Allgemeine Informationen
Definition
- Leitsymptom Schmerzen im Gesichtsbereich (orofaziale Schmerzen) mit vielfältigen, zahnärztlichen und nicht-zahnärztlichen Ursachen1-2
- Unterscheidung primärer und sekundärer Gesichtsschmerzen (analog zu Kopfschmerzen)3
- Sekundäre Schmerzen: Gesichtsschmerz ist Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung (z. B. Rhinosinusitis).
- Primäre Schmerzen: Gesichtsschmerz stellt die Erkrankung dar und hat oft kein greifbares organisches Korrelat.
Klassifikation
ICOP-Klassifikation (2020)2-3
- Eigenständige Klassifikation der Gesichtsschmerzen gemäß der Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen (ICOP)2
- vor 2020 eingegliedert in die Kopfschmerz-Klassifikation ICHD-34
- Unterteilung der orofazialen Schmerzen in 6 Gruppen:
- Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Erkrankungen und Dysfunktionen dentoalveolärer und anatomische benachbarter Strukturen.
- 1.1 Zahnschmerz
- 1.2 Schmerzen der Mundschleimhaut, Speicheldrüsen sowie
Kieferknochen
- Myofaszial-orofaziale Schmerzen
- 2.1 primäre myofasziale Gesichtsschmerzen
- 2.2 sekundäre myofasziale Gesichtsschmerzen
- Kiefergelenksschmerzen
- Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkrankung der Hirnnerven.
- 4.1 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus trigeminus (Trigeminusneuralgie)
- 4.2 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus glossopharyngeus
- Orofaziale Schmerzen mit Ähnlichkeit zu primären Kopfschmerzerkrankungen
- 5.1 faziale Migräne
- 5.2 spannungsartiger Gesichtsschmerz
- 5.3 trigemino-autonome Gesichtsschmerzen
- 5.4 neurovaskuläre Gesichtsschmerzen
- Idiopathische orofaziale Schmerzen
- 6.1 Burning-Mouth-Syndrome (BMS)
- 6.2 persistierender idiopathischer Gesichtsschmerz
- 6.3 persistierender idiopathischer dento-alveolärer Schmerz
Häufigkeit
- Symptom Gesichtsschmerz mit Lebenszeitprävalenz von bis zu 26 % in der Allgemeinbevölkerung5
- In der Mehrheit der Fälle dentale Ursache der Gesichtsschmerzen3
- Häufigste nicht-zahnärztliche Ursache für Gesichtsschmerzen ist die temporomandibuläre Dysfunktion (TMD).1
- Inzidenz der Trigeminusneuralgie: 12,6–29,8 /100.000 Personenjahre6
- Anhaltende, idiopathische Gesichtsschmerzen sind vergleichsweise selten.3,7-8
- Inzidenz von ca. 4,4/100.000 Personenjahre8
- 90 % Frauen (mittleres Alter bei Diagnosestellung: 45 Jahre)9
Konsultationsgrund
- In der Regel sind die Schmerzen der Konsultationsgrund.
Diagnostische Überlegungen
- Gesichtsschmerzen stehen im Bereich zwischen verschiedenen medizinischen Professionen (Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Kieferchirurgie, HNO, Neurologie, Schmerztherapie).1-3
- häufig zahnärztliche Erstvorstellung bei Manifestation3
- wenig Schnittstellen mit Spezialist*innen in der Behandlung nichtdentaler Gesichtsschmerzen
- Risiko unnötiger Eingriffe (z. B. Zahnextraktionen)3
- Fortgeleitete Schmerzen anderer Lokalisation können das Gesicht betreffen.
