Verschiedene systemische Erkrankungen können zu Veränderungen in der Mundhöhle führen.1
Hierzu zählen z. B.:
immunologische Erkrankungen
Endokrinopathien
hämatologische Erkrankungen
systemische Infektionen
Ernährungsstörungen.
Mehrere Studien haben eine Assoziation zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus, Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Schwangerschaftskomplikationen gezeigt.2-4
Eine frühzeitige Diagnostik bei Veränderungen in der Mundhöhle kann zu einer frühzeitigen Diagnose und optimalen Behandlung beitragen.
Häufigkeit
Veränderungen in der Mundhöhle können insbesondere bei systemischen Erkrankungen häufig beobachtet werden.
Diagnostische Überlegungen
Systemische Erkrankungen gehen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher.
Kann mit blassen Schleimhäuten, atrophischer Glossitis und Candidiasis einhergehen.
Eine atrophische Glossitis kann sich bei Patient*innen mit Eisenmangelanämie, perniziöser Anämie, Vitamin-B-Mangel und diversen anderen pathologischen Zuständen als totale oder fleckenweise Papillenatrophie äußern.
Zu den möglichen Symptomen zählen Brennen, Schmerzen, Druckempfindlichkeit und Erytheme.
Eine Candidiasis kann gleichzeitig vorliegen oder eine alternative Erklärung für Erytheme, Brennen und Atrophie sein.1
9–45 % der Personen mit systemischem Lupus erythematodes und 3–20 % der Patient*innen mit diskoidem Lupus erythematodes weisen orale Läsionen auf.7
Die klinische Manifestation variiert, typische Läsionen sind:
Orale diskoide Läsionen, die sich durch eine charakteristische, klar abgegrenzte Zone mit Erythemen, Atrophie oder Ulzeration, umgeben von weißen, radiierenden Striae, äußern.
Die Läsionen gleichen den Läsionen, die bei einem erosiven Lichen planus beobachtet werden können.8-9
Behandlung der oralen Ulzera:
topische Steroide, z. B. Triamcinolon oral
bei Therapieversagen Wechsel auf hochpotentere Steroide (Betamethaseon, Colbetasol)
alternativ Calcineurininhibitoren: Tacrolimus 0,03 % oder 0,1 %10
Bei 50–80 % der Betroffenen stellen orale Läsionen die initiale Manifestation dar, sie können den Hautveränderungen 1 Jahr oder länger vorhergehen.11
Es handelt sich um multiple Blasen, die schnell rupturieren und schmerzhafte, diffuse orale Erosionen hinterlassen.
Malnutrition und Gewichtverlust können die Folge sein.12
Auch extraorale Veränderungen wie kutane Blasen, schorfbelegte Hauterosionen und eine bilaterale Konjunktivitis können vorliegen.12
Orale Läsionen lassen sich normalerweise gut mittels systemischer immunsuppressiver Therapie behandeln, gehen allerdings meist langsamer zurück als extraorale Läsionen.
Die Prävalenz oraler Läsionen variiert beim Morbus Crohn zwischen 20 und 50 %.
Bei ca. 5–10 % der Patient*innen gehen die oralen Läsionen den abdominalen Symptomen voran.
Aphthe bei Morbus Crohn
Die häufigste Form sind aphthöse Ulzera.
Weitere typische Läsionen, die verdächtig auf M. Crohn sind: Gingivahypertrophie, Pflastersteinrelief, Mukogingivitis, Lippenschwellungen mit vertikalen Fissuren, tiefe lineare Geschwüre der Wangen- und/oder Lippenschleimhaut, Lippenfissuren in der Mittellinie.
Therapie der oralen Läsionen im Zuge der Systemtherapie; bei ausbleibender Remission auch lokale Therapie mit Steroiden (als Mundspülungen oder Salben), antiinflammatorischen Salben oder Tacrolimus
Zwischen Diabetes und parodontalen Erkrankungen wie Gingivitis und Parodontitis besteht ein enger Zusammenhang.
