Beschwerden in der Mundhöhle

Allgemeine Informationen

Definition

  • Beschwerden im Bereich von Zahnapparat, Mundschleimhaut und Zunge
  • Akute Schmerzzustände im Bereich der Mundhöhle sind oftmals behandelbar.
  • Läsionen in der Mundhöhle können auch Manifestationen einer systemischen Erkrankung sein.1

Häufigkeit

  • Beschwerden der Mundhöhle sind ein häufiger Konsultationsgrund.

Diagnostische Überlegungen

  • Zahnschmerzen sind von akuten Schmerzzuständen der Mundschleimhaut zu unterscheiden.
  • Zahnschmerzen
    • Akute Schmerzen treten häufig im Zusammenhang mit Infektionen der Zahnpulpa oder des Parodonts – dem aus Knochengewebe und Schleimhaut bestehenden Zahnhalteapparat – auf.
  • Nozizeptive Schmerzen sind abzugrenzen von neuropathischen und idopathischen/somatoformen Schmerzsyndromen.1-3

ICPC-2

  • D19 Zahn-/Zahnfleischsympt./-beschw.
  • D20 Mund-/Zungen-/Lippenbeschwerden
  • D83 Mund-/Zungen-/Lippenerkrankung

ICD-10

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
  • F45.5 Anhaltende Schmerzstörung
  • G50 Krankheiten des N. trigeminus [V. Hirnnerv]
  • G52.1 Krankheiten des N. glossopharyngeus [IX. Hirnnerv]
  • K02 Zahnkaries
  • K04 Krankheiten der Pulpa und des periapikalen Gewebes
  • K05 Gingivitis und Krankheiten des Parodonts
  • K12 Stomatitis und verwandte Krankheiten
  • K14 Krankheiten der Zunge

Differenzialdiagnosen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5

Zahnschmerzen

Karies-Folgeerkrankungen

  • Pulpitis
    • Eine Infektion der Zahnpulpa kann recht schmerzhaft sein und mit halb- bis mehrstündigen Schmerzattacken einhergehen.
    • Schwellungen oder Palpationsempfindlichkeit der Zähne oder Schleimhaut liegen bei einer Pulpitis nicht vor.
    • Temperaturveränderungen können die Symptome verstärken, bei einigen Patient*innen führt kaltes Wasser allerdings zur Schmerzlinderung.
    • Eine Pulpitis erfordert eine zahnärztliche Behandlung. Die entzündete Pulpa ist zu entfernen.
  • Wurzelspitzenentzündung
    • Es handelt sich um eine Entzündung des Knochengewebes im Bereich rund um die Wurzelspitze eines Zahns, die infolge einer Nekrose und bakteriellen Wachstums in der Zahnpulpa auftritt.
    • Häufig geht der Nekrose eine langanhaltende symptomfreie Infektion der Pulpa voran, die ihrerseits auf einer tiefen Kariesinfektion oder Rissen in den Zähnen beruht.
    • Eine periapikale Entzündung kann dazu führen, dass der Zahn geringfügig aus seiner Alveole herausgedrängt wird; er fühlt sich dann zu hoch an, und das Zusammenbeißen der Zähne verursacht Schmerzen.
    • Der betroffene Zahn ist häufig berührungsempfindlich, eine Palpation der die Zahnwurzel umgebenden Schleimhaut kann schmerzhaft sein.
    • Mitunter können eine diffuse Schwellung im Gesicht, vergrößerte Lymphknoten und Fieber beobachtet werden.
    • Eine Zahnwurzelentzündung erfordert eine zahnärztliche Behandlung. Eine Drainage des Eiters ist erforderlich.

Pulpainfarkt aufgrund von Zahnschäden

  • Tritt häufig infolge eines Traumas der Schneidezähne auf.
  • Es kann zu einer Infektion im Bereich des Infarkts mit anschließender Wurzelentzündung kommen.
  • Die Blutpigmente im Dentin führen oftmals zu einer bläulichen oder gräulichen Verfärbung der betroffenen Zähne.

Parodontitis

  • Bei einer Infektion der tiefen Zahnfleischtaschen infolge einer langwierigen marginalen Parodontitis können Symptome auftreten, die denen einer Wurzelentzündung stark ähneln.
  • Es kann zu diffusen Schwellungen im Gesicht, vergrößerten Lymphknoten und Fieber kommen.
  • Eine zahnärztliche Behandlung, bei der entstehender Eiter mittels Drainage abgeleitet wird, ist erforderlich.

