Trigeminusneuralgie

Bei der Trigeminusneuralgie treten Anfälle mit starken, kurzen, scharfen, blitzartig einschießenden Schmerzen auf, die vom sensiblen Gesichtsnerven (Trigeminusnerv) ausgehen.

Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Definition

Bei der Trigeminusneuralgie kommt es zu wiederkehrenden Anfällen, bei denen starke, kurze, scharfe Schmerzen im Versorgungsgebiet des sensiblen Gesichtsnervs (Nervus trigeminus) auftreten. Das Einsetzen der Schmerzen erfolgt meist blitzartig auf einen Reiz hin.

Der Trigeminusnerv ist ein Hirnnerv und teilt sich in seinem Verlauf in drei Äste auf. Bei einer Trigeminusneuralgie gehen die Schmerzen meist in der Regel vom 2. oder 3. Ast aus, die die mittleren und unteren Bereiche des Gesichts sensibel (Wahrnehmung von Druck, Berührung, Vibration, Schmerz, Temperatur) und teilweise auch motorisch (die Muskulatur steuernd) versorgen.

 

Trigeminus
Trigeminusnerv

 

Symptome

Der Gesichtsschmerz, der in der Regel einseitig auftritt, ist von starker Intensität und kann als elektroschockähnlich, schießend, stechend oder scharf beschrieben werden. Er kann für Sekunden oder in schweren Fällen sogar bis zu 2 Minuten anhalten.

Ausgelöst wird er durch harmlose Reize innerhalb des betroffenen Trigeminusastes z. B. Essen, Trinken, Sprechen, Zähneputzen und Berührungen des Gesichts. Auch ein kalter Luftzug ist ein typischer Auslöser.

Typischerweise ist nur einer der Äste des Trigeminusnervs betroffen, meist der 2. oder 3. Trigeminusast (Nervus maxillaris oder Nervus mandibularis).

Die Schmerzattacken treten in der Regel wiederholt und in stereotyper Weise einseitig auf. Die Attacken sind meist von kurzer Dauer und können über Wochen bis Monate mehrfach täglich auftreten, gefolgt von Phasen, in denen keine Symptome vorkommen. Zwischen den Attacken sind die Patient*innen meist schmerzfrei, allerdings hat etwa die Hälfte begleitende Dauerschmerzen im betroffenen Gebiet. Während des Schmerzanfalls spannt sich manchmal die mimische Muskulatur aufgrund des Schmerzes unwillkürlich an, was von Außenstehenden als Tic-Störung fehlinterpretiert werden kann.

Aufgrund unzureichender Bewältigungsstrategien können psychische Erkrankungen wie Depression und Angst hinzukommen.

Ursachen

Es können mehrere Ursachen für eine Trigeminusneuralgie voneinander abgegrenzt werden. Bei der klassischen Trigeminusneuralgie liegt eine Reizung des Nervs an seiner Austrittsstelle aus dem Hirnstamm durch ein benachbartes Blutgefäß vor. Der Druck bzw. die Verdrängung durch das Blutgefäß führt zum Verlust der Nervenhülle an der betroffenen Stelle. Es wird angenommen, dass dies innerhalb des Nervs zu Kurzschlüssen führen kann, bei denen Impulse von sensiblen Fasern, die z. B. Berührung oder Temperatur wahrnehmen auf Fasern, die Schmerzsignale weiterleiten, „kurzschließen“. Als Folge kommt es zu Schmerzanfällen. Die klassische Trigeminusneuralgie liegt bei etwa 80–90 % aller Fälle vor.

Eine sekundäre Trigeminusneuralgie wird durch andere (neurologische) Grunderkrankungen hervorgerufen. Dies ist bei etwa 10–15 % der Patient*innen mit einer Trigeminusneuralgie der Fall. Auslöser können Schlaganfälle im Hirnstamm, Tumore, Gefäßfehlbildungen oder multiple Sklerose sein. Patient*innen mit multipler Sklerose haben eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, eine Trigeminusneuralgie zu entwickeln (2–5 % Wahrscheinlichkeit).

In manchen Fällen kann keine Ursache gefunden werden. Man spricht dann von einer idiopathischen Trigeminusneuralgie.

