Hyperhidrose der Hände und Erröten

Zusammenfassung

  • Definition:Die Hyperhidrosis palmaris ist durch eine pathologisch gesteigerte Schweißbildung gekennzeichnet, die über die Erfordernisse der Wärmeregulation hinausgeht. Unter Erythrophobie versteht man übermäßiges Erröten und die Angst davor.
  • Häufigkeit:Palmare Hyperhidrose: Hierzu sind bislang keine ausreichenden Daten vorhanden, Schätzungen zufolge sind jedoch bis zu 3 % der Bevölkerung betroffen. Erythrophobie: unbekannt.
  • Symptome:Hyperhidrosis palmaris: Übermäßiges Schwitzen im Bereich der Hände meist ab Kindes- oder Jugendalter. Erythrophobie: unkontrollierbares Erröten der Gesichtshaut mit einem Hitzegefühl des ganzen Kopfes oder bestimmter Gesichtspartien.
  • Befunde:Neben der übermäßigen Schweißproduktion und ggf. Hautmazerationen im betroffenen Areal sowie dem übermäßigen Erröten liegen keine ungewöhnlichen Befunde vor.
  • Diagnostik:Die Diagnose erfolgt anhand von Anamnese, Klinik und ggf. ergänzenden Tests zur Größe des betroffenen Areals und zur Schweißmenge. Weitere Zusatzuntersuchungen nur bei Verdacht auf sekundäre Hyperhidrosis oder bei Verdacht auf Flushing als Symptom einer anderen Grunderkrankung.
  • Therapie:Palmare Hyperhidrose: Stufenweise, üblicherweise zunächst topisch (Aluminiumchloridhalte Externa, Injektionstherapie mit Botulinumtoxin A, Leitungswasser-Iontophorese), ggf. operative Interventionen (Sympathektomie) oder systemische Therapeutika (vor allem Anticholinergika). Erythrophobie: Konservativ mittels Verhaltenstherapie. In seltenen Fällen kann eine Sympathektomie in Erwägung gezogen werden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Hyperhidrose bedeutet übermäßiges Schwitzen, das über die physiologischen Erfordernisse der Wärmeregulation hinausgeht.1
  • Hyperhidrose wird nicht anhand der Schweißmenge, sondern aufgrund der Fehlfunktion des Schwitzens definiert.1
  • Man unterscheidet zwischen primärer idiopathischer Hyperhidrose (meist fokal im Bereich der Achseln, des Gesichts oder der Hände und Füße) und sekundärer Hyperhidrose, die durch andere Erkrankungen (meist aus dem endokrinen, neurologischen oder infektiösen Formenkreis) oder Medikamenteneinnahme hervorgerufen wird.1
  • Die Hyperhidrose kann zu erheblichen sozialen und beruflichen Einschränkungen und damit zu einer ausgeprägten Verminderung der Lebensqualität führen.1
  • Betroffene leiden mitunter gleichzeitig an übermäßigem Erröten; dies kann allerdings auch als isoliertes Phänomen auftreten.
  • Übermäßiges Erröten und die Angst davor wird als Erythrophobie bezeichnet.
  • Die Betroffenen leiden unter unkontrollierbarem Erröten der Gesichtshaut mit einem Hitzegefühl des ganzen Kopfes oder bestimmter Gesichtspartien.
  • Patient*innen, die an übermäßigem Erröten leiden, können eine Phobie mit weitreichenden Problemen entwickeln.
  • Die Angst vor dem Erröten kann das Erröten auslösen oder zusätzlich verstärken und führt daher häufig zu Vermeidungsverhalten.