- z. B. Ausstrahlung von Kopfschmerzen auch in das Gesicht bei etwa 10 % der Patient*innen3
- Häufig liegen bei anhaltenden Gesichtsschmerzen Komorbiditäten vor.1
- Siehe auch verwandte Artikel:
Abwendbar gefährliche Verläufe
ICPC-2
ICD-10
- B02.3 Zoster ophthalmicus
- G44.0 Cluster-Kopfschmerz
- G50 Krankheiten des N. trigeminus [V. Hirnnerv]
- G50.1 Atypischer Gesichtsschmerz
- H20 Iridozyklitis
- H40 Glaukom
- H48 Erkrankung des N. opticus und Sehbahnen bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- J01 Akute Sinusitis
- K02 Zahnkaries
- K05 Gingivitis und Krankheiten des Parodonts
- K07.6 Krankheiten des Kiefergelenkes: Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
- M31.6 Arteritis temporalis
- R51 Kopfschmerz
Differenzialdiagnosen
Attackenartige Gesichtsschmerzen
Trigeminusneuralgie
- Siehe Artikel Trigeminusneuralgie.
- Definition und Ursache
- neuropathisches Gesichtsschmerzsyndrom mit Neuralgie des N. trigeminus (V)2-3,7
- Klassifikation nach ICOP2-3
- klassisch: neurovaskulärer Kontakt mit Verlagerung des N. trigeminus
- sekundär: zurückzuführen auf Grunderkrankung (z. B. multiple Sklerose in 2–3 % aller Fälle)11
- idiopathisch: ohne Nachweis eines Korrelats
- Häufigkeit
- Lebenszeitprävalenz von 0,16–0,3 %3
- Erkrankungsgipfel zwischen 60 und 70 Jahren3,11
- Symptome
- Schmerzcharakter: extrem heftige, elektrisierende und stechende Schmerzen3,7,11
- Lokalisation: einseitig im Versorgungsgebiet des N. trigeminus
- Verlauf: blitzartig einschießende Attacken über sec, selten bis zu 2 min; zusätzlicher Dauerschmerz möglich3,7,11
- Auslöser: spontan oder getriggert durch z. B. Berührung, Kauen, Sprechen11
- Diagnostik
- Diagnosestellung primär klinisch7
- MRT-Bildgebung zur Abklärung von Ursachen3,7,11
- Therapie
- primär medikamentöse Behandlung, z. B. mit Carbamazepin2-3,7,11
- bei Gefäß-Nerven-Kontakt ggf. mikrovaskuläre Dekompressionsoperation
Glossopharyngeusneuralgie
- Siehe Artikel Glossopharyngeusneuralgie.
- Definition und Ursache
- neuropathisches Schmerzsyndrom mit Neuralgie des N. glossopharyngeus (IX)2
- Analog zur Trigeminusneuralgie: Die häufigste Ursache ist eine neurovaskuläre Kompression.11
- Häufigkeit
- selten, Inzidenz 0,2–0,4/100.000 Personenjahre11
- Symptome
- Attacken mit starken einschießenden, elektrisierenden Schmerzen von sec bis zu 2 min; zusätzlicher Dauerschmerz möglich
- Auslöser: Schlucken, Sprechen und Husten2
- Lokalisation: Versorgungsbereich des N. glossopharyngeus und der aurikulären/pharyngealen Äste des N. vagus (Ohr, Zungengrund, Tonsillenloge, unterhalb des Kieferwinkels)2,11
- Diagnostik
- klinische Diagnose; MRT zur Ursachenabklärung
- Therapie
- primär medikamentöse Therapie, z. B. mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin2
- bei Versagen ggf. mikrovaskuläre Dekompressionsoperation2,11
Cluster-Kopfschmerz
- Siehe Artikel Cluster-Kopfschmerz.
- Definition und Ursache
- primäre Kopfschmerzerkrankung aus der Gruppe der trigeminoautonomen Kopfschmerzen3,6
- andere trigeminoautonome Kopfschmerzsyndrome
- paroxysmale Hemikranie
- SUNCT-Syndrom/SUNA-Syndrom
- Hemicrania continua
- Häufigkeit
- Prävalenz des Cluster-Kopfschmerzes von 0,1–0,2 %6
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen (3:1).
