Definition:Neuroendokrine Neoplasien (NEN) umfassen eine heterogene Gruppe potenziell maligner Tumorerkrankungen, die von neuroendokrinem Gewebe ausgehen. Sie treten insbesondere im gastroenteropankreatischen System (GEP) auf. Die Manifestation ist in der Regel sporadisch auf, seltener im Rahmen genetisch bedingter Multiorganerkrankungen.
Häufigkeit:Die Inzidenz liegt bei 1–2 Fällen pro 100.000 Einw. pro Jahr. Neuroendokrine Tumoren des Gastrointestinaltraktes machen etwa 1 % aller malignen Tumoren aus.
Symptome:Die Symptome hängen von der Lokalisation und Größe des Tumors sowie dessen hormoneller Aktivität ab. Häufig kommt es zu unspezifischen Symptomen. Bei übermäßiger Hormonsekretion kommt es abhängig vom Botenstoff zu spezifischen Syndromen, wie z. B. das Karzinoid-Syndrom mit Flush-Symptomatik und Diarrhö.
Befunde:Häufig Zufallsbefund im Rahmen anderer chirurgischer Eingriffe. Manifestation durch spezifische Symptome der Hypersekretionssyndrome oder einen palpablen abdominellen Tumor, der möglicherweise zu lokalen gastrointestinalen Komplikationen führt.
Diagnostik:Die Diagnostik umfasst allgemeine und endokrinologische Labordiagnostik, konventionelle und nuklearmedizinische Bildgebung sowie eine histopathologische Klassifikation des Tumors.
Therapie:Die mitunter komplexe Therapie sollte interdisziplinär und nach Möglichkeit an spezialisierten Zentren erfolgen. Nur eine komplette chirurgische Resektion ist kurativ. Andere Behandlungsmethoden beinhalten medikamentöse, interventionell radiologische sowie nuklearmedizinische Verfahren.
Allgemeine Informationen
Definition
Neuroendokrine Neoplasien (NEN) bzw. neuroendokrine Tumoren (NET) sind eine Gruppe von Neoplasien, die aus neuroendokrinen Zellen entstehen und als solche über Antigene neuronaler Zellen sowie eine mögliche hormonelle funktionelle Aktivität verfügen.1-2
Eine Manifestation ist prinzipiell in allen Organen möglich.
überwiegend Neoplasien des Gastrointestinaltraktes, des endokrinen Pankreas sowie der Lunge3
Für neuroendokrine Tumoren der Lunge siehe Artikel Bronchialkarzinom.
Einteilung entsprechend der WHO-Klassifikation von 20102,4-5
Einteilung nach Differenzierungsgrad und Proliferationseigenschaften des Tumors (G1–G3)
neuroendokrine Neoplasien (NEN)
Überbegriff und eigene biologische Entität
neuroendokrine Tumoren (NET)
Umfasst hoch differenzierte neuroendokrine Neoplasien (G1/G2).
neuroendokrine Karzinome (NEC)
Umfasst niedrig differenzierte neuroendokrine Neoplasien (G3).
Sondergruppen sind die gemischten adeno-neuroendokrinen Karzinome (MANEC) und die hyperplastischen und präneoplastischen Läsionen.4,6
Die klinische Manifestation ist abhängig von der Lokalisation und hormonellen Aktivität der Neoplasien.
häufig asymptomatischer Zufallsbefund, etwa im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs5,7-8
Bei funktionell aktiven Tumoren können ausgeschüttete Hormone und hormonartige Stoffe zu vielseitigen Symptomen führen.2
Funktionelle bildgebende Verfahren sind zur CT und MRT komplementär.
Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung
bevorzugt mittels SSR-PET/CT, alternativ SPECT/CT oder Szintigrafie
insbesondere überlegen in der Detektion von Knochenmetastasen
Soll bei jedem NET G1 oder NET G2 erfolgen.
Kann bei gut differenzierten NET G3 (nach WHO Klassifikation 2017) zumindest einmalig durchgeführt werden.
Ausnahmen sind Magen-NET Typ I und Rektum-NET G1 (jeweils < 1 cm) und inzidentelle Appendix-NET (< 1 cm) ohne Risikofaktoren.
