterien, Mykoplasmen, Brucellen
- Pilze
- Aspergillus, Actinomyces, Blastomyces, Candida, Coccidioides, Cryptococcus, Histoplasma, Mucormycoses, Nocardia, Sporothrix
- Protozoen
- Trypanosoma cruzi, Toxoplasma gondii, Entamoeba, Leishmania
- Die Trypanosomiasis (Chagas-Krankheit) kommt in Zentral- und Südafrika häufig vor und stellt weltweit die häufigste Ursache für Myokarditis dar.
- Parasiten
- Trichinella spiralis, Echinococcus granulosus, Taenia solium
- Rickettsien
- Coxiella burnetii, R. rickettsii
Autoimmunerkrankungen
- Riesenzellmyokarditis, hypereosinophiles Syndrom, lymphozytäre Myokarditis, systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Churg-Strauss-Syndrom, Kawasaki-Syndrom, entzündliche Darmerkrankungen, Sklerodermie, Polymyositis, Myasthenia gravis, Sarkoidose, granulomatöse Polyangiitis, rheumatisches Fieber
Hypersensitivitätsreaktionen, toxische Reaktionen auf Medikamente
- Amphetamine, Anthracycline, Kokain, Cyclophosphamid, Fluoruracil, Lithium, Katecholamine, Trastuzumab, Clozapin, Penicillin, Cefaclor, Colchicin, Furosemide, Isoniazid, Lidocain, Tetracycline, Sulfonamide, Phenytoin, Methyldopa, Thiazidediuretika, Amitriptylin, Immuncheckpoint-Inhibitoren
Andere Auslöser
- Kupfer, Eisen, Blei, Ethanol, Thyreotoxikose, Strahlung, elektrischer Schlag, Bienen- und Wespengift, Schlangengift, Kohlenmonoxid
- Durch mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 kann selten – insbesondere bei jüngeren Männern – eine Myokarditis ausgelöst werden.12
Pathogenese
- Pathogenetisch spielen sowohl eine direkte Schädigung der Myozyten als auch autoimmune Mechanismen eine Rolle.9
- Bezogen auf die Virusmyokarditis deuten Untersuchungen am Mäusemodell auf einen Ablauf der Myokarditis in 3 Phasen hin.1
- Phase (direkter virusinduzierter Schaden, Dauer einige Tage)
- Eindringen von Viren in die Muskelzelle mittels spezifischer Rezeptoren
- z. B. Coxsackie B und Adenoviren via transmembranösem Rezeptor
- Schädigung der Muskelzelle durch Replikation führt zu:
- Nekrose
- Freisetzen von intrazellulären Antigenen
- Aktivierung des Immunsystems: Killerzellen, Makrophagen.
- Eindringen von Viren in die Muskelzelle mittels spezifischer Rezeptoren
- Phase (zelluläre und humorale Immunreaktion, Dauer wenige Wochen bis Monate, Verschlechterung der LV-Funktion)
- aktivierte virusspezifische T-Lymphozyten
- Zytokinaktivierung (TNF-Alpha, IL1, IL6)
- Antikörperbildung gegen virale und kardiale Proteine
- Phase 2 endet häufig mit Viruselimination, Rückgang der Immunreaktion und Erholung der LV-Funktion.
- Phase (chronische Autoimmunreaktion, Monate bis Jahre)
- bei einem Teil der Patient*innen Persistenz der Immunreaktion
- ventrikuläres Remodeling und Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie
- Der Erkrankungsverlauf kann zwischen einem subklinischen Verlauf bis zu fulminanter Herzinsuffizienz variieren.
- mögliche Ursache für plötzlichen Herztod13
Prädisponierende Faktoren
- Wahrscheinlich genetische Prädisposition für Entwicklung einer viralen und/oder autoimmunen Myokarditis und Progression zur DCM beim Menschen9
ICPC-2
- K70 Infektion des Herz-/Kreislaufsystems
ICD-10
- A36 Diphtherie
- A36.8 Sonstige Diphtherie
- A52 Spätsyphilis
- A52.0 Kardiovaskuläre Syphilis
- I01 Rheumatisches Fieber mit Herzbeteiligung
- I01.2 Akute rheumatische Perikarditis
- I09 Sonstige rheumatische Herzkrankheiten
- I09.0 Rheumatische Myokarditis
- I40 Akute Myokarditis
- I40.0 Infektiöse Myokarditis
- I40.1 Isolierte Myokarditis
- I40.8 Sonstige akute Myokarditis
- I40.9 Akute Myokarditis, nicht näher bezeichnet
- I51 Komplikationen einer Herzkrankheit und ungenau beschriebene Herzkrankheit
- I51.4 Myokarditis, nicht näher bezeichnet
- M05 Seropositive chronische Polyarthritis
- M05.3 Seropositive chronische Polyarthritis mit Beteiligung sonstiger Organe und Organsysteme
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.8-9
- V. a. Myokarditis sollte gestellt werden bei Vorliegen von:
- mindestens einem klinischen Kriterium
- mindestens einem Kriterium aus technischen Untersuchungen.