- Der Subtyp des fazialen Cluster-Kopfschmerzes betrifft 14,8 % aller Cluster-Patient*innen.3
- Symptome
- kurz andauernde, starke, streng einseitige Kopfschmerzattacken6
- Episodendauer auch bei orofazialer Clusterattacke 15–180 min3
- Frequenz: eine Attacke jeden 2. Tag bis zu 8 Attacken/Tag2
- begleitend ipsilaterale autonome Symptome2-3,6
- Lakrimation, konjunktivale Injektion, Rhinorrhö, Schwitzen, Hautrötung, Horner-Syndrom, Unruhe
- Diagnostik
- Diagnose durch Anamnese und klinisch-neurologische Untersuchung6
- Therapie
- Akuttherapie mit Sauerstoffinhalation oder Triptanen6,12
- Prophylaxe z. B. mit Verapamil oder Topiramat3,6
Faziale Migräne
- Siehe Artikel Migräne.
- Definition und Ursache
- Häufigkeit
- Prävalenz von 20 % bei Frauen und 8 % bei Männern13
- Der Subtyp der orofazialen Migräne betrifft 2,3 % aller Migräne-Patient*innen.3
- Symptome
- episodenhafter, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerz13
- bei orofazialer Migräne Gesichtsschmerzattacken mit oder ohne Kopfschmerzen von 4–72 Stunden Dauer2-3,13
- begleitend Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80 %), Erbrechen (40–50 %), Lichtscheu (60 %), Lärmempfindlichkeit (50 %)13
- Therapie
- Akuttherapie mit ASS oder NSAR, bei schweren Attacken ggf. Triptane2-3,13
Anhaltende Gesichtsschmerzen
Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz (Persistent Idiopathic Facial Pain, PIFP)
- Definition und Ursache
- Syndrom mit anhaltenden orofazialen Schmerzen für mehr als 2 Stunden täglich2-3,8
- chronische Schmerzerkrankung mit unklarem Pathomechanismus3,11
- Synonym: „atypischer“ Gesichtsschmerz3,11
- Häufigkeit
- selten, Inzidenz von 4,4/100.000 Personenjahre3,8
- überwiegend Frauen betroffen (ca. 90 %)8
- Symptome
- Verlauf: stetige, teils fluktuierende Beschwerden über mindestens 2 Stunden pro Tag2-3
- Lokalisation: schlecht zu lokalisierender Gesichtsschmerz, nicht sicher einem Innervationsgebiet zuzuordnen, ein- oder beidseitig, Ausstrahlung und Ausbreitung, auch z. B. in den Hals möglich.2-3,11
- Charakter: dumpf, drückend oder quälende Qualität2
- Der Schlaf ist meistens nicht durch den Schmerz gestört.3
- Diagnostik
- Therapie
- Aufklärung, Patientenedukation und Verhaltenstherapie8,11
- Vermeidung operativer Eingriffe8,11
- Eingriffe wie Zahnextraktionen führen oft zur Verschlechterung.
- medikamentöse Therapie (u. a. Antidepressiva, Antikonvulsiva)3,8,11-12
Syndrom des brennenden Mundes (Burning-Mouth-Syndrom, BMS)
- Siehe Artikel Burning-Mouth -Syndrom (BMS).
- Definition und Ursache
- Syndrom mit anhaltenden Missempfindungen in der Mundhöhle für mehr als 2 Stunden täglich2
- Genese der Erkrankung noch unverstanden2
- Häufigkeit
- Inzidenz ca. 11,4 je 100.000 Personen
- häufig bei Frauen in den Wechseljahren2
- Symptome
- Verlauf: anhaltende, fluktuierende Beschwerden
- Lokalisation: oberflächlich in der Mundschleimhaut, meist beidseitig2
- Charakter: in erster Linie brennende Missempfindungen
- Mundtrockenheit und Geschmacksstörungen sind häufige Begleitsymptome.2
- Diagnostik
- Ausschlussdiagnose: klinisch unauffällige Mundschleimhaut und keine lokalen oder systemischen Ursachen eruierbar2
Sekundäre Gesichtsschmerzen
Akute Rhinosinusitis
- Siehe Artikel Rhinosinusitis.
