Phimose

Zusammenfassung

  • Definition:Die Vorhaut (Präputium) lässt sich nicht oder nur schwer über die Eichel zurückziehen. Primär oder sekundär.
  • Häufigkeit:Tritt bei fast allen männlichen Neugeborenen auf und in der Pubertät noch bei ca. 7 %.
  • Symptome:Meist ohne Symptome, Balanitis, Erektionsstörungen oder Miktionsstörungen sind möglich.
  • Befunde:Evtl. Schürring, Balanitis, Ballonierung der Vorhaut.
  • Diagnostik:Anamnese und klinischer Befund.
  • Therapie:Nur bei Beschwerden, entweder mit Salben oder chirurgisch.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Vorhaut (Präputium) lässt sich nicht oder nur schwer über die Eichel zurückziehen.
  • Ein physiologischer Zustand von Geburt an, der sich meist bis nach der Pubertät von allein bessert.1
  • Von einer primären Phimose spricht man, wenn die Vorhautenge auch nach der Pubertät noch besteht.2
  • Eine sekundäre Phimose kann durch lokale Entzündungen oder traumatische Retraktionsversuche entstehen, es bildet sich ein narbiger Schnürring.
  • Darüber hinaus unterscheidet man zwischen akuten und chronischen sowie zwischen vollständigen (Vorhaut nicht reponierbar) und unvollständigen (Vorhaut nur bei Erektion nicht reponierbar) Phimosen.3
  • Eine Paraphimose ist eine zurückgezogene Vorhaut, die sich nicht mehr über die Eichel streifen lässt.

Häufigkeit

  • Die primäre Phimose kommt nicht sehr häufig vor.
    • Bei ca. 1 % der 17-Jährigen hat sich die physiologische Phimose nicht vollständig zurückgebildet.4
  • Genaue Daten über die Inzidenz einer sekundären Phimose gibt es nicht, bei 34 % der operierten Phimosen konnte ein Lichen sclerosus als Ursache histologisch nachgewiesen werden.2

Ätiologie und Pathogenese

Primäre Phimose

  • Vorhaut und Eichel sind unmittelbar nach der Geburt noch miteinander verklebt und lösen sich individuell schnell durch physiologische Prozesse in der Regel bis nach der Pubertät.
    • Wenn keine Beschwerden bestehen, sollte dieser Prozess nicht gewaltsam beschleunigt werden.

Sekundäre Phimose

  • Lokale Entzündungen, Traumen oder traumatische Retraktionsversuchen können zu Sklerosierung und Verengung der Vorhaut führen.
  • Es kann sich ein narbiger Schnürring bilden, der die Retraktion erschwert.
    • Die häufigste Ursache hierfür ist ein Lichen sclerosus, eine T-Zell-vermittelte Erkrankung wahrscheinlich autoimmuner Genese und genetischer Disposition.5
    • Das warmfeuchte Milieu unter der Vorhaut scheint die Entstehung eines Lichen sclerosus zu begünstigen.6
    • Die Manifestation des Lichen sclerosus et atrophicus an Glans penis und Präputium wird auch Balanitis xerotica obliterans genannt.
    • Als Sonderform bei adipösen Patienten gibt es den „Buried Penis“, d. h. der Penisschaft retrahiert in die präpubische Fettschürze.7

Pathogenese

  • Die Phimose ist nicht durch die Enge an sich als krankhaft zu bewerten, sondern durch die daraus entstehenden Beschwerden und Krankheitsbilder.
  • Durch die Vorhautverengung kann es zu Smegmastau, Smegmolithen und Balanitis kommen.
  • Es kommt zu Sklerose mit Erosionen und Rhagaden im Bereich der Vorhaut, dies führt zu Erektionsbeschwerden und Dyspareunie.3
  • Miktionsbeschwerden oder Harnwegsinfekte können die Folge sein.
  • Bei längerer Erkrankungsdauer mit Lichen sclerosus kann es auch zu einem Befall der Urethra kommen, in seltenen Fällen entwickelt sich später ein Plattenepithelkarzinom des Penis.6

ICPC-2

  • Y81 Phimose/überschüssige Vorhaut

ICD-10

  • N47 Vorhauthypertrophie, Phimose und Paraphimose
  • N48.- Balanophostitiden

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Anamnese und klinischer Befund führen zur Diagnose.