- Andere kardiale und nichtkardiale Ursachen wie z. B. Herzklappenfehler oder Hyperthyreose sollten ausgeschlossen sein.
- Bei asymptomatischen Patient*innen sollten mindestens 2 Kriterien aus den technischen Untersuchungen erfüllt sind (Verdacht erhärtet sich, je mehr Kriterien erfüllt sind).
Klinische Kriterien
- Akuter Brustschmerz
- Neu aufgetreten (bis 3 Monate), subakut/chronisch aufgetreten (> 3 Monate) oder Verschlechterung von:
- Dyspnoe in Ruhe oder unter Belastung und/oder
- Leistungsschwäche mit/ohne
- Zeichen der Links- und/oder Rechtsherzinsuffizienz.
- Palpitationen und/oder unerklärte Arrhythmien und/oder Synkope und/oder überlebter plötzlicher Herztod
- Unerklärter kardiogener Schock
Kriterien technischer Untersuchungen
- EKG/Holter
- neue anomale Befunde: AV-Block, Schenkelblock, ST-T-Veränderungen, Sinusarrest, gehäufte Extrasystolen, supraventrikuläre Tachykardien, ventrikuläre Tachykardien, Vorhofflimmern, QRS-Verbreiterung, Niedervoltage
- Biomarker
- erhöhtes Troponin
- Eosinopilie (DD hypereosinophiles Syndrom)
- Echokardiografie
- Veränderungen der globalen oder regionalen LV- und/oder RV-Funktion (systolisch und/oder diastolisch)
- Ventrikeldilatation
- Wandverdickung (Ödem)
- Perikarderguss
- intrakavitäre Thromben
- MRT
- Entzündung
- Ödem
- Fibrosierung
Ergänzende Untersuchungen (Zweitlinienuntersuchungen)
- Bei Patient*innen mit der Verdachtsdiagnose Myokarditis gemäß der o. g. Kriterien sollten erwogen werden:8
- Koronarangiografie (invasiv oder nichtinvasiv)
- Ausschluss KHK
- Myokardbiopsie
- Die Indikation zur Myokardbiopsie besteht vor allem bei progredienter oder persistierender schwerer kardialer Dysfunktion und/oder schweren Arrhythmien.
- Das Ziel ist dabei der Nachweis oder Ausschluss einer immunsuppressiv behandelbaren Ätiologie (Riesenzellmyokarditis, eosinophile Myokarditis, Sarkoidose, systemisch-entzündliche Erkrankung)
- PET
- Im Einzelfall Alternative, wenn kein MRT durchgeführt werden kann.
- Labortests
- Marker einer Autoimmunerkrankung
- spezifische Tests auf SARS-CoV-2, Borrelien, HIV oder CMV bei klinischem Verdacht
- Koronarangiografie (invasiv oder nichtinvasiv)
Differenzialdiagnosen
- Akutes Koronarsyndrom
- Chronisches Koronarsyndrom
- Perikarditis
- Prinzmetal-Angina (vasospastische Angina)
Anamnese
- Unspezifische Symptome, dadurch schwierige Zuordnung der Symptomatik zur Erkrankung Myokarditis
- manchmal auch schwierige Abgrenzung zum akuten Koronarsyndrom14-15
- Symptome
- Thoraxschmerz
- Dyspnoe
- Palpitationen
- Schwindel, Synkope
- Ödeme
- Abgeschlagenheit
- Leistungsschwäche
- Fieber
- Vorerkrankungen
- kurz zurückliegender respiratorischer oder gastrointestinaler Infekt
- Autoimmunerkrankungen
- Medikamente
Klinische Untersuchung
- Blutdruck/Puls
- evtl. Hypotonie (im Extremfall kardiogener Schock)
- evtl. Tachykardie, Bradykardie, Arrhythmie
- Zeichen der Herzinsuffizienz
- Auskultation Herz (siehe auch Herzgeräusche bei Erwachsenen)
- 3. Herzton
- Mitralklappeninsuffizienz, Trikuspidalklappeninsuffizienz
- Perikardreiben bei Perimyokarditis
- Evtl. Zeichen einer Systemerkrankung, z. B. Lymphknotenvergrößerung bei Sarkoidose, Gelenkveränderungen bei rheumatoider Arthritis, SLE u. a.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
EKG/LZ-EKG
- Ableitung 12-Kanal-EKG bei allen Patient*innen mit V. a. Myokarditis empfohlen9
- Bei V. a. Rhythmusstörungen (Palpitationen) ist ergänzend ein LZ-EKG sinnvoll.