Häufigkeit

  • Behandlungsbedürftiges Schwitzen der Hände und unangenehmes Erröten sind nicht selten. Eindeutige Angaben zur Häufigkeit existieren allerdings nicht.
  • Schätzungen zu Folge sind ca. 1–3 % der Bevölkerung von der palmaren Hyperhidrose betroffen.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Sowohl bei der primären Hyperhidrose also auch bei der Erythrophobie liegt eine Fehlfunktion des autonomen Nervensystems zugrunde.
  • Die primäre Hyperhidrosis palmaris entsteht idiopathisch bei ansonsten gesunden Patient*innen.
  • Für die primäre Hyperhidrosis sind hauptsächlich ekkrine Schweißdrüsen verantwortlich.
    • Der Großteil der Schweißdrüsen am Körper ist vom ekkrinen Typ, ihre Hauptfunktion ist die Thermoregulation.
    • Ekkrine Schweißdrüsen sind über den gesamten Körper verteilt. Achselhöhlen, Handflächen, Fußsohlen, Stirn und auch der Inguinalbereich zeichnen sich durch eine hohe Dichte ekkriner Schweißdrüsen aus.3
    • Apokrine Schweißdrüsen befinden sich vor allem im Bereich der Axilla und dem Urogenitaltrakt und sind für den Körpereigengeruch verantwortlich.3
  • Bei Hyperhidrose-Patient*innen sind die Schweißdrüsen weder vermehrt noch vergrößert, sondern lediglich überstimuliert.1
  • Die Stimulation der Schweißdrüsen erfolgt durch den sympathischen Anteil des vegetativen Nervensystems, wobei Azetylcholin als Neurotransmitter zwischen
    Nervenendigung und Schweißdrüse fungiert.1
  • Die Prädilektionsstellen der fokalen Hyperhidrose sind neben den Handflächen auch die Achselhöhlen, Fußsohlen, Stirn und auch der Inguinalbereich. Diese Regionen zeichnen sich durch eine hohe Dichte ekkriner Schweißdrüsen aus.
  • Das gehäufte familiäre Auftreten legt eine erbliche Veranlagung nahe.4
  • Durch Stresssituationen, Angst und Nervosität werden die Symptome in der Regel verschlimmert.2
  • Sekundäre Ursachen der fokalen Hyperhidrose sind z. B.:
    • Neuropathien (z. B. diabetische) oder Rückenmarksverletzungen durch konsekutive Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems
    • Bei einer chronischen neurogenen Entzündung wie dem CRPS (chronisch regionales Schmerzsyndrom) findet man häufig eine Hyperhidrose an der betroffenen Extremität.3
  • Ursachen der sekundären, generalisierten Hyperhidrose können sein:3,5-6
  • Bei der Erythrophobie kommt es durch die Fehlfunktion des sympathischen Nervensystems zu einem gesteigerten Blutfluss in den kutanen Gefäßen, was zu Erröten führt.7
  • Auslöser ist oft ein unangenehmes Erlebnis in der Kindheit oder Jugend, das das Gehirn als „negativ“ abspeichert.

Prädisponierende Faktoren

  • Stress
  • Emotionale Belastung

ICPC-2

  • S08 Hautfarbe verändert
    • inklusive Erröten
  • A09 Übermäßiges Schwitzen

ICD-10

  • R61 Hyperhidrose
    • R61.0 Hyperhidrose, umschrieben
  • R23 Sonstige Hautveränderungen
    • R23.2 Gesichtsrötung [Flush]

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

 Hyperhidrosis palmaris

  • Die Diagnose der primären fokalen Hyperhidrosis palmaris erfolgt anhand von Anamnese, Klinik und ggf. ergänzenden Tests zur Größe des betroffenen Areals und zur Schweißmenge.1
  • Es gibt keinen allgemeingültigen Labor- oder Messwert, mit dessen Hilfe das Vorliegen einer primären Hyperhidrose bewiesen oder ausgeschlossen werden könnte.1
  • In einem Konsensusdokument wurden folgende diagnostische Kriterien vorgeschlagen:8
    • fokales, sichtbares, exzessives Schwitzen für mindestens 6 Monate ohne ersichtlichen Grund plus mindestens 2 der folgenden Kriterien:
      • bilateral und symmetrisch
      • Beeinträchtigung des Alltagslebens
      • mindestens 1 Episode pro Woche
      • Beginn vor dem 25. Lebensjahr
      • positive Familienanamnese für idiopathische Hyperhidrose
      • Fokales Schwitzen sistiert während des Schlafs.

