Definition:Lebensbedrohliche, generalisierte Form eines akuten Kreislaufversagens mit inadäqauter Sauerstoffverwertung durch die Zellen.
Häufigkeit:Auftreten bei bis zu 1/3 der Patient*innen auf Intensivstationen. Am häufigsten septischer Schock, gefolgt von kardiogenem und hypovolämischem Schock.
Diagnostik:Die Diagnose beruht auf klinischen, hämodynamischen (Hypotonie, vermindertes Herzzeitvolumen) und biochemischen (Laktatanstieg) Kriterien.
Therapie:Basis der intensivmedizinischen Schocktherapie sind Flüssigkeitszufuhr, Gabe von vasoaktiven Substanzen und Sicherstellung einer optimalen Oxygenierung. Therapie der Grunderkrankung.
Allgemeine Informationen
Definition der European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) von 2014
Auslösung eines Schocks durch unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen möglich, denen jeweils verschiedene Ätiologien zugrunde liegen können.2-3
Der distributive Schock ist hingegen (zumindest in der Frühphase) gekennzeichnet durch:
erhöhtes Schlagvolumen durch niedrigen peripheren Gefäßwiderstand
eingeschränkte Sauerstoffextraktion.
Die verschiedenen Schockformen können auch kombiniert vorkommen:
z. B. septischer Schock mit erhöhter Gefäßpermeabilität (dadurch hypovolämischer Schock) und septischer Kardiomyopathie (dadurch kardiogener Schock).
Prädisponierende Faktoren
Infektionen
KHK/myokardiale/valvuläre Erkrankungen
Traumata mit Hämorrhagien
Flüssigkeitsverlust
Allergien
ICPC-2
A07 Koma
A92 Allergie/allergische Reaktion NNB
A80 Trauma/Verletzung NNB
A85 Unerwünschte Wirk. e. Medikaments
A87 Komplikation medizinischer Behandlung
A88 Schädl. Folge physikal. Einwirkung
ICD-10
A41 Sonstige Sepsis
A41.9 Sepsis, nicht näher bezeichnet
F43 Anpassungsstörungen und Reaktion auf eine schwere Belastung
F43.0 Akute Belastungsreaktion
O08 Komplikationen nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft
O08.0 Infektion des Genitaltraktes und des Beckens nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft
O08.3 Schock nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft
O75 Sonstige Komplikationen bei Wehentätigkeit und Entbindung, andernorts nicht klassifiziert
O75.0 Mütterlicher Stress während der Wehentätigkeit und Entbindung
O75.1 Schock während oder nach Wehentätigkeit und Entbindung
O75.4 Sonstige Komplikationen bei geburtshilflichen Operationen und Maßnahmen
R57 Schock, andernorts nicht klassifiziert
R57.0 Kardiogener Schock
R57.1 Hypovolämischer Schock
R57.8 Sonstige Formen des Schocks
R57.9 Schock, nicht näher bezeichnet
T78 Unerwünschte Nebenwirkungen, anderenorts nicht klassifiziert
T78.0 Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
T78.2 Anaphylaktischer Schock, nicht näher bezeichnet
T79 Bestimmte Frühkomplikationen eines Traumas, anderenorts nicht klassifiziert
T79.4 Traumatischer Schock
T80 Komplikationen nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken
T80.2 Infektionen nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken
T80.5 Anaphylaktischer Schock durch Serum
T81 Komplikationen bei Eingriffen, anderenorts nicht klassifiziert
T81.1 Schock während oder als Folge eines Eingriffs, anderenorts nicht klassifiziert
T88 Sonstige Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert
T88.2 Schock durch Anästhesie
T88.6 Anaphylaktischer Schock als unerwünschte Nebenwirkung eines indikationsgerechten Arzneimittels oder einer indikationsgerechten Droge bei ordnungsgemäßer Verabreichung
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose Schock beruht auf verschiedenen Kriterien:1
klinische Kriterien
hämodynamische Kriterien
biochemische Kriterien.
Klinische Zeichen der Minderperfusion
Haut: kalte, marmorierte Haut (beim septischen Schock initial auch warme Haut)
3 Hauptgründe für hämodynamisches Monitoring im Schock:3
Identifizierung der Art des Schocks
Wahl der angemessenen Therapie
Kontrolle der Wirksamkeit der Therapie auf die Hämodynamik.
Im Einzelfall kann die Art des Schocks nicht allein aus Anamnese, klinischem Umfeld (z. B. floride Infektion) und körperlichem Untersuchungsbefund sicher definiert werden.1
In komplexen Situationen ist daher eine detailliertere hämodynamische Beurteilung zur Bestimmung der Art des Schocks notwendig.
Die verschiedenen Schockformen weisen unterschiedliche hämodynamische Charakteristika auf:
hypovolämischer Schock – normale LV-Funktion, kleine Herzvolumina, niedriges Herzminutenvolumen
obstruktiver Schock, z. B. Lungenembolie – erhöhter pulmonalarterieller Druck, vergrößerte rechte Herzhöhlen.
Dementsprechend ist die Beurteilung von Größe und Funktion der Ventrikel wichtiger Bestandteil der Evaluation.