- Mögliche EKG-Veränderungen
- ST-Senkungen, ST-Hebungen (typischerweise konkav), T-Negativierungen
- QRS-Verbreiterung, verlängerte QT-Zeit
- supraventrikuläre oder ventrikuläre Extrasystolie, Vorhofflimmern, supraventrikuläre Tachykardien, ventrikuläre Tachykardien
- AV-Block, Schenkelblock
- Prädiktoren für eine schlechtere Prognose1
- QRS > 120 ms
- neu aufgetretener Linksschenkelblock
- QTc > 440 ms
- anomale Herzachse
- ventrikuläre Extrasystolie.
Laboruntersuchungen
- Empfehlungen für Labortests9
- Troponin
- BNP, NT-proBNP
- Marker für Herzinsuffizienz – unspezifisch
- BSG, CRP
- CRP häufig erhöht (80–90 %8) – unspezifisch
- Virusserologie
- Im Allgemeinen nur von begrenztem Wert zur Diagnose einer Myokarditis, da nicht auf eine tatsächliche Virusinfektion des Myokards geschlossen werden kann.
- im Einzelfall sinnvoll zum Ausschluss/Nachweis von z. B. Hepatitis C, HIV, SARS-CoV-2
Diagnostik bei Spezialist*innen
Rö-Thorax
- Lungenstauung, Pleuraerguss
- Sarkoidose
Echokardiografie
- Empfehlungen zur Echokardiografie9
- transthorakale Echokardiografie (TTE) bei allen Patient*innen mit klinischem V. a. Myokarditis
- Echokardiografische Beurteilung
- Größe der Ventrikel
- globale und regionale Funktion der Ventrikel, diastolische LV-Funktion
- Wanddicke (evtl. Verdickung durch Ödem)
- Klappenfunktion
- Perikarderguss
- Thromben
Magnetresonanztomografie (MRT)
- MRT ist aktuell die wichtigste nichtinvasive Untersuchungsmethode für die Diagnose einer Myokarditis.16
- Vorteil gegenüber der Echokardiografie ist vor allem die Möglichkeit zur Gewebecharakterisierung und Erfassung entzündlicher Prozesse durch verschiedene Aufnahmetechniken.3
- T2-gewichtet: Darstellung eines Ödems in entzündeten Arealen
- T1-gewichtet: Early Gadolinium Enhancement zur Detektion von Hyperämie/gesteigerter Permeabilität in der Akutphase
- T1-gewichtet: Late Gadolinium Enhancement zur Detektion von fibrotischen Myokardarealen
- Bei Myokarditis zeigt das MRT eine intramurale oder epikardiale Verteilung der Läsionen (im Gegensatz zu subendokardialen ischämischen Läsionen).17
- Die MRT kommt vor allem bei stabilen Patient*innen zum Einsatz, bei instabilen Patient*innen sollte die MRT eine Myokardbiopsie nicht verzögern.9
Myokardszintigrafie/PET
- Routinemäßige nuklearmedizinische Diagnostik nicht empfohlen9
Ergänzende Laboruntersuchung
- Marker einer Autoimmunerkrankung bei entsprechendem klinischem Verdacht
- Im Einzelfall kardiale Autoantikörper bei entsprechender Expertise in einem Zentrum9
Koronardiagnostik
- Bei klinischem V. a. auf Myokarditis entsprechend der o. g. diagnostischen Kriterien Ausschluss einer KHK empfohlen9
- Eine Koronarangiografie kann invasiv oder insbesondere bei jüngeren Patient*innen ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren auch nichtinvasiv mittels Kardio-CT erfolgen.
Myokardbiopsie
- Goldstandard in der Diagnostik der Myokarditis16
- für Differenzialtherapie entscheidender Erreger- und/oder Entzündungsnachweis nur durch Gewebeuntersuchung möglich10
- Im klinischen Alltag allerdings mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit eingesetzt, auch aufgrund des – wenn auch geringen – Komplikationsrisikos
- Indikation besteht vor allem bei:3
- schweren und lebensbedrohlichen Verläufen
- V. a. auf eine spezifisch therapierbare Erkrankung (Riesenzellmyokarditis, hypereosinophiles Syndrom, Sarkoidose)
- Gewebeproben sollten untersucht werden mittels:
- Histologie
- Immunhistochemie
- viraler PCR.