 Übermäßiges Erröten

  • Der Übergang zwischen normalem und übermäßigem Erröten ist fließend.
  • Die Diagnose wird klinisch gestellt. 

Differenzialdiagnosen

Für die Unterscheidung zwischen primärer, idiopathischer und sekundärer Hyperhidrose

  • Primäre, idiopathische Hyperhidrose
    • Tritt fokal auf an Regionen mit erhöhter Dichte ekkriner Schweißdrüsen. Neben der palmaren Hyperhidrose kann es auch zu einer erhöhten Schweißbildung an Füßen, in den Achseln oder der Stirn kommen.
  • Sekundäre Hyperhidrose
    • Tritt meist generalisiert auf.
    • übermäßiges Schwitzen sowohl tagsüber als auch nachts
    • Unterschiedliche Ursachen und Erkrankungen aus dem internistischen, neurologischen und endokrinologischen Bereich können zugrunde liegen und sollten ausgeschlossen werden, wie z. B.:
  • Sekundäre fokale Hyperhidrose 
    • Neuropathien (z. B. diabetische)
    • CRPS (komplexe regionales Schmerzsyndrom)

 Erythrophobie

Anamnese

 Hyperhidrosis palmaris

  • Beginn der Symptome im Kindes- oder Jugendalter (< 25 Jahre)
  • Auftreten des Schwitzens temperaturunabhängig, unvorhersehbar, und nicht
    willentlich kontrollierbar
  • Fokales Auftreten in einer oder mehreren Prädilektionsstelle(n) mit beidseitigem,
    symmetrischem Befall
  • Auftreten öfter als 1 x pro Woche mit Beeinträchtigung im Alltag
  • Kein vermehrtes Schwitzen während des Schlafes
  • Positive Familienanamnese
  • Neben der Klinik ist auch die Einschränkung der Lebensqualität für die Diagnose der Erkrankung wichtig. Zur Erfassung und Dokumentation eignet sich die Hyperhidrosis Disease Severity Scale (HDSS).9
    • Grad 1: Schwitzen ist nicht auffällig, die täglichen Aktivitäten werden nicht gestört.
    • Grad 2: Schwitzen ist erträglich, die täglichen Aktivitäten werden manchmal gestört.
    • Grad 3: Schwitzen ist kaum erträglich, die täglichen Aktivitäten werden häufig gestört.
    • Grad 4: Schwitzen ist unerträglich, die täglichen Aktivitäten werden immer gestört.

 Erythrophobie

  • Bei übermäßigem Erröten kommt es plötzlich zu einer starken Gesichtsrötung, die schnell und unerwartet in Situationen auftritt, die normalerweise nicht zum Erröten führen.
  • Erröten bei Erythrophobie, das auf einer Fehlfunktion des autonomen Nervensystems basiert, tritt üblicherweise zusammen mit vermehrtem Schwitzen auf („Wet Flush“).7 
  • Übermäßiges Erröten wird von vielen Betroffenen als stigmatisierend empfunden.
    • Sie reden selbst mit nahestehenden Personen und Freund*innen nur ungern über das Problem.
    • Die Symptome können zu Vermeidungsverhalten führen: Betroffene meiden den Kontakt mit anderen Menschen und sonnen oder schminken sich stark, um die Symptome zu verbergen.
    • Es besteht die Gefahr der sozialen Isolation, was sich wiederum negativ auf wichtige Lebensbereiche wie Schule, Ausbildung und Berufsleben auswirken kann.