Kieferhöhlenentzündung

  • Eine Kieferhöhlenentzündung kann sich in Form von Zahnschmerzen äußern.
  • Häufig klagen Patient*innen über Schmerzen in mehreren Zähnen.
  • Die Zähne sind nicht, wie etwa bei einer Wurzelentzündung, berührungsempfindlich und reagieren auch nicht auf eine Temperaturveränderung, wie es bei einer Pulpitis der Fall wäre.

Postoperative Beschwerden

  • Schmerzen und Schwellungen sind nach zahnchirurgischen Behandlungen nicht ungewöhnlich. Nach einer Weisheitszahnoperation können Patienten überdies zeitweilig Probleme haben, den Mund weit zu öffnen.
  • Zuweilen kommt es vor, dass Patient*innen ärztliche Hilfe suchen, weil sie meinen, an einer postoperativen Wundinfektion zu leiden.
  • Infektionen sind nach zahnchirurgischen Eingriffen allerdings eher ungewöhnlich. Symptome, die auf eine Infektion hinweisen können, sind pochende Schmerzen und Fieber.

Schmerzzustände der Mundschleimhaut

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2,5

Aphthöse Stomatitis

  • Rezidivierende orale Ulzerationen
  • 15‒20 % der Bevölkerung sind davon betroffen.
  • Meist idiopathisch mit familiärer Häufung
    Aphthe
    Aphthe
  • Häufiger bei systemischen Erkrankungen (s. u.) wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie, Morbus Behçet oder HIV-Infektion.

Orale Herpes-simplex-Infektion

  • Rezidivierend
    • Als typische Lokalisation gilt der harte Gaumen auf Höhe des ersten Molaren.
    • Zu den klassischen Symptomen zählen Rötung, Ödeme und kleine Vesikel, die aufplatzen und Ulzerationen freilegen.
    • Normalerweise tritt innerhalb von 1–2 Wochen eine spontane Heilung ein.
      Mundfäule.jpg
      Schleimhautulzera bei oraler Herpes-simplex-Infektion
  • Akute Gingivostomatitis herpetica
    • Äußert sich in Form von multiplen Ulzerationen in der Mundschleimhaut, die sowohl auf der Zunge als auch auf dem Zahnfleisch deutlich sichtbar sind.
    • Die anfänglich kleinen Ulzerationen verschmelzen im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf zu größeren, fibrinös belegten, schmerzhaften Ulzerationen.
    • Regionale Lymphknotenschwellungen sind typisch, auch Fieber kann vorkommen.

Mykose der Mundschleimhaut

  • Meist hervorgerufen durch Candida albicans (> 85 %)
    Human_tongue_infected_with_oral_candidiasis.jpg
    Candidainfektion (Abbildung zur Verfügung gestellt von James Heilman)
     
  • Häufig bei geschwächtem Immunsystem und bei Prothesennutzung
  • Wunden, Schmerzen im Mund, Zungenbrennen, Geschmacksstörungen 
  • Schmerzhafte cremefarbene Flecken auf erythematöser Schleimhaut in der Mundhöhle

Kontaktallergie in der Mundhöhle

  • Brennen, Schmerzen, Parästhesie, Taubheit, übler Geschmack, erhöhte Speichelproduktion, perioraler Pruritus
  • Evtl. erythematöse Läsionen, Erosionen, Ulzerationen, Leukoplakien, orale lichenoide Reaktionen, Kontakturtikaria
  • Allergenvermeidung, evtl. topische Kortikosteroide

Nekrotisierende Gingivitis

  • Es handelt sich um eine akute, schmerzhafte Zahnfleischentzündung, die sich durch typische, fibrinös belegte Ulzerationen äußert. Diese beschränken sich anfangs auf die Zahnzwischenräume, greifen aber später auch auf die faziale Gingiva über.
  • Die nekrotisierende Gingivitis geht mit starkem Mundgeruch einher.
  • Unbehandelt kann sie auf den Zahnhalteapparat übergreifen.
  • Eine zahnärztliche Behandlung mit gründlicher Reinigung und evtl. chirurgischer Korrektur der Gingiva ist zwingend erforderlich.