Die Echokardiografie ist heutzutage ein unverzichtbares Instrument für die schnelle initiale, nichtinvasive Beurteilung.1,6
ventrikuläre Funktion (systolische und diastolisch)
Füllungszustand (Vorlast)
strukturelle Veränderungen
Die Echokardiografie ist zudem für sequenzielle Untersuchungen der Herzfunktion sinnvoll.1
In komplexen Situationen sollen zusätzliche invasive Methoden angewandt werden.1
Der Pulmonalarterienkatheter ist ein klassisches invasives Verfahren zum hämodynamischen Monitoring mit Bestimmung von u. a.:5
dem Herzminutenvolumen durch Thermodilution
dem pulmonalarteriellen Druck
dem PCWP (Pulmonary Capillary Wedge Pressure) als Parameter der linksventrikulären Vorlast
den pulmonalarteriellen und systemischen Gefäßwiderständen
dem zentralen Venendruck
der gemischt-venösen Sättigung (Abschätzung der Sauerstoffausschöpfung in der Endstrombahn).
Die arterielle Pulskonturanalyse ist ein neueres Verfahren zum Monitoring.5
weniger invasiv als Pulmonalarterienkatheter (nur zentraler Venenkatheter und arterieller Zugang nötig)
Neben Messung von Herzminutenvolumen, systemischem Gefäßwiderstand, arteriellem Druck und zentralem Venendruck ermöglicht das System Berechnung einiger Parameter, die mit dem Pulmonalarterienkatheter nicht ermittelt werden, u. a.:
ITBV (intrathorakales Blutvolumen): Beurteilung der kardialen Vorlast
GED (globales enddiastolisches Volumen): Beurteilung der kardialen Vorlast
EVLW (extravasales Lungenwasser): Erfassung einer Überwässerung
PVP (pulmonalvaskuläre Permeabilität): Differenzierung von kardialer und nichtkardialer Überwässerung
CFI (kardialer Funktionsindex): Beurteilung der ventrikulären Kontraktion
SVV (Schlagvolumenvariation): hohe Variation bei Volumenmangel, Beurteilung des Ansprechens auf Flüssigkeitstherapie.
Pulmonalarterieller Druck und Widerstand, PCWP und gemischt-venöse Sättigung können mit dem System nicht gemessen werden.
Indikationen zur Klinikeinweisung
Bei jedem V. a. auf manifestes oder drohendes Schockgeschehen
Therapie
Therapieziele
Ziel der Therapie jeder Schockform ist die Wiederherstellung einer ausreichenden Perfusion der Endstrombahn.5
Hierdurch möglichst Durchbrechung des Circulus vitiosus des Schockgeschehens und Vermeidung von (Multi-)Organversagen und Tod
Die Reaktion des Kreislaufs auf Volumengabe kann mit einem Bolustest überprüft werden.
Ein Bolustest enthält 4 Elemente, die zuvor definiert werden sollten:2
Art der Flüssigkeit
bevorzugt Kristalloide (werden gut toleriert, billig)
Geschwindigkeit und Menge
typischerweise 300–500 ml in 20–30 min
Ziel des Tests
z. B. Blutdruckanstieg (alternativ Abnahme der Herzfrequenz oder gesteigerte Urinproduktion)
Festlegung von Sicherheitsgrenzen
Zum Beispiel obere Grenze des ZVD, Ziel ist die Vermeidung der häufigsten Komplikation Lungenödem.
Alternativ kann ein Lagerungsmanöver (Passive Leg Raise, PLR) mit Anheben der Beine zur Autotransfusion durchgeführt werden.8
Auch wenn die rasche Volumengabe einer der Eckpfeiler der initialen Schocktherapie (insbesondere beim septischen Schock) ist, sollte im Verlauf eine potentiell schädliche Volumenüberladung vermieden werden9
Vasoaktive Substanzen
Verabreichung vasoaktiver Medikamente ist indiziert bei trotz Flüssigkeitsgabe unzureichendem Blutdruck/unzureichendem Herzzeitvolumen.
Blutdruck sollte individuell eingestellt werden, im Allgemeinen ist ein mittlerer arterieller Druck > 65 mmHg im Rahmen der Initialbehandlung anzustreben.1
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie - Update 2021. AWMF-Leitlinie Nr. 065061-025. S2k, Stand 20132021. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Infarkt-bedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 019-013. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen. AWMF-Leitlinie Nr. 001-020. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. Intraaortale Ballongegenpulsation in der Herzchirurgie. AWMF-Leitlinie Nr. 011-020. S3, Stand 2015. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. Intensivmedizinische Versorgung herzchirurgischer Patienten – Hämodynamisches Monitoring und Herz-Kreislauf. AWMF-Leitlinie Nr. 001-016. S3, Stand 2017. www.awmf.org
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Schockformen der IAG Schock der DIVI. Stand 2004. www.divi.de
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin/Deutsche Sepsisgesellschaft. Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge. AWMF-Leitlinie Nr. 079-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). InterdisziplinäInterdisziplinäre Behandlungspfade zur Versorgung von Patienten mit hypovolähypovolämischem Schock – Eine Empfehlung der InterdisziplinäInterdisziplinären Arbeitsgruppe (IAG) Schock der DIVI. Stand 2009. www.divi.de
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
CCC MK 26.11.2020 LL zur Volumenersatztherapie.
DDD MK 21.09.2020 neue LL, keine relevanten Änderungen.
BBB MK 16.01.2022 neue LL Anaphylaxie, Lit. aktualisiert. Wenige Änderungen.
Revision at 17.12.2015 11:21:39:
German Version
BBB MK 07.03.2018, komplett überarbeitet, LL im Text (Kardiologe)
Definition:Lebensbedrohliche, generalisierte Form eines akuten Kreislaufversagens mit inadäqauter Sauerstoffverwertung durch die Zellen. Häufigkeit:Auftreten bei bis zu 1/3 der Patient*innen auf Intensivstationen. Am häufigsten septischer Schock, gefolgt von kardiogenem und hypovolämischem Schock.