Die erektile Dysfunktion (ED, früher als Impotenz bezeichnet) ist definiert als die fortwährende Unfähigkeit, eine penile Erektion, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht, zu erreichen oder aufrecht zu erhalten.
Diese Störung sollte für mindestens 6 Monate bestehen.
Eine Erektionsstörung kann Lebensqualität und Wohlbefinden des Betroffenen sowie der Partnerin oder des Partners deutlich vermindern.1
Häufigkeit
Bei Patienten unter 40 Jahren ist die Prävalenz niedrig.
In Deutschland nimmt die Prävalenz der erektilen Dysfunktion von 2,3 % in der 3. Lebensdekade auf 53,4 % in der 7. Lebensdekade zu.2
Endothel und parasympathische Nervenenden setzen Stickstoffoxide (NO) frei. Diese sind die primären Neurotransmitter bei der penilen Erektion.
Die Freisetzung von NO verursacht eine Entspannung der glatten Muskulatur im Schwellkörper. Dadurch werden die kleinen Venen in der Tunica zusammengedrückt und für den venösen Abfluss verschlossen.
Die Schwellkörper füllen sich mit Blut, und eine Erektion tritt ein.
Detumeszenz
Adrenerge Rezeptoren in den Schwellkörperarterien und der glatten Muskulatur werden aktiviert.
Der intrakorporale Druck steigt und verringert damit die arterielle Versorgung, was eine Drainage der Schwellkörper zur Folge hat.
Aufgrund der venösen Drainage hört die Erektion auf.
Epidemiologische Studien zeigen, dass ED mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und einem erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht.9-10
Andere Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung von ED und Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht und mangelnder körperlicher Bewegung, und dass eine Änderung solcher Faktoren zur Verbesserung des Zustandes führen kann.11-12
Fragebogen
Es ist sinnvoll, einen validierten und standardisierten Fragebogen zu verwenden.
Am gebräuchlichsten sind der International Index of Erectile Function (IIEF) und die Kurzform IIEF-5.13-14
Die Befragung des Partners/der Partnerin wird empfohlen.
Klinische Untersuchung
Allgemeines
Inspektion der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale
Die 4 zugelassenen PDE-5-Hemmer – Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil – haben eine vergleichbare Wirksamkeit.
Mit Sildenafil z. B. kann einer Metaanalyse zufolge bei 78 % der betroffenen Männer eine Erektionsbesserung erreicht werden.17
57 % erreichten durch die Behandlung, dass mehr als die Hälfte der versuchten Penetrationen erfolgreich waren.
Unterschiede betreffen vor allem die Pharmakokinetik.
Bei Avanafil tritt die Wirkung bereits nach 15–30 Minuten ein.
Tadalafil hat die längste Halbwertszeit.
Nebenwirkungsspektrum und -häufigkeit bei den einzelnen Substanzen unterscheiden sich nur geringfügig.1
Nebenwirkungen scheinen unter Avanafil etwas seltener aufzutreten als unter den anderen PDE-5-Hemmern.1
Bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen und bei älteren Männern ist ggf. eine Dosisanpassung erforderlich. Näheres dazu im Artikel Erektile Dysfunktion.
Sildenafil ist die am längsten zugelassene und damit die am besten erprobte Substanz.
Vardenafil steht als Bukkaltablette zur Verfügung, mit höherer Bioverfügbarkeit gegenüber der klassisch oralen Applikationsform.
Die häufigsten Nebenwirkungen von PDE-5-Hemmern sind:
Lichtempfindlichkeit und vorübergehende Störungen der Farbwahrnehmung (Sildenafil).
Vor der Verordnung sollte eine kardiologische Risikoabklärung erfolgen.
Hochrisiko-Patienten sollen keine Behandlung der erektilen Dysfunktion erhalten und sich sexueller Aktivität enthalten, bis sich ihre kardiale Situation stabilisiert hat.
Patienten mit mittlerem oder unbestimmtem Risiko sollten sich zur genaueren Risikostratifizierung zunächst einer ausführlichen kardiologischen Untersuchung unterziehen, einschließlich:
Ausgeprägte orthostatische Hypotonien traten auf, wenn 50 oder 100 mg Sildenafil innerhalb von 4 Stunden nach Einnahme eines Alphablockers eingenommen wurde.