Durchbruch der Weisheitszähne

  • Jüngere Patient*innen neigen beim Durchbruch der Weisheitszähne zu akuten Infektionen des Zahnfleisches rund um den Zahn.
  • Es kann zu Gesichts- und Schleimhautschwellungen kommen.
  • Zu den typischen Symptomen zählen pochende Schmerzen sowie Probleme beim Öffnen des Mundes.

Mundtrockenheit

  • Beispielsweise bei:
    • Sjögren-Syndrom (s. u.)
    • Nebenwirkungen von Bestrahlung/Chemotherapie
    • Nebenwirkungen von Medikamenten, z. B. ACE-Hemmer, trizyklische Antidepressiva, Anticholinergika
    • veränderte Speichelzusammensetzung
    • altersbedingte Xerostomie.
  • Brennen der Schleimhaut, oft veränderte Geschmackswahrnehmung und Missempfindungen beim Essen

Neuropathische Schmerzen in der Mundhöhle

  • Schädigungen des 3. Trigeminusastes (V3)6
    • attackenartige Schmerzen
    • klar abgrenzbare und anatomisch plausible Lokalisation der Beschwerden
    • meist unilateral
    • Schmerzauslösung durch Kauen, Berührung etc.
    • Näheres siehe Artikel Trigeminusneuralgie.
  • Glossopharyngeusneuralgie
    • Anfallsartige Schmerzen im Bereich, der von den Hirnnerven IX (Nervus glossopharyngeus) und X (Nervus vagus) innerviert wird.
    • einseitige Schmerzen im Rachen, unter dem Kieferwinkel, an der Zungenbasis, an den Mandeln oder im Ohr

Idiopathischer orofazialer Schmerz2,6

  • Burning-Mouth-Syndrom
    • multifaktorielles Schmerzsyndrom
    • Missempfindungen, Schmerzen und Brennen an der Zunge und in der Mundhöhle
    • In der Regel nicht durch klinische Befunde oder Laborbefunde erklärbar
    • Genese ungeklärt (somatoform? neuropathisch? hormonell?)
  • Orofaziale Schmerzen, die dem Erscheinungsbild primärer Kopfschmerzen ähneln.
    • Klinisches Bild ähnelt dem der jeweiligen primären Kopfschmerzform und spricht oft auf die jeweils spezifischen Therapien an, z. B. spricht die orofaziale Migräne oft auf Triptane an.
    • Unterformen
      • orofaziale Migräne
      • orofazialer Schmerz vom Spannungstyp
      • trigeminal autonomer orofazialer Schmerz
  • Persistierender idiopathischer dentoalveolarer Schmerz (PIDAP)
    • früher als atypische Odontalgie, Phantomzahnschmerzen oder persistierender dentoalveolarer Schmerz (PDAP) bezeichnet
    • meist unilateraler Schmerz im Bereich der Zähne und Alveolen
    • Eine Zuordnung zu einem sensorischen Areal eines peripheren Nervens ist nicht möglich.
    • täglich über mehr als 2 Stunden anhaltend
    • mindestens seit 3 Monaten persistierend
    • mit oder ohne auslösendes Ereignis (z. B. Wurzelkanalbehandlung, Zahnextraktion oder Implantation)
    • evtl. Zunahme unter Stress
    • Cave: unnötige zahnärztliche Eingriffe!
    • Häufig psychische Begleiterkrankungen; nach Ausschluss dentogener oder neurogener Ursachen ist eine psychotherapeutische Mitbehandlung ratsam.

Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)

  • Verspannungen der Kiefermuskulatur können zu Schmerzen in der Mundhöhle führen.
  • Beschwerden remittieren meist spontan.
  • Evtl. Stressbewältigungstechniken, Entlastung des Kiefers, Kühlung, Beißschiene oder Zahnregulierung

Systemische Erkrankungen

Morbus Crohn

  • Bei 5–15 % der Patient*innen können orofasziale Manifestationen beobachtet werden.
  • Diese können aus diffusen Schwellung im Bereich der Lippen, des Zahnfleisch und der Wangenschleimhaut, Verdickungen der Wangenschleimhaut, rezidivierenden aphtösen Stomatitiden, mukosalen Hyperplasien in der Umschlagfalte der Wange, einer Gingivitis oder Mundwinkelrhagaden, auch Cheilitis angularis (Lippenentzündung der Mundwinkel), bestehen.