Klinische Untersuchung

  • Bis auf die evtl. sichtbare Hyperhidrose der Hände und die übermäßige Gesichtsrötung liegen keine speziellen Befunde vor.
  • Klinische Schweregradeinteilung der Hyperhidrosis palmoplantaris10
    • Grad I – leichte Hyperhidrose
      • deutlich vermehrte Hautfeuchtigkeit
    • Grad II – mäßig starke Hyperhidrose
      • Bildung von Schweißperlen
      • Schwitzen auf Palmae und Plantae begrenzt
    • Grad III – starke Hyperhidrose
      • Schweiß tropft ab.
      • Schwitzen auch an dorsalen Fingern und Zehen sowie am seitlichen Rand von Hand und Fuß

Ergänzende Untersuchungen

  • Bei einer primären Hyperhidrose sind keine weiteren Untersuchungen indiziert. Bei einer sekundären Hyperhidrose ist der Untersuchungsumfang von den Differenzialdiagnosen abhängig, die abgeklärt werden sollen.

Diagnostik bei Spezialist*innen

 Spezielle Tests zur Schwitzdiagnostik

  • Jod-Stärke-Test nach Minor
    • Der Test erlaubt keine quantitativen Aussagen (also keine Aussagen zur Stärke der Hyperhidrose) und wird meist nur verwendet, wenn das Areal des vermehrten Schwitzens nicht sicher definiert werden kann.
    • Prinzip und Durchführung: Jod und Stärke reagieren miteinander und verfärben sich blauschwarz. Hierdurch lässt sich sichtbar machen, an welchen Stellen die Schweißbildung am stärksten ist (die Stellen, an denen z. B. Botulinumtoxin injiziert werden sollte).
    • Jod auf den entsprechenden Bereich auftragen und trocknen lassen. Anschließend Stärke auftragen.
    • Durch den Schweiß mischen sich die beiden Stoffe, wodurch es zur Verfärbung kommt.
  • Gravimetrie
    • Mittels Gravimetrie wird die Schweißmenge in Gramm pro Zeiteinheit (Minute) bestimmt.
    • Der in einem bestimmten Körperareal in einer definierten Zeiteinheit (üblicherweise 5 min) abgegebene Schweiß wird in einem Filterpapier aufgenommen und anschließend mit einer Ultrafeinwaage ausgewogen.
    • Der Test wird vor allem angewandt in Therapiestudien zur Verlaufsdokumentation.
    • Die Aussagekraft der Messwerte bei den einzelnen Patient*innen ist jedoch eingeschränkt, weil die Schweißmenge Schwankungen unterworfen ist und es bislang keine einheitliche Abgrenzung zwischen Norm- und Hyperhidrose gibt.

Therapie

Therapieziele

  • Erreichen eines Schwitzniveaus, das für die Betroffenen erträglich ist.
  • Die primäre fokale Hyperhidrose ist häufig eine zeitlich limitierte Erkrankung, d. h. eine Erkrankung, die auf die Pubertät und das frühe Erwachsenenalter begrenzt ist. Dies sollte beachtet werden, wenn es um die Auswahl der Interventionen geht.1
  • Erlernen von Techniken und Bewältigungsstrategien, um mit den Symptomen leben zu können.

Allgemeines zur Therapie

  • Zur Behandlung des Errötens gibt es wenig evidenzbasierte Therapieempfehlungen. Eine Verhaltenstherapie wird oftmals vorgeschlagen. Tritt das Erröten im Rahmen der sozialen Phobie auf, können entsprechende Empfehlungen übernommen werden.
  • Zur Behandlung der palmaren Hyperhidrose gibt es konservative oder operative Behandlungsmethoden, die stufenweise und individuell auf die Patient*innen abgestimmt zum Einsatz kommen können.11Es bieten sich folgende Therapiemodalitäten an:1
    • topische Therapie mit Antiperspiranzien
    • Leitungswasser-Iontophorese
    • Injektionstherapie mit Botulinumtoxin A
    • systemische Therapie mit Anticholinergika bzw. Neuroleptika oder Psychopharmaka mit anticholinergischer Wirkung
    • thorakale Sympathektomie.