- Definition und Ursache
- akute Entzündung der Nasenschleimhaut mit gestörtem Abfluss und gestörter Ventilation der Nasennebenhöhlen
- am häufigsten viral im Rahmen einer Erkältung14
- meist Sinus maxillaris betroffen, seltener Sinus ethmoidalis, frontalis oder sphenoidalis
- chronische Sinusitis bei Dauer > 3 Monate
- Häufigkeit
- sehr häufige Erkrankung
- ca. 14,5 Mio. Sinusitis-Fällen pro Winter in Deutschland14
- Symptome
- Gesichtsschmerzen sind ein typisches Symptom.14
- Lokalisation um die Augen, an der Stirn oder an den Zähnen
- meist einseitig oder seitenbetont auftretend
- Begleitsymptome14
- Diagnostik
- primär klinische Diagnosestellung14
- Therapie
- in unkomplizierten Fällen symptomatische Therapie, z. B. mit Sekretolytika und abschwellenden Nasensprays
- in schweren Fällen ggf. Antibiose (1. Wahl: Amoxicillin 3 x 500 mg/d)14
- bei odontogener eitriger Sinusitis ggf. operatives Verfahren15
Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)
- Siehe Artikel Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD).
- Definition und Ursache
- Schmerzen im Zusammenhang mit der Kaumuskulatur, dem Kiefergelenk und benachbarten Strukturen (myofaszial-orofaziale Schmerzen)2
- Auftreten mit oder ohne funktionelle Beeinträchtigung
- Häufig sind Myalgien des M. temporalis und M. masseter.2
- Häufigkeit
- geschätzt 5–12 % der Bevölkerung1
- häufigste nicht-zahnärztliche Ursache für Gesichtsschmerzen1
- Symptome
- episodisch bzw. anhaltende sowie akut bzw. chronische Verläufe2
- Kiefergelenksschmerzen mit z. T. fortgeleiteten Gesichtsschmerz (Schmerzübertragung)2-3,16
- oft eingeschränkte oder schmerzhafte Beweglichkeit des Kiefergelenks
- begleitende Kopf-, Nacken- oder Ohrenschmerzen möglich
- Klinischer Befund
- Einschränkung der Kieferöffnungsbewegung2
- Modifikation der Schmerzen durch Kieferbewegungen oder Palpation des M. temporalis oder M. masseter2
- Therapie
- oft selbstlimitierend, ggf. Vermeidung von Stress, Entspannungsverfahren und Behandlung von Zähneknirschen
Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates
- Siehe Artikel Beschwerden in der Mundhöhle.
- Definition und Ursache
- verschiedene Erkrankungen der Zähne (z. B. Karies) oder der benachbarten Strukturen (Parodontitis)
- Häufigkeit
- dentale Erkrankungen häufigste Ursache für Gesichtsschmerzen1
- Symptome
- Schmerz häufig anhaltend oder provozierbar (mechanisch, thermisch)
- mögliche Übertragung/Ausstrahlung von Schmerzen bei dentalen Erkrankungen zu anderen orofazialen Stellen2
- Diagnostik
- zahnärztliche Untersuchung und ggf. Röntgenbildgebung
Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
- Siehe Artikel Riesenzellarteriitis.
- Der gesamte Abschnitt beruht auf dieser Referenz.17
- Definition und Ursache
- systemische Vaskulitis der großen Gefäße
- Betrifft häufig Äste der A. carotis externa (z. B. A. temporalis), die A. ophthalmica oder den Aortenbogen und seine Äste.
- Häufigkeit
- häufigste primäre systemische Vaskulitis
- Prävalenz von 15–44/100.000
- Betrifft nahezu ausschließlich Patient*innen > 50 Jahre.
- Symptome
- Leitsymptom sind bohrend-stechende Kopfschmerzen, häufig unilateral
- Claudicatio masticatoria (ca. 30 %): neue oder zunehmende Schläfenschmerzen beim Kauen
- Gefahr der Erblindung bei Befall der Ciliararterien und anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (AION)
- Diagnostik
- Diagnosestellung entsprechend ACR-Kriterien
- Klinisch schmerzhafte Palpation der A. temporalis und abgeschwächte Pulsation
- Labor: BSG (Sturzsenkung) und CRP erhöht
- Sonografie und ggf. Biopsie der A. temporalis
- Therapie
- hochdosierte Kortikosteroidtherapie
- evtl. Tocilizumab; MTX als Off-Label-Use
Zoster und Post-Zoster-Neuralgie
- Siehe die Artikel Zoster und Post-Zoster-Neuralgie.