Colitis ulcerosa

  • Bei 5–10 % der Patient*innen können aphtöse Stomatitiden, Erytheme, Ulzerationen und Gingivitiden (Pyostomatitis vegetans) sowie Mundwinkelrhagaden beobachtet werden.
    Mundwinkelrhagaden
    Mundwinkelrhagaden

Zöliakie

  • Rund 40 % der Zöliakie-Patient*innen leiden unter rezidivierenden aphtösen Stomatitiden, erythematösen Mundschleimhäuten, Ulzerationen, Leukoplakien, lichenoiden Veränderungen und Mundtrockenheit.
  • Bei 50–89 % der Patient*innen können Zahnschmelzdefekte beobachtet werden.
  • Glossodynie und Stomatodynie können ebenfalls vorkommen und beruhen oftmals auf einer oralen Candidiasis und/oder Eisen- und Vitamin-B-Mangel.

Gastroösophagealer Reflux

  • Das Risiko für Zahnerosionen mit Substanzverlust, Exposition des darunterliegenden Dentins und einer dadurch entstehenden Dentin-Hyperästhesie ist erhöht.7-8

Anämie

  • Zu den potenziellen oralen Manifestationen zählen eine Papillenatrophie, Erytheme und eine Lobulierung des Zungenrückens, rezidivierende aphtöse Stomatitiden, eine orale Candidiasis, Mundwinkelrhagaden, Schmeckstörungen, brennende Schmerzen in der Mundschleimhaut und Parästhesien in der Zunge, Mundtrockenheit und eine verminderte Speichelproduktion.9-10

Leukämie

  • Orale Manifestationen in Form von Ulzerationen, Petechien, Ekchymosen, Hämatomen, spontanen Blutungen, gingivalen Schwellungen (leukämische Infiltrate, insbesondere bei AML und CML), Lymphknotenschwellungen, Infektionen (Herpes simplex/Zoster, Candidiasis) und granulozytären Sarkomen sind möglich.

Non-Hodgkin-Lymphom

  • Lymphome der Mundschleimhaut äußern sich oftmals als erythematöse und ulzeröse Schwellungen im Bereich des Gaumens, der Zunge, der Gingiva oder der Lippen, können aber auch im Kieferknochen auftreten.7,11
  • Bei rund 5 % aller Speicheldrüsen-Tumoren handelt es sich um ein NHL.

Sjögren-Syndrom

  • Orale Manifestationen stehen im Zusammenhang mit der reduzierten Speichelproduktion, die allerdings nicht spezifisch für das Sjögren-Syndrom ist.12

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

  • In der Mundschleimhaut können zuweilen diskoide Läsionen – wie beim diskoiden Lupus erythematodes – mit weißen Noduli und peripheren pinselstrichähnlichen Strichzeichnungen oder Erythemen oder Ulzerationen, insbesondere im Bereich des Gaumens, der Wangen und des Zahnfleischs, beobachtet werden.
  • Auch Mundtrockenheit, verminderte Speichelproduktion und brennende Schmerzen in der Mundschleimhaut können vorkommen.13

Sklerodermie

  • Rund 70 % der Patient*innen klagen über Mundtrockenheit, bei ca. 50 % liegt eine verminderte Speichelproduktion vor.
  • Darüber hinaus können Teleangiektasien in der Mundschleimhaut, reduzierte Beweglichkeit von Lippen und Zunge, Mikrostomie (kleine, zusammengezogene Mundöffnung) mit radialem Faltenmuster perioral sowie Dysphagie vorkommen.14
  • Radiologisch ist eine Erweiterung des Parodontal-Ligaments (Verbindung zwischen Zahnwurzel und Alveolarknochen) erkennbar.