Anamnese

  • Vorerkrankungen
  • Entzündungen 
  • Schmerzen beim Wasserlassen
  • Veränderung der Richtung des Harnstrahls
  • Erektionsschwierigkeiten
  • Gelegentlich Juckreiz und Spannungsgefühl

Klinische Untersuchung

  • Die Vorhaut lässt sich nicht über die Eichel ziehen.
  • Gelegentlich Ballonbildung beim Wasserlassen
  • Evtl. Balanitis, evtl. Superinfektion mit Pilzen oder Bakterien
  • Smegmaretention, insbesondere bei Älteren
  • Retraktion des Penisschaftes
  • Fehlbildungen des Penis sollten ausgeschlossen werden.
  • Bei Lichen sclerosus derbe, sklerotische Herde mit atrophischer, meist glänzender Oberfläche, Einblutungen können vorkommen.3
  • Für die Notwendigkeit und die Art der Behandlung ist es wichtig, einen narbigen Schnürring von einem narbenfreien engen Präputium zu unterscheiden.2

Checkliste zur Überweisung

Phimose

  • Zweck der Überweisung
    • Operation? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Physiologisch oder pathologisch? Evtl. erstmaliges Auftreten und Dauer?
    • Evtl. Symptome? Entleerungsprobleme? Infektionen: Balanitis, Harnwegsinfektionen. Rezidivierend?
    • Andere relevante Erkrankungen?
    • Folgen?
  • Klinische Untersuchung
    • Die Vorhaut lässt sich nicht über die Eichel ziehen. Fibrosierung? Balanitis

Therapie

Therapieziel

  • Beschwerden lindern.

Leitlinie: Phimose und Paraphimose2

Allgemeines zur Therapie

  • Eine Therapie der Phimose sollte nur erfolgen, wenn Beschwerden vorliegen.
  • Im Säuglingsalter sollte lediglich bei rezidivierenden Harnwegsinfekten und einer höhergradigen angeborenen Anomalie des harnableitenden Systems eine Zirkumzision erwogen werden.
  • Vor einer Zirkumzision soll zunächst eine topische Behandlung der Vorhaut mit einer steroidhaltigen Salbe oder Creme vorgenommen werden.
  • Ein Lichen sclerosus et atrophicans soll immer behandelt werden.
  • Die Zirkumzision eignet sich nicht als präventive Maßnahme zur Infektionsverhütung sexuell übertragbarer Krankheiten oder zur Vermeidung eines Peniskarzinoms.

Medikamentöse Therapie

  • Zweimal täglich Auftragen einer kortikoidhaltigen Salbe oder Creme (z. B. Betamethason 0,1 %; Mometasonfuroat 0,1 %, Clobetason 0,05 %) auf den Präputialring über 4(– 8) Wochen.2,8
  • Nach 2 Wochen vorsichtig mit dem Zurückschieben der Vorhaut unter Vermeidung von Einrissen beginnen.

Lichen sclerosus

  • Therapieversuch mit Clobetasolpropionat 0,05 %2 
  • Alternativ: Calcineurininhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus)3

Operative Therapie

Radikale (chirurgische) Zirkumzision mit verschiedenen Techniken

  • Umschneidung beider Vorhautblätter mit oder ohne Hilfsmittel mit anschließender Naht.
    • Komplikationen können eine Nachblutung, Infektion oder Glansnekrose (< 1 %) sein.3
    • Angeborene Fehlbildungen des Penis können eine Kontraindikation für eine Zirkumzision darstellen.2
    • Beim Buried Penis reicht eine alleinige Zirkumzision nicht aus, hier muss  ist neben der Zirkumzision und Exzision der befallenen Hautareale die plastisch-chirurgische Wiederherstellung des Penisschaftes mit Entfernung der Fettschürze und Fixierung der Penisbasis durchgeführt werden, um langfristig das Risiko eines Rezidivs und der malignen Entartung zu reduzieren.7