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
- Bei Verdacht auf akute Myokarditis Einweisung und stationäre Überwachung9
Therapie
Therapieziele
- Je nach initialer Situation und Verlauf unterschiedliche Therapieziele
- hämodynamische Stabilisierung
- Symptomlinderung
- Vermeidung oder Verlangsamung einer Progression
- Ausheilung
Allgemeine Therapie
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.9
Vermeidung körperlicher Belastung
- Einschränkung körperlicher Aktivität
- in der akuten Phase
- für mindestens 6 Monate nach Erkrankungsbeginn
- sowohl bei Athlet*innen als auch Nicht-Athlet*innen
Behandlung der Herzinsuffizienz bei hämodynamisch stabilen Patient*innen
- Leitliniengerechte medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz8
- Keine schlüssigen klinischen Daten zu NSAR bei Myokarditis
- indiziert bei Perikarditis
- in Tiermodellen allerdings erhöhte Mortalität bei Myokarditis
Behandlung der Herzinsuffizienz bei hämodynamisch instabilen Patient*innen
- Verlegung in ein Zentrum mit Möglichkeit für:
- hämodynamisches Monitoring
- Herzkatheteruntersuchung
- Myokardbiopsie.
- Evtl. mechanische Kreislaufunterstützung bis zur Erholung bzw. Herztransplantation
Behandlung von Rhythmusstörungen
- Keine spezifischen Empfehlungen zur Myokarditis, Behandlung nach der akuten Phase entsprechend der Leitlinien zu Rhythmusstörungen und Device-Implantation18-19
- Eine ICD-Implantation sollte bis nach dem Ende der akuten Phase aufgeschoben werden.9
Immunmodulatorische und immunsuppressive Therapie
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.9
Antivirale Therapie
- Stellenwert von antiviraler Therapie, Impfungen und Interferongabe nicht eindeutig definiert
- Einbeziehung eines Infektiologen vor Entscheid für eine antivirale Therapie empfohlen
Hochdosierte Immunglobuline
- Option bei fehlendem Ansprechen auf konventionelle Herzinsuffizienztherapie, aufgrund fehlender multizentrischer, randomisierter Studien aktuell aber keine Empfehlung
Immunadsorption
- Option bei autoimmuner Myokarditis/DCM
- Aufgrund der Datenlage aktuell aber keine Empfehlung
Immunsuppressive Therapie
- Daten vor allem zur Anwendung von Steroiden, Azathioprin20-21, Cyclosporin A
- Immunsuppressive Therapie sollte in Erwägung gezogen werden bei nachgewiesener Autoimmunmyokarditis (d. h. keine aktive Infektion) einschließlich:
- Riesenzellmyokarditis
- Sarkoidose
- Myokarditis bei bekannter autoimmuner Systemerkrankung.
- Steroidtherapie bei:
- kardialer Sarkoidose mit ventrikulärer Dysfunktion/Arrhythmie
- eosinophiler Myokarditis mit ventrikulärer Dysfunktion/Arrhythmie
- Evtl. Follow-up-Biopsie notwendig zur Therapiesteuerung
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Fulminante Myokarditis
- Progrediente Herzinsuffizienz
- Dilatative Kardiomyopathie
- Arrhythmien, plötzlicher Herztod
- Thromboembolien
Verlauf und Prognose
- Variierende Angaben aufgrund der schwierigen Diagnose
- Spontane Heilung bei 50–57 % der Patient*innen mit histologisch gesicherter Myokarditis4
- Abklingen nach erfolgreicher Viruselimination in 60–70 % der Fälle mit spontaner Erholung der Myokardfunktion22
- Akute Verschlechterung bei 12–25 % mit Entwicklung einer terminalen Herzinsuffizienz/Notwendigkeit der Herztransplantation oder Tod9
- Progression zur dilatativen Kardiomyopathie bei 14–52 %4
- 3- bis 5-Jahres-Überleben ca. 56–83 %4
- Prädiktoren für die Prognose
- Viruspersistenz beeinflusst die Prognose der Virusmyokarditis ungünstig.10
- Die linksseitige Ventrikelfunktion und der enddiastolische Durchmesser sind wie bei anderen kardiologischen Erkrankungen unabhängige Prädiktoren für die Letalität.
Verlaufskontrolle
- Langzeit-Follow-up-Untersuchungen bei allen Patient*innen nach Myokarditis empfohlen:9
- klinische Beurteilung
- EKG
- Echokardiografie.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Geräusche
Reibegeräusch
Galopprhythmus
Quellen
Leitlinien
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- European Society of Cardiology. Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Stand 2021. www.escardio.org
- European Society of Cardiology. Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Stand 2015. www.escardio.org
Literatur
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Links
Notfälle
Relevante Artikel
Leitlinien
- ESC - Current state of knowledge on aetiology, diagnosis, management, and therapy of myocarditis
- ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure
- ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy
- ESC - Ventricular Arrhythmias and the Prevention of Sudden Cardiac Death