Lichen ruber planus

  • In der Mundschleimhaut, insbesondere im Bereich von Wangen, Zunge, Gaumen und Gingiva, können oftmals symmetrische,
    Oraler Lichen ruber
    Oraler Lichen ruber
    netzartige Strichzeichnungen beobachtet werden. Der orale Lichen planus kann vom retikulären, erythematösen, ulzerösen, plaqueähnlichen oder papulösen Typ sein. Es können auch mehrere Arten gleichzeitig auftreten.15

Psoriasis

  • Ob orale Manifestationen bei der Psoriasis existieren, ist bislang noch unklar.16 (Stand März 2020)
    4842-2-geografisk-tunge-lingua-geographica.jpg
    Lingua geographica
    • Allerdings konnten rötliche, weißliche, granuläre und ulzerierte Läsionen der Mundschleimhaut, oftmals als Stomatitis migrans bezeichnet, beobachtet werden.12
    • Lingua geographica und Lingua plicata scheinen im Zusammenhang mit einer Psoriasis-Erkrankung ebenfalls vermehrt aufzutreten.

Pemphigus vulgaris und benignes bullöses Pemphigoid

  • In der Mundschleimhaut, wo sich oftmals die ersten Symptome der Erkrankung zeigen, entstehen Bullae, die bereits nach kurzer Zeit rupturieren und erosive Läsionen und Ulzerationen zurücklassen.15
  • Beim Pemphigus richten sich die Autoantikörper gegen die Antigene in den Desmosomen des Epithels, woraufhin die interzelluläre Adhäsion aufgehoben wird und sich intraepitheliale Bullae bilden.
  • Beim benignen bullösen Pemphigoid kommt es zur Ausbildung von Bullae und/oder einer Epitheldesquamation im Bereich der Mundschleimhaut.
  • Histopathologisch können subepitheliale Spalten beobachtet werden, die Autoantikörper richten sich gegen die Basalmembran.

Erythema multiforme exsudativum

  • Die charakteristischen oralen Manifestationen umfassen Maculae mit anschließenden Bullae, die rupturieren und konfluierende fibrinbelegte Ulzerationen hinterlassen; insbesondere Lippen, Wangen, Mundboden, weicher Gaumen und Gingiva sind betroffen.17

Amyloidose

  • In der Mundhöhle können eine Makroglossie (20 %) und zuweilen auch tiefe, rötliche Tumoren mit Petechien und Ekchymosen, Ulzerationen und Schwellungen der Speicheldrüsen, Mundtrockenheit und reduzierte Speichelproduktion beobachtet werden.17

Sarkoidose

  • Die orofaszialen Manifestationen bei einer Sarkoidose umfassen multiple, noduläre, unempfindliche Ulzerationen im Bereich von Gingiva, Wangenschleimhaut, Lippen und Gaumen sowie ein Anschwellen der großen Speicheldrüsen. Im Speicheldrüsengewebe können Epitheloidzell-Granulome nachgewiesen werden.18

Diabetes mellitus

  • Zu den häufigen Beschwerden bei Diabetes mellitus, insbesondere bei nicht-diagnostizierter oder schlecht eingestellter Erkrankung, zählen eine reduzierte Speichelproduktion und Xerostomie.
  • Bei schlecht eingestelltem Diabetes kann zudem ein gehäuftes Auftreten von Gingivitis, marginaler Parodontitis, oraler Candidiasis, Schwellungen der Glandulae parotideae und Schmeckstörungen sowie ein erhöhtes Kariesrisiko aufgrund einer dauerhaft hohen Glukosekonzentration in Blut und Speichel beobachtet werden.19

Hypothyreose

  • Im Zusammenhang mit einer Hypothyreose können Schwellungen der großen Speicheldrüsen, reduzierte Speichelproduktion und Xerostomie sowie Schmeckstörungen vorkommen.20

Nährstoffmangel

  • Vitamin B1, B2, B6, B12, Folsäure, Eisen, Zink u. a.
  • Brennen von Mundschleimhaut und Zunge, in der Regel an mehreren Lokalisationen

Anamnese

Wichtige Fragen

  • Schmerzen? Lokalisation?
  • Symptome oder Beschwerden vor der akuten Verschlimmerung?
  • Fieber?
  • Probleme beim Öffnen des Mundes?
  • Veränderung des Bisses?

Klinische Untersuchung

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-3
  • Untersuchung des Gesichts auf Schwellungen
  • Palpation von Muskeln, Gelenken, Speicheldrüsen, Lymphknoten
  • Untersuchung von Mundschleimhaut und Gingiva auf lokale oder umfangreichere Entzündungen und Ulzerationen
  • Verminderter Speichelfluss?
  • Sensibilitätsstörungen im trigeminalen Versorgungsgebiet?
  • Schmerzauslösung durch Berührung, Druck?
  • Schmeckstörungen?
  • Zähne: Verfärbungen, Dislokation, Palpationsempfindlichkeit?