- Definition und Ursache
- Reaktivierung Infektion mit Varizella zoster (VZV) mit akuter Neuritis10
- Zoster betrifft in 10–15 % einen oder mehrere Äste des N. trigeminus.2
- Zoster ophthalmicus bezeichnet eine Beteiligung des 1. Trigeminusasts (Nervus ophthalmicus).
- Post-Zoster-Neuralgie (postherpetische Neuralgie) bezeichnet persistierende Schmerzen nach Abheilen des Zosters.10
- Häufigkeit
- etwa 750.000 Zoster-Erkrankungen pro Jahr in Deutschland10
- Insbesondere Menschen über 50 Jahre sind betroffen.
- Post-Zoster-Neuralgie bei etwa 10 % aller Patient*innen nach Zoster
- Symptome
- einseitige Schmerzen im betroffenen Versorgungsgebiet des Nervs2,10
- Charakter: brennend, stechend/einschießend, kribbelnd oder schmerzend2
- im Verlauf Ausbildung von typischen Bläschen auf geröteter Haut
- Post-Zoster-Neuralgie mit Brennen und Jucken betrifft dasselbe Areal und persistiert nach dem Zoster2,10
- Komplikationen
- Diagnostik
- in der Regel klinische Diagnose, ggf. Erregernachweis (PCR)2,10
- Therapie
- antivirale Therapie des Zosters (z. B. Aciclovir), in schweren Fällen auch intravenös10
- bei Zoster ophthalmicus augenärztliche Mitbeurteilung
- Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie entsprechend der Grundsätze einer Therapie neuropathischer Schmerzen1
Weitere Ursachen sekundärer Gesichtsschmerzen
- Akuter Glaukomanfall
- intraokuläre Drucksteigerung bei engem Kammerwinkel
- klinisch gerötete und schmerzende Augen mit Visusminderung
- Ophthalmologischer Notfall, der zur Erblindung führen kann.
- Iridozyklitis und Uveitis
- meist einseitige Schmerzen mit Rötung, Visusminderung, Tränenfluss
- Tolosa-Hunt-Syndrom11
- seltene Erkrankung mit granulomatös-lymphozytärer Entzündung im Bereich der Orbita
- Schmerzen in der Orbita und Lähmungen der Augenmuskulatur
- Zervikogene Schmerzen
- Funktionsstörungen der oberen HWS-Segmente und der Halsmuskulatur können zu Gesichtsschmerzen führen.2,14
- Karotisdissektion
- Dissektionen der Halsarterien mit Hämatombildung in der Gefäßwand
- Hals-, Nacken-, Gesichts- oder Kopfschmerzen mit neurologischen Defiziten
- Ohrenschmerzen mit Schmerzausbreitung
- Solide Tumoren im Gesichtsbereich
- Myositis mit Beteiligung der Gesichts-/Kaumuskulatur2
- Neuropathische Gesichtsschmerzen
- oft nach Gesichtstraumata oder Resektion von Gesichtstumoren3
Anamnese
Schmerzanamnese
- Lokalisation1
- einseitige oder beidseitige Schmerzen
- im Versorgungsgebiet eines Astes des N. trigeminus (V)
- N. ophthalmicus (V1)
- N. maxillaris (V2)
- N. mandibularis (V3)
- Schmerzprojektion und Ausbreitung möglich
- Zeitlicher Verlauf1,3,11
- anhaltend oder attackenartig
- Frequenz der Episoden
- Dauer der Episoden3
- Intensität und Schmerzcharakter1,3,11
- stärkste, einschießend-elektrisierende Schmerzen typisch für Trigeminusneuralgie
- brennend-juckende Schmerzen und Missempfindungen bei Post-Zoster-Neuralgie
- drückende Gesichtsschmerzen häufig bei Sinusitis
- Auslösende oder modifizierende Faktoren1,3,11,16
- heiße, kalte oder süße Lebensmittel
- Schmerzzunahme beim Kauen (Claudicatio masticatoria)
- elektrisierende Schmerzen schon bei geringer Berührung (Allodynie)
- Provokation durch Bewegung der HWS, Kopfhaltung oder Druck auf die Muskulatur
- körperliche Aktivität
- Stress und Müdigkeit
Begleitsymptome