Therapieoptionen bei palmarer Hyperhidrose

Topische Therapie

  • Aluminiumsalze (Aluminumchloridhexahydrat)
    • Erstlinientherapie bei allen fokalen Hyperhidrosen11
    • Aluminiumsalze bewirken eine Schweißreduktion durch Verschluss der Ausführungsgänge der ekkrinen Schweißdrüsen.
    • Sollten zwischen den Schwitzepisoden aufgetragen werden (idealerweise abends, da Patient*innen mit fokaler Hyperhidrose nachts nicht schwitzen) und am Morgen abgewaschen werden.
    • Handelsübliche, nicht verschreibungspflichtige Niedrig-Dosis-Produkte wirken meist nur bei milder Symptomatik.
    • Verschreibungspflichtige Antitranspiranzien wie 20-prozentiges Aluminiumchloridhexahydrat sind eine adäquate Therapie bei Nicht-Ansprechen.
    • Verschrieben werden können z. B.:
      • Aluminumchloridhexahydrat 15,0
      • Methylcellulose 1,5
      • Aqua dest. Ad 100,0
      • Abzufüllen im Deoroller.1
    • Die Kosten werden in der Regel von Krankenkassen nicht übernommen.
    • Bei vielen Patient*innen treten Hautreizungen auf, sodass die Behandlung abgebrochen werden muss. Eine Kortikosteroidcreme (Niedrigpotenz) kann Abhilfe schaffen.
    • Seit einigen Jahren ist eine kontrovers geführte Diskussion über die Risiken von Aluminiumsalzen in Kosmetikprodukten entbrannt, die im Verdacht stehen, das Risiko von Brustkrebs und Morbus Alzheimer zu erhöhen.1
    • Das Bundesamt für Risikobewertung schätzt die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den regelmäßigen Gebrauch von ACH-haltigen Antitranspiranzien nach gegenwärtigem wissenschaftlichem Kenntnisstand als unwahrscheinlich ein.12-13
  • Topische Anticholinergika (Glykopyrronium)
    • Wirkt durch Blockierung von Acetylcholin an den Schweißdrüsen.
    • Vereinzelte Studien unterstützen den Benefit der Anwendung von Glycopyrronium (1 pro Tag) bei palmarer Hyperhidrose.14
    • bislang in den USA nur zugelassen zur Therapie der axillären Hyperhidrose als Feuchttücher mit 2,4-prozentigem Glycopyrronium15
    • In Deutschland ist seit Juni 2022 Glycopyrronium 1 % als Creme für Erwachsene mit schwerer primärer Hyperhidrose der Achseln zugelassen und ist seit August 2022 im Handel erhältlich.
    • In der Phase-IIIa-Studie zeigte sich bei der 4-wöchigen Anwendung bei 171 Proband*innen eine signifikante Reduktion der Schweißproduktion.16
    • Die Kosten werden bislang nur bei axillärer Hyperhidrose im ersten Zulassungsjahr von den Krankenkassen übernommen.

Leitungswasser-Iontophorese

  • Durch schwache elektrische Ströme wird die Schweißdrüsenaktivität verringert.
  • Sie gilt als eine sichere, wirksame und kostengünstige Therapiemethode, die die Patient*innen auch zu Hause anwenden können.17-19
  • Die Leitungswasser-Iontopheres muss als Dauertherapie angewandt werden, um einen Therapieerfolg zu erzielen, allerdings kann man im Verlauf die Anzahl der Anwendungen reduzieren.1
  • Bezüglich der Kostenübernahme entscheidet die Krankenkasse im Einzelfall, die Kosten für die Anschaffung eines Heimgerätes werden jedoch üblicherweise von den Kostenträgern übernommen.1