Häufigkeit

  • In Deutschland leiden etwa 0,17 % (17 auf 10.000 Personen) an einer Trigeminusneuralgie.
  • Das typische Alter liegt bei 60–70 Jahren. Frauen sind bis zu doppelt so häufig betroffen wie Männer. 90 % der Patient*innen sind bei der Diagnosestellung älter als 40.
  • 80–90 % der Patient*innen haben eine klassische Trigeminusneuralgie. Bei 10–15 % liegt eine sekundäre Trigeminusneuralgie vor.
  • Eine idiopathische Trigeminusneuralgie, also eine Erkrankung ohne festzustellende Ursache, ist sehr selten.

Untersuchungen

Die Diagnose erfolgt meist anhand der Krankengeschichte (Anamnese) durch die typischen geschilderten Symptome. Außerdem wird eine neurologische Untersuchung durchgeführt.

Zum Ausschluss anderer Grunderkrankungen wird eine Magnetresonanztomografie (MRT) empfohlen. Auch Messungen der elektrischen Aktivität des Nervs (Elektrophysiologie) werden in bestimmten Fällen durchgeführt. Weitere spezifische Untersuchungen können je nach Verdachtsdiagnose notwendig sein.

Mögliche andere Grunderkrankungen (Auswahl):

Behandlung

Das Ziel der Behandlung ist es, die Schmerzen zu lindern, neuen Anfällen vorzubeugen und ggf. zugrunde liegende Erkrankungen zu behandeln.

Anfälle verhindern

Um die Häufigkeit der Anfälle zu verringern, können Patient*innen versuchen, auslösende Faktoren zu vermeiden, z. B. bei Kälte das Gesicht mit einem Halstuch bedecken, die Zähne mit lauwarmem Wasser putzen und so weit wie möglich auf der beschwerdefreien Seite zu kauen.

Medikamente

Eine medikamentöse Therapie erfolgt in Form von vorbeugenden Medikamenten, die auch im Rahmen von Epilepsien eingesetzt werden. Mittel der 1. Wahl ist bei klassischer und sekundärer Tringeminusneuralgie Carbamazepin.  Es unterbindet die Weiterleitung der Schmerzimpulse. Eine Behandlung mit „klassischen“ Schmerzmitteln, wie z. B. NSAR, ist meist nicht erfolgversprechend, da die Wirkung der Schmerzmittel erst nach dem Anfallsende einsetzt und manche Schmerzmittel auch nicht ausreichend schmerzlindernd wirken. Besprechen Sie die Einnahme von Schmerzmitteln mit Ihren behandelnden Ärzt*innen.

Wichtig ist es, bei Beschwerdefreiheit Auslassversuche zu machen, da die Beschwerden im Verlauf der Trigeminusneuralgie häufig nachlassen und nur bei etwa 1/3 der Patient*innen dauerhaft sind.

Weitere Behandlungen

Bei Patient*innen, die nicht auf eine medikamentöse Behandlung ansprechen oder bei denen die Schmerzen erneut trotz einer vorbeugenden Therapie auftreten, kann ein invasiver Eingriff erwogen werden. Hierbei kann beispielsweise durch eine Operation der Gefäß-Nerven-Kontakt unterbunden und durch Einfügen von kleinen Stücken körperfremden, künstlichen Materials (z. B. Teflonvlies) überbrückt werden. Die häufigste Komplikation ist bei diesem Verfahren eine Hörstörung auf der betreffenden Seite (bis zu 10 %). 

Ein weiteres Verfahren kann das Veröden des betreffenden Nervenganglions sein. Als gefürchtete Komplikation kann es durch den Eingriff in bis zu 4 % der Fälle zu einem intensiven Dauerschmerz (Anaesthesia dolorosa) kommen.

Prognose

Der Verlauf ist von Patient*in zu Patient*in sehr unterschiedlich. Die Sterblichkeit ist durch eine Trigeminusneuralgie nicht erhöht, die Lebensqualität kann jedoch in erheblichem Maße eingeschränkt sein. Es stehen allerdings gute Therapieoptionen zur Verfügung, die es ermöglichen, einen Großteil der Betroffenen auch langfristig beschwerdefrei zu machen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Trigeminusneuralgie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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