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

Bei Spezialist*innen

  • Die weitere Diagnostik erfolgt bei Spezialist*innen: Je nach Fragestellung z. B. ZMK, HNO, Dermatologie, Rheumatologie und/oder Neurologie

Maßnahmen und Empfehlungen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2

Indikationen zur Überweisung

  • Die meisten Patient*innen mit Zahn- oder Zahnfleischbeschwerden sollten umgehend eine Zahnarztpraxis aufsuchen, Patient*innen mit Kiefergelenkbeschwerden eine kieferorthopädische Praxis.
  • Erkrankungen der Zunge und Mundschleimhaut fallen in das Gebiet der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.21
  • Erkrankungen der Lippen und Mundschleimhaut fallen in das Gebiet der Dermatologie.3
  • Neuropathische Schmerzen fallen in das Gebiet der Neurologie und Schmerzmedizin.
  • Idiopathische und somatoforme Schmerzsyndrome bedürfen häufig einer interdisziplinären Behandlung. Näheres siehe die Artikel Schmerzbehandlung, Grundsätze und Somatoforme Körperbeschwerden.

Empfehlungen

  • Akutbehandlung bei Zahnärzt*innen
    • Inzision von Abszessen, Wurzelbehandlung, Spülung mit antimikrobiellen Substanzen, Reponieren und Fixieren evtl. dislokierter Zähne oder Knochenbrüche
  • Schmerztherapie5
    • primär an der Grunderkrankung orientiert (siehe dort)
    • häufig indiziert
      • orale Analgetika (zeitlich begrenzt, systemische Nebenwirkungen und Wechselwirkungen beachten)
      • Lokalanästhetika, topische Applikation
      • Kühlung
    • Näheres siehe auch Artikel Schmerzbehandlung, Grundsätze.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Oraler Lichen ruber
Oraler Lichen ruber
Aphthe
Aphthe
Mundfäule.jpg
Schleimhautulzera bei oraler Herpes-simplex-Infektion
Human_tongue_infected_with_oral_candidiasis.jpg
Candidainfektion (Abbildung zur Verfügung gestellt von James Heilman)
Mundwinkelrhagaden
Mundwinkelrhagaden
4842-2-geografisk-tunge-lingua-geographica.jpg
Lingua geographica

Quellen

Literatur

  1. Remmerbach W und Reichardt T. Erkrankungen der Mundschleimhaut. 24.02.2016. www.zmk-aktuell.de
  2. Daubländer M, Hartmann A, Welte-Jzyk C. Der chronische Schmerzpatient in der zahnärztlichen Behandlung. ZMK Zahnheilkunde Management Kultur; 29.07.2019. www.zmk-aktuell.de
  3. Herzinger T. Erkrankungen der Lippen und der Mundhöhle. In: Plewig G, Ruzicka T, Kaufmann R, Hertl M (Hrsg.): Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Berlin, Heidelberg: Springer 2017. link.springer.com
  4. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2020. Stand 20.09.2019; letzter Zugriff 27.03.2020 www.dimdi.de
  5. Edens MH, Khaled Y, Napeñas JJ. Intraoral Pain Disorders. Oral Maxillofac Surg Clin North Am. 2016;28(3):275–288. doi:10.1016/j.coms.2016.03.008 DOI
  6. Belonliel R and Svensson P. International Classification of Orofacial Pain ICOP. Stand 2019. www.ihs-headache.org
  7. Long RG, Hlousek L, Doyle JL. Oral manifestations of systemic diseases. Mt. Sinai J Med 1998; 65: 309-15. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Bartlett DW, Evans DF, Anggiansah A et al. A study of the association between gastro-oesophageal reflux and palatal dental erosion. Br Dent J 1996; 181: 125-31. PubMed
  9. Osaki T, Ueta E, Arisawa K et al. The pathophysiology of glossal pain in patients with iron deficiency and anemia. Am J Med Sci 1999; 318: 324-9. PubMed
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  21. Boenninghaus HG und Lenarz T (Hrsg.): HNO. Heidelberg: Springer 2005.

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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