- Vegetative oder autonome Begleitsymptome
- Licht- und Lärmempfindlichkeit oder Übelkeit
- Visusminderung
- Nächtliches Zähneknirschen
- Fieber und Verschlechterung des Allgemeinzustands18
- Andere chronische Schmerzsyndrome, z. B. Fibromyalgiesyndrom
- Psychische Komorbidität, z. B. Depression und Angst
Klinische Untersuchung
- Inspektion des Gesichts
- Rötung und Effloreszenzen im schmerzhaften Areal bei Zoster
- Orientierender Zahnstatus
- Prüfung der Kieferöffnungsbewegung und Palpation von M. temporalis und M. masseter2-3
- Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule und Palpation auf muskuläre Triggerpunkte
- Bulbusdruck- und Augenbewegungsschmerz
- Palpation der A. temporalis superficialis
- Prüfung der Nervenaustrittspunkte (Trigeminusdruckpunkte)
- Prüfung der Sensibilität
- Funktionsprüfung der Hirnnerven
Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*innen
- Zerebrale Bildgebung (MRT, seltener CT)1-3,7-8,18
- bei zahlreichen Gesichtsschmerzsyndromen zum Ausschluss symptomatischer Ursachen indiziert
- Duplexsonografie der Halsgefäße und der A. temporalis17
- Elektrophysiologische Diagnostik
- bei diagnostischen Unsicherheiten und zur Ausschlussdiagnostik bei idiopathischen Gesichtsschmerzsyndromen2-3
- Labordiagnostik
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- In vielen Fällen kann eine hausärztliche Behandlung erfolgen.
- Häufige Ursachen sind oft selbstlimitierend, z. B. akute Rhinosinusitis.
- Bei dentalen Beschwerden Überweisung an Zahnärzt*innen
- z. B. auch zur Anpassung einer Beißschiene bei Zähneknirschen
- Abhängig von der Manifestation und vermuteten Ursache Überweisung an Neurolog*innen, HNO-Ärzt*innen oder Augenärzt*innen
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Bei erstmaligen, akuten und starken Gesichtsschmerzen kann eine Krankenhauseinweisung notwendig sein.
Empfehlungen
- Die Behandlung richtet sich nach der ursächlichen Erkrankung.
- bei sekundärem Gesichtsschmerz abhängig von der Ursache oft kausale Therapieansätze3
- bei primären Gesichtsschmerzen oft symptomatische oder multimodale Therapien
- Zusammenarbeit mit Zahnärzt*innen und Kieferchirurg*innen von zentraler Bedeutung3
- z. B. Vermeidung operativer Eingriffe bei gesundem Zahnstatus3,5,8,11
- Symptomatische Therapie
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Weitere Informationen
Video
Illustrationen
Nervus trigeminus (V) und seine Äste (V1-V3)
Quellen
Leitlinien
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- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Rhinosinusitis. AWMF-Leitlinie Nr. 017-049. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-036, S1, Stand 2015. www.awmf.org
Literatur
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www.awmfdgn.org
Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Hamburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
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Leitsymptom Schmerzen im Gesichtsbereich (orofaziale Schmerzen) mit vielfältigen, zahnärztlichen und nicht-zahnärztlichen Ursachen1-2 Unterscheidung primärer und sekundärer Gesichtsschmerzen (analog zu Kopfschmerzen)3
Sekundäre Schmerzen: Gesichtsschmerz ist Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung (z. B. Rhinosinusitis).
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