Botulinumtoxin

  • Die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A in Hyperhidrosearealen zählt zu den effektivsten Methoden, um eine Reduktion des übermäßigen Schwitzens zu erreichen.1
  • Die Therapie mit Botulinumtoxin kommt meist dann zum Einsatz, wenn topische Therapien nicht ausreichen.
  • Botulinumtoxin A blockiert reversibel die autonomen cholinergen postganglionären sympathischen Nervenfasern und hemmt die Freisetzung von Acetylcholin aus den peripheren cholinergen Synapsen. Hierdurch lässt sich die neurogene Stimulation der Schweißdrüsen blockieren.
  • Bei der Behandlung wird das Botulinumtoxin intradermal an verschiedenen Stellen der Hände oder Füße oder des behaarten Bereichs in der Achselhöhle injiziert.
    • Bei Injektion im Bereich der Hände kann es zu einer vorübergehenden Abschwächung der Handmuskulatur kommen. Langfristige, schwerwiegende Nebenwirkungen sind bislang nicht bekannt.1
  • Je nach Stärke der Hyperhidrose und der verwendeten Dosierung kommt es zu einer mehrmonatigen Wirksamkeit. Üblicherweise kommen die Patient*innen ein- bis zweimal im Jahr zur Behandlung.1
  • In Deutschland ist Botox zur Behandlung der Hyperhidrosis axillaris zugelassen. Für die Behandlung anderer Lokalisationen (Hände, Füße, Stirn u. a.) besteht keine Zulassung, d. h. hier handelt es sich um eine Off-Label-Anwendung.1
    • Bezüglich der Kostenübernahme entscheidet die Krankenkasse im Einzelfall.

Chirurgische Therapie

  • Endoskopische thorakale Sympathektomie (Sympathikolyse), ETS
    • Mittels unterschiedlicher Techniken (videoassistierte Thorakoskopie, CT-gesteuerte perkutane Sympathikolyse) wird die Sympathikusaktivität durch Durchtrennung des thorakalen Grenzstranges vom 2. bis zum 5. Ganglion unterbrochen.20
    • Eine dauerhafte Behandlung der Hyperhidrose ist hiermit für die oberen Extremitäten, die Axillen und das Gesicht möglich.
    • Als Nebenwirkungen können eine kompensatorischer Hyperhidrose, Horner-Syndrom, Parästhesien, Pneumothorax, Hämatothorax, Hyperthermie und Bradykardie auftreten.21-22
    • Die Erfolgsquote der Behandlung ist sehr hoch.
      • Patientenberichten zufolge wirkt sich die ETS in bis zu 90 % aller Fälle positiv auf die Symptome bei palmarer Hyperhidrose aus.23
    • Aufgrund des häufig auftretenden kompensatorischen Schwitzens ist die
      Sympathektomie jedoch eine Methode, die sehr sorgfältig abgewogen werden muss und nicht an erster Stelle der Behandlung des fokalen Schwitzens stehen sollte – vor allem, wenn man bedenkt, dass die fokale Hyperhidrose häufig eine zeitlich begrenzte Erkrankung darstellt.