Vorhauterhaltende plastische Verfahren2

  • Durch sparsame plastische Resektion des verengten distalen Vorhautanteils kann ein funktionell relevanter Anteil der Vorhaut erhalten werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Eine bei Kindern bestehende primäre Phimose ohne Krankheitsbeschwerden verschwindet meist bis nach der Pubertät.

Komplikationen

  • Mögliche psychische Folgeschäden durch wiederholte Manipulation am äußeren Genitale2
    • Die Behandlung einer Phimose kann problematische Auswirkungen auf die psychosexuelle Entwicklung und die Identitätsbildung  haben.
  • Die Paraphimose ist eine akute Erkrankung und erfordert eine sofortige Behandlung.9
  • Smegmaretention, Fissuren, Narbenbildung, Balanitis, Infektionen der Harnwege
  • Harnretention
  • In seltenen Fällen nach einer Operation: Verklebungen, ästhetisch unschönes Ergebnis, Meatusstenose
  • Peniskarzinom (Plattenepithelkarzinom als Folge von Lichen sclerosus).10

Prognose

  • Es kann durch die Zirkumzision zu einem Sensibilitätsverlust kommen, der möglicherweise das spätere Sexualleben beeinflusst, hierüber sollte vor einer Operation aufgeklärt werden.2 

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Phimose und Paraphimose. AWMF-Leitlinie Nr. 006-052. S2k, Stand 2017.www.awmf.org

Literatur

  1. Ghory HZ. Phimosis and paraphimosis. Medscape, last updated August 2017. Zugriff 04.02.2019 emedicine.medscape.com
  2. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Phimose und Paraphimose. AWMF-Leitlinie Nr. 006-052, Stand 2017. www.awmf.org
  3. Altmeyer P. Online Enzyklopädie Dermatologie. Balanoposthitis xerotica obliterans. Zugriff 30.01.2019 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  4. Medscape reference: Terlecki RP, Kim ED. Phimosis, Adult Circumcision, and Buried Penis. Letzte Ausgabe 15. August 2011. emedicine.medscape.com
  5. Kirtschig G: Lichen sclerosus—presentation, diagnosis and management. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 337–43. www.aerzteblatt.de
  6. Becker K: Lichen sclerosus in boys. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(4): 53–8. www.aerzteblatt.de
  7. Mirastschijski U, Melchior S, Cedidi, C. Hochadipöse Patienten mit buried penis. Dtsch Arztebl Int 2017; 114(1-2) www.aerzteblatt.de
  8. Moreno G, Corbalan J, Penaloza B, et al. Topical corticosteroids for treating phimosis in boys. Cochrane Database Syst Rev. 2014 Sep 2;9:CD008973. Cochrane (DOI)
  9. Kessler CS, Bauml J. Non-traumatic urologic emergencies in men: a clinical review. West J Emerg Med. 2009 Nov. 10(4):281-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Dillner J, von Krogh G, Horenblas S, Meijer CJ. Etiology of squamous cell carcinoma of the penis. Scand J Urol Nephrol Suppl 2000; 205: 189-93. PubMed

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Steinar J. Karlsen, tidligere klinikksjef og professor dr. med., Oslo Urologiske Universitetsklinikk, Aker universitetssykehus helseforetak og Universitetet i Oslo
  • Svein Z. Bratland, spesialist i allmennmedisin, Sandviken Legesenter, Bergen, og seniorrådgiver i Statens helsetilsyn, Oslo
  • Per Inge Lundmo, overlege Kirurgisk klinikk, Urinveissykdommer, Regionsykehuset i Trondheim, og førsteamanuensis, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim

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