Pathologie
Histopathologische Untersuchung eines Biopsats sollte umfassen:
die histologische Klassifikation (NET oder NEC)
den Differenzierungsgrad (hoch differenziert versus niedrig differenziert)
proliferationsbasiertes Grading mit Angabe des Ki-67-(Mib1)-Index
Histologische Untersuchung
HE- und PAS-Färbung des Präparats
immunhistochemische Analyse von Synaptophysin und Chromogranin A
Bestimmung der Proliferationsrate immunhistochemisch mittels anti-Ki-67 Antikörper (Mib1)
optional Immunhistochemie gegen den Somatostatin-Rezeptor 2A (SSTR2A)
optional Analyse von spezifischen Hormonen und/oder biogenen Aminen
Bei unbekanntem Primarius
Analyse der Transkriptionsfaktoren TTF1, CDX2, Isl-1 sowie ggf. spezifischer Peptidhormone und/ oder biogener Amine, um Rückschlüsse auf einen möglichen Primärtumor zu erhalten.
Einteilung von Resektaten entsprechend der TNM-Klassifikation
Lebermetastasen bei G1/2-Tumoren mit vollständiger Entfernung des Primarius und evtl. Lymphknotenmetastasen sollten reseziert werden, sofern sie operativ vollständig entfernbar erscheinen.
Lebermetastasen von Patient*innen mit NEC (G3) sollten nicht primär reseziert werden.
Endoskopische Therapie
Indikationsstellung
empfohlene Therapieoption bei:
NET des Magens (bis 2 cm)
NET des Rektums (bis 1 cm)
ggf. bei NET des Duodenums (bis 1 cm).
bei älteren oder komorbiden Patient*innen ggf. alleinige endoskopische Therapie
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie umfasst:
antiproliferative Therapien
alleinig, adjuvant oder in palliativer Situation
symptomatische Therapien bei funktionell aktiven Tumoren.
Die Datenlage für die Empfehlungen zur Nachsorge und Verlaufskontrolle ist sehr schlecht (Expertenmeinungen).
Empfehlungen im Einklang mit den ENETS-Konsensus-Empfehlungen
Nachsorge sollte bevorzugt in spezialisierten Zentren oder zumindest in enger Kooperation mit einem NET-Zentrum erfolgen.
regelmäßige Diskussion in einem interdisziplinären Tumorboard
Nachsorge soll bei allen NET auch nach R0-Resektion und ohne Nachweis einer Metastasierung erfolgen und richtet sich in ihrer Art und Häufigkeit nach der Tumorentität.
Ausnahme: Appendektomie und R0-Resektion eines NET der Appendix (pT1, < 1 cm ohne Risikofaktoren)
Empfohlene Diagnostik
laborchemische Nachsorge nach R0-Resektion durch Bestimmung von Chromogranin A als allgemeiner neuroendokriner Tumormarker
bildgebenden Verlaufskontrollen durch mindestens eine CT oder MRT und in größeren Intervallen auch Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung, optimalerweise mittels PET/CT
Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung sollte bei NET G1/2 nach initialer Diagnostik alle 1–3 Jahre, bzw. wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ableiten lassen, erfolgen.
Dauer der Nachsorge
Bei fehlendem Tumornachweis unter Verlaufskontrolle ist eine sukzessive Verlängerung der Nachsorgeintervalle gerechtfertigt.
Fortsetzung nach erfolgter kompletter Tumorentfernung und fehlendem Nachweis einer Metastasierung über mindestens 10–15 Jahre
Die Nachsorgeintervalle und -dauer sollten in Abhängigkeit von der Tumorentität und Tumorbiologie individuell festgelegt werden.
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. (DGVS). Neuroendokrine Tumore. AWMF-Leitlinie Nr. 021-026. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
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Literatur
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Autor*innen
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Frühere Autor*innen
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL
Definition:Neuroendokrine Neoplasien (NEN) umfassen eine heterogene Gruppe potenziell maligner Tumorerkrankungen, die von neuroendokrinem Gewebe ausgehen. Sie treten insbesondere im gastroenteropankreatischen System (GEP) auf. Die Manifestation ist in der Regel sporadisch auf, seltener im Rahmen genetisch bedingter Multiorganerkrankungen.
Magen-Darm-Trakt
Neuroendokrine Tumoren
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