Der zugrunde liegende Mechanismus ist dabei noch nicht geklärt.13
Es scheint sich um einen beidseitigen Zusammenhang zu handeln: Diabetes kann zu schlechter parodontaler Gesundheit führen, und schlechte parodontale Gesundheit scheint die Kontrolle eines Diabetes zu erschweren.14
Patient*innen mit schlecht kontrolliertem Diabetes leiden häufiger unter parodontalen Beschwerden als jene, die gut eingestellt sind.
Die Therapie der Parodontitis geht mit einer Senkung des HbA1c einher.13
Liegt die Thrombozytenanzahl unter 50 x 109/l, so spricht man von einer Thrombozytopenie.15
Im Anfangsstadium Erstmanifestation als orale Läsionen möglich
Leichtere Verletzungen der Mundschleimhaut während der Routinefunktionen wie Kauen oder Schlucken können zur Entstehung diverser hämorrhagischer Läsionen wie Petechien, Purpura, Ekchymose, hämorrhagischen Bullae und Hämatomen führen.
Zudem kann es schon durch leichte Verletzungen oder spontan zu Zahnfleischbluten kommen.15
Zu den möglichen oralen Manifestationen einer Leukämie zählen Schleimhautblutungen, Ulzerationen, Petechien, orale Infektionen und diffuse oder lokale Verdickungen der Gingiva.16
Orale Läsionen treten sowohl bei akuten als auch bei chronischen Formen aller Arten von Leukämie auf.
Sie können entweder das Ergebnis einer direkten Infiltration leukämischer Zellen (primär) sein oder sekundär zu einer zugrunde liegenden Thrombozytopenie, Neutropenie oder beeinträchtigten Granulozytenfunktion führen.16
infolge gestörter Immunfunktion Candidiasis, Herpes-simplex-Infektionen oder parodontale Knochendefekte.
infolge Thrombozytopenie Petechien oder Schleimhautblutungen
Auch therapieinduzierte orale Läsionen können auftreten, z. B. eine chemotherapeutisch induzierte Mukositis.
Zu den möglichen Veränderungen in der Mundhöhle zählen dentale Erosionen, Xerostomie, erhöhte Kariesanfälligkeit und Sialadenose.
Durch das Erbrechen kommen die Zähne wiederholt mit Magensäure in Kontakt, was zum Abbau des Zahnschmelzes führt.
In erster Linie ist die linguale Oberfläche der Vorderzähne im Oberkiefer betroffen.18
Dies kann zu dentaler Überempfindlichkeit gegenüber kalten und süßen Stimuli führen.
Infolge von medikamentöser Therapie (Antidepressiva, Diuretika, Laxativa), Erbrechen und übertriebener körperlicher Aktivität kann es zur Xerostomie kommen.19
Anamnese
Dauer?
Beginn?
Andere Symptome und Anzeichen?
Andere bekannte Grunderkrankungen?
Klinische Untersuchung
Lokaler Status
Bei Verdacht auf eine zugrunde liegende systemische Erkrankung sollte ein genereller klinischer Status erstellt werden.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Abhängig vom klinischen Verdacht und den klinischen Befunden
Bei Spezialist*innen
Abhängig vom klinischen Verdacht und den klinischen Befunden
Maßnahmen und Empfehlungen
Überweisung
Abhängig vom klinischen Verdacht und den klinischen Befunden
Einweisung ins Krankenhaus
Bei Verdacht auf eine schwere zugrunde liegende Erkrankung
Illustrationen
Aphthe bei Morbus Crohn (Quelle: Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/File:Aphtha2.jpg)
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Autor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Verschiedene systemische Erkrankungen können zu Veränderungen in der Mundhöhle führen.1 Hierzu zählen z. B.:
immunologische Erkrankungen
Endokrinopathien
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