Systemische Therapien

  • Situationsbezogener Einsatz, um das Schwitzen für mehrere Stunden zu reduzieren; als Dauertherapie nur selten angewandt.
  • Salbei-Präparate
    • keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit
    • Die meisten Patient*innen mit lokalisierter Hyperhidrose berichten über eine fehlende bzw. unzureichende Wirkung.
  • Systemische Anticholinergika
    • selten als Dauertherapie aufgrund der anticholinergen systemischen Wirkung
    • Oxybutinin: Verschiedene Studien bestätigten die Wirksamkeit in der Behandlung der palmaren Hyperhidrose.11,14
      • Empfohlen wird eine Startdosis von 2,5 mg/d, im Verlauf wird auf 10–15 mg/d auftitriert.
      • bislang keine Zulassung bei der Behandlung der Hyperhidrose, Off-Label-Use
    • Glycopyrrolat: bislang keine ausreichenden Daten hinsichtlich Effektivität und Sicherheit
      • Off-Label-Use mit einer Startdosis von 1–2 mg/d, Dosiserhöhung bis 10 mg/d15
    • Bornaprin: Anti-Parkinson-Mittel mit anticholinerger Wirkung. Zulassung und Kostenübernahme durch die Krankenkasse nur für die axilläre Hyperhidrose
      • Einsatz und Wirksamkeit (initial 2 mg/d für 1 Woche, dann auf 4–8 mg/d als Erhaltungsdosis) basiert lediglich auf prinzipiellen Überlegungen und kleineren Fallserien, kein Wirksamkeitsnachweis in kontrollierten Studien.
    • Methantheliniumbromid: Zulassung und Kostenübernahme durch die Krankenkasse nur für die axilläre Hyperhidrose
      • Bei der plamaren Hyperhidrose zeigte sich einer kontrollierten radomisierten Studie keine ausreichende Wirksamkeit.15
  • Betablocker und Benzodiazepine
    • Off-Label-Use
    • Im Einzelfall kann der Einsatz erwogen werden, wenn psychische Belastungssituationen im Vordergrund der Symptomatik stehen oder ggf. präventiv vor Stresssituationen.1
    • Die Betroffenen sollen über eine mögliche sedierende Wirkung aufgeklärt werden.

Therapieoptionen bei Erythrophobie

  • Eine Behandlung kann sinnvoll sein, wenn das Erröten oder die Angst vor dem Erröten den Alltag oder Beruf einschränkt.
  • Die Therapie besteht in erster Linie aus einer Verhaltenstherapie.
  • In Einzelfällen kann, bei Versagen der konservativen Maßnahmen, eine Sympathektomie (ETS) in Betracht gezogen werden (siehe Therapieoptionen bei palmarer Hyperhidrose, chirurgische Therapie).
    • Da die kutanen Gefäße des Gesichts über den thorakalen Grenzstrang versorgt werden, kann durch Unterbrechung der Sympathikusaktivität der Blutfluss und somit das Erröten beeinflusst werden.
    • Zwischen 77 und 96 % der Patient*innen berichten von einem zufriedenstellenden Ergebnis nach dem Eingriff23-25, allerdings kommt es bei bis zu 88 % zu einer kompensatorischen Hyperhidrose.24

Prognose

  • Die primäre Hyperhidrose ist häufig eine zeitlich limitierte Erkrankung, d. h. eine Erkrankung, die auf die Pubertät und das frühe Erwachsenenalter begrenzt ist. Dies sollte beachtet werden, wenn es um die Auswahl der Interventionen geht.1

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Die Beschwerden bei Hyperhidrose und übermäßigem Erröten sind aus gesundheitlicher Sicht harmlos und können durch das Verstehen von Ursachen und auslösenden Mechanismen gelindert werden.
  • Es stehen mehrere konservative Therapiemaßnahmen zur Verfügung, die einer Operation grundsätzlich vorzuziehen sind.
  • Die Erfolgsquote der endoskopischen transthorakalen Sympathektomie ist hoch, der Eingriff ist allerdings mit einem erheblichen Risiko für teilweise unvorhersehbare Nebenwirkungen verbunden.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinie

  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Definition und Therapie der primären Hyperhidrose. AWMF-Leitlinie Nr. 013-059. S1, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

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  3. Schlereth T. Hyperhidrose – Ursachen und Therapie von übermäßigem Schwitzen. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(3): 32-7. www.aerzteblatt.de
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  13. Bundesinstitut für Risikobewertung. Aluminiumhaltige Antitranspirantien tragen zur Aufnahme von Aluminium bei. Stellungnahme Nr. 007/2014, 2014. Zugriff 12.022023. mobil.bfr.bund.de
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Autor*innen

  • Christina Weingartner, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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