Substanzen, die die Elimination der PDE-5-Hemmer über eine Hemmung von CYP3A4 verzögern können, sollten nicht oder nur bei entsprechender Dosisanpassung in Kombination mit PDE-5-Hemmern verabreicht werden. Dazu zählen z. B.:
Ketoconazol, Itraconazol, Fluconazol
Makrolid-Antibiotika wie Erythromycin, Azithromycin oder Clarithromycin
Kalziumantagonisten wie Verapamil oder Diltiazem
HIV-Proteaseinhibitoren wie Ritonavir, Saquinavir, Indinavir, Amprenavir, Fosamprenavir
Plötzliche Sehstörungen und permanenter Visusverlust wurde im zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme von PDE-5-Hemmern berichtet.
bei plötzlicher Abnahme oder Verlust des Hörvermögens im zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme des Medikaments: keine weitere Einnahme von PDE-5-Hemmern
Lokale Pharmakotherapie
Wenn die bedarfsgerechte Einnahme von PDE-5-Hemmern unwirksam oder wegen Nebenwirkungen nicht indiziert ist.
MUSE (Medical Urethral System for Erection)
lokale Anwendung Prostaglandin-E1-haltiger Pellets über die Harnröhre
Thrombosen und lokale Fibrosen am Schwellkörper mit evtl. bleibenden Funktionsausfällen
Insbesondere bei intrakavernösen Schmerzen nach Prostaglandininjektion kann auch die in Deutschland nicht zugelassene Papaverin-Phentolamin-Mischung noch erfolgreich eingesetzt werden (Off-Label-Use).1
Lokale Hilfsmittel
Leitlinie: Erektile Dysfunktion – Diagnostik und Therapie1
Vakuumpumpen
nur gelegentliche und leichte Komplikationen
lokale Hauthämatome
Schmerzen
dennoch nur für wenige Patienten akzeptable Alternative
Lokale Elektrotherapie
Ischiokavernosusstimulation
bei leichten und mittleren Graden venöser Okklusionsstörungen als Monotherapie
zur Verbesserung des Ansprechens auf eine orale Pharmakotherapie
Operation
Intrakavernöse Penisprothese, steif oder halbsteif, die aufgepumpt wird.
Sollte die letzte Therapiewahl sein.
Beim Implantieren einer Penisprothese wird das korporale Gewebe dauerhaft beschädigt, sodass die Entspannung der glatten Muskulatur dann nicht mehr möglich ist.
70 % der Patienten und 90 % ihrer Partnerinnen oder Partner sind nach Penisimplantationen zufrieden.
Die häufigste Komplikation der Endoprothetik ist eine Protheseninfektion, die in 2–4 % der Fälle auftritt.
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. S1-Leitlinie Erektile Dysfunktion: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-112. S1, Stand 2018. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. S1-Leitlinie Erektile Dysfunktion: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-112, Klasse S1, Stand 2018. www.awmf.org
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AutorenAutor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln
SteinarDie Jursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka. Karlsen, tidligere klinikksjef og professor drno/). med., Oslo Urologiske Universitetsklinikk, Aker universitetssykehus helseforetak og Universitetet i Oslo
Svein Z. Bratland, spesialist i allmennmedisin, Sandviken Legesenter, Bergen, og seniorrådgiver i Statens helsetilsyn, Oslo
Per Inge Lundmo, førsteamanuensis Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet og overlege Kirurgisk klinikk, Urinveissykdommer, Regionsykehuset i Trondheim
F52; F522; N48; N484
Y07
Impotenz; Psychogene ED; Organnische ED; Unfähigkeit eine Penile Erektion zu erreichen; Erektionsstörung; Partnerschaftsprobleme; Leistungsdruck; Sexuelle Funktionsstörung; Mangelnde Erektionsfähigkeit; Phosphodiesterase-5-Hemmer; PDE-5-Hemmer; Sildenafil; Viagra; Erektionsbesserung; Medical Urethral System for Erection; MUSE; Schwellkörperautoinjektionstherapie; SKAT; Potenzstörung
Erektile Dysfunktion, Symptom
CCC MK 19.12.2019, neue LL.
BBB MK 24.06.2019, EMA ED unter SSRI und SNRI
Die erektile Dysfunktion (ED, früher als Impotenz bezeichnet) ist definiert als die fortwährende Unfähigkeit, eine penile Erektion, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht, zu erreichen oder aufrecht zu erhalten.
Diese Störung sollte für mindestens 6 Monate bestehen.